Bei den E-Autos noch lange nicht in Sicht, bei den E-Bikes geschafft: Marktführer! | Briefing 517 | Verkehrswende, Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheit

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Was bei den Autos noch weit weg erscheint, wurde bei den Fahrrädern im Jahr 2023 Realität: E-Bikes überholen die Verbrenner. Die Verbrenner von viel mehr Kalorien natürlich, mittlerweile Bio-Bikes genannt.

Infografik: E-Bike überholt Bio-Bike | Statista

Wie ging es während der Corona-Zeit  und danach weiter? Klicken Sie den Link über der Grafik an! Der Begleittext dazu ist ebenfalls hinter dem Link zu finden.  Auf ihn beziehen wir uns im Folgenden.

Unsere Beobachtungen in Berlin sind, dass hier vermutlich immer noch mehr „Bio-Bikes“ als E-Räder verkauft werden. Aus Kostengründen, aber auch, weil Berlin relativ flach ist und immer schon eine vergleichsweise fahrradaffine Stadt war. Der Autoverkehr hingegen geht überraschenderweise zurück, auch nach Corona hat sich das nicht geändert. Vielleicht ist es auch den E-Bikes zu verdanken.

Um ehrlich zu sein, wir sind keine Fans dieser Art von Fortbewegung, ähnlich wie bei den E-Autos. Es gibt ja immer ein „aber“. Summarisch sind E-Autos erst nach langem Gebrauch ökologisch tatsächlich besser als Verbrenner; E-Bikes hingegen können die Umweltfreundlichkeit eines Bio-Bikes gar nicht erreichen, der Unterschied bleibt also während der gesamten Nutzungszeit bestehen. Außerdem sind sie gefährlich, weil sie oft von unerfahrenen Menschen gefahren werden, die sich nach unseren Beobachtungen schwertun würden, ein normales Fahrrad einigermaßen in Schwung zu halten. Was uns persönlich als Bio-Radfahrer angeht: Von Steigungen ab etwa 5 Grad abgesehen, sind sie auch langsamer, aber dennoch schwer zu überholen, auch aufgrund der Fahrweise ihrer Bediener.

Trotzdem ergeben sie in manchen Fällen Sinn. Zum Beispiel, wenn Menschen vom Auto aufs E-Bike umsteigen. Das ist auf jeden Fall ein umwelttechnischer Fortschritt. Oder wenn jemand nicht mehr rüstig genug ist fürs muskelbetriebene Radfahren oder gar eine Behinderung hat, die ihn erst per E-Bike in den Sattel bringt. Aber das Überholen der E-Bikes bei den Neufahrrad-Verkäufen lässt eher darauf schließen, dass ein weniger erfreulicher Effekt eingetreten ist. Viele, die sich früher mit normalen Fahrrädern etwas Bewegung mit Muskeltraining gegönnt haben, sitzen jetzt bequem auf dem E-Bike. Die Tatsache, dass der Gesamtabsatz an Fahrrädern nicht mehr steigt, sondern sinkt, die Anteile sich aber in Richtung E-Bike verschieben, erhärtet diesen Verdacht. Vermutlich handelt es sich auch dabei wieder eher um Menschen, die das Fahrrad eben nicht auch als Sportgerät ansehen.

Wir plädieren gerade deshalb dafür: Wer es kann, auch wenn es etwas langsamer vorangehen sollte und man von schnelleren Radfahrern leicht überholt wird, bitte weiter die Muskeln betätigen. Jeder Kilometer mit einem – wir hätten beinahe geschrieben „echten“ – Bio-Fahrrad ist ein Gewinn für die Gesundheit. Vor allem jüngere Menschen sehen wir nicht gerne auf E-Bikes, weil sie in der Regel in der Lage wären, problemlos ein Bio-Bike zu fahren. Aber es ist ein ähnlicher Effekt wie bei den Tretrollern, die auch kleine Fußmärsche ersetzen: Gemütlichkeit schlägt alles und es ist bei der Fitness wie überall in dieser Gesellschaft: Die Unterschiede werden größer.

Wir sehen immer mehr Menschen, die sich mit geradezu professionellem Gerät fortbewegen und immer mehr, die es so gut wie gar nicht mehr aus eigener Kraft tun. Es ist nicht jedem gegeben, Radsportler zu sein, auch uns nicht, aber wir haben die Befürchtung, dass die Tendenz zum E-Bike überschlägig, also auf die Gesamtbevölkerung statistisch bezogen, zu weniger Training des eigenen Bewegungsapparats führen wird. Nicht die, die durch E-Bikes vom Auto oder aus der Quasi-Immobilität hinzukommen, sondern die Umsteiger von normalen Fahrrädern sind dabei das Problem. Das gilt auch für jene, die nicht so ungeübt wirken wie manche, die zuvor gar nicht auf einem Zweirad saßen und die Radwege unsicher machen. Zusammen mit den Tretrollerfahrern und einigen rabiaten Subjekten auf zwei mit Muskelkraft betriebenen Rädern, wie es sie bei den Nutzern aller individuellen Verkehrsmittel gibt.

Wir fahren kein Bike von Cube, deswegen haben wir uns den Hersteller etwas näher angeschaut. Das ist ja eine richtige deutsche Erfolgsstory, über eine Million Fahrräder pro Jahr zu verkaufen und chinesischen Massenherstellern wie Giant die Stirn zu bieten. Wenn man genauer hinschaut: Die Preise sind ganz schön hoch, wenn man bedenkt, dass auch Cube das Meiste in Asien fertigen lässt. Bei den Gangschaltungen und Bremsen ist das klar, Shimano ist nun einmal bei weitem Marktführer, und ob die Teile noch in Japan oder in einem anderen asiatischen Land gefertigt werden, obliegt der dortigen Geschäftsführung, solange die Qualität stimmt. Interessanter wird es bei den Rahmen, diese werden tatsächlich von einigen Herstellern nach einigen Angaben noch hierzulande hergestellt. Mit dem Effekt, dass sie für ihren Preis relativ basic wirken, während bei Cube auch die günstigeren Modelle schon sehr elegant aussehen, zum Beispiel keine optisch erkennbaren Schweißnähte mehr aufweisen.

Die Fahrradrahmen von Cube werden, wie bei vielen großen Fahrradherstellern, in Asien gefertigt1Die Carbon- und Aluminium-Rahmen sowie die meisten Komponenten für die verschiedenen Fahrrad-Kategorien kommen aus asiatischen Ländern, zum Beispiel Taiwan oder Kambodscha1.

Die Rahmen werden in Waldershof, Deutschland, entwickelt und designt2Nach der Fertigung in Asien werden sie nach Bayern verschickt, wo sie (…) schließlich montiert werden2.

Wegen dieser Arbeitsteilung kommt Cube auch (Stand 2022) mit nur 203 Mitarbeitenden in Bayern aus und betreibt unseres Wissens in Deutschland keinen weiteren Produktionsstandort.

Grundsätzlich ist dieses Verfahren üblich. Man hat schon in den 2000ern errechnet, dass ein VW Golf 50.000 Euro kosten würde, wenn alle seine Teile in Deutschland gefertigt würden (damals war die betreffende Variante um 22.000 Euro zu haben). Würde man das auf den Gegenstand Fahrrad übertragen, könnte Cube kein Gerät unter 2.000 Euro anbieten; gemeint ist ein günstiges Trecking-Bio-Bike, kein E-Bike. Wir haben tatsächlich bei Cube Angebote von 999 Euro gefunden, die es mit etwas Schnäppchenjagd sicher noch etwas günstiger zu erstehen gibt. Das macht Hoffnung auch für Menschen, die aus einem ziemlich simplen Grund ein Bio-Rad fahren: Die E-Bikes sind nun einmal nach wie vor teurer.

Bei Autos sind vor allem die Batterien kostspielig und schwer, wohingegen Verbrenner-Motoren viel komplexer sind als Elektromotoren. Bei Fahrrädern müsste man vergleichen, welche Art von Batterie und Motor welches Schaltgetriebe eines Bio-Bikes ersetzt. Aber sind die exorbitanten Mehrpreise fürs Stromern (auf alle Hersteller bezogen, nicht auf einen einzigen) wirklich so groß oder wird an E-Bikes einfach klotzig verdient? Das könnte ein Grund dafür sein, dass einst verdiente Bio-Bike-Hersteller mittlerweile ganz auf E-Bikes setzen (zum Beispiel derjenige, von dem unser voriges, längst geklautes Treckingrad, Baujahr 2015, stammte).

Noch ist der E-Bike-Markt nicht gesättigt, da können die Preise hochgehalten werden. Wenn sich das einmal geändert haben wird, wird wohl folgender Effekt eintreten: E-Bikes werden normalerweise nicht als Prestige-Sportobjekte angeschafft und dürften daher einem höheren Wertverfall unterliegen als exklusive Rennräder beispielsweise, sondern eher so, wie er bei Alltags-Gebrauchsgegenständen üblich ist. Es gibt auch Premium-E-Bikes, diese sind aber so teuer, dass sie auf den Straßen Ausnahmeerscheinungen bleiben dürften, obwohl Fahrradhändler sie gerne so prominent platzieren, als seien sie quasi der neue Standard (wir meinen damit nicht die Pedelecs, die so schnell sind, dass sie auf Fahrradwegen nicht gefahren werden dürfen, sondern normale 25 Km/h-Räder, die gerne mal über 5.000 Euro kosten). Generell ist es, wie bei Autos und anderen Waren: Gebraucht wird’s günstiger. Wenn Sie also partout ein E-Bike fahren, aber nicht mindestens 2.000 Euro für ein einigermaßen qualitativ dafürstehendes Bike ausgeben wollen: Der Gebrauchträder-Markt auf dem Sektor dürfte aufgrund der hohen Absatzzahlen bei Neurädern in den letzten Jahren schnell wachsen.

TH


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