Update! Westliche Waffen auf russischem Gebiet einsetzen (Umfrage + Kommentar: Völkerrecht muss im Ganzen gedacht werden, und das Risiko auch) | Briefing 536 Update | Geopolitik, Ukrainekrieg

Briefing 536-UP Geopolitik, Ukrainekrieg, Russland, Ukraine, Fernlenkwaffen, Raketen, Einsatz auf russischem Staatsgebiet, Völkerrecht, Eskalation, Schlag und Gegenschlag

Vor ein paar Tagen haben wir uns angesichts der großaangelegten öffentlichen Diskussion zum Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine außerhalb ihres Territoriums gewundert, dass Civey daraus nicht sofort eine Umfrage gemacht hat. Jetzt ist sie da, und Sie können abstimmen. Wir hingegen sind in der bisher einmaligen Position, den Kommentar schon vorher geschrieben zu haben. Wir ergänzen aber auch ein wenig, denn nichts geht über frische Infos als noch mehr frische Infos.

Begleittext aus dem Civey-Newsleter

Die Parlamentarische Versammlung der NATO rief ihre Mitgliedstaaten am Montag auf, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen auch gegen militärische Ziele in Russland zu erlauben. Grund sei die desolate Lage an der russischen Grenze bei Charkiw. „Die Frontlinie und der Grenzverlauf sind mehr oder weniger identisch, und den Ukrainern sind die Hände gebunden, wenn sie keine militärischen Ziele auf russischem Territorium angreifen können“, argumentierte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg der ARD nach.

Mit Ausnahme von Großbritannien lehnen die NATO-Länder den Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte diese Haltung am Sonntag auf dem Demokratiefest in Berlin anlässlich des 75. Jahrestages des Grundgesetzes. Er sehe derzeit keinen Anlass, die mit der Ukraine vereinbarten Regeln für den Einsatz, der von Deutschland gelieferten Waffen zu lockern. Andernfalls drohe eine Eskalation des Krieges, der auf die NATO ausgeweitet werden könnte.

Angesichts des russischen Terrors gegen die ukrainische Zivilbevölkerung hätte die Ukraine laut SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zwar das Recht, militärische Infrastruktur in Russland anzugreifen. Sollte eine westliche Waffe jedoch versehentlich zivile Infrastruktur in Russland treffen, seien Diskussionen vorprogrammiert, warnte er vorgestern im ZDF. Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter teilt die Ansicht der NATO und verweist dabei in der Funke Mediengruppe auf das Völkerrecht. Demnach dürfe die Ukraine seine Bevölkerung schützen, auch wenn dies im russischen Luftraum geschehe.

Kommentar

In einer Sache müssen wir Kanzler Scholz widersprechen: Anlass gibt es sehr wohl, der Ukraine den Einsatz westlicher Waffen jenseits ihrer Grenzen zu erlauben. Zum Beispiel, dass sie ständig von Russland aus angegriffen wird und nicht adäquat zurückschlagen kann. Es war uns die ganze Zeit über klar, dass völkerrechtlich nicht nur für eigene Waffen, sondern auch für die von Helferstaaten gelten muss, dass der Angreifer auf dessen eigenem Territorium selbst angegriffen werden darf, alles andere wäre höchst unlogisch. Wenn also Waffenhilfe grundsätzlich erlaubt ist, und das ist sie, dann muss sie auch den vollen Einsatz der Waffen beinhalten dürfen.

Eine entscheidende Norm ist in Artikel 51 der UN‑Charta festgehalten: Ein Land, das sich einem bewaffneten Angriff eines anderen Landes ausgesetzt sieht, darf sich mit militärischer Gegengewalt zur Wehr setzen. Diese Abwehr etwa gegen einen Einmarsch oder gegen Luftschläge von außen ist, auch bei Anwendung massiver Methoden, völkerrechtlich gedeckt.  Die Selbstverteidigung kann individuell oder – in einem Bündnisfall wie durch Artikel 5 des Nato-Vertrags beschrieben – kollektiv erfolgen. Auch Hilfen Verbündeter, die nicht direkt am Kampfgeschehen beteiligt sind, können im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts des angegriffenen Landes gesehen werden. Außerhalb einer konkreten Angriffssituation oder spezieller UN‑Mandate sind Staaten stets verpflichtet, das Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen einzuhalten. (Quelle)

Weiter heißt es in dem Artikel: „Solange die operative Entscheidung über den konkreten Einsatz der Waffen ausschließlich in ukrainischer Hand liegt und keine deutschen Soldaten vor Ort sind, ist das für die Frage einer Kriegsbeteiligung irrelevant. (…) Insoweit reicht die zulässige Verwendung gelieferter Waffensysteme genauso weit wie die Selbstverteidigung. Sonst könnte ein Staat Nachbarländer ohne jedes Risiko von Gegenschlägen auf seinem eigenen Gebiet angreifen. (…) Letztlich gehe es um eine Unterscheidung juristischer und politischer Überlegungen. „Wenn westliche Staaten bislang den Einsatz gelieferter Systeme auf die Ukraine beschränken, hat dies nur mit politischen Rücksichten, aber nicht mit völkerrechtlichen Schranken etwas zu tun“,

Der Artikel, aus dem die obigen Ausschnitte stammen, wurde bereits im Februar 2024 verfasst und die Diskussion flammt jedes Mal auf, wenn Russlands Streitkräfte in der Offensive sind. Letztlich kann man  zusammenfassen, dass jede Waffenhilfe aus dem Westen völkerrechtlich legitim ist und auch ihr Einsatz nicht auf das Gebiet des Angegriffenen beschränkt bleiben muss. 

Nun zur Umfrage, auf deren Zwischenergebnis wir sehr gespannt waren, und es sieht aus wie erwartet: Befürworter und Gegner bilden starke Fraktionen von mehr als jeweils 40 Prozent, nur wenige geben eine eher vage Meinung ab oder zeigen sich unentschieden. Eine Blitzumfrage zu einem anderen Artikel  hatte gestern ein ähnliches Ergebnis von 47/47 gezeigt. Wir haben also wieder ein Thema, bei dem die Bevölkerung gespalten ist, und das weist uns darauf hin, dass die Spaltthemen massiv zugenommen haben, in den letzten Jahren. Nicht nur dies, hier geht es um ein existenzielles Thema, nämlich Krieg und Frieden in Europa. In dem Fall wird auch von der Politik mit harten Bandagen argumentiert und vor allem Kanzler Scholz steht in der Kritik, weil er dem Einsatz von deutschen Waffen über Russland bisher nicht zugestimmt hat. 

Die Wahrheit ist: Außer Großbritannien hat das noch kein Land getan, und dafür gibt es gute Gründe, trotz aller Logikmängel in dieser vorsichtigen Vorgehensweise und trotz der eindeutigen, rechtlich klaren Lage.  Lesen sie bitte auch den folgenden Ausgangsartikel.

Ausgangsartikel vom 25.05.2025

Es wundert uns gerade, dass die heutige Civey-Umfrage sich mit Boris Pistorius und seiner Eignung als Kanzlerkandidat der SPD befasst und nicht mit dem Thema, das seit gestern den Ukrainekrieg erneut in den Vordergrund rückt.

Der amerikanische Außenminister Anthony Blinken will Präsident Biden dazu bewegen, dass die Ukraine von den USA gelieferte Waffen auch auf russischem Territorium einsetzen darf. Offenbar ist das Umdenken vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei seinem letzten Besuch in den USA Mitte Mai bewirkt worden. Konkret wird gegenwärtig die zweitgrößte und strategisch wie symbolisch enorm wichtige Stadt Charkiw von russischem Territorium aus mit Bomben angegriffen.

Wie zu erwarten, ist auch in Deutschland die Diskussion über den Einsatz deutscher Waffen auf russischem Territorium aufgekommen. Ganz vorneweg pro Einsatz die Grünen in Person von Anton Hofreiter.  „Das Völkerrecht erlaubt es einem angegriffenen Staat, militärische Ziele im Land des Aggressors zu attackieren.“[1]

Wir haben schon vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass dem so ist und dass es im Sinne der Verteidigung der Ukraine suboptimal ist, dass sie Waffen nicht so einsetzen kann, wie sie maximal eingesetzt werden können. Die ukrainischen Streitkräfte greifen immer wieder Ziele in Russland an, aber, soweit bekannt, mit selbstgebauten Drohnen. In einem einzigen Fall, in dem bekannt wurde, dass westliches Gerät über Russland eingesetzt wurde,  haben Berlin und Washington umgehend interveniert.

Die amerikanische Diskussion ist folgerichtig und die Prämissen sind: Die USA liefern bereits Waffen, die wirksamer eingesetzt werden könnten, wenn man es erlauben würde. Die USA selbst sind so gut geschützt, dass sie keine Konsequenzen daraus fürchten müssen, dass sie damit ein Stück mehr an den Status eine Kriegspartei heranrücken.

Trotzdem geben sie den Völkerrechtsrahmen derzeit nicht komplett frei. Wir meinen als ein erstes Statement: Solange die USA, die von Russland wohl kaum jemals angegriffen werden, keine Kehrtwende vollziehen, sollte die deutsche Politik umso vorsichtiger sein und nicht über das hinausgehen, was die USA tun. So wurde es bisher auch gehandhabt, die USA haben sogar eher symbolisch Panzerlieferungen zugesagt, damit die deutsche Entscheidung, Leopard II zu liefern, als mit den USA im Gleichklang erfolgend dargestellt werden konnte.

 Noch ist Deutschland nach Definition der Bundesregierung  und des Völkerrechts ein dritter Staat, keine Kriegspartei. Wann genau die Grenze zur Kriegspartei überschritten wird, hängt aber nicht von der Bewertung deutscher Professoren oder von Herrn Hofreiter ab, sondern im Wesentlichen davon, wann Russlands Führung die NATO oder einzelne NATO-Staaten als Kriegspartei ansieht. Dass er sich über geltendes Völkerrecht hinwegsetzen würde, spielt dabei keine Rolle. Auch nicht, dass er sich im Syrienkrieg genau der Argumentation bedient hat, die jetzt der NATO in Sachen Ukraine zugute käme und damit einer brutalen Diktatur zu Hilfe gekommen ist. Eines kennt das Völkerrecht aber nicht: Eine Unterscheidung danach, ob ein angegriffener Staat ein „guter Staat“ im Sinne der westlichen Demokratiein ist. Die Verletzung eines staatlichen Territoriums hat rechtlich immer die gleiche Wirkung, dass der Verteidiger sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren darf. Den Einsatz von Atomwaffen lassen wir dabei außen vor.

Bisher gibt es kein entsprechendes Signal aus Russland, dass die dortige Regierung NATO-Staaten oder die NATO als Kriegsparteien ansieht, sondern lediglich Drohungen. Das könnte sich ändern, wenn deutsche Waffen in Russland eingesetzt werden. Die Argumentationslinie wäre dann wohl folgende. Die Ausgangssituation der berechtigten Hilfe für die Ukraine würde nicht berücksichtigt, und da Russland Deutschland nicht angegriffen hat, wäre es in diesem Fall die verteidigende Partei und hätte das Recht, auf den Einsatz deutscher Waffen in Russland mit einem Schlag gegen Deutschland zu reagieren.

Deutschland hat bis jetzt nicht einmal die Taurus-Marschflugkörper geliefert, die ein gutes Stück weit nach Russland vordringen könnten (Reichweite maximal 500 Kilometer), wenn man sie so programmieren würde. Deswegen ist diese Diskussion hierzulande zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht und heizt unnötig die Emotionen an. Was aber wäre, wenn Taurus geliefert und in Russland eingesetzt würde? Müsste gewährleistet sein, dass die Ukraine nur militärische Ziele damit angreift? Oder wäre die Reziprozität vollständig herzustellen: Russland tötet ukrainische Zivilist:innen, also dürfte die Ukraine mit deutschen Waffen auch russische Städte bombardieren. Und würde es, wie Völkerrechtler argumentieren, tatsächlich einen Unterschied ergeben, ob die Programmierung in Deutschland oder durch deutsche Fachleute in der Ukraine stattfinden würde? Wir halten diese Unterscheidung für ziemlich theortisch, aber sie mag völkerrechtlich relevant sein. Programmierung auf neutralem Gebiet = keine Kriegspartei. Programmierung in der Ukraine = Programmierer = Kombattant = Herkunftsland der Fachkraft ist Kriegspartei. So eindeutig, wie das in dem Artikel von einem sehr pro Ausdehnung der Waffenhilfe eingestellten Publikaiton dargestellt wird, ist es möglicherweise nicht.

Was aber politisch ganz wichtig und ganz offensich ist: Deutschland ist viel gefährdeter bei russischen Angriffen auf NATO-Gebiet als die USA. Denn der Einsatz strategischer Langstreckenwaffen wäre die einzige Möglichkeit, die USA anzugreifen, in Europa hingegen kann jede denkbare Eskalationsstufe stattfinden, wie in der Ukraine.

Deutschland ist nicht durch eigene Waffen atomar geschützt und liegt viel näher an Russland. Zumindest ein konventioneller Gegenschlag Russlands müsste in die Überlegungen einbezogen werden. Wir stellen uns vor, wie in den Bunkern unter den Unis, falls es welche gibt, die Professoren Protestnoten für die Politik verfassen, in denen auf die Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffs hingewiesen wird. Der Denkfehler ist: Wer einem Land, das gerade völkerrechtswidrig einen Angriff führt und dabei mit kruden Argumentationen unterwegs ist, bis hin zur Wegdefinition des Begriffes Krieg, der wird sich auch nicht an die Ausführungen deutscher Theoretiker halten, wenn er zum Angriff auf ein NATO-Land übergehen sollte. Wenn das aber geschehen sollte, dann ist die Rechtslage für das regelbasierte Bündnis klar: Alle müssen bei der Verteidigung helfen, auch auf die Gefahr hin, dass sie selbst angegriffen werden.

Die Frage ist außerdem, ob die oben nachzulesende Definition von Kriegsbeteiligung nicht veraltet ist. Im Zeitalter der Raketen und Drohnen müssen Waffenhelfer eben gerade nicht Spezialisten in die Ukraine schicken, um die Waffen so einsatztauglich zu machen, dass sie in Russland Schäden anrichten können. Deswegen ist die obige Argumentation mit den Gleichheitszeichen sehr spitzfindig und wir sind nicht sicher, ob nicht auch das Völkerrecht etwas mehr vom Ergebnis einer Handlungsweise her definiert werden muss.

Die heutigen Fernwaffen sind elektronische Streitkräfte, im Ernstfall viel wirksamer und zerstörerischer als Landarmeen, auch wenn man mit ihnen ein Land nicht besetzen kann. Warum ist diese Ansicht geradezu  zwingend? Würde in Land ein anderes mit Atomwaffen ausradieren, wäre es nicht einmal Kriegspartei, wenn man einen Teilnehmerstatus am Krieg nur an Bodentruppen knüpfen würde. Es hängt also nur davon ab, wo man die Grenze zieht: ab einer gewissen Wirksamkeit, einer gewissen Menge oder auf die Ziele dieser Waffen abhebend? Diese Frage kann niemand hierzulande schlüssig beantworten, soweit es die russische Definition betrifft. 

Auf einen Schlag seitens Russlands, der dann mindestens nach russischer Definition ein Gegenschlag wäre, hätte Deutschland keine passende Antwort. Wir wissen alle, wie es um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands steht. Gerade Kriegsaffine von der FDP und den Grünen werden nicht müde, die Mängel zu beklagen, die von einem SPD-Minister abgestellt werden müssen. 

Alternativ könnte Russland diese Erweiterung des Waffeneinsatzes durch NATO-Länder nutzen, um NATO-Länder deutlicher als Kriegsziele ins Visier zu nehmen. Deutschland wäre dann viel direkter gefordert als die USA. Es exponiert sich ohnehin mit der Baltikum-Brigade, die bis 2027 einsatzfähig sein soll und wieder einen teuren Auslandseinsatz darstellt. Mit dem Unterschied, dass, anders als bisher bei solchen Einsätzen, die Bündnisflanke der NATO im Osten gestützt werden soll.

In dem Artikel wird Hofreiter zudem mit missverständlichen Aussagen zitiert. Zum Beispiel lässt sich seine Einlassung zu Frankreich so lesen, dass ihm klar ist, dass Frankreich aufgrund seines eigenen atomaren Schutzes mehr Möglichkeiten hat als Deutschland, um in der Ukraine offensiv tätig zu werden. Die Wahrheit ist, dass Deutschland bisher viel mehr tut. Eine andere Lesart wird nicht klar ausgeschlossen, nämlich, dass Deutschland sich quasi im Windschatten Frankreichs bewegen kann. Das kann es nicht, die französischen Atomwaffen sind nur für den Schutz Frankreichs gedacht und unterstehen nicht dem NATO-Kommando.

Wir gehen nicht davon aus, dass Frankreich einen Atomkrieg lostreten würde, um Deutschland gegen konventionelle Waffen aus Russland zu schützen. Wir sind uns des Weiteren nicht sicher, ob die amerikanischen Waffen in Deutschland für den Schutz deutschen Territoriums in einem solchen Falle eingesetzt werden würden. Wie weit geht die Bündnisverpflichtung wirklich, wenn die Gefahr eines Atomkriegs droht? Spätestens, wenn es für die USA selbst gefährlich würde, würde die Solidarität im Bündnis nach unserer Ansicht ihre Grenzen finden.

Ein Zwang für die Amerikaner, All In z u gehen, bestünde nur dann, wenn ihre in Deutschland stationierten Einheiten oder ihre Depots und Logistikzentren angegriffen würden, weil sie die militärische Seite der geopolitischen Einbindung Europas ins US-System darstellen. Wir sind nicht einmal sicher, ob die USA unter einem Präsidenten Trump noch auf einen russischen Angriff in Europa antworten würden und wie man mit einem Atomangriff umgehen würde, den wir nach wie vor für sehr unwahrscheinlich halten.

Spätestens, wenn der NATO-Bündnisfall eintreten würde, würde niemand mehr nach den exakten Grenzen der Kriegspartei-Definition des Völkerrechts fragen. Leider werden im oben verlinkten Artikel die vorgeblichen Schärfen herausgestellt, die Unschärfen mehr oder weniger nur pauschal erwähnt.

Damit sind wir wieder bei dem Dilemma, das wir schon in mehreren Varianten beschrieben haben. Der Westen kann die Ukraine nur zum Sieg führen, wenn er auf deren Gebiet kämpfen würde, denn hier geht es tatsächlich nicht nur um Zerstörung, sondern um Besetzung und Befreiung, und dazu sind Bodentruppen notwendig. Es sieht keineswegs danach aus, dass die Ukraine noch die Ressourcen an Personal hat, die eine Allein-Rückeroberung am Boden ermöglichen würde. Das bedeutet auch, dass jenseits völkerrechtlicher Überlegungen die Luftabwehr zwar wichtig ist, dass es konsequent wäre, sie auf russisches Territorium auszudehnen,um Einschläge in Städten und zivile Opfer zu verhindern und um den Vormarsch der russischen Streitkräfte zu stoppen, diese aber nicht dazu führen kann, dass man damit Russland in die Knie und zum Abzug von ukrainischem Gebiet zwingt.

Dabei ist auch zu bedenken: Wie sehr erhöhen Maßnahmen, die letztlich immer halbherzig sind, solange der Westen nicht mit Bodentruppen in den Einsatz geht, das Risiko im Vergleich zu den Erfolgsaussichten? Dazu wird es unter Experten keine einheitliche  Meinung geben. Dass sich das Risiko einer Eskalation erhöht, wenn westliche Waffen in Russland eingesetzt werden, wird niemand abstreiten. Es ist einerseits Hilfe zur Selbsthilfe.  Es ist andererseits ein großer Fehler, nur auf die rechtliche Seite zu schauen und keineswegs ein Ausdruck mangelnden Selbstbewusstseins des Westens, nicht zu sehr an der Eskalationsspirale zu drehen. Es ist ein Ausdruck von Halbherzigkeit, das wohl. Das war von Beginn an so, das war schon nach der Krim-Besetzung so. Es ist eine Frage des Preises, den man zahlen will. Das ist psychologisch nicht das Gleiche wie mangelndes Selbstbewusstsein. Das mangelnde Selbstbewusstsein ist eher auf Russlands Seite, wenn seine Führung einen solchen Krieg lostritt und dabei darauf hoffen kann, dass die nicht freie Bevölkerung schon mitmachen wird. Aus Zwang und auch, weil das Opfernarrativ verfängt, das vor allem bei Menschen mit mangelndem Selbstbewusstsein wirkt.

Bevor Deutschland nach jeder denkbaren Definition und auch ohne Kriegserklärung in den ersten Krieg seit 1939 eintritt, müsste auf jeden Fall die Bevölkerung gefragt werden. Wir können uns kaum vorstellen, dass es für diesen Schritt eine Mehrheit gäbe, auch wenn unter dem Eindruck der massiven Schläge Russlands gegen die Ukraine die Hälfte der Menschen gerade für den Einsatz westlicher Waffen über Russland ist.

Es sei auch heute betont: Deutschland tut wirklich sehr viel für die Ukraine, relativ zu seinen Möglichkeiten mehr als jedes andere Land. Was wir deshalb noch mehr als alle Expansionswünsche kritisieren, sind Aussagen wie die vom „reichen Land“, die vor allem eines klarstellen: Zur Thematik des immer wackeliger werdenden Wohlstand der Mehrheit dieses Landes haben gewisse grüne Politiker von den Vertretern aller Parteien mit Abstand am wenigsten Zugang.  Besonders dramatishch ist dieser Mangel an Zugang, wenn sie sich um die Wirtschaft zu kümmern haben. Grundsätzlich wundert uns diese Haltung nicht, wir beobachten sie chon länger, als der Ukrainekrieg dauert. Unsere eigene Haltung beeinflussen solche auch von sinkendem geistigem Wohlstand zeugenden Argumente durchaus. Sie festigen unsere Absicht, uns von solchen Menschen nicht kriegslüstern machen zu lassen. Das heißt wiederum nicht, dass wir nicht sehen, wie die Ukraine bei der Verteidigung durch die Beschränkungen der Tauglichkeit der westlichen Waffen behindert wird. Das war auch schon der Fall, als die Waffenlieferungen stockten, es ist bei jeder Beschränkung der Fall. Womit wir wieder beim Dilemma wären: Wer es ernst meint mit dem Sieg der Ukraine, der muss dafür werben, dass westliche Truppen am Boden und in der Luft direkt in der Ukraine eingesetzt werden können. Am besten sich freiwillig melden, wen es dazu mächtig drängt. Vielleicht packt es uns auch noch einmal und wir treffen im Schützengraben auf Frau Strack-Zimmermann, die Eurofighterin, gemäß FDP-Werbung zur Europawahl, und Herrn Hofreiter.

Bestimmt kommt in den nächsten Tagen eine Umfrage zu diesem Thema, wir werden sie dann dem vorliegenden Text voranstellen und ihn vielleicht noch etwas überarbeiten.

Das ist soeben geschehen, wir haben die Änderungen im Text nicht markiert.

TH

[1] Hofreiter will Ukraine Einsatz westlicher Waffen in Russland erlauben | WEB.DE

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