Crimetime 1202 – Titelfoto © HR
Kennwort Gute Reise ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom HR produziert und am 10. Dezember 1972 zum ersten Mal gesendet. Es ist die 24. Folge der Tatort-Reihe, der dritte Fall für Kommissar Konrad (Klaus Höhne), der hier von seinem Assistenten Robert Luck (Horst A. Reichel) unterstützt wird. Konrad und Robert ermitteln in einem Fall von Geldraub.
Der größte Schockeffekt im Tatort Nr. 24 ist der Unfall, nach dem der Fahrer auf eine beinahe schon wieder witzige Art aus der kaputten Frontscheibe herausschaut, damit klar ist, dass er das Zeitliche gesegnet hat. Die Szene ist rasant gefilmt und durchaus nicht vorhersehbar. Weil sie nämlich beim HR zu einem ganzen fiesen Trick gegriffen haben. Wir hätten einfach nicht geglaubt, dass sie einen Opel Admiral (oder Diplomat, so genau haben wir nicht auf die Front des Fahrzeugs geschaut) schrotten. Mit einem Mercedes hätten sie das nie getan. Schade, dass das so symbolisch ist, denn diese famose Baureihe war das letzte Opel-Modell der Luxusklasse. Dass hingegen Geldtransporte so ablaufen: Rein in den Kadett-Kombi, Decke drüber, zwei Mann ohne Bewaffnung steigen ein, los geht‘s, ist gerade für Frankfurter Verhältnisse ziemlich haarsträubend. FFM war damals die Hauptstadt des Verbrechens und natürlich auch diejenige, in der das meiste Geld hin- und hertransportiert wurde. So viel hat sich eigentlich nicht geändert, wenn man davon ausgeht, dass der Geldtransport schon damals nicht realistisch war. Frankfurt ist immer noch die deutsche Hauptstadt des Verbrechens (in Straftaten pro Einwohner gerechnet). Weitere Betrachtungen lesen Sie selbstverständlich in der Rezension.
Handlung (1)
Rudi, Jürgen und Fred sind gute Freunde. Keiner von ihnen hat einen richtigen Beruf erlernt; Rudi arbeitet als Aushilfskraft in einer Großmarkthalle, Jürgen geht mit Zeitschriften hausieren, Fred verkloppt alle möglichen Artikel, die er auf Auktionen ersteigert. Viel springt dabei nicht heraus; um endlich an das große Geld zu kommen, planen sie einen Überfall auf den Geldtransportwagen einer Sparkasse. Ihr Plan basiert auf einem Trick, mit dem sie den Geldtransportwagen in einem abgelegenen Waldstück zum Halten bringen wollen.
Anfangs klappt alles wie erhofft. Selbst Kommissar Konrads Assistent, der den Transport an diesem Tage vorsorglich begleitet, weil die beiden Fahrer verdächtige Beobachtungen gemacht haben, läßt sich überlisten. Den größten Teil der Beute vergraben die drei jungen Leute im Wald, dann trennen sie sich, um genau nach Plan ein fingiertes Alibi zu inszenieren, falls die Polizei ihnen auf die Spur kommen sollte.
Zunächst finden die Beamten keinen Anhaltspunkt, der irgendeinen Hinweis auf die Täter liefern könnte. Trotzdem läßt sich Kommissar Konrad nicht aus der Ruhe bringen. Er weiß, wer Geld raubt, will es auch ausgeben. Außerdem rechnet er mit dem verhängnisvollen Fehler, den jeder Verbrecher früher oder später macht. In diesem Fall braucht Kommissar Konrad gar nicht lange zu warten, denn Rudi selbst bringt die Polizei auf seine Spur. Nur sind er und seine Freunde damit noch lange nicht überführt.
Rezension
Die meisten Verbrechen sind nun einmal Vermögensdelikte, Raub und besondere Fälle des Diebstahls sind sehr en Vogue, passt die Geschichte von „Kennwort: Gute Reise“ grundsätzlich auch in unsere Zeit. Aber würden heutige Tatortmacher sie so pfundig abfilmen? Sicher nicht, denn der Grat zwischen Realitätsnähe und nur suggerierter Anlehnung an die Wirklichkeit ist schmal. Gewissermaßen sind heutige Tatorte ehrlicher, wenn sie klar zu erkennen geben, dass man alles, was man sieht, mit Vorsicht genießen muss, weil es erkennbar stilisiert ist. Aber wenn man sich Tatorte wie die Nr. 24 anschaut und kein Gefühl für die 1970er hat, muss man denken, der IQ der Menschen habe sich mittlerweile verdoppelt. Schon der Bildungsnotstand besagt, dies kann nicht sein. Deswegen nimmt man für eine so rudimentäre Räuberpistole wie diese auch Menschen ohne Schulabschluss als Täter. Das ist wiederum okay, denn das Spannende an diesem Film ist nicht, ob die Tat perfekt geplant ist und wie sie vielleicht durch einen einzigen kleinen Fehler aus dem Ruder läuft. Vielmehr ist wichtig, was die Beteiligten als Nächstes wieder für einen Blödsinn veranstalten. Aus suboptimalem Verhalten lassen sich prächtig immer weitere Verwicklungen und neue Handlungselemente zaubern. Der Spaß und die zumindest vorgebliche Naivität von Tatortkünstlern aus der Anfangszeit sind heute ein Fest, und selbst das Nachdenken über kann nicht ohne Schmunzeln verlaufen:
Kein Wunder, dass die Verbrechenszahlen in jenen Jahren stark angestiegen sind. Auch wenn sich doch jenes Verbrechen in den damaligen Krimis nie gelohnt hat. Vor allem blieb nie was vom Geld, und was soll wohl sonst lohnend sein, an dem ganzen Risiko? Jeder, der sich selbst für halbwegs intelligent hält, wird sich aber Folgendes gedacht haben: Eigentlich ist das echt einfach, so einen Geldtransport zu überfallen, und wenn man nur ein klein wenig weniger doof ist als die drei Typen, da vorne auf dem Bildschirm, dann klappt’s auch. Zumal die Polizei die Täter bis zum Ende nicht wirklich dingfest machen kann. Das Geld geht ja durch einige unglückliche Begebenheiten verloren, die Verbindung in die Schweiz reißt sozusagen ab. Und wenn jetzt ein mit etwas krimineller Energie ausgestatteter Mensch vor dem Bildschirm sitzt und sich aufschreibt, welche Fehler man nicht machen darf und dann zur nächsten Bank loszieht, um nicht vom eigenen Konto abzuheben, dann trägt die ARD eine Mitschuld. Denn wer würde von sich behaupten wollen, dass er solche Freunde hat wie diejenigen, welche dieses Amateurtrio formen, diese BGB-Gesellschaft, die sich für einen einmaligen Geschäftszweck zusammengefunden hat? Ein Mensch vor dem Fernseher würde also darüber nachdenken, ob er nicht z. B. einen zuverlässigen Mitgesellschafter in der Familie hat, der nicht einfach mit dem Geld türmen kann, der familiären Bande wegen. Auch langfristig arbeitende Banden funktionieren natürlich viel besser und teilen untereinander redlich. Der wahre Egoist kooperiert. Wenn er sich in seinem Gewerbe sieht, also gewerbsmäßig klaut oder raubt. Das tun die drei Jungs in „Kennwort: Gute Reise“ ja nicht.
Dieser Tatort ist vorhersehbar und doch wieder nicht. Es ist von Beginn an klar, dass die Sache schiefgehen muss, alles ist, für den Zuschauer gut erkennbar, darauf angelegt. Aber wie das dann stattfindet und damit jede nächste Aktion ist spannend, weil die Figuren so weit unterhalb der „Maximalkapazität“ agieren. Vielleicht nicht einmal ihrer eigenen, aber derjenigen, die man Verbrechern allgemein zurechnet.
Ermittler Konrad und sein Assistent Robert spielen in diesem Film eine wichtige Rolle, agieren viel, befragen, vernehmen – meist nicht vorschriftsgemäß, da sind heutige Tatorte im Durchschnitt penibler, aber immer mit einer Attitüde und einem Hintergedanken. Man kann sowohl den Tätern als auch ihren Verfolgen gut beim Denken zuschauen bzw. zuhören, und das hält einen gar nicht so unkomplizierten Plot zusammen.
Finale
Wundervolle Zeitdokumente sind diese Fernsehkrimis, die so alltagsnah wirken, immer – anders oder mehr als Spielfilme, die in der Regel „überzeitlich“ wirken, wenn sie gut gemacht sind, und bei denen man nicht vorwiegend ein Auge auf das Drumherum hat. Wir sind auch der Ansicht, dass dieser Atem eines Jahrzehnts, manchmal sogar eines bestimmten Jahres, in heutigen Tatorten nicht mehr so deutlich wahrnehmbar ist. Das mag damit zusammenhängen, dass man die Zeit, in der man gerade lebt, nicht als Historie erfährt.
Aber zwei Faktoren spielen eine wichtige Rolle: Tatorte von heute unterscheiden sich von denen, die vor zehn Jahren gemacht werden, nur marginal, auch wenn es immer wieder neue inhaltliche und darstellerische Tendenzen und visuelle Modeerscheinungen bzw. technisch Novitäten gibt. Die Welt hatte sich in den ersten Nachkriegsjahrzehnten schneller verändert, als sie es heute tut. Auffällig wird das an der Mode: Niemand würde einen modisch im Stil von 1962 gekleideten Menschen mit einem solchen aus 1972 verwechseln – aber 2015 gegenüber 2005? Seitdem haben sich nur Kleinigkeiten geändert. Auch die Rasanz der politisch-gesellschaftlichen Veränderungen hat zumindest in Deutschland stark abgenommen (nicht gleichbedeutend damit, dass die Weltgeschichte sich langsamer entwickelt, dies ist nicht der Fall, auch wenn das 20. Jahrhundert in kürzeren Abständen besonders einschneidende Ereignisse und eine den Alltag stark verändernde technische Entwicklung zu bieten hatte).
Der Nostalgiewert der Tatorte von „damals“ ist schon jetzt sehr hoch und wird weiter zunehmen – bis die Menschen langsam aus dem Rennen ausscheiden, welche die 1970er noch bewusst miterlebt haben. Wem der persönliche Bezug fehlt, der hat noch einmal eine andere Wahrnehmung, weil er das, was er im Film sieht, nicht mit seinen eigenen Erlebnissen und Empfindungen in jenen Jahren abgleichen kann. Wer das noch kann, wird sich aber auch denken: So anders, wie sie im Tatort herüberkommen, waren sie das wirklich, die 1970er?
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Beitrags im Jahr 2024: In den frühen Tatortjahren gab es im Wesentlichen zwei Kategorien von Regisseuren. Die einen waren versierte Fernsehmacher, die sich mit dem Medium entwickelten, die anderen bekannte Kinofilm-Regisseure, die nach dem Niedergang des Kinos in Deutschland fürs Fernsehen arbeiteten, wie Wolfgang Staudte, Jürgen Roland – und auch Georg Tressler, der 1956 den Jugendfilm „Die Halbstarken“ gedreht hatte, mit dem Horst Buchholz zum Star wurde. „Kennwort: Gute Reise“ war die erste von zwei Arbeiten für die Tatort-Reihe von Georg Tressler, zwölf Jahre später kam es mit „Geburtstagsgrüße“ für den Saarländischen Rundfunk zu Tresslers zweiter Tatort-Inszenierung.
7/10
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Georg Tressler |
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| Drehbuch | Daniel Christoff |
| Produktion | Hans Prescher |
| Kamera | |
| Schnitt | Brigitte Lässig |
| Premiere | 10. Dez. 1972 auf ARD |
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