Koalition aus CDU/CSU und AfD? (Umfrage + Kurzkommentar) | Briefing 555 | #PPP #Politik #Parteien #Personen

Briefing 555 PPP, Friedrich Merz, CDU, AfD, Brandmauer, BSW, Die Linke, SPD, Grüne, FDP, Wahlen im Osten, Landtagswahlen  Herbst 2024

Die Europawahlen hallen weiter nach, die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern  werfen ihre Schatten voraus, die Brandmauer gegen die AfD  schmeckt in diesem Zusammenhang nicht jedem. Die Politik gibt ein Bild für alle oder doch mehrere Sinne ab.

Heute hat Civey, nicht zum ersten Mal, die Brandmauerfrage gestellt:

Civey-Umfrage: Sollte sich die CDU/CSU Ihrer Meinung nach einer Koalition mit der AfD auf Kommunalebene öffnen? – Civey

Da wir heute für einen Freitag recht spät am Wahlberliner arbeiten, am frühen Nachmittag aber schon abgestimmt haben, können wir auch eine Tendenz vermelden. Im Kommentar mehr dazu.

Begleittext aus dem Civey-Newsletter

Die AfD verzeichnete sowohl bei der Europawahl als auch bei vielen Kommunalwahlen vom Sonntag gute Wahlergebnisse. In Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wurde die AfD laut ARD stärkste Kraft. Angesichts dessen werden die Forderungen aus der AfD an andere Parteien lauter, sich für gemeinsame Bündnisse zu öffnen. Die Union, die bei der Wahl des Europa-Parlaments die meisten Stimmen in Deutschland erhielt, schließt ein Bündnis mit der AfD grundsätzlich aus. 

Der Wahlerfolg zeige, dass die Alternative für Deutschland nun eine Volkspartei sei. Das sagte Hans-Christoph  Berndt, AfD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, dem rbb24 Inforadio am Dienstag. Er erwarte nun, dass sich die anderen Parteien „an die demokratischen Gepflogenheiten halten” und die sogenannte Brandmauer gegen die AfD aufgeben. „Wenn diese anderen Parteien es wirklich ernst meinen mit der Interessenvertretung der Menschen, dann müssen sie mit der AfD zusammenarbeiten”, so Berndt. Für Bautzens Landrat Udo Witschas (CDU) sei die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien eine gesetzliche Verpflichtung, berichtete der MDR

Der Deutsche Landkreistag appellierte dagegen an Lokalpolitiker:innen, von einer Zusammenarbeit mit der AfD abzusehen. „Die AfD stellt nur in verschiedenen Kommunalvertretungen relativ die stärkste Fraktion” sagte Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Hans-Günter Henneke, dem RND. In der Regel ließen sich immer Mehrheiten ohne die AfD organisieren. Daher sei niemand zur Zusammenarbeit mit einer Partei gezwungen, die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet werde, argumentierte Henneke.

Unser Kommentar

Sehen Sie, so ist das mit der Diskursverschiebung nach rechts. Bisher war die AfD immer ausgeschlossen, wenn es um die „demokratischen Parteien“ ging. Das wurde allgemein als Brandmauer bezeichnet, diesen Unterschied herauszustellen. Und zur Klarstellung: Eine demokratische Partei ist nicht eine, die irgendwo ein bestimmtes Maß an Zuspruch bei demokratischen Wahlen bekommt, sondern eine, die demokratische Ziele verfolgt und die Demokratie vollumfänglich akzeptiert.

Es ist vier Jahre her, da warnten wir schon vor einer Diskursverschiebung nach rechts, diese hat sich  mittlerweile beschleunigt. Was die Abstimmenden angeht, gibt es die Brandmauer nur noch knapp, und seit etwa gegen 14 Uhr hat sich die Abstimmung auch ein kleines Stück gegen deren Einhaltung verschoben. Nicht weniger als 34 Prozent der Abstimmenden sind derzeit der Ansicht, die CDU soll doch ruhig mi der AfD, und zwar eindeutig. 46 Prozent sehen es genau andersherum. Nicht unserer Meinung sind nur diese 46 Prozent nicht rechts gestrickt. Alle, die sagen, ach nee, eher vielleicht nicht oder unentschieden sind oder sagen, warum nicht vielleicht doch, sehen die AfD mehr oder weniger als normale Partei an. Das heißt nicht, dass man fast alle CDU-Wähler:innen im Verdacht haben muss, AfD-nah zu sein. So einfach dürfte die Linie nicht verlaufen.

Wir sagen voraus, dass die Brandmauer im Osten fallen wird. Wenn CDU-Chef Merz jetzt schon Koalitionen mit der AfD und auch mit dem BSW ausschließt, sind wir gespannt, wo er im Osten Mehrheiten für seine Partei herholen will, die eine Regierungsbildung erlauben. Die Ampelparteien, alle zusammen, kommen dort in Umfragen oftmals nicht mehr über 20 bis 30 Prozent, und die Linke kann Merz ja nicht als Lückenfüller nehmen, weil er sie auch aus seinem Koalitionsschema ausgeschlossen hat. Merz ist entweder einer, der bei in den luftigen Höhen des Finanzkapitalismus, also bei Blackrock und über den Wolken, den Kontakt zur Realität verloren hat, oder er ist zutiefst unehrlich. Wir trauen ihm beides zu.

Bei den Europawahlen hat die CDU noch gerade so etwas wie einen minimalen Zugewinn erzielt, der als großer Sieg gefeiert wird. Wir treffen eine weitere Voraussage: Bei den Landtagswahlen im Osten wird die CDU nichts zu feiern haben. Entweder sie öffnet sich zur Linken und zum BSW hin oder sie muss mit der AfD gehen, und dann vielleicht sogar in der Form, dass die AfD den Ministerpräsidenten stellt, denn wo man in den „neuen“ Bundesländern hinschaut, ist die AfD derzeit stärker als die CDU. Das kann Merz nach unserer Ansicht nicht mehr in drei Monaten drehen, es sei denn, alle AfD-Politiker:innen begehen Straftaten, für die sie umgehend hinter Schloss und Riegel müssen. Alles darunter reicht nicht aus, um sie zu bremsen, wie man am Fall Höcke gesehen und seinen eher mäßigen Auswirkungen auf den Zuspruch der AfD bei den Europawahlen gesehen hat. Merz kann versuchen, die CDU immer mehr nach rechts zu treiben, aber damit wird er Schiffbruch erleiden.

Merz kann wochenlang gegen alle möglichen Gruppen hetzen, die sich nicht wehren können, dann kommt ein Messerangriff oder dergleichen, und die AfD profitiert davon so stark, dass Merz‘ unchristliche Rhetorik für die Katz war. Das CDU-Dilemma ist nur ein Teil des Gesamtdilemmas, in das sich die Politik gefahren hat. Obwohl 84 Prozent der Wähler:innen bei den Europawahlen nicht die AfD gewählt haben, ist sie der Nabel der meisten politischen Diskussionen in diesen Tagen.

Merz hat nicht weniger als drei Parteien, die Chancen haben, in die Ost-Landtage (wiederum oder erstmalig) einzuziehen, mit einem Koalitionsausschluss belegt, das ist geradezu absurd. Dass die Situation heute ist, wie sie ist, hat sich die CDU auch selbst zuzuschreiben. Nun kommen noch Nachwahlreaktionen hinzu, die aufdecken, wie verfahren die Lage wirklich ist, wenn auch noch der Chef der weiterhin größten Volkspartei sich nicht irgendwann entscheidet, in welche Richtung er die Union anschlussfähig halten will, wenn ihm SPD, Grüne und FDP kaum weiterhelfen können, die Macht im Osten zu erhalten oder zu erringen.

TH


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