Briefing 453 Wirtschaft, PPP, Verbraucherpreise, Fertigpizza, Wirtschaftsentwicklung, Stagflation, Regierungsdummheit
Wir haben schon seit ein paar Monaten nichts mehr über die Inflation geschrieben. Ist sie etwa weg? Einfach verschwunden? Mitnichten, auch wenn die Dramatik ein wenig nachgelassen hat.
Infografik: Pizza in Deutschland 10 Prozent teurer als vor einem Jahr | Statista

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Pizza ist zuletzt deutlich teurer geworden. Das zeigt der Vergleich der Verbraucherpreise für Pizza und Quiche für Dezember 2023 gegenüber Dezember 2022 auf Basis von Eurostat-Daten. Demnach sind die beliebten Lebensmittel in diesem Zeitraum in Deutschland um rund 10 Prozent gestiegen. Im Nachbarland Österreich und im beliebten Urlaubsland Kroatien liegt die Preissteigerung auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland. In Ungarn stiegen die Preise gar um 13,4 Prozent, in Dänemark blieben sie nahezu konstant. In den Niederlanden wurden die Klassiker der Convenience-Küche leicht günstiger. im Durchschnitt aller 27 EU-Länder stiegen die Preise für Pizza und Quiche um 5,9 Prozent.
Im Jahr 2023 lag die Inflationsrate in Deutschland ebenfalls bei einem Durchschnittswert von 5,9 Prozent. Die Preise für Pizza und Quiche, die oft tiefgekühlt und somit energieintensiv angeboten werden, sind in Deutschland somit überdurchschnittlich stark gestiegen. Nach dem Rekordjahr 2022 blieb die Inflation in Deutschland damit auf hohem Niveau. In den ersten Monaten des Jahres 2023 stiegen die Verbraucherpreise im Vorjahresvergleich weiter stark an, jedoch verlor die Entwicklung der Verbraucherpreise im Jahresverlauf an Dynamik.
Die Gründe für die hohe Inflation der letzten zwei Jahre sind vielfältig. Zunächst sorgte die Coronakrise und ihre Folgen für einen Anstieg der Inflationsrate, unter anderem durch unterbrochene Lieferketten und Lieferengpässe oder auch den Wegfall der temporären Senkung der Mehrwertsteuersätze. Schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine konnte ein Anstieg der Energiepreise beobachtet werden, durch den Krieg hat sich diese Entwicklung deutlich verstärkt, zudem kam es zu weiteren Lieferengpässen. Durch die hohen Preise für Energie haben sich in der Folge auch die Erzeugerpreise teilweise sehr stark erhöht, was wiederum zu einer Verteuerung von vielen Waren und Dienstleitungen, insbesondere von Nahrungsmitteln führte.
Für den Lebensmittelkauf nutzen die meisten Verbraucher in Deutschland Super- und Verbrauchermärkte sowie Discounter. Rund die Hälfte der Deutschen nutzt zudem mindestens häufig Fachgeschäfte wie Bäckereien und Fleischereien. Wichtigste Vertriebslinie im deutschen Lebensmittelhandel sind die verschiedenen Discounter, die in erster Linie durch ein breites Filialnetz und niedrige Preise zahlreichen Kunden überzeugen können.
Hier noch einmal die Daten, wie das Statistische Bundesamt sie im Januar ausgewiesen hat:
Verbraucherpreisindex, Dezember 2023:
+3,7 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+0,1 % zum Vormonat (vorläufig)
+5,9 % im Jahresdurchschnitt 2023 gegenüber 2022 (vorläufig)
Harmonisierter Verbraucherpreisindex, Dezember 2023:
+3,8 % zum Vorjahresmonat (vorläufig)
+0,2 % zum Vormonat (vorläufig)
+6,0 % im Jahresdurchschnitt 2023 gegenüber 2022 (vorläufig)
Im Leben ist nicht alles Pizza oder sollte nicht so sein, schon gar nicht in der fertigen, tiefgekühlten Form.
WIESBADEN – Die Inflationsrate in Deutschland wird im Dezember 2023 voraussichtlich +3,7 % betragen. Gemessen wird die Inflationsrate als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) nach bisher vorliegenden Ergebnissen weiter mitteilt, steigen die Verbraucherpreise gegenüber November 2023 voraussichtlich um 0,1 %. Im Jahresdurchschnitt 2023 wird die Inflationsrate voraussichtlich bei +5,9 % liegen.
Im Leben ist nicht alles Pizza oder sollte nicht so sein, schon gar nicht in der fertigen, tiefgekühlten Form. Aber wenn es so weit ist, dass man auf Angebote warten muss, die etwa 50 Prozent unter dem Normalpreis liegen, um sich keine Sorgen machen zu müssen, dass noch viel Monat übrig ist, wenn das Pizzageld zu Ende geht, dann stimmt etwas nicht. Wir haben im Jahr 2023 mehrfach darauf hingewiesen, dass die Lebensmittelinflation noch einmal erheblich höher liegt als die ohnehin hohe Teuerung bei allen Verbraucherpreisen, wie das Statistische Bundesamt sie in einem Warenkorb zusammenpackt. Dieser Warenkorb ist aber gerade nicht repräsentativ für ärmere Haushalte, die notabene häufiger Fertigpizza essen.
Die Lebensmittelinflation lag teilweise doppelt so hoch wie die Gesamtinflation, betrug im März 2023 mehr als 20 Prozent, im April 17, im Mai immer noch 14 Prozent. Für die Ärmeren lag sie, ohne dass wir das in einem Prozentsatz ausdrücken können, noch höher, weil gerade bisher günstige Produkte erheblich angezogen haben. Da war einfach weniger Luft für die Produzenten als im Hochpreisbereich, was die Absorbierung von gestiegenen Energie-, Rohstoff- und Lohnkosten angeht. Außerdem haben viele Händler die Situation ausgenutzt, um sich die Taschen richtig vollzumachen, denn wer kann schon als Verbraucher so genau bestimmen, wie hoch die notwendigen Preiserhöhungen sind und wie viel der Krisengewinnler-Gier geschuldet ist? Dazu müsste man die gesamte Produktions- und Lieferkette auf preistreibende Faktoren hin checken können, und das können nur Branchen-Insider.
Wir verstehen die Probleme während der Corona-Krise, aber die Inflation hat erst durch den Ukrainekrieg so richtig Fahrt aufgenommen, und dazu können wir nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Bundesregierung. Und danke für nichts. Kein Klimageld, aber ständig wird auch noch ganz bewusst an der Preisschraube gedreht, wie jetzt wieder am CO2-Preis, während die Hilfen, die die Energiepreise auf ohnehin sehr hohem Niveau abfedern sollten, auslaufen. Herzlichen Glückwunsch natürlich auch an das Bundesverfassungsgericht, das offensichtlich die Verfassung durch seine Entscheidungen beschädigen will, indem es die Akzeptanz der Demokratie in der ärmeren Hälfte der Bevölkerung ruinieren hilft. Man merkt es in den letzten Jahren immer häufiger: Da sind Menschen am Werk, die entweder keinen Zugang zur Wirklichkeit und den politischen Folgen ihrer Entscheidungen haben, oder es steckt Absicht dahinter. Wenn dann noch eine Klassistenpartei wie die FDP in der Bundesregierung ihr Unwesen treibt, bleibt der Pizzaofen bei vielen wohl bald endgültig leer. Wir haben den Preis für eine bestimmte Sorte Fertigizza gut im Kopf: Vor zwei Jahren kostete das Produkt 2,69 Euro, jetzt sind es 3,49 Euro. Die Corona-Krise war es nicht, der Sprung kam erst danach. Sie brauchen nicht groß zu rechnen, es ist ein Aufschlag von 30 Prozent. Passt exakt zu unserem Eindruck bezüglich der Preisentwicklung gerade bei früher günstigen Lebensmitteln und zu einer Preissteigerung von fast 20 Prozent im vergangenen Jahr um diese Zeit und 10 Prozent im laufenden.
Bei einer Familie von drei oder vier Personen summieren sich solche Aufschläge über die gesamte Produktpalette hinweg ganz schnell zu einem Hunderter oder zweien mehr pro Monat, die im ohnehin knappen Budget woanders fehlen. Dies wiederum bremst den Konsum bei Gebrauchsgütern und damit die Wirtschaft.
Hinzu kommt, dass gerade aus dem grünen Lager immer wieder Statements abgesondert werden, die darauf hinauslaufen, dass Lebensmittel eh zu günstig sind. Kein Wunder, dass in weiten Kreisen der Bevölkerung der Eindruck entsteht, man hat es mit Menschen zu tun, die geradezu darauf abzielen, Armut zu erzeugen und in letzter Konsequenz Hunger. Es ist ja auch nicht falsch: Die FDP verhindert, dass investiert und abgefedert werden kann und die Grünen ziehen Projekte durch, die im Moment, ganz, ganz vorsichtig ausgedrückt, mit viel mehr Fingerspitzengefühl angegangen werden und sozial gegengerechnet werden müssten. Da ist dann wieder die FDP vor. Dazwischen sitzt der Kanzler und versucht, diesen Mist zu moderieren, anstatt endlich durchzugreifen, und die Rüstungsausgaben müssen ja auch noch mit irren Raten steigen.
Wem an diesem künstlich geschaffenen Desaster nicht irgendetwas falsch vorkommt, der hat eben diese wurschtige Einstellung, die man sich leisten können muss. Er sieht aber nicht, dass auch auf ihn Unheil zukommen könnte, sofern er nicht gerade beim Staat beschäftigt ist, wo niemand alleine gelassen wird. Wenn der Preisauftrieb immer weiter die Wirtschaft schädigt, wird die Basis für vieles entfallen, was jetzt der Mittelstand noch so kommod findet. Gerade wieder hat ein Solar-Hersteller verkündet sich aus Deutschland zurückzuziehen, weil die Bundesregierung zu allem anderen auch nicht in die Pötte kommt, was Planungssicherheit und Ausgleich für Wettbewerbsnachteile gegenüber subventionierter Konkurrenz aus dem Ausland angeht. Ein weiterer, symbolischer und realer politisch mitverursachter Schaden, und das noch im Osten, wo eh schon so viele AfD wählen. Das ist nur ein Beispiel. Wir sind keine Fans des ewigen Jammerns der Wirtschaft, der es nie profitabel genug sein kann, aber wir können unterscheiden zwischen diesem Jammern und einer echten Krise, die sich auch in Zahlen messen lässt. Wer glaubt, wir kämen ohne echte Wertschöpfung aus, der soll sich anschauen, wie andere Länder es machen, die das auch geglaubt haben. In den USA werden die gigantischsten Subventionen aller Zeiten auf den Weg gebracht, um das Blatt zu wenden, während wir hier in der FDP-idiotisierten Schuldenbremse feststecken, obwohl der Schuldenstand hier viel mehr Spielraum ließe als in anderen Ländern. Das wird aber nicht so bleiben, wenn die Einnahmen weiter zurückgehen und sich bestimmte Kosten nicht dämpfen lassen, andere sogar bewusst erhöht werden, wie das erwähnte Rüstungsbudget.
Was wird am Ende stehen? Eine weitere Verarmung derjenigen, die keine Lobby haben. Zum Beispiel der Menschen, die ab und zu auf eine billige Pizza angewiesen sind, um ihren Haushalt finanziell nicht über die Wupper gehen zu lassen. So wird seit Jahrzehnten an der Substanz genagt. Neu ist aber das Tempo, in dem das geschieht. Das ist höher als bei jeder anderen verpeilten Regierung zuvor, die Deutschland in den letzten Jahrzehnten hatte. Billige Pizza ist nicht alles, aber ohne eine einigermaßen kluge Wirtschaftspolitik wird bald alles nichts sein. Damit es auch wirklich geglaubt wird: Die Produktion von Kraftfahrzeugen ist in Deutschland innerhalb weniger Jahre um mehr als ein Drittel geschrumpft, von 5,5 auf gegenwärtig noch 3,6 Millionen. Wer glaubt, das kann weg, weil unökologisch, der übersieht, dass das in diesem Tempo nicht ohne dramatische Verluste an Wohlstand gehen kann, weil es nicht durch neue Technologien mit ähnlich wertschöpfenden Arbeitsplätzen kompensiert wird. Es ist unglaublich, wie wenig hier aus den Fehlern gelernt wird, die andere Länder schon hinter sich haben und an deren Korrektur sie jetzt mit riesigem Aufwand arbeiten.In
Die Politik in Deutschland, die eine veritable Stagflation (Inflation ohne Wirtschaftswachstum) verursacht hat, ist so retardiert, dass unser warnender Ton früherer Jahre einem Ausdruck blanken Entsetzens gewichen ist. Wir haben schon die Schwächen von Angela Merkels Regierung ziemlich klar benannt, aber dass die neue Regierung es schafft, da noch eins draufzusetzen, das hätten wir nicht für möglich gehalten. Wir sind ja für die ökologische Transformation der Wirtschaft, aber sie darf natürlich nicht dazu führen, dass nichts mehr da ist, was transformiert werden könnte. Durch Zerstörung der Industrielandschaft kann man den CO2-Wert natürlich auch senken und gleichzeitig die Preise für die Verbraucher:innen hochtreiben.
Zum Glück haben wir nicht gerade Fertigpizza gegessen, die käme uns jetzt vielleicht hoch, wo wir gerade denken: Es ist nicht komplett falsch, vor allem, wenn man weitere Fails auf anderen Politikgebieten wie der Außenpolitik hinzurechnet, dass gewisse Menschen die aktuelle Bundesregierung als die dümmste in Europa bezeichnen. Es klingt vielleicht populistisch, aber widerlegen Sie es mal, wenn Sie können. Dann werden wir Ihnen entgegenhalten, dass Deutschland nicht nur die schwächste Wirtschaftsentwicklung aller wichtigen Volkswirtschaften ausweist, sondern mittlerweile auch die gesamte EU mitzieht, denn überall werden jetzt die Prognosen nach unten korrigiert, weil Deutschland als wichtigste Wirtschaft in der EU so schwach dasteht. In Frankreich z. B. gerade von 1,4 auf 1 Prozent Wachstum im Jahr 2024. Immerhin ist es noch ein Plus, anders als bei uns. Deutschland ist auch das einzige G7-Land, dessen Wirtschaft noch nicht die Vor-Corona-Zahlen überschritten hat.
Zehn Prozent Pizzaaufschlag, null Prozent Wachstum trotz Rüstungsboom und stark zunehmender Bevölkerung = realer Wohlstandsverlust vor allem dort, wo eh wenig Wohlstand herrscht. Hier haben wir einen Satz rausgenommen, weil Sonntag ist und die Geschäfte geschlossen sind.
TH
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