Filmfest 1072 Cinema
Dolchstoßlegende auf Amerikanisch
Rambo II – Der Auftrag ist ein US-amerikanischer Actionfilm aus dem Jahr 1985. Er ist der zweite Teil der Rambo-Filmreihe mit Sylvester Stallone als John J.(James) Rambo in der Hauptrolle. Der erste Teil der Reihe war Rambo aus dem Jahr 1982. Die zweite Fortsetzung mit dem Titel Rambo III wurde 1988 gedreht. 2008 kam mit John Rambo der vierte Teil in die Kinos, Rambo: Last Blood folgte 2019. Die deutsche Erstaufführung von Rambo II im Kino erfolgte am 12. September 1985.
Auch bei Rezensionen kann es zu spontanen Enttäuschungen kommen. Nicht wegen eines Films, sondern dadurch, dass z. B. in der Wikipedia genau das steht, was wir auch schreiben wollten. Wir rächen uns dafür, indem wir Teile der Inhaltsangaben unverändert übernehmen – aus Zeitgründen. Trotzdem steht natürlich mehr als hier in der Rezension, die der Handlungsangabe folgt.
Handlung (1)
Nachdem John Rambo Teile einer US-amerikanischen Kleinstadt verwüstet und sich weiterer Verbrechen schuldig gemacht hat, verbüßt er nun eine zehnjährige Haftstrafe in einem Steinbruch. Nach fünf Jahren Haft besucht ihn sein einziger Vertrauter, Colonel Trautman, der ihn für seinen damaligen Einsatz im Vietnamkrieg ausbildete. Rambo war in Vietnam aus einem Kriegsgefangenenlager geflohen. Er wurde aus einer Datenbank des Militärs als einer der drei fähigsten Soldaten für einen Spezialeinsatz in Vietnam ermittelt. Trautman sucht ihn nun auf, um ihm einen Vorschlag zu unterbreiten: Rambo soll der US-Regierung bei einer Mission im Dschungel von Vietnam helfen. Im Gegenzug stellt man ihm ein mögliches Erlassen seiner Haftstrafe in Aussicht. Sollte er gefangengenommen oder getötet werden, werde die Regierung jede Beteiligung bestreiten. Rambo willigt ein.
Später erfährt er, dass sein Auftrag darin besteht, Fotos von möglicherweise noch immer in Kriegsgefangenschaft befindlichen US-amerikanischen Soldaten zu machen, jedoch diese nicht zu befreien. Beim Fallschirmabsprung über dem vietnamesischen Zielgebiet verliert er einen Großteil seiner Ausrüstung, einschließlich der Fotoausrüstung.
Auf dem Weg zu dem zu observierenden Lager wird Rambo von seiner vietnamesischen Verbindungsagentin Co Bao gefragt, warum er die Armee verlassen habe. Er antwortet ihr:
„Ich kam zurück in die Staaten und stellte fest, dass ein anderer Krieg stattfand, […] so eine Art »kalter Krieg«, Krieg gegen die zurückkehrenden Soldaten, und diesen Krieg kann man nicht gewinnen.“
(…)
Rezension
Bei „Rambo II“ trifft das, was die Wikipedia zum Hintergrund des Films schreibt, fast aufs Wort das, was wir selbst zu diesem Film zu sagen haben – sogar das Wort „Dolchstoßlegende“, das wir für die Rezension als Teil des Titels vorgesehen hatten, findet sich bei den Hintergrundinformationen.
Der von uns verwendete Begriff wurde in Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs populär und hat naben dem „Versailler Diktat“ wesentlich dazu beigetragen, den Boden für die Nationalsozialisten zu bereiten. Hinzu kam die Weltwirtschaftskrise. Vielleicht hätte keiner der Faktoren alleine ausgereicht, um diese barbarische Zeit einzuläuten, aber zusammen hat es eben gereicht. Nun stammt unsere Ursprungsrezension, die wir hier fast unverändert wiedergeben, aus dem Jahr 2014. Damals war noch nicht abzusehen, dass die Amerikaner sich einmal einen Typ wie Donald Trump zum Präsidenten wählen würden, der genau auf diese Stimmung des Verrats an dem guten alten Amerika abzielt, auch wenn er damit nicht speziell den Vietnamkrieg adressierte – vermutlich aber mindestens dessen psychologische Wirkung ausnutzte, die dazu führte, dass die Amerikaner ziemlich unausgeglichen wirken.
Nun sind wir wieder einige Jahre weiter und die nächste Trump-Ära droht und damit die weitere Ramboisierung des Landes. Es ist erschreckend, wie das erste konservative Rollback der 1980er schon auf das Hier und Jetzt verweist und im Film die Mentalität schon gehypt wird, die sich mittlerweile so festgefressen hat, dass wir in Europa die USA nicht mehr kritisieren, wie wir das während Ronald Reagans konservativer Präsidentschaft taten, während ihr entstanden die ersten drei Rambo-Filme, sondern uns vor ihr wahrhaft fürchten müssen. Rambo hätte seinen Spaß daran, wie alle Welt vor diesem Land zittert, weil es immer unberechenbarer und rücksichtsloser auch seinen Verbündeten gegenüber wird. Zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Zusatzabschnitts sind die Präsidentschaftswahlen 2024 noch nicht gelaufen, aber im Moment sieht es so aus, als ob uns Trump noch einmal blühen wird, der vorgebliche Rächer der kleinen Leute, die immer den Kopf hinhalten müssen, wie eben die Soldaten in Vietnam. Der Trumpsche Spin, Amerika vorgeblich wieder groß machen zu müssen, lässt sich durchaus damit vereinbaren, im Ausland keine eigenen Truppen mehr in Gefahr zu bringen und auch Hilfen für andere Staaten zurückzufahren.
In Deutschland wurde der Terminus „Dolchstoßlegende“ von revanchistischen Kreisen verwendet, um den verlorenen Krieg der Jahr 1914-1918 als ein Ergebnis von Schreibtischtätern darzustellen, welche die kämpfende Truppe im Stich gelassen und den Verrat-Frieden oder das Diktat von Versailles abgesegnet hatten. Dass der Versailler Vertrag in der Tat ein Fehler war und Hitlers Aufstieg begünstigte, Deutschland keine andere Wahl hatte, als ihn zu akzeptieren, unterscheidet die damalige Situation von jeder, in der sich die USA bisher befunden haben. Mit entsprechendem Einsatz hätte man auch den Vietnamkrieg weiterführen können, allein die gesellschaftliche Akzeptanz dafür war nicht mehr vorhanden. Ein republikanischer Präsident war es damals schon, der das Blutvergießen beendete. Das wird in den Rambo-Filmen als Elitenversagen umgedeutet. Damit wird gezielt an der gesellschaftlichen Stimmung gearbeitet, die Anfang der 1980er ganz sicher noch überwiegend so ausgerichtet war, dass man froh war, dass man es hinter sich hatte, trotz der ersten großen Niederlage der USA in einem imperialistischen Krieg.
Aber die Demütigung, die man in den USA empfand, war sicher ähnlich groß wie 1918 in Deutschland, und es ist der gefestigteren Demokratie des Landes zu verdanken und der Tatsache, dass es nicht im Anschluss auch noch eine schwere Wirtschaftskrise gab, wie in Deutschland 1923 und ab 1929, welche die nationale Depression hätte verschärfen können. Insofern haben die USA es besser gemacht und lediglich Ronald Reagan gewählt und Filme wie die Rambo-Reihe und ähnliche Actionstreifen produziert, um sich abzureagieren und das Vietnam-Desaster zu beerdigen.
Auch der vorige Absatz stammt aus dem Jahr 2014, entstand also während der zweiten Amtszeit von Barack Obama. Mittlerweile – siehe oben. Wer weiß, was heute noch an Nachwirkungen der vielen schrecklichen politischen Ereignisse der 1960er und 1970er mit dazu beiträgt, dass die USA zu einem Hexenkessel geworden sind, in dem es offenbar farst nur noch Enttäuschte gibt. Das ist wirtschaftlich gesehen absurd, anders als seinerzeit in Deutschland, aber es legt Dinge frei, die auch in Rambo besprochen werden: die primitive Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung jedweder Interessen, eine unter der Oberfläche schon lange antidemokratische Haltung großer Teile der Bevölkerung.
Unter Einbeziehung unserer Ergänzungen sind auch die folgenden Abschnitte zu lesen, die einen positiveren Blick auf die USA vermitteln, als wir ihn heute haben. Wir sehen darin aber schon Anmerkungen, die darauf hindeuten, dass es eben nie wieder werden kann wie vor dem ersten Kennedy-Mord im November 1963.
Glücklicherweise sind nach „Rambo II“ noch Filme wie „Full Metal Jacket“ und „Platoon“ entstanden, sonst hätte man konstatieren müssen, das war’s also. Nach grandiosen, hoch umstrittenen Werken wie „The Deer Hunter“ (1978) und „Apocalypse Now“ (1979) wäre die Verarbeitung von Vietnam bei „Rambo“ und damit auf (beinahe) niedrigst möglichem Niveau angekommen. Dass Vietnam bis heute einen Wendepunkt in der US-Geschichte darstellt, vorbereitet schon durch die Politiker-Morde der 1960er, konnte man 1985, als „Rambo II“ entstand, vielleicht noch nicht überblicken, aber heute ist es klar, dass die USA sich nie wieder von der moralischen Seite der Niederlage erholen werden und auch wirtschaftlich ihren Zenit überschritten haben.
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass bei diesem Film auch das Geiseldrama in der amerikanischen Botschaft im Iran von 1979-1980 eine Rolle spielen dürfte, als die USA es nicht schafften, ihre Landsleute zu befreien und diese 449 Tage lang vom neu installierten Mullah-Regime festgehalten wurden, was mit zum Ende von Jimmy Carters Präsidentschaft beigetragen hat. Erst sein Nachfolger Ronald Reagan konnte auf dem Verhandlungsweg ein Ende der Gefangennahme erzielen.
Auch in einem weiteren wichtigen Punkt stimmen wir dem zu, was wir in der Wikipedia gelesen haben: Während ernsthafte Vietnam-Kriegsfilme sich auch mit der Moral der US-Truppen und dem Mangel an Kriegstauglichkeit vieler US-Wehrpflichtiger befassen, kehren Filme wie Rambo die Wirklichkeit um und stellen einen mit vielen Muskeln und ebenso viel Courage und Patriotismus bepackten und Dschungelspezialisten gegen eine unvergleichliche Übemacht von Feinden, die 1985 sogar überlegene, moderne Kampfhubschrauber haben, um Rambos kleines Fluggerät abzuschießen. Es heißt beinahe, Eulen nach Athen tragen, wenn wir schreiben, dass die Amerikaner trotz ihrer technischen Ausstattung und dem Einsatz von Napalm und Agent Orange nicht in der Lage waren, die fanatischen Dschungelkämpfer des Vietkong zu besiegen.
Auch in den großen Vietnamfilmen gibt es Fragwürdigkeiten, die Darstellung der vietnamesischen Bevölkerung und der Vietkong betreffend. Auch die Tatsache, dass die Gegner nie als Persönlichkeiten in Erscheinung treten, sondern nur als gelbe Gefahr der speziellen Dschungelsorte, haben im Grunde alle diese Filme gemeinsam, weil sie ganz aus US-Sicht gefilmt sind. Am meisten werden die Vietkong in „The Deer Hunter“ (1978) auf eine nicht wirklichkeitsgemäße Weise porträtiert, die unter anderem zu einem Eklat beim Berliner Filmvestival geführt hat, weil der Film dort lief und die Sowjetunion daraufhin ihre Teilnahme absagt. Doch bei „Rambo II“ ist der Hintergrund nicht der Krieg selbst, sondern ein rückwärts Keilen gegen die eigene Administration der 1970er und damit eine Entwürdigung dieses zähen und ultimativ entschlossenen Gegners in Vietnam nach dem Motto, wenn uns nicht die eigene Politik ein Bein gestellt hätte, wären wir locker mit euch fertiggeworden, ihr Schlitzaugen. Und wieder sieht man heute, wie fatal diese nicht so seltene Verdrehung von Tatsachen im US-Mainstreamkino ist.
Leider sind die heutigen, profaschistischen Superheldenfilme eine Fortsetzung der Rambo-Saga mit etwas weniger offensichtlicher, aber genauso gefährlicher Ideologie. Herausragende Einzelkämpfer:innen sind im Grunde vor allem gegen das eigene Establishment unterwegs, wenn es darum geht, die Welt zu retten. Auch die von uns im Grunde geschätzte Batman-Reihe zielt in diese Richtung. Leider ist die Politik tatsächlich menschenfeindlich und korrupt, gefördert wird im Kino aber nicht, die Demokratie neu zu beleben und neue, solidarische Wege zu gehen, sondern das genaue Gegenteil zu tun, wie es schon beim Einzelkämpfer John Rambo der Fall war. Auch die vielen Schulmassaker-Rambos lassen grüßen.
Wenn ein Film auf hochspekulativen Annahmen anstatt auf Fakten beruht, kann es vorkommen, dass schon die Ausgangslage kompletter Unsinn ist. Hätte man vorgehabt, die Mission „Gefangenensuche“ scheitern zu lassen, hätte man dann ausgerechnet den erfahrensten und verwegensten aller Vietnamkämpfer dafür eingesetzt, also die Person, die als einzige Erfolgsschancen haben könnte? Außerdem hätte es tausend Wege gegeben, Rambo im Dschungel auszuschalten. Die Handlung zeigt es eher als Zufall, dass dem hinterlistigen Marshall Murdock überhaupt die Gelegenheit gegeben wird, im Sinn einer Vertuschung des Überlebens einiger Kriegsgefangener ins Geschehen einzugreifen, als Rambo Hilfe anfordert. Der schlägt sich in der Folge eigenständig durch. Was ebenfalls nicht klar wird: Ob der gesamte Kommandostand in Vietnam bis auf Trautman in die Pläne von Murdock eingeweiht war und warum niemand sich Murdock entgegengestellt hat, obwohl dieser die Mission doch offensichtlich missbraucht, um Politikern in den USA den Rücken freizuhalten – aus finanziellen Erwägungen, wird zusätzlich unterstellt, als wenn es unter der Reagan-Administration auf ein paar Dollar mehr oder weniger so genau angekommen wäre.
In Deutschland ist der Film vor allem wegen seiner Gewaltdarstellungen ein Politikum gewesen, nicht wegen seiner revanchistischen Tendenz, und es ging vor allem darum, ab welchem Alter er freigegeben wird. Wir vermuten, dass wir nicht die US-Version gesehen haben, sondern eine der gekürzten deutschen Varianten, was wir insbesondere aus der durchgängigen und einheitlichen Synchronisierung ableiten.
Finale
Klar ist der Film rasant und aktionsreich, außerdem profitiert er von der Musik von Jerry Goldsmith, die besser ist als das Werk, das sie untermalt. Es handelt sich nicht um eine Billig-Produktion, das bemerkt man durchaus. Hatte aber der erste Rambo-Film noch etwas Originelles und eine Art von innerer Logik, ist der zweite komplett auf die Verdrehung historischer Tatsachen ausgerichtet und wirkt zudem bereits epigonenhaft. Die schauspielerische Leistung von Sylvester Stallone als triefäugigem Macho sind mit der goldenen Himbeere für die schlechteste Darstellung des Jahres geehrt worden. Seine Filmpartnerin, und er bekam dieses Mal eine tragische Romanze, anders als im ersten Rambo Film, wurde für selbige nominiert, verlor aber gegen Linda Blair, die gleich mehrere schlechte Darstellungen zu bieten hatte – nach Meinung der Razzie-Juroren.
Wenn man im Thema bleibt, aber direkt nach „Apcoalypse Now Redux“ einen Film wie „Rambo II“ rezensiert, ist die Fallhöhe so groß, dass man aufpassen muss, dass man den Aufprall-Schock unbeschadet. Aber er wirkt sich auf die Wertung aus, das wollen wir nicht verschweigen.
Unsere Wertung: 3/10, zwei davon für die gute Action und einen für die Anstrengungen Stallones beim Bodybuilding, die er auf wahrnehmbare Weise unternommen hat, seit man ihn 1976 in „Rocky“ erstmals mit freiem Oberkörper bewundern durfte. Alles andere ist wirklich mies und gefährlich. In der Regel werten wir nicht mit weniger als 45/100, auch Trash hat oft seine Momente. In diesem Fall aber greift die Sonderregelung der Punktereduktion aus ethischen Gründen. Diese Reduktion haben wir schon 2015 vorgenommen, im Wege der Abfassung des Entwurfs. Heute müsste man im Grunde noch einmal etwas abziehen, wenn man sieht, wie die Bevölkerung in den USA sich in den letzten zehn Jahren dem Rambo-Mindset angenähert hat und dessen Erlebnisse mit der Realität in einer komplizierten Welt verwecheln. Auch den IMDb-Nutzer:innen, von denen viele die Welt der Actionfilme lieben, ist dieses Produkt doch etwas zu primitiv geraten, um es wirklich zu hypen. 6,5/10 sind für solch einen Blockbuster keine hohe Bewertung.
Leider müssen wir diese Feststellung wiederum um den Blick ins eigene Land ergänzen, wo die Menschen auch immer mehr die Zivilisationshülle fallen lassen wie einen abgetragenen alten Mantel. Dazu haben die Rambo-Filme vielleicht nicht so viel beigetragen wie in den USA, aber der Stoff, aus dem hinter blutiger Action des Menschen Schäbigkeit hervortritt, ist überall der Gleiche. Ob nacheinander alle westlichen Demokratien sich brutalisieren werden, können wir noch nicht absehen, aber die Tendenz ist nach allen wichtigen Indizes, die immerhin in ebenjenem Westen erstellt werden, eindeutig negativ.
25/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
| Regie | George P. Cosmatos |
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| Drehbuch | Sylvester Stallone, James Cameron |
| Produktion | Buzz Feitshans |
| Musik | Jerry Goldsmith |
| Kamera | Jack Cardiff |
| Schnitt | Mark Goldblatt, Mark Helfrich, Larry Bock |
| Besetzung | |
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