Deutschland, Land der vielen Museen +++ Welche Museen ziehen die meisten Besucher:innen an? (Statista + Zusatzinfos) Briefing 530 Update | Kultur, Gesellschaft

Briefing 530-UP Kultur, Gesellschaft, Museen, meistbesuchte Museen der Welt

Vor zehn Tagen hatten wir einen Artikel über die meistbesuchten Museen der Welt geschrieben, für den Fall, dass Pfingsten nicht zum draußen Verweilen einlädt. Mit ein wenig Betrübnis haben wir festgestellt, dass kein deutsches Museum es auch nur annähernd unter die Top 10 der Welt schafft. Dabei dachten wir immer, Deutschland sei ein besonders museales Land.

Das ist es auch, aber es glänzt, wie in anderen Bereichen, nicht vor allem durch Größe, sondern durch Vielfalt. Es hat nicht weniger als 6.809 Museen, die sich wie folgt auf die Bundesländer verteilen:

Wie viele Museen gibt es in Deutschland? – Statista

Es überrascht uns auch nicht, dass es in den beiden Südstaaten die meisten von diesen Museen gibt. Dort  ist das zu Hause, was wir an Deutschland wirklich mögen: Der Sinn fürs Kleine und eine Detailversessenheit, die dafür sorgt, dass es dort unzählige kleine Museen gibt, die sehr speziellen Themen gewidmet sind.

Es gibt auch große Museen in Deutschland, selbstverständlich, wir haben sie im unten angehängten Ausgangsartikel erwähnt. Stellen Sie sich vor, Sie machen eine Museumstour durch Baden-Württemberg. Jeden Tag können Sie drei Museen besuchen und sind nach drei Jahren noch nicht fertig. Ein Museum auf etwa 1.200 Einwohner:innen, das ist der stolze Bestand an Ausstellungen zu Dingen, die meist der Vergangenheit entstammen, die viel Liebe und Enthusiasmus brauchen, um erhalten zu werden und wir können uns gut vorstellen, wie der Sammlerstolz anschwillt, wenn man neue Exponate hinzufügen konnte.

Das Sammeln, von konventionell bis sehr ungewöhnlich, von organisiert in Verbänden und Vereinen bis zu ganz für sich allein ist in Süddeutschland noch immer etwas wie ein Volkssport, vor allem im Südwesten. Es ist spleenig und in einer Weise auch berührend, wie viel Energie Menschen in das Ansammeln von was auch immer stecken. Menschen, die überhaupt nicht sammeln, sind uns etwas unheimlich, weil wir den Verdacht haben, dass hinter der rationalen Fassade  oder der Angabe, nicht von irdischen Dingen berührt zu sein, etwas Tristes steckt. Menschen sind nun einmal Jäger, aber auch Sammler, und wer nur jagt und nicht sammelt, der hat weniger davon. Das Sammeln ist außerdem viel friedlicher als das Jagen. Haben Sie je gehört, dass ein Briefmarkensammler zum Massenmörder wurde? Wir nicht, auch wenn die Jagd nach den  letzten fehlenden Exemplaren einer bestimmten Serie genauso spannend ist wie die Jagd nach dem Wild im Wald. Man schießt sozusagen noch etwas, und das lässt man sich einiges kosten. 

Wie kommen wir bei dem Museumsthema darauf? In erster Linie hat man doch die großen staatlichen und von Großunternehmen angelegten Sammlungen im Kopf, wenn man an ein deutsches Museum denkt. Zumindest zahlenmäßig ist das aber falsch. Unterstützung durch staatliche Stellen für den Erhalt privater Sammlungen ist nicht das Gleiche wie staatlicher Kollektionismus, der in vielen Museen der Welt außerdem noch das Problem hat, dass Kunst geraubt, in vielfacher Weise ungefragt mitgenommen wurde. Auch dadurch sind die westlichen Kulturtempel so überragend attraktiv geworden: dass man sich einfach genommen hat, was man für beachtenswert fand. Das gilt in der Regel natürlich nicht für Gemäldesammlungen und dergleichen, sehr wohl aber für ethnografische Museen, und die Streitfälle werden häufiger, bei denen  Kulturschätze von dort zurückgefordert werden, wo sie entstanden sind. 

Raubschätze kommen sicher auch in privaten Sammlungen vor, aber die kleinen  Museen in Deutschland sind vor allem kunstgewerblich und technisch thematisiert und spiegeln auch wieder, dass Deutschland früher sehr kleinteilig war und damit das Tüftlertum im Vordergrund stand, nicht das Gieren nach Weltruhm und imperialer Ausdehnung. Es war einmal ein friedliches, kleines, zersplittertes Land, und das vor allem im Süden, dessen Erfindungsreichtum auch durch diese Kleinteiligkeit gefördert wurde. Heute spiegelt der im Grundgesetz festgeschriebene Föderalismus die Absicht, die Vielfalt zu fördern und den  Zentralismus, der leicht zum Größenwahn führt, zu bremsen. 

Pro Einwohner hat Deutschland mehr Museen als fast jedes andere Land. Ausgerechnet die ohnehin größeren USA haben auch pro Einwohner noch mehr Museen (4-mal mehr Einwohner, aber 5-mal mehr Museen als Deutschland). Pro Einwohner noch mehr Museen haben auch Kanada, Schweden und die Schweiz, Länder, die sich eine konsequente Kulturpflege leisten können. Vielleicht gibt es sehr kleine, aber pro Einwohner sehr museeumsreiche Länder, aber die Liste, die wir befragt haben, zeigt nur die Länder mit den meisten Museen insgesamt

Nehmen wir uns jetzt etwas vor, alle zusammen? Nämlich, bis zu unserem Lebensende alle Museen in Deutschland besucht zu haben. Bei einem Museum pro Tag brauchen wir dazu etwa 20 Jahre. Bei Museen, die nicht in der Nähe sind und mit Tagesausflügen zu erreichen, schlagen wir das obige Prozedere vor, die kleine Museumsreise. Ach, dieses Thema interessiert Sie nicht und jenes Museum ist zu weitab oder was auch immer? Sie haben es nicht verstanden. Es geht ums Sammeln! In diesem Fall um das Sammeln von Sammlungsbesuchen. Auch diejenigen, die alle Grubenlampen gesammelt haben, finden vermutlich nicht alle davon gleich schön, aber sie lieben sie alle. Des Selbstzwecks wegen. Die Gegenstände sind ja von Menschen gemacht worden, mit Liebe oder nicht, aber meistens schon, gerade im handwerklichen Bereich.

Sie zeugen von einem geistigen Reichtum, der im Konsumzeitalter mit seiner Passivität und Konformität immer wertvoller wird. Eigentlich sollte dies kein Werbebeitrag werden, aber wir erinnern uns gerade an die Zeit, als wir für ein bestimmtes Thema auch in Deutschland herumgefahren sind, Museen (und Messen) besuchten und dort auch fotografiert haben. Man ließ uns sogar gewähren, als wir manchmal die auf Fotos störenden Kordeln entfernt haben, die Exponate von Besuchern trennen sollen. Seit unserer Berliner Zeit hingegen waren wir höchstens in zehn der 184 hiesigen Museen. In Relation zur Einwohnerzahl sind das recht wenige, aber die Struktur ist eben anders, es gibt mehr größere, staatliche Sammlungen und eben weniger von diesen Niedlichkeiten, die andere Regionen so liebenswert machen. Gerade deswegen, diese 184 ließen sich doch schaffen.

Apropos: Haben Sie ein Lieblingsmuseum? Oder gar mehrere? Oder eine Kunsthalle?  Schreiben Sie uns, wir lassen uns gerne inspirieren.

TH

19.05.2024

Was machten Sie an Pfingsten, liebe Leser:innen? In Berlin ist das Wetter eher mittelprächtig, fast aprilhaft, und recht kühl. Aber Sie wollen nicht zu Hause sitzen und mit Ihrer Familie einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachgehen, obwohl der geplante Ausflug ins Grüne sozusagen ins Wasser gefallen ist? Wie wär’s mit einem Musuemsbesuch?

Man muss allerdings weit fahren, um eines der meistbesuchten Museen der Welt zu gelangen, das schafft man nicht an einem Tag, hin und zurück. Statista hat  aus den Tops der Museen eine Grafik gemacht.

Welche Museen ziehen die meisten Besucher:innen an?

In Deutschland gibt es zwar fast 7.000 Museen, aber keines davon schafft es laut Theme Index Report 2022 in die Spitzengruppe der Welt. Dagegen ist London ein echter Museums-Hotspot. Drei der acht populärsten Häuser des Planeten sind in der englischen Hauptstadt zuhause: Das Natural History Museum, das British Museum und die Tate Modern. Der mit Abstand wirkmächtigste Besucher:innenmagnet ist indes der Louvre in Paris. Das Kunstmuseum lockte 2022 fast acht Millionen Besucher:innen an. Das sind zwar 173 Prozent mehr als im Vorjahr, aber immer noch 19,5 weniger als im letzten Vor-Corona-Jahr.

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Vorstehend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Ein bisschen traurig sind wir schon, dass kein Berliner Museum unter den Tops ist. Das mag aber auch daran liegen, dass zum Beispiel die Museumsinsel in verschiedene Museen aufgeteilt ist und vermutlich nicht zusammen „abgerechnet“ wird, was allerdings bei den britischen Museen und französischen Hauptstadtmuseen ersichtlich auch nicht der Fall ist. Denn was die Gesamtbesucherzahl der Städte angeht, liegt Berlin relativ gut im Rennen. (Zahlen allerdings aus dem Jahr 2019, andere Berechnungen [Zahl der Besucher:innen, nicht Übernachtungen] sehen keine deutsche Stadt auch nur in den Top 10 von Europa).

Es kommt allerdings auch auf die Art des Tourismus an, und Berlin sticht nicht gerade dadurch hervor, dass hier die meisten Kulturtourist:innen unterwegs sind. Vielleicht käme es noch einmal zu einer Verschiebung, wenn man alle periodischen Ausstellungen als Cluster zusammenfassen würde, denn davon gibt es hier unzählige, sie finden allerdings auch in Teilen in den Museen statt. Besonders zugkräftige Ausstellungen heben also auch die Besucher:innenzahlen der Museen an.

Die USA sind in den Top 10 nur einmal vertreten, und das nicht mit weltberühmten Kunsttempeln wie dem MoMa oder dem Guggenheim in New York, sondern mit dem bei weitem nicht so berühmten National Museum of Natural History in Washington D. C. Die Tate Gallery in London hingegen ist unter den Top 10 gelistet.

Berlin hat nicht das eine große Nationalmuseum und Deutschland ist insgesamt föderaler organisiert als viele andere Länder, die Kultur verteilt sich gleichmäßiger. Besonders zentralistisch ist Frankreich, Paris or Bust, könnte man es überspitzt formulieren, auch London überstrahlt alle anderen Städte des Inselreichs kulturell mit großem Abstand. Was uns etwas überrascht hat: Dass das British Museum nur auf Platz 2 in London liegt. Deswegen würden uns die Ländervergleichszahlen interessieren. Wie viele Menschen haben insgesamt innerhalb eines Jahres Museumsbesuch in einem Land absolviert? Da Frankreich aber auch die meisten Touristen in Europa und sogar weltweit anzieht, dürfte sich das generell fördernd auf die Zahl der Museumsbesuche auswirken.

Deutschlands besondere Museenstruktur kann man hier gut ablesen, die Zahlen sind leider alle noch aus der Zeit vor Corona, anders als die in der gezeigten Statista-Grafik. Dass in Berlin zwei Museen vorne liegen, die einer ausgesprochen negativen Thematik gewidmet sind, ist wohl weltweit einmalig. Dass das Deutsche Museum München in Deutschland das meistbesuchte ist, entspricht unserer Vermutung und es zeigt sich auch, dass die Museumslandschaft in Berlin und Deutschland gemäß obiger Darstellung sehr breit gefächert ist.

TH

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