Deutsche geben mehr aus für Kaffee als Italiener … (Statista + viele Zusatzinfos) | Briefing 469 | Wirtschaft, Gesellschaft

Briefing 469 Wirtschaft, Kaffeegenuss, Gesellschaft, Kultur, Café, Kaffeekonsum, Kaffee zu Hause und auswärts

… aber nicht annährend so viel wie die Dän:innen. 

rinken Sie lieber Tee oder Kaffee? Auch wenn Sie lieber Blätter ziehen lassen als Bohnen mahlen, vielleicht ist die nachfolgende Statistik doch interessant für Sie und das, was wir zusätzlich berechnet und an Infos zusammengetragen haben.

Infografik: Deutsche geben mehr aus für Kaffee als Italiener | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Deutschen geben Schätzungen der Statista Market Insights zufolge 295 Euro pro Kopf und Jahr für Kaffee aus. Das sind 76 Euro mehr als Italiener und 98 Euro mehr als die Franzosen für das beliebte Heißgetränk ausgeben. An der Spitze des Ländervergleichs liegt mit großem Abstand Dänemark mit 1.206 Euro. Wie kommen die teils beträchtlichen Unterschiede zustande? Hierbei spielen zum einen die unterschiedlichen Preise für Nahrungs- und Genussmittel eine Rolle, wie die diese Statista-Grafik veranschaulicht. Zum anderen fällt der Kaffeekonsum in den gezeigten Ländern unterschiedlich hoch aus (siehe dazu diese Statista-Grafik). So wird in vielen skandinavischen Ländern deutlich mehr Kaffee getrunken als im Süden oder Osten Europas.

Das im Statista Market Insight analysierte Marktsegment Kaffee beinhaltet sowohl Röstkaffee als auch löslichen oder Instant-Kaffee. Nicht enthalten sind trinkfertige Kaffeegetränke, welche im Segment Trinkfertige (RTD) Kaffeegetränke in den Alkoholfreien Getränken aufgeführt werden. Röstkaffee beinhaltet gemahlenen Röstkaffee, ganze Kaffeebohnen sowie Pads und Pods (Single-Serve Kaffee). Instant-Kaffee beinhaltet löslichen Kaffee, für den außer heißem Wasser keine weiteren Geräte zur Zubereitung notwendig sind.

Rund drei Viertel der Umsätze werden dabei vom Außer-Haus-Markt generiert, also über die Gastronomie (z.B. Coffee Shops, Cafés und Restaurants, aber auch Bäckereien und Tankstellen). Ein Viertel der Umsätze werden im so genannten Zu-Hause-Markt erzielt. Im Einzelhandel stellt hier Nestlé mit seinen Marken Nespresso und Nescafé den nach Umsatz bedeutendsten Player dar. Weitere Top-Player sind Jacobs Douwe Egberts (JDE), Keurig Dr Pepper, Tchibo, J.M. Smucker und Lavazza. Außer Haus sind Starbucks, Tim Hortons, Panera Bread, Costa Coffee und Dunkin‘ Donuts als bedeutendste Unternehmensgruppen zu nennen.

Die Italiener mit ihrem Espresso hätten wir für typisch kaufstarke Kaffeetrinker gehalten, hingegen scheint der Kaffeegenuss in Dänemark ein richtiger Volkssport zu sein. Wir haben mal ein mittelpreisiges Kaffeeprodukt für 6 Euro pro Pfund zugrunde gelegt und folgende Rechnung aufgestellt:

500 Gramm Kaffee können ungefähr 60 Tassen Kaffee ergeben, je nachdem, wie stark der Kaffee gemahlen ist und wie stark der Kaffee in jeder Tasse gemischt wird.

Wie Viel Tassen Kaffee kannst du aus 500g bekommen? Jetzt herausfinden! – KaffeeKnaller.de

Wir haben den Trinker von etwas stärkerem Kaffee im Blick und auch der Einfachheit halber nehmen wir 50 Tassen an. Also 10 Gramm Kaffee pro Tasse. Nun ein einfacher Dreisatz: Wenn 500 Gramm 6 Euro kosten, wie viel kostet dann eine Tasse Kaffee? Die Antwort: 12 Cent. Sagen wir, die Preise sind in Dänemark etwas höher, gehen wir also von 15 Cent pro Tasse Kaffee aus. Wiederum, weil es einfacher ist, nehmen wir den Pro-Kopf-Umsatz von Kaffee in Dänemark mit 1.200 Euro pro Jahr an und teilen ihn durch 15 Cent. Die Dänen trinken demnach 8.000 Tassen Kaffee im Jahr. Nehmen wir, selbstverständlich wiederum der Einfachheit halber, das Jahr mit 350 Tagen an, dann trinkt jeder Däne, jede Dänin, vom Baby bis zum Greis oder zur Greisin, täglich aufgerundet 23 Tassen Kaffee.

Wenn wir uns jetzt nicht grob verrechnet haben, müssten wir davon ausgehen, dass etwas faul ist im Staate Dänemark. Kein Mensch schafft 23 Tassen Kaffee am Tag und kann dabei auch noch schlafen. Auch die Dän:innen müssen aber vermutlich ein paar Stunden am Tag schlafen, trotz des vielen Kaffees, den sie intus haben. Wir machen noch schnell die Gegenrechnung: Der Kaffee-pro-Kopf-Umsatz beträgt in Deutschland etwa ein Viertel des dänischen. 23 Tassen geteilt durch 4 = 5,75 Tassen pro Tag, wegen der etwas günstigeren Preise aufgerundet auf 6 oder auch 7 Tassen.

Das ist auch ganz schön happig, wir sind klar eher Kaffee- als Teetrinker und kommen auf durchschnittlich zwei Tassen pro Tag, aber auch nur, weil wir gegenwärtig vergleichsweise lange Arbeitszeiten zu absolvieren haben. Es gibt aber Kolleg:innen, die trinken bis zu 8 Tassen pro Tag. Trotzdem kommen uns 7 Tassen pro Kopf als Durchschnittsverbrauch in Deutschland (wieder vom Baby bis zum Lebensende) irgendwie zu hoch vor.

Im zweiten Quartal 2022 konsumierten Kaffeetrinker pro Kopf und pro Tag durchschnittlich 3,8 Tassen. Das sind fünf Prozent mehr als im Gesamtjahr 2021 (3,6 Tassen) und plus neun Prozent im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 (3,5 Tassen).

Deutscher Kaffeeverband

Der Kaffeeverbrauch steigt also auch in Deutschland, erreicht aber bei Weitem keine 7 Tassen und die obigen Angaben sind nur auf Kaffeetrinker:innen bezogen, nicht auf die Gesamtbevölkerung. Allerdings ist die Zahl der Kaffeetrinker:innen gar nicht so viel niedriger als die der Bevölkerung. Das ist schon beinahe bedenklich, denn Kinder und Menschen mit schwachem Herz sollten mit dem Koffeinprodukt etwas vorsichtig sein. Nun müssen wir doch nochmal etwas tiefer schürfen:

  • Der Konsumort Nummer eins ist das private Umfeld. Rund 81 Prozent des in Deutschland getrunkenen Kaffees wird im eigenen Zuhause, bei Freunden, Bekannten oder Verwandten genossen.
  • Jede fünfte Tasse wird außerhalb der eigenen vier Wände konsumiert. Am häufigsten (12 %) am Arbeitsplatz. 4,6 Prozent des Kaffees wird in Gastronomie-Locations verzehrt und 2,3 Prozent „to-go“.
  • Filterkaffeemaschinen sind am häufigsten verbreitet. 31 Prozent der deutschen Haushalte besitzen einen Kaffeevollautomaten – Tendenz steigend. Am häufigsten ist aber ein altbekannter Klassiker, die Filterkaffeemaschine, vertreten. Sie ist in jeder zweiten Küche (46 %) zu finden. Zusammen bereiten Kaffeevollautomat und Filterkaffeemaschine zu Hause 57 Prozent aller Tassen zu.
  • Es darf gern ein Tässchen mehr sein. 65 Prozent der regelmäßigen Kaffeetrinker genießen mehrfach am Tag Kaffee oder Kaffeegetränke. Weitere 27 Prozent einmal täglich und acht Prozent mehrmals über die Woche verteilt. Insgesamt gibt es 66 Millionen Kaffeetrinker in Deutschland.

PM_Fakten_2021_So_trinkt_Deutschland_Kaffee.pdf (kaffeeverband.de)

Wir behalten die oben großzügig berechneten 7 Tassen im Blick und kommen demnach auf etwa 9 Tassen pro Tag bei allen Kaffeetrinker:innen, also abzüglich aller Nicht-Kaffeetrinker:innen in Deutschland. Das ist wirklich ganz schön viel. Kann das stimmen?

Des Rätsels Lösung liegt auf der Hand: Zwar werden in Deutschland 81 Prozent des Kaffees zu Hause (oder auf der Arbeit?) konsumiert, nicht im Café oder Restaurant, aber trotzdem dürfte ein Gutteil des Umsatzes auf die Gastronomie entfallen. Und dort kostet eine Tasse Kaffee eben nicht 12 oder 15 Cent, sondern, freundlich gegenüber galoppierenden Gastronomie-Inflation gerechnet, 3 Euro. In Berlin ist das schon eher billig, mittlerweile, aber hier haben die Preise zuletzt auch besonders stark angezogen. Mit nur 100 Tassen im Jahr kommt also schon der obige Durchschnittsumsatz zustande.

Geht man anhand des Textes in der Grafik davon aus, dass der Gastronomieanteil am deutschen Kaffeeverbrauch etwa 75 Prozent der 295 Euro beträgt, dann kommt man auf einen „Auswärts-Kaffeeumsatz“ von ca. 220 Euro. Das sind nach der obigen, überschlägigen Rechnung knapp 75 Tassen Kaffee. Bleibt außerdem nur noch ein Rest von 75 Euro für den „Kaffee zu Hause“. Das sind nach unserer obigen Berechnung etwa 500 Tassen Kaffee (bei 15 Cent, nicht bei 12 Cent pro Tasse).

Somit kommen wir auf einen Gesamtverbrauch in der Bevölkerung von etwa 575 Tassen Kaffee pro Kopf und Jahr, also, sagen wir, knapp 2 Tassen. Der Kaffeeverband hat unter den Kaffeetrinker:innen sogar erheblich mehr errechnet, 3,8 Tassen. Vielleicht gibt’s den Kaffee im Café und bei guten Angeboten im Supermarkt doch etwas günstiger, als wir es oben im Durchschnitt angenommen haben, vielleicht trinken viele Menschen doch lieber Blümchen- oder Milchkaffee mit mehr Milch als Kaffee. Alles möglich. Aber im Rahmen der Toleranz.

Wir haben gerade gesehen, dass Statista auch dazu eine Grafik gemacht hat:

Infografik: Die Deutschen trinken 450 Tassen Kaffee im Jahr | Statista

Das war im Jahr 2021, seitdem ist der Kaffeeverbrauch wieder gestiegen, grob deckt sich das aber ganz gut mit unserer Berechnung. Die Dänen kommen demnach auf 575 Tassen. Das ist mehr, spiegelt aber bei weitem nicht den großen Unterschied beim Umsatz mit Kaffee.

Die Lösung bezüglich der dänischen Mega-Ausgaben dürfte wohl sein, dass die Dän:innen anteilig viel mehr Kaffee auswärts trinken, also sich häufiger und länger ins Café setzen und dass dort die Preise im Vergleich zu Deutschland etwas höher sind. Weiterhin gibt die Bevölkerung, in denen Essen und Trinken insgesamt oder in Teilbereichen eine kulturelle Leidenschaft ist, natürlich auch mehr für hochwertige Produkte aus. Die Dän:innen haben eine höhere Kaufkraft als die Menschen hierzulande, können also höhere Preise wegstecken und trotzdem bessere Produkte kaufen. Sicherlich spielt auch dieser Aspekt bei den hohen Ausgaben für Kaffee im nördlichen Nachbarland eine gewisse Rolle. Ein wenig Unbehagen gegenüber den seltsamen Gebräuchen im Land der einstigen Wikinger bleibt aber doch. Was ist das für ein Ding, das deren Nachfahren mit dem Kaffee haben? 

Ist nun Kaffee aber gut oder schlecht? Wenn man die Seite der AOK liest, hat man den Eindruck, im Allgemeinen ist er nicht schädlich, aber man kann natürlich alles übertreiben, selbst das Kaffee trinken. Deswegen wird als Richtwert 400 mg Coffein als unbedenkliche Menge für eine erwachsene Person angegeben, über den Tag verteilt als 4 bis 5 Tassen. Uns macht das sehr froh, wir können unseren Konsum noch um 100 Prozent steigern, um auch die typische Frühnachmittags-Biorhythmus-Delle etwas besser in den Griff zu kriegen, auf die unsere Arbeitszeit leider wenig Rücksicht nimmt, es gibt eben in Deutschland keine Siesta, deswegen werden die Menschen hier auch nicht so alt wie in Ländern, in denen diese hervorragende Tradition verbreitet ist. Aber mit Kaffee geht alles besser,  zumindest ein wenig.

Kaffee: Wie viele Tassen am Tag sind gesund? (aok.de)

Sportler:innen sollten mit dem Kaffee etwas vorsichtiger sein, heißt es außerdem, aber das wissen diese ja und ernähren sich nur von Mineralien und Vitaminen und dem Weiß von rohen Eiern. Manchmal auch von verbotenen leistungssteigernden Substanzen oder erlaubten, von denen sie glauben, sie bewirken, dass man als Mensch, der nie ernsthaft Leistungssport betrieben hat, plötzlich zum Superradler wird, um ein Beispiel aus unserer Praxis zu nennen.

Vielleicht zum Schluss noch dies: seriöse Testberichte lesen! Kaffee ist nicht gleich Kaffee.

Weil die Kaffeebohnen geröstet werden, können sie den Stoff Acrylamid enthalten, ein Nebenprodukt des Röstvorgangs. In Tierversuchen hat sich laut Öko-Test gezeigt, dass diese Substanz das Erbgut schädigen und in einem Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs stehen kann. In Tests fallen bestimmte Kaffeeprodukte immer wieder mit erhöhten Werten auf – es empfiehlt sich, beim Kauf darauf zu achten. (Quelle wie oben)

TH


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