Corona-Pandemie aufarbeiten? (Umfrage + Leitkommentar) | Briefing 492 | Gesellschaft, Infektionsreport, Corona-Pandemie

Briefing 492 Gesellschaft, Medizin, Corona-Pandemie, Maßnahmen gegen Corona, Lockdowns, Schulschließungen, einrichtungsbezogene Impfpflicht, Impfstoffe, Impfung, Corona-Tote

Wir widerstehen der Versuchung, diesen Beitrag in die Rubrik „Infektionsreport“ zu stellen, denn vorbei ist vorbei. Wir haben sehr intensiv und aufwendig über die Corona-Pandemie berichtet und eigene Grafiken aus den Daten des RKI und anderer Lieferanten erstellt. Die Beiträge waren zu der Zeit unsere erfolgreichsten nach Zugriffen.

Wir waren im Team Vorsicht fast bis zum Ende, teilweise auch in extremer Form, indem wir die einzigen in unserem Arbeitsteam waren, die noch einen Teil ihrer Arbeit im Homeoffice verrichten wollten, als die Pandemie schon am Abklingen war. Wir haben uns aber gegen die vierte Impfung entschieden. Wir haben uns gewundert darüber, wie viele Corona-Todesfälle es trotz bereits recht geringer Fallzahlen noch gab. Und wir waren enttäuscht über Karl Lauterbach, der sich von einem vehementen Mahner zu einem allenfalls mittelmäßigen Manager der Pandemie gewandelt hatte. Er wird auch im Begleittext der Umfrage zitiert und ist bis heute eine zentrale Figur in Sachen Corona.

Civey-Umfrage: Wie würden Sie es bewerten, wenn der Deutsche Bundestag eine Kommission zur Aufarbeitung von Fehlentscheidungen im Rahmen der Corona-Pandemie einsetzen würde? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Rund vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie wird der Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik zur Eindämmung des Virus immer lauter. Anlass sind interne Dokumente des Corona-Krisenstabs des RKI aus dem Zeitraum Januar 2020 bis April 2021, die vergangene Woche im Online-Magazin Multipolar veröffentlicht wurden. Allerdings wurden einige wichtige Passagen geschwärzt, was laut Tagesschau für viel Kritik sorgte. Ampelpolitiker:innen fordern nun eine tiefgreifende Aufarbeitung der damaligen Entscheidungen. 

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte daraufhin an, die Protokolle „weitestgehend entschwärzen“ zu lassen. Es müsse „maximale Transparenz hergestellt werden“, so Lauterbach, dafür werde er sorgen. Generell sei er aber offen für eine Aufarbeitung des Krisenmanagements der Bundesregierung, so Lauterbach laut ZDF heute. Gleichzeitig mahnte er ein angemessenes Vorgehen an. Bei einer möglichen Aufarbeitung sei es wichtig, sich vor allem auf die „Lehren“ zu konzentrieren, die man aus der Pandemie ziehen könne. 

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hat sich für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses des Bundestages zur Politik während der Corona-Pandemie ausgesprochen. „Zur Aufarbeitung der Pandemie ist ein Untersuchungsausschuss jetzt dringend notwendig, um die Fehler klar zu benennen und künftig zu vermeiden“, sagte er der Zeit. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die staatlichen Auflagen während der Corona-Pandemie. „Im Rückblick können wir erleichtert feststellen, dass unser Land die Corona-Pandemie und ihre Folgen gut bewältigt hat“, sagte Haßelmann der dpa. Die konsequenten Maßnahmen hätten vielen Menschen das Leben gerettet.

Für uns ist Corona immer noch ein emotionales Thema. Wie für viele andere Menschen. Für eine Zeit haben wir in einer anderen Welt gelebt, als wir sie alle kannten, sie unterschied sich sehr von allem, womit wir aufgewachsen waren, von der großen Freiheit, die wir als Kinder hatten. Vor allem die Schäden der Maßnahmen bei der Entwicklung von Kindern werden, falls es eine Kommission gibt, sicher noch zur Sprache kommen. Ebenso wie die Impfpflicht u. a. in Seniorenheimen, die wir bis heute richtig finden, auch dank eigener Einblicke in diesen Bereich und dem, was dort während Corona geschah. Ein bisschen bang ist uns schon vor den Ergebnissen der Untersuchung, denn wir haben uns damals vehement für die Maßnahmen im Ganzen und für das Impfen eingesetzt.

Wir werden uns stets darauf berufen, dass wir nicht besser informiert waren. Wir haben uns selbstverständlich lieber auf die Wissenschaft verlassen als auf Hobby-Verschwörungstheoretiker, für die Corona nur ein weiterer Baustein im Great Reset oder dessen Vorbereitung war. Falls sie jetzt in einigen Punkten recht behalten sollten, wird wieder einmal ein falsches Narrativ gepflegt werden, nämlich dasjenige, dass sie es besser wussten. Das ist eindeutig nicht der Fall.

Wir haben uns auf dem damaligen Stand der Kenntnis, wie er von Fachleuten kommuniziert wurde, im erwähnte Team Vorsicht aufgehalten und das auch nach außen vertreten. Zweifel kamen nach dem Regierungswechsel zur Ampel hin auf. Dabei spielte Karl Lauterbach eine wichtige Rolle, zum Beispiel, als er sich vom FDP-Justizminister Buschmann fast klaglos hat einbremsen lassen, als es um ebenjene Vorsicht ging. Er hat es nicht durchgezogen, was er als Mahner ohne Regierungsfunktion an uns vermittelt hat.

Dass die Politiker der Ampel jetzt überhaupt nichts gegen einen Untersuchungsausschuss haben, versteht sich wiederum (beinahe) von selbst. Sie hoffen, der CDU und dem damaligen Gesundheitsminister Jens Span etwas nachweisen zu können, was bei Umfragen zu Verlusten für die Union führen könnte. Die Wahrheit, falls es tatsächlich eine bessere gibt als das, was bisher bekannt ist, sollte aufgedeckt werden. Deshalb haben wir auch mit „eindeutig ja“ gestimmt. Auch wir wollen wissen, inwieweit wir damals richtig gelegen haben oder nicht. Man sollte aber wissen, dass dieses Pro und Contra Ausschuss auch zum politischen Spiel gehört. Für einige jedenfalls, die sich dazu schon geäußert haben.

Karl Lauterbach ist vermutlich in der Lage, sich selbst zu korrigieren, aber das hat auch damit zu tun, dass er immer noch kein ganz typischer Politiker ist. Man immer noch hier und da den Eindruck hat, er schlafwandelt ein wenig, in diesem Betrieb. Er unterschätzt vermutlich die Wirkung, die es haben könnte, wenn zu viele seiner Ansichten aus der Zeit, in der die SPD zwar schon an der Regierung beteiligt war, er selbst aber nur der Mahner der Nation war, als falsch herausstellen sollten.

Im Grunde muss man gerade in dieser Sache die Politik aber auch in Schutz nehmen: Fast jedes Land fuhr eine etwas andere Strategie als das nächste, Deutschlands Maßnahmen waren im Jahr 2020 nicht restriktiver als die vieler anderer Staaten. Wen man nicht gerade der Idee anhängt, das sei eh alles von der Weltverschwörung initiiert und koordiniert worden, wird man das als normal empfinden,

Unterschiedliche Mentalitäten haben bei ähnlichem Kenntnisstand also zu unterschiedlicher Handhabe geführt. Wie eben Länder bzw. deren Regierungen generell unterschiedlich mit den Anforderungen umgehen, die immer wieder an sie herangetragen werden. 

Wir sind noch heute der Ansicht, dass Menschen wie Christian Drosten, die nicht ihr Leben lang darauf gewartet hatten, populär zu werden, das getan haben, was sie glaubten, in dieser schwierigen Lage vertreten zu können, im Wesentlichen jedenfalls: aufgeklärt und Einschätzungen abgegeben.

Ob es dabei zu Einflüssen seitens der üblichen Lobbys kam, das würde uns mit am meisten interessieren. Ob eine Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt optimal war, wenn man es noch nicht besser wissen konnte, ist eine Sache. Wenn auch bei dieser Pandemie, die so viel Leid verursacht hat, das Kapital Einfluss genommen hat für seine Interessen und möglicherweise gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit, dann wäre das für uns ein weiterer Anschlag auf die Demokratie, die sowieso in der Defensive ist.

Überraschen würde uns das nur insofern, als wir bisher der Ansicht sind, ab einem gewissen Punkt muss Medizinern die Ethik wichtiger sein als der Kommerz. Es wäre keine gute Sache, wenn auch auf dem Gebiet unser Vertrauen nachhaltig erschüttert wurde, denn der hiesigen Politik und wie sie durch undemokratische Einflussnahme erheblich mitbestimmt wird, stehen wir ohnehin skeptisch gegenüber.

Die Pandemie war für uns aber eine Situation, mit der man nicht spielt, die man nicht zum Nutzen weniger und zum Schaden vieler managt. Wird ein Ausschuss überhaupt an diesen Punkt herangehen oder nur versuchen, so objektiv wie möglich Maßnahmenfehler zu erkennen und zu bewerten? Falls es so ist: Interessant würde es vor allem dann, wenn generell wider besseres Wissen gehandelt worden wäre. Davon gehen wir bisher insbesondere bei den Lockdowns nicht aus. Wenn hingegen alles getan wurde, was man unter gegebenen Umständen einer Demokratie, die Abstimmung erfordert und dem vorhandenen Wissen getan hat, es nach heutigem Stand aber nicht optimal war, dann ist das für diejenigen, die schon wenige Monate nach Beginn der Pandemie geradezu hysterisch auf jede Einschränkung reagiert haben, kein Grund, sich im Recht zu fühlen. Sie hätten dann mit voller Schrotladung ins Blaue gezielt und zufällig den einen oder anderen Treffer gelandet.

Hätte man die Maßnahmen nicht erlassen, hätte das wiederum zu erheblichen Vorwürfen in Richtung Untätigkeit der Politik geführt. Irgendwer hätte sich auf jeden Fall aufgeregt und jede:n Corona-Toten hätte man im Fall einer großzügigeren Handhabe der Politik sozusagen persönlich aufs Konto des saumseligen Staatsversagens gebucht.

Die Wahrheit ist nicht immer angenehm, aber wir meinen, wenn es seriös vorgetragene Zweifel gibt, muss man darüber forschen und reden. Es sollte also einen fundierten Ausschuss zu Corona geben, und wir stimmen damit überein: Die Lehren sind wichtig, nicht, nachträglich jemanden ans Kreuz nageln zu wollen, der nur getan hat, was damals geboten schien und es es frei von falschen Einflüssen getan hat.

Eine Situation wie diese gab es in der jüngeren Geschichte noch nicht, das Virus war neu und wirkte sehr gefährlich, und es wäre eher verwunderlich gewesen, wenn man gleich alles komplett richtig gemacht hätte. Es ist ohnehin bemerkenswert, wie schnell zum Beispiel Impfstoffe zur Verfügung standen und es ist klar, dass man sie nicht so lange testen konnte, wie das bei Vakzinen zuvor üblich war. Angesichts von 150 Millionen Dosen Impfstoff  ist die Zahl der tatsächlich bisher verifizierten Impfschäden, die sich in Deutschland im vierstelligen Bereich bewegt, nicht hoch. Das ist es, was wir im Moment zu diesem Teil des Corona-Komplexes wissen.

Letztlich sollte aber jeder Mensch, der journalistisch arbeitet, auch bürgerjournalistisch, ein Interesse an der Wahrheit haben; ihr so nah wie möglich zu kommen. Wir sind sehr gespannt darauf, ob es zu einer Corona-Kommission kommen wird und, falls ja, was sie zutage fördern wird.

TH


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