Blütenträume – Tatort 147 #Crimetime #Tatort #Frankfurt #Bergmann #HR #Blüten #Träume

Crimetime – Titelfoto © HR

Blütenträume ist ein Fernsehfilm aus der Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom Hessischen Rundfunk unter der Regie von Claus Peter Witt produziert und am 1. Mai 1983 erstmals ausgestrahlt. Es handelt sich um die Tatort-Folge 147. Für Kriminalhauptkommissar Bergmann war es der dritte und letzte Fall, in dem er ermittelte.

Die Handlung in einem Satz, ohne Auflösung: Ein Seemann kehrt aus den USA zurück, mit seinem großen Seesack über der Schulter. Doch was ist in dem Sack drin, den er am Zoll vorbeischmuggelt? Bald wissen wir’s: falsche Dollars, siebenhunderttausend an der Zahl. Nach aktuellem Kurs 1,5 Millionen D-Mark. Mit diesem Geld reist der Seemann nach Frankfurt, sucht seine inzwischen Ex-Freundin auf und will wieder mit ihr zusammenleben, insbesondere, nachdem sich herausstellt, dass es eine gemeinsame Tochter gibt. Mit dem Erlös aus den Blüten soll eine neue Existenz draußen vor der Stadt aufgebaut werden, wo die Luft besser und mehr freies Land fürs Aufwachsen des Kindes vorhanden ist.  Und wie war der Film? Darüber steht mehr in der Rezension.

Handlung (1)

Seemann Harry Rohwedder geht in Hamburg an Land und hat in seinem Seesack umgerechnet eineinhalb Millionen D-Mark Falschgeld. Geschickt umgeht er die Zollkontrolle und versucht nun die 50-Dollar-Blüten in echte Scheine zu verwandeln. Dazu trifft er sich mit dem Hehler Neumeier, der ihn zunächst vertröstet und heimlich seinen Handlanger Golz hinterherschickt. Dieser schlägt Rohwedder nieder und beraubt ihn. Der gefundene Schließfachschlüssel führt ihn jedoch nur zu einem leeren Gepäckfach.

Rohwedder fährt nach Frankfurt, wo seine Ex-Freundin Jutta als Kellnerin arbeitet. Sie staunt nicht schlecht, als sie den Vater ihrer Tochter plötzlich nach fünf Jahren wieder vor sich sieht. Da er gar nichts von ihrer Schwangerschaft wusste, ist er nun stolz auf seine kleine Tochter. Sogleich macht er Pläne für die Zukunft seiner Familie und zeigt Jutta das Geld, das er angeblich in Las Vegas im Spielcasino gewonnen hat. Rohwedder hat sogar Fotos, die ihn als strahlenden Gewinner zeigen.

Er versucht nun, etwas geschickter als in Hamburg, die Blüten in echte DM-Scheine umzutauschen. In der Uniform eines Master Sergeants der US Air Force kann er problemlos in jedem Geschäft mit Dollarnoten einkaufen, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Bei einer Taxifahrt allerdings gerät er in Streit mit dem Fahrer, da dieser keine Dollar, sondern D-Mark will. Im Gerangel schlägt Rohwedder den Taxifahrer nieder und flüchtet. Bei dem Sturz auf das Straßenpflaster verletzt sich der Taxifahrer schwer und wird bewusstlos ins Krankenhaus gebracht.

Zeugen werten dies als Überfall auf den Fahrer und rufen die Polizei. Einer der Zeugen hat einen Luftwaffenoffizier gesehen, sodass der ermittelnde Kommissar Bergmann nach diesem fahndet. Da der Täter seinen Koffer im Auto liegengelassen hat, kann die Polizei ausreichend Fingerabdrücke sichern. Ein Fünfzigdollarschein wird ebenfalls gefunden und schnell festgestellt, dass es sich dabei um Falschgeld handelt, denn in der Zwischenzeit sind schon einige der falschen Dollarnoten in Frankfurt aufgetaucht. Assistent Wegener hat bereits recherchiert und berichtet Bergmann, dass in Brooklyn vor drei Monaten eine Fälscherwerkstatt ausgehoben wurde und die Blüten sehr wahrscheinlich von dort stammen. Bergmann ist jedoch klar, dass derjenige, der in Frankfurt das Falschgeld verteilt, kein Profi sein kann, wenn er es einzeln in Geschäften ausgibt. (…)

Rezension

Wie im Film seine Figur Harry Rohwedder ist auch Manfred Zapatka ein Spätstarter, der erst mit etwa 40 richtig bekannt wurde – unter anderem mit Rollen wie dieser, dem Gelegenheitsganoven, der, diesen Part der Story glauben wir am Ende, Zeuge einer Razzia in New York wird und einen Teil des Falschgeldes mitgehen lässt, dessen sich die ausgehobene Gang entledigen will. So kommt also der Seesack, randvoll mit 50 Dollar-Noten, nach Hamburg und dann nach Frankfurt.

Man stelle sich vor, es hätte funktioniert, am Ende, auch wenn die Träume schon mehrfach kleiner geworden waren. Harry hätte also mit 250.000 echten Mark davonziehen zu können. Das kleine Glück in Form eines Neubauhauses mit Garten wäre im Jahr 1985 für 250.000 DM noch gut machbar gewesen. Ohne Reserven fürs Weitere allerdings. Das war schon weit weg vom Spekulieren auf einen höheren Wechselkurs für den überwiegenden Teil der Zufallsbeute, wie Harry es am Ende vorhatte (in der Tat  nahm der Dollar während der Reagan-Ära zum letzten Mal einen Anlauf auf die 4 DM-Marke und die Aufwertung fiel in die hier gezeigte Phase Mitte der 1980er).

Doch dann wird Harry immer wieder beinahe gestellt, als er Falschgeld in kleineren Mengen in Umlauf bringen will, schließlich will er den überwiegenden Rest einem Hehler anvertrauen – und der zahlt wiederum mit Falschgeld, das sofort als solches erkannt wird. Zum Heulen ist das. Es hatte eben nicht sollen sein. Verbrechen lohnt sich nicht, lohnt sich nicht, undsoweiter. Selbst, wenn nur ein Zipfel von der großen Wurst übrig bleiben soll und man sich unter Lebensgefahr und so trickreich immer wieder dem Zugriff der Organisation entwindet, welcher das Falschgeld eigentlich gehört und auch dem der Polizei.

Diese komplette Fokussierung auf die Täterfigur wäre in einem heutigen Tatort aus mehreren Gründen nicht denkbar. Sie wäre es auch 1985 schon nicht mehr gewesen, hätte der Tatort, wie man anfangs beinahe vermutete (oder erhoffte) in Hamburg stattgefunden, denn dort hatte gerade Stoever alias Manfred Krug den Dienst aufgenommen, und der hätte sich nicht wie ein gewisser Bergmann in Frankfurt so in die Ecke einer Kleinrolle drängen lassen. Stoever war bereits eher einer der heutigen Ermittler, die sehr im Zentrum eines Tatorts stehen und weitaus liebevoller und detaillierter gezeichnet sind als die meisten Verdächtigenfiguren. In einem Whodunit ist das verständlich, weil die Lösung nicht über zu starke Konzentration auf einen Verdächtigen quasi vorab verraten werden darf. Hat der Plot eine Thrillerstruktur, läuft es im besten Fall auf ein Duell zwischen dem profilierten Ermittler und dem recht profilierten Verbrecher hinaus, dessen Person dem Zuschauer früh bekannt ist.

Außerdem gab es keinen Mord, auch das geht heute nicht mehr, weil es ohne Mord keinen Tatort gibt. Den Titel der Fernsehfilm-Reihe hat man aber in den frühen Jahren noch etwas weiter ausgelegt, und ein Bergmann von der Mordkommission konnte sich ohne weitere Erklärungen auch um Falschgeldaffären bemühen.  Nein, eine Erklärung gibt es schon: Personalmangel wegen Urlaubszeit. So einfach geht das. Bergman kennen wir übrigens aus einem etwas früheren Tatort aus FFM, da sah er aber ganz anders aus, ebenso sein Assistent. Das war eine Räuberpistole namens „Zürcher Früchte“, in dem es natürlich auch um die Jagd nach dem Geld ging.

Hessen bzw. Frankfurt am Main und das Geld, das ist eine ganz innige Hassliebe, und da wir die Stadt ein wenig kennen und sogar etwas Einblick ins dortige Bankermilieu hatten, kommt’s uns absolut verständlich vor, dass man immer wieder Tatorte um Habgier machte. Bis Dellwo und Sänger kamen und plötzlich soziale Themen im Vordergrund standen, die zu dem neuen Ermittlerteam auch viel besser passten. Die 1970er Filme, in denen dies alles begann, haben etwas Legendäres, vor allem, wenn Kommissar Konrad immer ganz auf Tuchfühlung mit den Verbrechern ging und damit schon ansatzweise die heutigen Ermittler mit ihren ausgefeilten Persönlichkeiten und häufig geäußerten Meinungen zur Sache vorwegnahm.

Der nüchterne Filmstil der 1970er, der selbstverständlich in die 1980er fortwirkte, ließ so etwas noch nicht zu, auch wenn Bergmann in Frankfurt besonders zurückgenommen wirkt. Heute hat sich herumgesprochen, dass das Verbrechen viel mieser wirkt, wenn nette und engagierte Kommissare es verfolgen und es Scheiße finden, als wenn es einfach nur schiefgeht, der Verbrecher aber ein im Grunde ganz netter Typ ist, wie dieser Rohwedder. Allerdings lässt er seine Freundin jahrelang ohne Nachricht, und dass diese dann immer wieder in die Falle zwischen Verstand und Emotionen gerät, das nutzt er ganz schön aus. Nach über 40 Jahren Sozialpädagogik ist der Mann im Grunde nicht mehr tragbar. Im Grunde ist seine Freundin als Figur genauso interessant wie er selbst, weil es damals in einem Frankfurter Stadthaus erst zwei Single-Frauen gab, die sich berufstätig und alleinerziehend durchschlugen. Okay, in unserem Berliner Stadthaus gibt es nicht mal zwei davon, sondern nur komplette Familien und Singles, einige Nachbarn auch alleinwohnend, jedoch mit fester Beziehung, aber das ist ja auch kein exemplarisches Gebäude.

Diese Beziehung zweier im Grunde Benachteiligter ist gut gespielt, auch dieses Hin und Her zwischen dem Wunsch nach Geborgenheit und der Ahnung, dass die Sache hier nicht gutgehen kann, zwischen vertrauen wollen und der Erkenntnis, dass die Lüge, auch die Lebenslüge, sowieso nicht aus dem Leben herauszuhalten ist, finden wir gut gemacht, und das geht in vorliegender Intensität, die einem Fernsehspiel nahekommt, nur, wenn eben die Polizei nicht zu dominant ins Geschehen eingreift.

So macht sich Harry Rohwedder trotz einiger guter Tricks immer wieder selbst das Leben schwer, bevor die Polizei überhaupt auf ihn aufmerksam werden kann. Das Leben ist aber unerbittlich, selbst die kleinen Früchte dürfen einfach nicht reifen, wenn man vom Weg abgekommen ist. Er hätte ja auch in Frankfurt als Hilfsarbeiter neu anfangen können, der Rohwedder, und seine aufnahmebereite Freundin wäre ihm dabei sicher noch behilflich gewesen.

Finale

Wir erfahren die Biografie von Rohwedder nicht, aber er scheint keine Verbrecherlaufbahn hinter sich zu haben, als er zu Falschgeld kommt. Trotzdem lässt er sich mit Mafia-Syndikaten und allen möglichen mehr als zwielichtigen Figuren ein und versucht außerdem, brave Bürger zu betrügen, ein paar Mal gelingt es zu Beginn auch. Keine große Sache, aber halt ein Betrug. Seltsam, aber wir hatten es schwer, uns des Typs anzunehmen, indem wir ihm etwa die Daumen gedrückt hätten, dass er irgendwie davonkommt. Vielleicht war es zu offensichtlich, dass dies nicht er Fall sein wird. Die Schlusspointe Falschgeld für Falschgeld haben wir in dem Moment vorhergeahnt, in dem wir den Nachtclubbesitzer erstmalig auf dem Bildschirm sahen und speziell, als dieser seinen Assistenten auf eine „Spezialbehandlung“ hingewiesen hat, die offenbar keinen Mord an Rohwedder beinhalten sollte.

Diese frühen Tatortverbrecher, oft eine seltsame Mischung aus gewitzt und – hier auch im Wortsinn – blauäugig – sind dem Leben u. E. weitaus mehr abgeschaut als die Serienkiller, die heute die Tatorte bevölkern oder als die OK, die immer wieder Normalbürger über die Klinge springen lässt. Sicher, die OK aus aller Herren Länder ist ein beachtlicher Faktor geworden, auch wirtschaftlich, hält sich bis jetzt aber meist davor zurück, außerhalb des Systems, nämlich in der Oberwelt, Morde zu begehen. Und die naiv-schlauen Räuber und Falschgeldverbreiter (auch ein schöner Tatort zum Thema, noch älter: „Stuttgarter Blüten“), die gibt es so nicht mehr. Vielleicht nicht im Leben, jedenfalls nicht in der Tatort-Reihe. Vielmehr sehen wir häufig Menschen, die unter normalen Umständen jahrelang ihrem illegalen Tun nachgehen, bis ein nicht vorhersehbarer Systemriss die Polizei auf ihre Spur setzt. Echte Profis, gejagt schlussendlich von echten Profis. 

Vom heutigen Tatort-Stil ist „Blütenträume“ weit entfernt, er ist eher dem 1970ern als den nachfolgenden Jahrzehnten zugeneigt, aber diese unprätentiöse und stilistisch betont einfache Art des Filmens hat ihren Reiz, weil das, was der Stil heutiger Filme evoziert, nämlich das Übertriebene des Geschehens, damals nicht angesagt war. Es sollte realistisch wirken, und das tat es. Gleichwohl muss man konstatieren, dass dieser Film recht langatmig ist, teilweise hyperrealistisch, und man persönliche Momente nicht hätte opfern müssen, um ihn ein wenig zu beschleunigen. Wir haben uns schon gewundert, dass das Öffnen der Heckklappe von Rohwedders „geliehenem“ D-Kadett, als er den Seesack herausholt, nicht bis zum Ende gefilmt, sondern dass mitten in den Vorgang hingein geschnitten wurde. Man hat dem  Zuschauer also auch vor 30 Jahren schon zugetraut, dass er sich vorstellen kann, wie der weitere Verlauf des Klappe Öffnens und Seesack Herausziehens verläuft. Also, es gibt doch erste Anzeichen von Verkürzung und Verdichtung.

6/10

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Claus Peter Witt
Drehbuch Bruno Hampel
Produktion Hans Prescher
Musik Eugen Thomass
Kamera Werner Hoffmann
Schnitt Brigitte Rhotert-Lässig (als Brigitte Rhotert)
Premiere 1. Mai 1983 auf Das Erste
Besetzung

 

 

 

 

 

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