Mehr politische Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern? | Briefing 467 | Gesellschaft, Wirtschaft

Briefing 467 Gesellschaft, Wirtschaft, Weltfrauentag, Gleichstellung, Erwerbstätigkeit, Erwerbsquoten, Gender Pay Gap, Equal Pay Day

Auch in diesem Jahr möchten wir wieder einen Blick auf den Weltfrauentag werfen, und fangen dabei mit einer Umfrage an:

Civey-Umfrage: Sollte die Bundesregierung Ihrer Ansicht nach eher mehr oder eher weniger Maßnahmen zur Gleichstellung von Männern und Frauen ergreifen? – Civey

Dazu der Begleittext aus dem Civey-Newsletter von heute,, anschließend ein Kurzkommentar von uns:

Heute, am 8. März, ist internationaler Frauentag. Rein rechtlich ist die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland erreicht. Doch in der Realität haben Frauen noch nicht in allen Bereichen gleiche Chancen. Das zeigt sich etwa in der Arbeitswelt beim Einkommen. Dem Statistischen Bundesamt nach lag der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen letztes Jahr 18 Prozent unter dem von Männern. Zudem leisten Frauen durchschnittlich 43 Prozent mehr unbezahlte Sorge-Arbeit als Männer, wie aktuelle Daten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts zeigen. Auch dieser Umstand trägt zu ungleichen Karrierechancen bei.

Im Jahr 2020 wurde die nationale Gleichstellungsstrategie beschlossen. Diese formuliert insgesamt neun Ziele, darunter die Einkommensgleichheit und die Aufwertung sozialer Berufe. Durch die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll eine gleichberechtigte Verteilung von Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern gefördert werden. Zudem werden die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Führungspositionen, Parlamenten sowie die gleichberechtigte Präsenz in Kultur und Wissenschaft als Ziele definiert.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) wirft der Bundesregierung Untätigkeit vor. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte jüngst im RND Gleichstellungsmaßnahmen, die einen echten Kulturwandel begünstigen – so wie es die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen hatte. Die Politik müsse Anreize für eine partnerschaftliche Aufgabenverteilung setzen, so Hannack. Konkreten Handlungsbedarf sieht sie etwa beim Elterngeld oder der Besteuerung von Ehepaaren. Ein zweiwöchiger, voll bezahlter Sonderurlaub für Väter wäre ebenfalls ein wichtiger Beitrag, um traditionelle Rollenmuster aufzulösen.

Diesen Artikel zu diesem Zeitpunkt zu veröffenlichen, war möglich, weil der Weltfrauentag in Berlin ein Feiertag ist und daher für alle Geschlechter in dem Maße arbeitsfrei, wie sie nicht generell an Wochenenden und Feiertagen immer wieder im Job sind.

Wir haben für „eindeutig mehr Maßnahmen“ gestimmt. Es versteht sich von selbst, dass der „echte“ Gender Pay Gap, nämlich, dass Frauen bei vergleichbarer Tätigkeit ebenso bezahlt werden müssen wie Männer, geschlossen werden muss. Dieser „echte“ Gap liegt immer noch bei ca. 5 bis 6 Prozent. Der „unechte“ Gap ist schwieriger zu schließen, weil er mit der Marktbewertung verschiedener Berufe zusammenhängt. Wir haben das immer wieder gerne anhand eines IT-Fachmanns und einer Pflegefachkraft erläutert. Im IT-Bereich, der nach wie vor männerdominiert ist, wird für Arbeiten wesentlich mehr gezahlt, die nach unserer Ansicht nicht anstrengender, nicht wertvoller und auch nicht qualifizierter sind als alles, was sich im Care-Cluster abspielt.

Der Markt hat aber, ungerecht, wie er häufig ist, entschieden, dass IT-Menschen das Geld geradezu in den Hintern geblasen wird, während eine der schwersten Arbeiten, die es heute noch gibt und die gesellschaftlich absolut unerlässlich ist, nur etwa halb so hoch vergütet wird. Im Durchschnitt natürlich und ungeachtet der Aufwertung dieser Arbeit in den letzten Jahren, die sich jetzt auch finanziell ein wenig auswirkt. Allerdings nicht so, dass die hohe Inflation der letzten beiden Jahre abgedeckt wäre. Das heißt, auch in diesem Bereich gab es trotz guter Tarifabschlüsse einen Reallohnverlust.

Und der trifft vor allem Frauen, weil sie nun einmal die Mehrzahl derer darstellen, die sich bei immer noch eklatantem Personalmangel diesen Stress antun. Das ist natürlich nur ein Beispiel von vielen, aber eines, mit dem wir uns mittlerweile ein wenig auskennen. Einige Beobachtungen aus dem Bereich sind aber für einen Artikel zum Weltfrauentag nicht perfekt geeignet, wir werden sie an anderer Stelle referieren.

Erwartungsgemäß ist das Abstimmungsverhalten von Männern und Frauen heute unterschiedlicher als bei den Civey-Umfragen üblich. Während fast 35 Prozent der Abstimmenden für eindeutig mehr gestimmt haben, waren es unter den Männern nur 24 Prozent, umgekehrt natürlich bei der Wahlmöglichkeit, dass eindeutig weniger für die Frauenförderung getan werden soll: 23 Prozent aller Abstimmenden tendieren so, aber 28 Prozent der abstimmenden Männer. Daraus könnte man nun die Anteile abstimmender Frauen und Männer errechnen, aber das lassen wir an dieser Stelle sein und sind doch erstaunt darüber, dass auch einige Frauen lieber weniger Frauenförderung hätten.

Ganz unsinnig ist diese Haltung natürlich nicht, denn vor allem privilegierte Frauen fahren immer noch weit besser, beruflich und finanziell, als nicht privilegierte Männer. Die Klassenunterschiede sind heutzutage bei weitem größer als die Geschlechter-Unterschiede. Wenn eine Frau also ganz auf sich selbst bezogen denkt und nicht ihre vielen benachteiligten Geschlechtsgenossinnen im Blick hat, dann spiegelt diese Ablehnung von mehr Frauenförderung eben ihre persönliche, neoliberale Sicht.

Interessante Zahlen zur Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen in Berlin gibt es hier:

 Erwerbsleben – Berlin.de.

Die Erwerbsquoten von Frauen und Männern sind fast gleich. Jedoch: Männer sind weitaus häufiger in Vollzeitjobs tätig, und wenn diese auch noch gemäß dem „unechten“ Gender Pay Gap im Durchschnitt um ca. 20 Prozent besser bezahlt sind, dann ergibt sich unweigerlich ein großer Unterschied bei den Renten. Deshalb u. a. die aktuelle Diskussion um die (unbezahlte) Sorgearbeit, die von Frauen nach wie vor weitaus häufiger verrichtet wird als von Männern. Der „unechte“ Pay Gap ist derjenige, der mit dem sogenannten Equal Pay day begangen wird. Dieser wiederum lag jahrelang, aufgeladen mit der entsprechenden Symbolik, auf demselben Datum wie der Weltfrauentag, dieses Jahr ist er am 6. März. Es wird aber gleich darauf hingewiesen, dass diese leichte scheinbare Verbesserung dem Schaltjahr zuzurechnen sei. 

Equal Pay Day

Trotzdem muss es eine Veränderung gegeben haben, denn jahrelang wurde der „unechte“ Gender Pay Gab mit 20 bis 22 Prozent beziffert, derzeit sind es 18 Prozent.

Auf den ersten Blick haben Frauen im Öffentlichen Dienst sogar mehr als die Gleichstellung erreicht:

Frauenanteil im öffentlichen Dienst 2022 | Statista

Gerade bei den sichersten Jobs haben Frauen mittlerweile mit 58 Prozent der Erwerbstätigen ein deutliches Übergewicht, das es vor 25 Jahren noch nicht gab, damals waren die Zahlen ausgeglichen. In Berlin beträgt die Frauenquote im Öffentlichen Dienst 54 Prozent, in Brandenburg sogar 64 Prozent. Selbstverständlich keine Ausnahme wie der Öffentliche Dienst ohne Ausnahme: Die Teilzeitbeschäftigten sind auch hier zu über 70 Prozent Frauen, sie stellen aber nur 48 Prozent der Vollzeitbeschäftigten. Dies lässt darauf schließen, dass vor allem hoch dotierte Vollzeitjobs zu einem höheren Anteil von Männern ausgeübt werden, als es deren Gesamt-Erwerbsquote im Öffentlichen Dienst entspricht. Mithin leisten Männer selbst im Öffentlichen Dienst mehr Arbeitsstunden als Frauen. Dies wiederum deutet auf eine nach wie vor nicht ausgeglichene Arbeitsverteilung bei der Familienarbeit, der Hausarbeit und der Sorgearbeit im privaten Bereich hin.

TH

 

 

 

 

 


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