Briefing 464 Wirtschaft, Economy, Verbraucher, Smartphones, Nachhaltigkeit
Haben Sie schon einmal ein faires Handy ausprobiert? Im Grunde läuft Nachhaltigkeit bei Smartphones immer noch unter dem Radar, weil die Techniksprünge so konzipiert werden, dass nach spätestens vier Jahren ein Modell nicht mehr upgedated wird und außerdem kommt derzeit noch der Wechsel von 4G auf 5G als Verkaufs- und damit Ressourcenverbrauchsantreiber hinzu.
Einige Hersteller wollen das anders machen, damit beschäftigt sich die folgende Statista-Grafik:
Infografik: Nachhaltige Handys – das sind die aktuellen Modelle | Statista
Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Austauschbare Akkus, modulare Bauweise, recycelte Materialien – das Thema Nachhaltigkeit hat seit einiger Zeit im Smartphone-Bereich Einzug gehalten. Die Statista-Grafik vergleicht aktuelle Modelle von Herstellern, die Langlebigkeit und Ressourcenschonung über schnelle Prozessoren und High-End-Kameras stellen. Am bekanntesten dürfte dabei das Fairphone sein, dessen neuestes Modell – das Fairphone 5 – technologisch an Modelle der herkömmlichen unteren Mittelklasse heranreicht.
Zu den Highlights der Geräte zählen die austauschbaren Akkus und die modulare Bauweise, bei der Bauteile miteinander verschraubt und nicht verklebt sind. Dadurch können diese später ausgetauscht werden. Beim Fairphone 5 und dem Shift 6mq ist das den Herstellern zufolge auch Daheim und in Eigenregie möglich. Shift legt für diese Zwecke sogar einen passenden Schraubendreher bei. Ersatzteile wie Akkus, Kameramodule oder Fingerabdrucksensoren können im Onlineshop bestellt werden.
Hersteller Rephone unterstützt die Selbstreparatur nicht im selben Maße, kann dafür allerdings mit einer Produktion in Deutschland punkten. Hierdurch könne man „einen fairen Umgang mit Mensch und Umwelt“ sicherstellen. Technisch kann das Rephone nicht mit dem Fairphone oder Shift mithalten, insbesondere das in die Tage gekommene LC-Display dürfte einige potenzielle Käufer durch die geringe Helligkeit und den eingeschränkten Blickwinkel abschrecken. Dafür ist das Rephone bereits für einen Straßenpreis von knapp über 200 Euro erhältlich.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte waren die Konsument:innen nicht bereit, für „Made in Germany“ irgendwelche Abstriche bei Funktionabilität, Design und Modernität von Produkten zu machen. Nicht einmal die hiesigen Autos sind „safe“, wenn sie technologisch zurückfallen sollten. Im Ausland schon gar nicht. Außerhalb dieser Branche gibt es hierzulande sowieso kaum noch wettbewerbsfähige Konsumprodukte, bei den Handys wurde der Anschluss verpasst, als Fujitsu Siemens nicht mehr mithalten konnte, ungeachtet der Tatsache, dass die Geräte schon nicht mehr in Deutschland hergestellt wurden. Selbstverständlich ist Nachhaltigkeit auch mit regionaler Produktion verbunden, aber in manchen Bereichen spielt das sicher eine größere Rolle als ausgerechnet bei den Smartphones, zum Beispiel bei der Lebensmittelproduktion.
Die beiden bekannteren unter den in der Grafik vorgestellten Produkten hingegen werden sowieso in China hergestellt, wie eigentlich alle Smartphones, auch wenn sie die Logos von Apple oder Samsung tragen. Chinas Industrie bläst mittlerweile achtmal mehr CO2 in die Luft als die jedes anderen Landes inklusive der USA (der Gesamtausstoß ist wegen der geringeren Emissionen der Privaten „nur“ doppelt so hoch wie de amerikanische). Wir können uns schlechterdings nicht vorstellen, wie echte Nachhaltigkeit unter diesen Umständen aussehen soll.
Die Reparaturfähigkeit ist, wenn man es genau nimmt, eher ein Gimmick als eine echte Verbesserung, gerade bei Konsumprodukten, die aus technischen Gründen in der Regel nach wenigen Jahren ausgetauscht werden, ohne dass daran etwas beschädigt und zu reparieren wäre. Deswegen wagen wir zu bezweifeln, dass sich ein Handy, das technisch die untere Mittelklasse repräsentiert, für 700 Euro auf breiter Basis verkaufen lässt. Eine andere Logik wäre dann gegeben, wenn die Geräte sich ohne größeren Ressourcenverbrauch immer wieder an den technischen Standard anpassen lassen würden. Das ist aber etwas anderes als der Austausch eines Akkus, sondern greift tief in die Architektur und Konfiguration der Geräte ein. Das heißt, es ist nur etwas für Technikfreaks, ebenso wie das halbwegs aktuell halten eines älteren Laptops oder sonstigen Computers, das sich außerdem auch noch rechnen sollte.
Nachhaltige Produktion wäre vor allem dann gegeben, wenn der technische Stand auf vorhandene Geräte jeder Preisklasse immer wieder aufgespielt werden könnte. Es ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, dass der weltgrößte Mobiltelefon-Hersteller Samsung den Support für seine Geräte im Jahr 2022 von vier auf fünf Jahre verlängert hat. Dies wird, bei entsprechender Haltbarkeit der Hardware, mehr für die Nachhaltigkeit bringen als Features, die bei normalem Betrieb selten abgerufen werden dürften – und wenn, dann wohl eher bei Produktionsfehlern noch innerhalb der Garantiezeit.
TH
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