Höhere Rentenkaufkraft im Osten – die Gegenbetrachtung zur Ungleichheit bei Renten und Gehältern (Statista + Kurzkommentar + Zusatzinfos) | Briefing 500 | Gesellschaft, Renten, Ost und West

Briefing 500 Rentenvergleich, Rentenkaufkraft, Ost und West, Rentenhöhe, Preise

Mit der Rente wird derzeit wieder viel Politik gemacht. Sie steht im Fokus. Sie ist nicht sicher.  Es soll immer länger gearbeitet werden und am liebsten wäre es vielen, die Lebenserwartung würde sinken. Ein besonderes Politikum ist auch hier der Ost-West-Vergleich. In der Tat ist die durchschnittliche Rente im Westen um etwa 200 Euro monatlich höher als im Osten:

In Ostdeutschland beträgt die durchschnittliche Rente für Männer und Frauen in der Rentenversicherung etwa 1.403 Euro pro Monat1.

In Westdeutschland erhalten Männer und Frauen in der Rentenversicherung durchschnittlich etwa 1.605 Euro pro Monat1.

Schon die ganze Zeit hat uns etwas an dieser Betrachtung gestört bzw. wir dachten, da fehlt doch etwas, wenn wir uns die prosperierenden Gegenden im Westen, vor allem Süden des Westens, und die Zustände in fast verwaisten Gebieten im Osten vergleichend anschauen. Jetzt wissen wir, was es ist:

Wo ist die Rentenkaufkraft am höchsten?

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Kaufkraft der Rente schwankt regional um bis zu 70 Prozent. Das geht aus einer Studie des Forschungsinstituts Prognos im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor. So stehen Rentner:innen im Eifelkreis Bitburg-Prüm preisbereinigt nur 856 Euro zur Verfügung. In der thüringischen Stadt Gera hingegen – dem Ort mit dem bundesweit höchsten ökonomischen Lebensstandard für Rentner:innen – sind es 1.437 Euro. Dabei steht dieses Beispiel stellvertretend für das Phänomen, dass die Rentenkaufkraft im Osten höher als im Westen ist. Am ungünstigsten ist das Zusammenspiel aus regionaler Rentenhöhe und Kaufkraft in Süddeutschland – von den fünf Kreisen mit der niedrigsten Rentenkaufkraft liegen jeweils einer in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und drei in Bayern. „Für die Auswertung hat Prognose die regionalen Lebenshaltungskosten und Rentenhöhen in 400 Landkreisen und kreisfreien Städten miteinander verglichen. Ob die Älteren zusätzlich noch Kapital- und Mieteinkünfte haben oder private Renten beziehen, blieb unberücksichtigt.“

Ziehen Sie also nach Gera, da ist Ihr Renten-Euro noch etwas wert! Dargestellt wird nur die gesetztliche Rente, und natürlich haben Menschen im Westen im Durchschnitt ein höheres Vermögen und weitaus häufiger dadurch auch weitere Einnahmequellen im Alter, mit denen sie den Ärmeren das bisschen Geld aus den Taschen ziehen, über das diese verfügen können, wie zum Beispiel durch überteuerte Mieten. 

Aber wenn es nur nach der gesetzlichen Rente geht, haben Menschen in Ostdeutschland sogar trotz ihrer geringeren Einkünfte einen realen Vorteil, weil schlicht die Preise viel niedriger sind. Leider gilt das nicht für Berlin, hier sind die Einkommen überall relativ gering, die Kosten aber ziehen seit Jahren rapide an. Wer also in Berlin eine „Ostrente“ hat, kann ganz schön dumm in die Röhre schauen und wird überwiegend auf zusätzliche Zahlungen vom Grundsicherungsamt angewiesen sein. Von einigen Ausnahmen abgesehen, zum Beispiel früheren Staatsdiener:innen. 

Ahnen Sie, was jetzt kommt? Es folgt zwangsläufig aus der obigen Betrachtung.  Nicht nur die Renten, sondern auch die Einkommen haben selbstverständlich im Osten den Vorteil, von niedrigeren Preisen zu profitieren. Das heißt, der Spin mit der Einkommensungleichheit, der besonders gerne von Millionärinnen gefahren wird, die weit jenseits von Existenzsorgen stehen, erweist sie bei näherem Hinschauen als heiße Luft und dient vor allem dem populistischen Vorankommen. Möglicherweise gleicht sich dadurch längerfristig sogar die Benachteiligung der Menschen im Osten nach der Wende durch „Rückgabe vor Entschädigung“ usw. aus, weil man dort viel günstiger Eigentum erwerben kann als im Westen (inklusive Berlin). Wir haben mal beim Copilot nachgefragt:

Die durchschnittlichen Gehälter variieren zwischen Ost- und Westdeutschland.

Im Jahr 2020 betrug der Bruttodurchschnittslohn je Beschäftigten in Ostdeutschland 2.850 Euro, in Westdeutschland 3.320 Euro1.

Bitte beachten Sie, dass diese Zahlen Durchschnittswerte sind und das tatsächliche Gehalt von verschiedenen Faktoren abhängen kann, einschließlich der spezifischen Tätigkeit, der Branche, der Berufserfahrung und anderen Faktoren. Es ist auch wichtig zu beachten, dass es Unterschiede in den Lebenshaltungskosten zwischen Ost- und Westdeutschland gibt, die ebenfalls berücksichtigt werden sollten.

Wir finden, die KI macht das schon ganz gut, sie hat auf die beiden wichtigsten Relativierungen hingewiesen: 3.320 gegenüber 2.850 = 16,50 Prozent mehr sind also Menschen im Westen wert!

Das ist aber der gleiche Gap wie der „unechte“ Gender-Paygap, der immer noch bei etwa 18 Prozent liegen soll. Unecht bedeutet, dass die Betrachtung der Tätigkeit außen vor bleibt, der „echte“ Gender-Paygap beträgt noch etwa 6 Prozent. Das heißt, nur die Gehälter von Menschen werden verglichen, die etwa die gleiche Tätigkeit ausüben. Null wäre besser, aber 6 Prozent sind kein Revolutionsgrund. Der unechte Paygap ist insofern aber relevant, dass Berufe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, oft in Relation zu ihrer Relevanz zu schlecht bezahlt sind. 

Und wie ist es mit Ost und West? Im Westen liegen mehr Firmensitze mit hoch bezahlten Manager-Jobs, die Gehälter sind auch in „normalen Berufen“ grundsätzlich höher – weil die Lebenshaltungskosten höher sind. Nach dem, was oben für die Renten ermittelt wurde, haben Menschen im Osten also trotz niedrigerer Gehälter oft mehr Geld zum Leben. Das ist spannend für uns, weil wir dieses Argument bisher nicht gegen die kaum noch zu ertragende Benachteiligungsarie Ost ins Feld geführt haben. Da waren wir ziemlich naiv oder haben unsere Anschauung nicht genug zum Einsatz gebracht, um nachzuforschen, ob der ganz andere Eindruck, den der Osten trotz seiner Generalsanierung häufig noch macht, vor allem außerhalb einiger Innenstadtbereiche, nicht auch in geringeren Lebenshaltungskosten Ausdruck finden müsste. Das tut er gemäß der obigen Darstellung, und zwar in erheblichem Maße. 

Schwierig wird es nur dann, wenn Menschen in „andere Lagen“ kommen. Zum Beispiel, wenn jemand eine Ostrente bezieht, aber im Westen wohnt oder wenn Menschen aus Ost und West sich an einem gemeinsamen Urlaubsort treffen. Dann wirkt sich bei dort gleicher Kaufkraft für alle Deutschen der nominale Unterschied der Bezüge aus. Aber, ganz ehrlich: Das lässt sich ja bei so viel geringeren Lebenshaltungskosten über den Rest des Jahres hinweg wieder aufholen. Wir haben schon häufiger recherchiert, dass auch schön hergerichtete Oststädte durch ihre geringen Mieten auffallen. Es ist eine Sache von Angebot und Nachfrage, dort gibt es nicht den Nachfrageüberhang wie in Berlin oder in vielen Städten des Westens. Das schafft Übersicht und hält die Kosten niedrig.

Der Osten profitiert sozusagen von seiner eigenen Unbeliebtheit mehr, als dass sie ihm schaden würde. Das ist, wie alle oben genannten Zahlen, und wie es z. B. vom Copilot erwähnt wurde, eine überschlägige Betrachtung, wie jede Statistik. Einzelne Menschen können immer anders aufgestellt sein. Dennoch ist es wie bei fast allen Themen: Man muss etwas genauer hinschauen, und schon merkt man, dass in diesem Land zu wenig über die Hintergründe nachgedacht wird, weil vor allem Schlagzeilen mit einem politischen Thema generiert werden sollen. 

TH


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