Filmfest 1096 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (172)
Hier spricht der Blaumacher zum Volk
Ferris macht blau ist eine Highschool-Komödie aus dem Jahr 1986 von John Hughes mit Matthew Broderick in der Hauptrolle. Für einen Spielfilm ungewöhnlich ist die Tatsache, dass die Hauptfigur gelegentlich die vierte Wand durchbricht, um direkt in die Kamera zu den Zuschauern zu sprechen.
Die 1980er, das bis dahin materialistischste Jahrzehnte der jüngeren Geschichte, standen für Vieles, aber auch für die Entwicklung einiger Oldtimer zu hochpreisigen Spekulationsobjekten, ein schönes Beispiel dafür ist der Ferrari, der im Film zunächst zu Ehren kommt und dann ein wichtiges Symbol bei der Initialisierung von Cameron wird. Dieser ist im Grunde die markanteste Figur dieses Schülerspasses aus dem Jahr 1986. Mehr dazu lesen Sie in der Rezension.
Handlung (1)
Ferris Bueller, Liebling seiner Mitschüler und Feindbild der Lehrer, ist im letzten Jahr an der High School. Er ist ein wahrer Spezialist im Vortäuschen diverser Krankheiten, um so den lästigen Schulunterricht zu umgehen. Er ist der Meister des Blaumachens.
Eines schönen Morgens beschließt er, statt der Schulpflicht seiner Sehnsucht nach Freiheit nachzugehen und täuscht seinen Eltern eine Erkrankung vor. Nach überzeugender Schauspielerei ist der Weg für einen Trip durch Chicago frei. Es fehlen nur noch sein bester Freund Cameron Frye, ein neurotischer Hypochonder, und Ferris’ Freundin Sloane. Nach anfänglichen Schwierigkeiten überredet Ferris seinen Freund Cameron, sich ihm anzuschließen. Die beiden können Sloane mit der Vortäuschung einer plötzlich verstorbenen Großmutter aus dem Literaturunterricht loseisen.
Sorglos machen sich die drei Freunde mit dem geborgten Ferrari 250 GT California von Camerons pedantischem Vater auf den Weg ins Vergnügen, ohne zu ahnen, dass der despotische Schuldirektor Ed Rooney Verdacht geschöpft hat. Dieser setzt nun alles daran, dem verhassten Schüler das Handwerk zu legen. (…)
Rezension
Ferris Bueller, gespielt von Matthew Broderick, ist hingegen ein Sonnyboy, dem alles gelingt und der dadurch auch ein wenig langweilig wirkt. Dass er die Schule tatsächlich an neun Tagen im Jahr geschwänzt hat – geschenkt, zumindest, wenn man heutige und hiesige Verhältnisse zugrunde legt. Er hätte ja auch wirklich krank sein können, und neun Fehltage sind nicht so besonders. Nicht so besonders, dass man darüber so sehr philosophieren muss, dass es nur noch die „Durchbrechung der Fiktion“ tut, indem Ferris beinahe mehr, als wir das je in einem Film zuvor gesehen haben, zum Publikum spricht. Klar, er ist sympathisch, aber wieso stellten wir uns nach dem Film Fragen stellen wie: Warum machen das immer nur Männer? Wir haben noch nie einen Film gesehen, in dem eine Frau sich dem Publikum zuwendet.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2024: Es gibt auch Frauen als Narrator:innen im Film. Vermutlich gibt e sauch Beispiele dafür, wie weibliche Figuren die Vierte Wand durchbrechen.
Wenn man sich schon solche Fragen stellt, kann an dem Film, den man gerade gesehen hat, nicht so ungeheuer viel dran sein. Nicht so viel jedenfalls, dass er in der IMDb von den Zuschauern ein Durchschnittsvotum von beinahe gigantischen 7,9/10 bekommt. Es ist klar, dass vor allem die ganz jungen Kinofans auf ihn anspringen (8,3/10 bei den unter 18jährigen, die abgestimmt haben). Aber auch bei der reifsten und großen Gruppe 45+ sind es noch 7,8/10, bei Männern und Frauen gleichermaßen, wie der Film überhaupt bei beiden Geschlechtern fast exakt gleich gut ankommt. E
in erster Hinweis auf eine in Maßen verschiedene Wahrnehmung in verschiedenen Ländern gibt die Tatsache, dass der Film innerhalb der USA sogar mit 8,1/10 bewertet wird, was ihn nach den Maßstäben der IMDb dicht an die 250 besten Filme aller Zeiten heranrücken, wenn nicht sogar auf die Liste bringen würde. Abseits der Staaten wird etwas mehr Zurückhaltung geübt (7,7/10), trotzdem ist das eine exorbitant gute Wertung für eine so schlichte Schülerkomödie. Auch die Tatsache, dass für einen Film aus 1986 mehr als 200.000 Stimmen abgegeben wurden, ist erstaunlich (338.000 im Jahr 2024).
Wir haben das Geheimnis dieses eher belanglosen Films nicht entdeckt. Er schaut sich gut, es gibt kaum Längen, die Schauspieler Matthew Broderick und Jennifer Grey als seine Schwester, Mia Sara als seine Freundin sind gut, sie alle haben Karriere gemacht. Charlie Sheen sehen wir auch in einer kurzen Szene, kurz bevor er als Hauptdarsteller in Oliver Stones „Platoon“ (Rezension) weltberühmt wurde. Auch Broderick ist heute ein vielbeschäftigter Star in Hollywood. Ja, so könnte man an den Film herankommen. Die Schauspielerei ist wirklich okay, wirkt natürlich und locker, man nimmt Broderick den Jugendcharmebolzen Bueller ab.
Nicht das, was er an diesem Tag der Freude alles bringt, aber das, was er alltäglich zelebriert. Zum Beispiel, dass europäische Geschichte lernen Scheiße ist. Wie sehr wird er da vielen echten Schülern aus dem Herzen gesprochen haben. Das Ergebnis dieser Einstellung kennen wir: Die heutigen Amerikaner verstehen Europa nicht mehr so richtig und auch den Rest der Welt nicht. Deswegen fanden wir diesen Ausspruch nicht wirklich witzig.
Anmerkung 2 anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2024: Mittlerweile verstehen wir hier auch die Amerikaner immer weniger, die kulturelle Entfremdung schreitet voran, obwohl der Rechtsdrall diesseits und jenseits des Atlantiks gleichermaßen vorhanden ist.
John Hughes, der Regisseur, hat in dieser Funktion oder als Autor und / oder Produzent mehrere sehr spezielle Higschool-Komödien der 1980er geschaffen, man kann sagen, er hat diesem Subgenre auf die Beine geholfen, nachdem es selbstverständlich auch schon vorher Filme gab, die an amerikanischen Schulen spielten oder die typische Kleinstadtjugend thematisierten – aber auf sehr unterschiedliche Weise. Hughes hat einen für die 1980er und offenbar auch heute noch treffenden Ton gefunden, der die Filme, die wir bisher von ihm gesehen haben, „Ferris macht blau“ und „Pretty in Pink“ (1985) prägt (unsere Bewertung: 64/100). Ob auch der bekannte und hoch eingeschätzte „Frühstücksclub“ (1984) stilgleich ist, wissen wir noch nicht.
Anmerkung 3 anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2024: „Der Frühstücksclub“ (unsere Bewertung: 72/100) ist etwas anders, etwas ernsthafter, aber grundsätzlich ist das Muster schon ähnlich, außerdem zu beachten: „Sixteen Candles“ / „Das darf man nur als Erwachsener“, der ebenfalls aus der Reihe stammt und den wir für den besten halten (74/100).
Die gesehenen Filme jedenfalls weisen ein Muster auf, das vornehmlich aus Scheinkonflikten gewebt ist, die nicht tief gehen oder genau ausgeleuchtet sind, sondern gut verdaulich mit zeitgeistigen Sprüchen und einem allzu spekulativen Außen- oder Insidertum gemixt sind. Bei Ferris Bueller hat Hughes sich gar nicht erst bemüht, eine erklärungsbedürftige Figur in den Vordergrund zu stellen, die wirklich interessant sein könnte, sondern einen einzigen Tag mit ein paar ganz netten Aktionen zum Mittelpunkt einer Handlung gemacht, die offensichtlich bei der Mehrheit der Zuschauer funktioniert. Dass das bei uns weniger der Fall ist, eint uns aber doch mit den professionellen Kritikern, denn der Metascore liegt bei 60/100, bei 6/10 werden wir am Ende auch herauskommen.
Einfach deshalb, weil es zwar nicht viel Bemerkenswertes, aber auch nicht viel Falsches in diesem Werk gibt. Es ist nicht falsch, einen leicht neurotischen, schrägen Mitschüler aus den Fesseln seiner Angst vor dem Vater zu befreien und zusammen mit ihm einen wunderbaren Tag zu verleben. Aber wäre es nicht schöner gewesen, wenn auch Cameron sich irgendwie hätte hinreißen lassen, auf der deutsch-amerikanischen Parade mitzutun oder vielleicht Ferris‘ Freundin? Dass am Ende das teure italienische Auto zu Bruch geht, geschenkt, es ist sowieso jedem klar, dass es für den freien Fall gedoubelt wurde. Da kann man nur hoffen, dass der Vater letztlich doch ein harmloser Mensch ist, denn dass im wirklichen Leben und dort, wo die wirkliche Repression stattfindet, die Ausbrüche nicht so einfach sind, gehört zu dieser Tendenz, Konflikte zu marginalisieren, welche Hughes‘ Schülerfilme aufweisen.
Finale
Eine nette Samstagnachmittagunterhaltung – vielleicht sogar für diejenigen, die in den 1980ern wirklich Schüler waren, aber ob der Wiedererkennungswert zumindest hierzulande so groß sein dürfte? Vielleicht gibt es Erinnerungen an den Film selbst, der auch in Deutschland sehr erfolgreich lief, aber wohl kaum an Elternhäuser und Schulsituationen wie die hier gezeigten. Der Lehrer, der sich wie ein Terrier in die Verfolgung von Bueller verbeißt, bis er einen größeren Hund trifft, ist neben Cameron sicher die exzentrischste Figur und obwohl alle Slapstick-Szenen, in die er verwickelt ist, schon mehrfach in anderen Filmen ausprobiert wurden, ist er recht amüsant.
Anmerkung 4 anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2024. Gut, dass wir nachgeschaut haben, ob der Film nicht doch einmal in der IMDb-Top-250-Liste getanden hat, sonst wäre uns wieder ein Kurzzeitteilnehmer dieser Liste der angeblich besten 250 Filme aller Zeiten durch die Lappen gegangen bzw. wir hätten nachträgliche Änderungen in der Nummernchronologie vornehmen müssen.
Auch heute noch kommt „Ferris macht blau“ bei den IMDb-Nutzer:innen auf durchschnittlich 7,8/10. Das Leichte war es, was auch Kritiker vielfach positiv eingenommen hat, und das könnte man ja heute besonders schätzen. Wer weiß, ob es nicht bei uns ein paar Punkte hochginge, wenn wir uns den Film zehn Jahre nach der Verfassung des Entwurfs dieses Textes noch einmal anschauen würden. Einfach die Beine und die Seele baumeln lassen beim Fernsehen. Vielleicht fänden wir das, was damals hip war, aber auch bloß noch lächerlich, angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre, und unsere Wertung würde noch niedriger ausfallen. Einen Nostalgiepunkt haben wir noch beigefügt, wegen der Erinnerung daran, wie und mit wem alles wir den Film damals im Kino gesehen haben.
61/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | John Hughes |
|---|---|
| Drehbuch | John Hughes |
| Produktion | John Hughes, Tom Jacobson |
| Musik | Ira Newborn |
| Kamera | Tak Fujimoto |
| Schnitt | Paul Hirsch |
| Besetzung | |
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