Update: Schwarz-Grün auf Bundesebene? +++ Neuwahlen? (Umfragen + Kommentare) | Briefing 448 Update | PPP (Politik, Parteien, Personen)

Briefing 448-UD PPP, Neuwahlen 2024, Bundestagswahlen #btw25, Ampelregierung, Söder, Opposition, Wählen als Abwehrmaßnahme

Nachdem Civey gestern eine Umfrage  über vorzeitige Neuwahlen gestartet hat, die wir kommentiert haben, ist es relativ leicht, die heutige Umfrage als Update zu zeigen und das Mitmachen zu empfehlen.
Würden Sie eine Koalition von CDU/CSU und Grünen auf Bundesebene eher befürworten oder eher ablehnen?

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Mit dem Näherrücken der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 mehren sich Debatten um mögliche Regierungsbündnisse. CSU-Chef Markus Söder hat letzte Woche erneut seine Ablehnung gegenüber einer Koalition aus Union und den Grünen bekräftigt. „Wir als CSU wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregierung, kein Schwarz-Grün“, sagte der Bayerische Ministerpräsident am politischen Aschermittwoch in Passau. Er halte die Umweltpartei für nicht regierungsfähig.

„Schwarz-Grün hat viel Potenzial“, findet dagegen Hendrik Wüst (CDU). Der Ministerpräsident führt selbst eine schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen und sagte am Donnerstag der FAZ nach, dass dies auch eine Option im Bund sei. Angesichts des Erstarken des Rechtsextremismus forderte er, über politische Lager hinweg Brücken zu bauen. In seinem Newsletter „MerzMail” schrieb der CDU-Chef Friedrich Merz jüngst, dass er offen für Gespräche mit den Grünen sei, obschon es „keine verlockende Aussicht” wäre.

Letztes Jahr hatte Merz die Grünen laut taz noch als Hauptgegner innerhalb der Ampel bezeichnet. Im Gegensatz zu JU-Chef Johannes Winkel, für den Schwarz-Grün laut ZDF „kein Zukunftsmodell“ sei, bewerten einige Grüne Merz’ Kurswechsel positiv. Dazu gehört etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er schätze die Chancen für ein solches Bündnis nach der nächsten Bundestagswahl 2025 als „sehr groß“ ein, berichtete die tagesschau. „Wir brauchen diese Verbindung von Ökologie und Ökonomie“, argumentierte Kretschmann.

Aus unserem gestrigen Beitrag (oben verlinkt und unten angehängt) können Sie, wenn Sie möchten, bereits herauslesen, was wir von Schwarz-Grün auf Bundesebene halten würden. Mit uns dieser Meinung sind gegenwärtig 60 Prozent der Abstimmenden. Auf Länderebene gibt es schon lange schwarz-grüne Regierungen, die allererste kam sogar in meinem kleinen Heimat-Bundesland zustande. Wir haben auch dargelegt, warum vorzeitige Neuwahlen zu Schwarz-Grün oder Scharz-Grün-Gelb führen könnten und dass diese Kombination nicht helfen wird, das Land besser zu machen.

Die oben angesprochenen Unionspolitiker sind unterschiedliche Typen: Der eine denkt immer populistisch,  der andere eher taktisch, um sich für die nächsten Wahlen in NRW alle Optionen offenzuhalten. Gegenwärtig wäre in der Bevölkerung Schwarz-Grün vermutlich weniger populär als eine Koalition der Union mit der AfD, darauf deuten jedenfalls Umfragen hin, in denen zumindest Unionswähler überwiegend gegen eine Ablehnung der AfD zwecks Erhalt der Bandmauer sind. Schon daraus lässt sich ersehen, wo der Trend derzeit hingeht, auch wenn die AfD mal gerade ein paar Umfrageprozente verloren hat. Offenbar doch wegen des massiven Bevölkerungsprotests nach der Offenlegung des „Potsdam-Remigrationstreffens“. 

Ganz stimmig kommt uns das nicht vor. Bei den Protestierenden waren sicher viele Grünwähler:innen, aber ebenso sicher sehr wenige vom rechten Rand der Union und aus anderen politischen Richtungen, in denen die AfD für anschlussfähig gehalten wird, mithin wenige, die sie eventuell wählen würden, auch wenn sie nicht zum festen rechtsextremen Kern zählen. Gibt es tatsächlich einen Abschreckungseffekt durch eine (auch) grüngesellschaftliche Gegenwehr, haben also viele doch nicht gewusst, wen sie da wählen wollen? Wir werden sehen, was die Umfragne der nächsten Zeit bringen, leider auch mit dem Effekt, dass sich wieder neue politische Ereignisse darin niederschlagen werden, die möglicherweise den Rechtstrend weiter verstärken.

Genau das, was wir, neben den sachlichen Problemen im innenpolitischen Bereich auch bei Schwarz-Grün befürchten. Söder spürt schon ganz gut, dass die Union mit den Grünen als Regierungspartner im Bund wohl nicht wird gewinnen können, dennn dafür ist der Trend im rechten Teil der Wählerschaft von CDU und CSU zu klar gegen die Grünen gerichtet. Die Gefahr, dass Wähler:innen in Richtung AfD gehen, wenn es zu einer Koalition mit den Grünen im Bund kommt, ist real. Sie ist auch stärker als die Gefahr, dass die Grünen an Stimmen verlieren, denn die sind immer wieder erstaunlich flexibel, wenn es darum geht, Wendungen ihrer Partei mitzumachen, man kann auch sagen, opportunistisch.

Schwarz-Grün ist kein Schreckgespenst, auf Bundesebene. Es wäre vorbereitet durch einige schwarz-grüne Landesregierungen, die es schon gibt oder gab, aber wir sehen den Mehrwert darin nicht, selbst wenn die Grünen nicht mehr das Wirtschaftsressort führen dürften. Außenpolitisch würde eine solche Koalition vermutlich sogar ganz gut funktionieren, weil die Grünen immer weniger kritisch geworden sind, während die Union nur ihre Linie beibehalten müsste. Deren Beibehaltung ist aber kein Beitrag zur Lösung globaler Probleme. Und die braucht es jetzt, woher auch immer sie kommen soll.

TH

Sind Neuwahlen die Lösung für die aktuelle politische Situation in Deutschland? Diese Umfrage hat Civey heute gestellt.

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Forderung von CSU-Chef Markus Söder nach Neuwahlen auf Bundesebene? – Civey

Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte letzte Woche seine Forderung nach Neuwahlen. Bereits im November schlug er angesichts der Haushaltskrise und der vielen Ampelkonflikte vor, die Wahlen vorzuziehen. Aus der Union gibt es viel Rückhalt für die Forderung – etwa von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Laut Zeit warf er der Ampel im Januar auf der CSU-Klausurtagung vor, für den wirtschaftlichen Abschwung, die Migrationskrise und ungelöste Energiefragen mitverantwortlich zu sein. 

Die Ampel reagierte mit scharfer Kritik auf den Vorschlag. SPD-Chefin Saskia Esken stellte der ARD nach klar, dass die Bundesregierung in der Lage sei, Lösungen zu finden – auch für schwierige Situationen wie die Haushaltskrise. FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle kritisierte Söder auf X dafür, leichtfertige Vorschläge „angesichts von Krieg, Krise und Extremismus” zu machen. Aktuell bräuchte es „politische Klarheit, Führung und Orientierung – keine monatelange Hängepartie und Instabilität“. Während die AfD laut BR24 ebenfalls für Neuwahlen ist, hält Dietmar Bartsch (Linke) die Debatte für überflüssig. 

Die Bedingungen für vorgezogene Neuwahlen sind im Grundgesetz geregelt. Laut Webseite der Bundeswahlleiterin ist die „Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten” die Voraussetzung, die wiederum an Bedingungen geknüpft ist. Im aktuellen Fall müsste Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) laut BR24 die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Würde er keine Mehrheit erhalten, könnte der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen. Anschließend müsste innerhalb von 60 Tagen einer neuer Bundestag gewählt werden.

Was meinen Sie, wie die Abstimmung derzeit steht? Haben Sie selbst schon mitgemacht? Dann wissen Sie es. Die Politik in Deutschland ist dermaßen stressig, dass man als wohlmeinender Demokrat ständig in der Zwickmühle ist. Normalerweise würden wir über Markus Söders populistische Einlassungen schmunzeln. Wir wissen doch alle, wie sehr dieser Instinktpolitiker versucht, die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung so gut wie möglich zu erfassen und das passende Statement abzugeben, anstatt Konzeptpolitik zu betreiben, die langfristig die Menschen davon überzeugen kann, ihm zu vertrauen. Seine Auffassung von Politik ist ein Teil des Problems, nicht ein Teil der Lösung. Deswegen haben wir mit „eher nein“ gestimmt. Nicht eindeutig mit „nein“.

Die negative Grundstimmung hat das eindeutige Bekenntnis zur aktuellen Regierung verhindert.

Die Ampelregierung ist für einen Großteil der aktuellen Probleme gar nicht verantwortlich, weil sie über Jahrzehnte entstanden sind. Die mangelhafte Resilienz und Resistenz des Landes gegen Krisen beispielsweise ist von gleich mehreren Kanzler:innen geradezu arrangiert worden. Und komischerweise waren dies weit überwiegend Kanzler:innen, die aus der CDU kamen. Andererseits ist es die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kritisieren. Trotz aller Probleme, so weit sind wir noch nicht, dass die „demokratischen Parteien“ eine Einheitsfront bilden müssten, auch nicht gegen die AfD. Viele Journalisten versuchen, eine solche herbeizuschreiben, aber das ist demokratietechnisch in der Regel falsch. Es ist nur dann richtig, wenn es darum geht, im Osten die AfD möglicherweise mit allen Kräften abzuwehren, bei den nächsten Landtagswahlen, und an besseren Zeiten mitzuarbeiten, aber dieses Mal bitte ernsthaft.

Einfacher lässt sich Politik à la Deutschland nicht erklären: Aus jeder Partei kommt in dem Civey-Text mit den Zitaten genau das Erwartbare. Wer sich aktuell etwas von Neuwahlen verspricht, fordert oder begrüßt sie, bei wem das nicht so ist, der ist dagegen, wobei die Argumente variabel sind und die Schärfe unterschiedlich ausgeprägt. Nur von den Grünen ist nichts zu lesen. Zufall oder nicht, jedenfalls, für sie würde sich nicht viel ändern. Sie würden vielleicht etwas verlieren, aber wären ziemlich sicher in der nächsten Regierung wieder dabei. Sofern die SPD nicht erneut als Juniorpartner mit der nach rechts rückenden Union zusammengeht, was ihr endgültiges Aus wäre. Die Grünen sind da schmerzfreier und ihre Wähler:innen auch.

Wer jetzt für Neuwahlen stimmt, der wird voraussichtlich Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb bekommen, was schon 2017 zu Buche stand und von der FDP gekippt wurde.

Kann ein solcher Wechsel das Ziel sein? Die AfD wird nicht mitregieren, nicht auf Bundesebene, da möchten wir deren Anhängern überhaupt keine Hoffnungen machen.

Die Merz-CDU wird dieses Land aber nicht aus der Krise führen, das sollte allen klar sein. Natürlich, der Auftritt wird nicht mehr eine solche Mischung aus Inkompetenz und Arroganz sein wie gerade bei den Grünen. Die Arroganz wird aber bleiben, gerade bei jemandem wie Friedrich Merz, dem Begründer des Merz-Mittelstands mit eigenem Flugzeug. Und die Rezepte der CDU sind von gestern bis vorgestern und werden lediglich dazu führen, dass die Mehrheit zugunsten der Reichen oder des Merz-Mittelstands noch mehr geschröpft wird.

Vor allem wird dies der Fall sein, wenn die FDP auch noch dabei ist und ein gigantischer Fehler aus der Weltwirtschaftskrise von 1930 sich wiederholt und festfrisst: Die Schuldenbremse wird endgültig zur politischen Gottheit erhoben und das Land wird weiter kaputtgespart. Damals hatte man Panik vor Hyperinflation, wie sie wenige Jahre vorher zu beklagen war, aber heute weiß man, dass die Bedingungen anders sind. Und die zuletzt starke Inflation kam vor allem von den Energiepreisen, die alle anderen Preise getrieben haben. Welche Antwort will die Union darauf geben? Vermutlich, weiter teures LNG aus den USA zu kaufen, falls diese überhaupt liefern. Innovationsfeindlichkeit und strategische Mängel vor allem bei der Wirtschaftspolitik haben in der langen Kanzlerschaft Angela Merkels mit zur heutigen Situation geführt. Das wird Friedrich Merz mit BlackRock-Methoden nicht wenden können. Im Gegenteil. Deutschland wäre das letzte Land, das noch einen neoliberalen Kurs fährt und dadurch weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert.

Man sollte sich keine falschen Hoffnungen durch einen Regierungswechsel machen. 

Vielleicht könnte man eine kurze Scheinblüte erzeugen, wie Schröder mit dem Niedriglohnsektor und Merkel mit dem billigen Gas aus Russland.

Die langfristigen Schäden wären jedoch unausweichlich  und was wir seit vielen Jahren sehen, würd sich beschleunigen: Die Fähigkeit des Staates, Verfassungsvorgaben zu erfüllen, wird immer mehr reduziert. Die Folgenkette liegt auf der Hand. Man braucht ein willfähriges Verfassungsgericht, das die Akzente bei den Staatsprinzipien verschieben hilft, also kommt es zu weiteren Defiziten der Demokratie und der Grundrechte, also kommt es zu einer weiteren Rechtsbewegung. Natürlich würde das einigen gefallen, auch in der CDU. Nach den nächsten Wahlen, gleich, ob diese 2024 oder 2025 stattfinden werden, wird auf Bundesebene die „Brandmauer“ aber noch halten, da sind wir uns relativ sicher.

Man hat sich an der Ampelregierung sattgesehen, keine Frage. Es ging verdammt schnell. Wir haben sowieso keine der darin vertretenen Parteien gewählt, aber auch keine von jenen, die jetzt Neuwahlen fordern. Kämen diese Neuwahlen tatsächlich, könnten wir uns vorstellen, erstmals die SPD zu wählen. Auch sie steckt mit in der Schuld für die vergeigten Jahrzehnte, in denen es in diesem Land kaum echten Fortschritt gab, ganz klar. Das lasten wir ihr mehr an als die Tatsache, dass Olaf Scholz die Bundesregierung auf eine Weise führt, die einigen Verdruss im Land hervorruft. Auch die alte Tante ist ein Teil des Problems. Sie ist aber auch die einzige Partei, die sich zu einem Schritt vorwärts bereitfinden könnte, ohne dabei ihre Identität zu verlieren, im Gegenteil. Außerdem gibt es in ihr, neben anderen, ein paar Politiker:innen, die nicht ganz so verpeilt wirken.

Natürlich würden wir bei einer Neuwahl wieder zur Urne latschen, wir sind es in Berlin nun wirklich gewöhnt.

Aber der Spaß an der Demokratie ist nicht das Motiv für das Zotteln in die Wahlkabine. Sondern, nicht zum ersten Mal, um noch Schlimmeres zu verhindern. Und das zehrt wirklich, wirklich an den Nerven und es hört nicht auf.

Deshalb, gerade aus dieser negativen Stimmung heraus: Die Zivilgesellschaft muss sich viel mehr einbringen, viel progressiver werden, wenn sie ein besseres Land will. Sie muss der Politik unter die Arme greifen, im Sinne der Demokratie, nicht, weil sie die Politiker, die wir haben, so bezaubernd findet. Und schon gar nicht im Habeckschen Sinne, von wegen aus der gemütlichen Ecke herauskommen. Schon dieser kürzlich getätigte Spruch, der einmal mehr klarmacht, dass dieser Mann nichts dazulernt, hat den Frust bei uns noch tiefer eingegraben. Aber wir machen es nicht für ihn. Auch das Schreiben von Artikeln pro Demokratie nicht. Wir machen es trotzdem. Wir wollen der Demokratie die Stange halten. Und wir sehen durch Neuwahlen gegenwärtig keine Verbesserungsmöglichkeit, so deprimierend diese Erkenntnis sein mag. Uns ist sogar 2025 im Grunde zu früh. Es ist kaum möglich, die Schäden, die über viele Jahre angerichtet wurden, bis dahin zu beseitigen. Auch bei günstigstem erreichbarem Verlauf der Zukunft ab morgen nicht.

TH


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