Crimetime 1211 – Titelfoto © RBB
Rosenholz ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Es ist der achte gemeinsame Fall des Berliner Ermittlerduos Ritter und Stark. Der RBB produzierte den Film unter der Regie von Peter Ristau und wurde am 6. Juli 2003 in Das Erste zum ersten Mal gesendet.
Wir gehen 19 Jahre zurück. Die Wiedervereinigung ging damals in ihr 13. Jahr und die Wunden und Traumata waren teilweise noch frisch. Die alten Seilschaften gab es noch. Die Stasi-Aufarbeitung sorgte für weitere Überraschungen und auch für Leid. Der alte Führungsoffizier geht von alleine, die Geführten und die Opfer sind sich selbst überlassen und das geht tödlich aus. Wie hat man einen solchen Plot mit Ritter und Stark hinbekommen? Wir klären das in der –> Rezension.
Handlung[1]
Maria Berkbusch ist eine engagierte TV-Moderatorin, die sich derzeit für die Aufarbeitung der ostdeutschen Vergangenheit und die Offenlegung der Stasiakten einsetzt. Um Informationen über einen IM „Leopard“ zu erhalten, will sie Hans Garbrecht treffen, der in der DDR als Major bei der Auslandsspionage gearbeitet hatte und noch eine Liste mit Decknamen der Inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit besitzen soll. Als Berkbusch das abgelegene Einfamilienhaus erreicht, findet sie ihren Informanten tot in seiner Wohnung. Panisch ergreift sie die Flucht, wird dabei aber von einem aufmerksamen Nachbarn Garbrechts gesehen. Er hat aber auch ein auffälliges Cabrio vor Garbrechts Haus stehen sehen. Da ein solches Fahrzeug auf Wolfgang Zimmerer, den Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft zugelassen ist, für die das Opfer als Verwalter gearbeitet hatte, suchen die Kommissare Ritter und Stark ihn auf. Er gibt an, dass er mit Garbrecht reden wollte, dieser aber die Tür nicht geöffnet hat und er annahm, dass er dann auch nicht zu Hause war. Die Ermittler finden es merkwürdig, dass Zimmerer zu seinem Verwalter gefahren ist und er seinen Angestellten nicht zu sich bestellt hat. Aufgrund von Unterlagen, die im Tresor des Opfers gefunden wurden, nehmen Ritter und Stark an, dass Zimmerer von Garbrecht erpresst wurde. Als sie Zimmerer mit ihrem Fund konfrontieren, leugnet er derartige Zusammenhänge. Er, als aufstrebender Politiker, sei ständig Anfeindungen und Intrigen ausgesetzt.
Ihr nächster Weg führt Ritter und Stark zu Maria Berkbusch, die von Garbrechts Nachbarn erkannt wurde. Sie ahnt, dass die Polizei sie verdächtigt und flüchtet vor Ritter, als sie ihn bemerkt. Zunächst leugnet sie, Hans Garbrecht überhaupt zu kennen, gibt dann aber doch zu, dass sie ihn treffen wollte. Sie recherchiere schon lange alte Stasi-Seilschaften und er wollte ihr Informationen dazu geben. Da Berkbusch zu der von der KTU ermittelten Tatzeit noch mit dem Auto unterwegs war, scheidet sie inzwischen als Täterin aus.
Auf ihrer verbissenen Suche nach dem IM „Leopard“, versucht Berkbusch an offizielle Stasiunterlagen zu gelangen, die ihr bei der Aufklärung helfen können. Da sie selber von der entsprechenden Behörde keine Informationen bekommt, versucht sie mit den Kommissaren zu kooperieren, die als Ermittler Zugang zu den Unterlagen hätten. Während sie ihr Anliegen mit Ritter und Stark bespricht, bricht ein Feuer in ihrem privaten Büro aus und ihre gesamten Unterlagen und Recherchen werden vernichtet. So vermuten die Kommissare, dass sie ihrem „Leopard“ gefährlich nahegekommen sein muss und er wahrscheinlich auch dafür gesorgt hat, dass sie mit Garbrecht nicht mehr sprechen konnte.
Lutz Weber recherchiert, dass Maria Berkbusch bei ihrer Tante Jutta aufgewachsen ist, da ihre Eltern Selbstmord begangen hatten. Sie waren Dissidenten und sind durch „Leopard“ verraten worden, was das große Engagement von Maria Berkbusch erklärt. Ritter und Stark gelingt es, eine Liste der IMs zu erhalten, die als „Leopard“ in Frage kommen. Und unter den Namen findet sich auch Max Vollrath, der mit Maria Berkbusch verheiratet ist. Ritter versucht Vollrath zu finden, während Stark Maria Berkbusch aufsucht. Offensichtlich hat auch sie eine heiße Spur zu „Leopard“, doch das gibt sie nicht zu. Heimlich verlässt sie ihre Wohnung und fährt zu ihrer Tante. Sie bedroht sie mit einer Waffe, damit sie zugeben soll, dass sie ihre Eltern verraten hat. Ritter und Stark, die inzwischen eintreffen können sie aber von ihrem Irrtum abbringen. Ihr eigener Mann war der Verräter und auch der Mörder von Garbrecht. Stark stellt allerdings fest, wenn Maria nicht so verbissen nach der Wahrheit gesucht hätte, wäre Vollrath gar nicht zum Mörder geworden.
Rezension
Negativ
- Die Argumentation, dass der Mörder nicht zum Mörder geworden wäre, hätte man sich nicht bemüht, ihm auf die Spur zu kommen, erinnert mich an ein sehr aktuelles Thema: Hätte der Westen Wladimir Putins imperiale Interessen nicht konsequent ignoriert, wäre Putin nicht zum Kriegsverbrecher geworden. Und schon sind wir vom alten Kalten Krieg in den neuen hineingerutscht, der sich gerade abzeichnet und der wieder neues Leid und neue Opfer verursacht. Die Logik passt trotzdem nicht, insbesondere dann nicht, wenn Menschen getötet werden, um Ziele zu erreichen oder eine Tarnung zu erhalten. Was immer man davon hält, es ist als Schlusssatz unter einen Stasi-Aufarbeitungsfilm zu banal.
- Die Kunst des Ostens: „Aus nüscht wat machen“. Aus nichts kann man nichts machen, und das hat man der DDR auch angemerkt. Mangel allüberall und zunehmende Demotivation und Elegie haben gezeigt, dass es auf Dauer zu anstrengend ist, selbst aus sehr wenig etwas machen zu wollen, mehr, als eigentlich da ist. Noch heute sind die Traumata dieser Zeit aktiv und pflanzen sich fort.
- Ein typisches Merkmal nicht nur der damaligen Berliner Tatorte, aber dieser besonders, war eine heute schrecklich krampfig wirkende Platzierung von Nebengeschichten, die absolut nichts zur Handlung beitragen, nicht einmal lose mit ihr verknüpft sind. Hier: Till Ritter mal nicht in erster Linie als Frauenschwarm, sondern vorwiegend als Frauenschwärmer, wie er versucht, aus einem Schuhkarton eine Steuererklärung zu zaubern. Macht er, schon ergraut, offenbar zum ersten Mal. Jeder Gag in diesem Zusammenhang ist einfach nur Murks. Nicht, weil Steuererklärungen so ein todernstes Thema wären, sondern, weil man es nicht schafft,in diesem Tatort etwas halbwegs Humorvolles herauszuholen. Gerade die uninspirierte Darstellung von Ritters Chaos wirkt, als ob die deutschen Fernsehmacher beweisen wollten, dass sie selbst von Bürokraten abstammen. Wenn das keine Ironie ist.
- Die Vorhersehbarkeit dieses Films könnte eine Legende werden, wenn man ihm (dem Film, nicht dem Leoparden, um den es geht) mehr Beachtung schenken würde. Wer Inhaber dieses Decknamens ist, wird von Beginn an zu deutlich, lediglich die falsche Fährte mit der engagierten und resoluten Tante sorgt für kurzfristige Irritation, zumal sie eine Brandstiftung begangen hat. Wer das tut, kann immer auch Mörder:in sein.
- Die Handlung ist in Teilen unlogisch und konfus, erst zum Schluss ergibt sich etwas wie eine Ordnung. Soll so sein, ist ja ein Whodunit, könnte man jetzt sagen, aber es gibt einfach zu viele unnötige Elemente, weil man diejenigen, die den Film tragen sollen, offenbar als nicht tragend genug angesehen hat.
Positiv
- Aglaia Szyszkowitz spielt die weibliche Hauptrolle der Maria sehr intensiv und berührend, sie hat mich in dem Film gehalten, aber gerade diese Intensität hat auch dazu beigetragen, dass man den Leoparden recht schnell erahnen konnte, weil die „emotionale Dramaturgie“ kaum eine andere Möglichkeit zuließ. Deswegen ist die Darstellung dennoch gelungen und man spürt den Fluch der Vergangenheit, der aus dem resultiert, was sich als Freitod der Eltern herausstellt und deren Versuch, auch die damals erst achtjährige Tochter mit ins Jenseits zu nehmen. Dass Szyszkowitz Österreicherin ist, habe ich nicht herausgehört, sie hat für mich als Frau aus dem Osten Deutschlands, die unter einem Fluch lebt und davon getrieben wird, glaubwürdig gewirkt, auch als Typ.
- Die Kameraarbeit ist zuweilen sehr gut, jedenfalls für die Verhältnisse von 2003, und erbringt in einigen Szenen eine eigene Art von Spannung, wenn quasi direkt aus der Sicht einer Person heraus gefilmt wird. Modern gefilmt sind die Berlin-Tatorte von Ritter und Stark ja meistens gewesen, dieses Mal hat man auch nicht den Glamour von Berlin so herausgestellt und auf eine möglicherweise gar nicht gewollte, ansonsten sehr hintersinnige Weise das Hohle daran illustriert, das besonders dann zum Vorschein kam, wenn Ritter den Großstadt-Cowboy ohne Tiefgang zu geben hatte, das Gegenstück zum introvertierten und attentiven Stark. Aber auch in „Rosenholz“ wirkt Ritter stellenweise wieder, als verstehe er nur Bahnhof. Klar, der Schuhkarton des Grauens! Der hat ihn komplett paralysiert. Das gehört jetzt eigentlich nicht zu „positiv“ und kommt davon, wenn man ausnahmsweise solche Kategorien verwendet.
- Auch wenn es weh tut: Es war vollkommen okay, dass die deutsch-deutsche Vergangenheit in Krimis thematisiert wurde. Außerdem liegt „Rosenholz“ und dem, was die Birthler-Behörde an Datenbeständen hatte, offenbar ein realer Agentencluster zugrunde. Die Erklärungen der Funktionsweise belegt, dass es wenig gibt, was die DDR „erfunden“ hätte, sondern dass die Tätigkeit der Stasi der vieler anderer Geheimdienste ähnelt. Mit einem Unterschied: Im Westen wird in der Regel niemand zur Zusammenarbeit gepresst, die Profis und ihre Geführten sind Freiwillige. Dass die alten Seilschaften heute noch vorhanden sind, mag man kaum glauben, aber einige gibt es tatsächlich noch. Eine davon ist mir im Wege meiner Berichterstattung über die Berliner Wohnungspolitik offenbar geworden, dabei spielt ein alter Ex-HVA-Hauptmann eine Rolle, der offenbar in der Lage ist, erheblichen Druck auf die Stadtpolitik auszuüben. Nun ja, gelernt ist gelernt und funktioniert auch im freien, nicht nur im staatlichen Kapitalismus.
Finale
Die Berliner Tatort jener Jahre sind nicht einfach. Die noch älteren sind teilweise grottenschlecht, insofern waren Ritter und Stark ein Fortschritt, aber der Weg an die Spitze, bis zu deren späten Tatorten wie „Gegen den Kopf“, war mühsam. Das merkt man auch diesem nun fast 20 Jahre alten Film an. Die beiden wirken untereinander und einzeln nicht gerade frei und authentisch, Stark noch eher als Ritter. Es ist einer Episodenrollendarstellerin vorbehalten, den Film zu tragen, und das schafft sie so, dass ich mich nie gelangweilt habe, wenn die Kamera lange auf ihrem Gesicht verweilt. Die Kamera weiß, was sie daran hat. Das Thema ist interessant und wichtig, Marianne Birthler von der Birthler-Behörde (vormals Gauck-Behörde, die Stasti-Aufarbeitungs- und Dokumentationsstelle) tritt persönlich auf, die Umsetzung und die schrecklichen Nebenstorys sind allerdings so, dass man von einer teilweise verschenkten Chance sprechen muss, uns den Horror eines Gefangenseins in den Fängen der Stasi nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf einer mehr abstrakten Ebene begreiflich zu machen und systembedingte Unterschiede der Geheimdiensttätigkeit herauszuarbeiten.
Es ist z. B. nicht das Gleiche, ob Profis des Spione-Business sich miteinander messen, oder ob die Hälfte eines Volks von der anderen bespitzelt wird. Letzteres schafft unendlich viele Traumata und Verletzungen, die lange, lange nachwirken. Das Misstrauen gegenüber dem Staat, das im Osten besonders ausgeprägt ist, der mangelhafte Kompass bei der Identifikation von Demokratie und Diktatur, das hat initial mit dem Spitzelsystem der DDR zu tun. Vorgänge werden viel zu schnell als diktatorisch gelabelt, während wirkliche Gefahren für die Demokratie, die sich oft nicht so konkret im Alltag zeigen wie beispielsweise Corona-Maßnahmen, kaum erkannt und zudem durch dieses Verhalten verstärkt werden. Aufgrund der Mitnahmefähigkeit der weiblichen Hauptdarstellerin noch
6/10
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)
| Regie | Peter Ristau |
|---|---|
| Drehbuch | Pim Richter |
| Produktion | Jürgen Haase |
| Musik | Claudius Brüse |
| Kamera | Frank Brühne |
| Schnitt | Christine Boock |
| Premiere | 6. Juli 2003 auf Das Erste |
| Besetzung | |
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[1], kursiv und tabellarisch: Tatort: Rosenholz – Wikipedia
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