Automord – Tatort 187 #Crimetime 1222 #Tatort #Frankfurt #Brinkmann #HR #Auto #Mord

Crimetime 1222 – Titelfoto © HR

Der Präsident kommt

Automord ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort der vom Hessischen Rundfunk (HR) produziert und am 30. November 1986 im Programm Das Erste zum ersten Mal gesendet wurde. Es handelt sich um die 187. Tatort-Folge und den zweiten Fall des Kriminalhauptkommissars Edgar Brinkmann, verkörpert durch Karl-Heinz von Hassel. Sein Assistent Robert Wegner, der zwischen 1974 und 2001 als Assistent von Konrad, Bergmann und Brinkmann in 27 Jahren von diversen Darstellern gespielt wurde, kommt diesmal nicht vor.

„Automord“ war der zweite Fall von Kommissar Brinkmann; Darsteller Karl-Heinz von Hassel hatte zuvor schon in anderen Tatorten kleinere mit mittlere Rollen gespielt. Die IAA als Setting und der Nissan President, der nie nach Deutschland exportiert worden ist. Sehenswert. Von diesem Einzelstück abgesehen, das dann umgelabelt wird. Es wird dargestellt als ein neuer japanischer Angriff auf Europa, dieses Mal auf die Oberklasse zum Glück hat es da nicht so funktioniert.

Ein wunderbarer Hintergrund für einen Tatort – wenn mit dem Auto Drogen transportiert werden. Daher ist es das teuerste Fahrzeug der Welt. Daraus hätte man einen strammen Krimi machen können, zumindest in einer Zeit, in man noch recht unbedarft mit möglichen Arten des Drogentransportes umgehen konnte. Autos für eine Automobilausstellung würden vermutlich aber auch heute nicht routinemäßig einer Kontrolle durch Drogenspürhunde unterzogen. Da wir den strammen Krimi schon in den Konjunktiv gesetzt haben, ist die Richtung nach der Einleitung vorgegeben, aber lesen Sie bitte trotzdem mehr in der Rezension.

Handlung

Vor einem Park wird ein junger Japaner aus einem Auto heraus erschossen. Kommissar Brinkmann kann sich keinen rechten Reim auf den spektakulären Mord machen. Das Opfer war anscheinend ein harmloser Student, von den Tätern fehlt jede Spur. Zur gleichen Zeit kommt der pensionierte Oberinspektor Marek aus Wien privat nach Frankfurt, um einen Neffen zu besuchen. Ihm läuft zufällig ein alter Bekannter aus seiner Dienstzeit bei der Wiener Kripo über den Weg; dieser heißt Heck und hat vor Jahren mit einem Komplizen eine Bank überfallen. Marek hält es für wahrscheinlich, dass der Mann in Frankfurt ein ähnliches Ding drehen will. 

Rezension 

Die Idee hinter dem Film verspricht weitaus mehr, als die Inszenierung zeigt. Erstaunlich, wie bieder man eine Handelsstadt wie Frankfurt und den dort tätigen Oberermittler darstellen kann. Wir kennen Frankfurt ganz gut und waren mehr als einmal auf der IAA – und wundern uns, wie muffig und brauntonteppichlastig im Jahr 1985 das ganze Messedesign wirkt und welche Art Publikum dort überwiegend zugange ist. Wenn man sich selbst vorwiegend für die Autos interessiert, fällt das vielleicht nicht so auf. Was sich heute geändert hat? Anders als 2015, als der Entwurf verfasst wurde, findet die IAA gar nicht mehr in Frankfurt statt, sondern in München.  Die Autos waren in den 1980ern besonders sachlich gestylt, das ist ganz anders geworden, ob das Publikum diesen Trend spiegelt, wissen wir nicht, denn wir waren seit vielen Jahren nicht mehr auf der IAA.

Auf eine gar nicht so subtile Weise rekurriert der Film auf die damalige Angst vor der „Gelben Gefahr“, den zunehmenden Konkurrenzdruck japanische Importeure auf die europäische Autoindustrie, und man hat sich das, was es schon gab, etwas weitergedacht und deshalb ein Oberklassemodell präsentiert, und es auch sehr gelobt, wie eben die japanischen Autos damals schon recht zuverlässig waren und technisch immer mehr zu deutschen Produkten aufschlossen. Auch da sind wir heute wieder weiter: 2024 gibt es den enormen und unfairen Wettbewerb mit China, und dieses Mal sieht es noch brenzliger aus. Vielleicht so, wie bei anderen Branchen, die die Japaner seinerzeit abgeräumt haben, indem sie deutsche Technik kopiert und billiger hergestellt haben (u. a. Unterhaltungselektronik, Fotoausrüstungen). Das ist wohl der Lauf der Dinge, denn Anfang der 1950er  hatten die Deutschen mit im europäischen Vergleich niedrigen Löhnen auch einen Preisvorteil.

Im Film ist nur kurz ein Mercedes W126 zu sehen. Man konnte es nicht wissen, als dieser Tatort gefertigt wurde: Lexus, der Luxusmarke von Toyota,  ist mit einem designmäßig am Nachfolger W140 orientierten Wagen namens LS 400 wenige Jahre später wirklich der Sprung nach oben gelungen – in vielen Ländern, nicht in Deutschland. Aber der W126 steht heute noch als Design-Ikone da und als Gipfelpunkt des Vorsprungs, den Deutschland sich innerhalb weniger Jahre gerade in diesem Bereich erarbeitet hatte. Die zeitlose, aber zurückhaltende Eleganz des Wagens ist noch heute vorbildhaft und war Muster für viele folgende Modelle nicht nur der Marke mit dem Stern.

Begonnen hatte dies Abnabelung vom zuvor oft kopierten amerikanischen Design bei den etwas höherwertigen Autos, bei manchen Marken durch die Detroiter Mutterkonzerne initiiert, ganz deutlich mit den Mittelklassemodellen Opel Rekord / Ford Granada von 1977 und erreichte ihren Höhepunkt mit Wagen wie dem Ford Sierra, dem Mercedes 190, dem Audi 100-Stromlinie von 1982. Dagegen wirkt der Nissan President sehr traditionell und konventionell und ist dem Kastendesign der US-Autos jener Zeit verpflichtet. Die weitere Entwicklung zeigt, wie lange es gedauert hat, bis es wieder ernsthafte Konkurrenz zu deutschen Premiumprodukten gab – heute ist der Designvorsprung quasi dahin, vor allem, weil Mercedes sich nach der Einheit den klobigen W140 geleistet hat und bei dessen Nachfolger wieder zu stark zurückgerudert ist, ihn etwas zu unscheinbar gestaltet hat. Es hatte eine Zeit gedauert, bis eine Linie zwischen Seriosität und Extravaganz gefunden war, mit Tendenz jetzt zu Letzterem, weil BMW in die Hände von Chris Bangle fiel und den Nachfolger des nach dem W126 zweitschönsten Oberklasseautos BMW 7er (E38) zu einem klobigen Monstrum aufgeblasen hat (W65). Auch BMW findet nur schrittweise wieder zurück zu deinem dynamischen Design, das dem Image der Marke entspricht; und weil Audi in letzter Zeit das ansprechende Äußere seiner Fahrzeuge doch etwas sehr vorsichtig weiterentwickelt. Einige Marken bieten gar keine höherklassigen Autos mehr an (1985, als der Film gedreht wurde, gab es noch den Opel Senator, 1986 den Ford Scorpio als Granada-Nachfolger).

Dieses Mal machen wir einen richtigen 2024-Einschub. Voll witzig, zumindest für uns selbst, wie wir die ganze Zeit über einen Tatort geschrieben haben, ohne über den Tatort zu schreiben, außerdem sind die neuesten BMW-Modelle teilweise so erschreckend hässlich, dass man sich geradezu nach Bangles Plumpheiten zurücksehnt. Wenn das mal alles gutgeht, besser jedenfalls, als es aussieht. Ohne auch nur ein bisschen herablassend sein zu wollen: Man merkt, dass europäischer Geschmack bei diesen Autos entweder keine Rolle mehr spielt oder Ausdruck von dessen absturzartiger Entwicklung sind.

Wenn man bei einer Tatortrezension so abschweift, liegt das nicht nur an den konzentrationsschädigenden 38 Grad, die es heute in Berlin  hat (2024 schreiben wir bei 18 Grad), sondern auch daran, dass der 187. Tatort nicht zu ausführlichen Betrachtungen reizt. Er ist der zweite Brinkmann-Fall, und so, wie er sich hier aus einer Mischung aus Präpotenz und übertriebener Trockenheit präsentiert, kann man gar nicht verstehen, wie er letztlich auf 17 Dienstjahre und 28 Einsätze kommen konnte. Gewiss, in einigen davon zeigt er etwas mehr trockenen Humor, und optisch ist er mit dem weißen Haar, dem Schnurrbart, der aber 1985 eh modern war und der Fliege von Anfang an mit Erkennungswert ausgestattet gewesen, aber das reicht normalerweise nicht aus, um eine richtige Ära zu prägen. Am Ende derselben war jedenfalls das HR-Tatortkonzept eines der angestaubtesten aller Sender, auch im Vergleich etwa zu den Hamburgern Stoever und Brockmöller, die etwa mit Brinkmann begannen und mit ihm aufhören (1984-2002 Stoever, 1986-2002 Brockmöller). Mit den Nachfolgern von Brinkmann, Dellwo und Sänger, machte der HR dann mehrere Schritte nach vorne, auch was die Inszenierung von Frankfurt und seinen Morden anging.

Das Drehbuch für den anfangs spannenden, aber dann doch konventionellen Krimi stammt von Fritz Eckhardt, dem Wiener Tatortkommissar, der sich auch meist selbst eine Rolle in seine Bücher schrieb. Sicher hat er mehr Charme als Brinkmann, aber „Ein Österreicher in Frankfurt“ wird doch etwas übertrieben dargestellt, auch diese gar nicht so subtile Unterscheidung zwischen etwas vertrotteltem, aber liebenswürdigen Alt-Österreicher und den furztrockenen westdeutschen Typen, auf die er immer wieder trifft. Diesem Umherirren und kriminalistischen Schwanken zwischen Irrlicht und guter Spürnase (dass der D. T. Heck was ausgeheckt hat, stimmt, da liegt Marek richtig, aber es geht um ein anderes Delikt als das Marek vermutete eines – erneuten – Bankraubes) bildet zwar einen schönen Kontrast zu Brinkmanns sehr bürokratisch wirkender Vorgehensweise, aber die gesamte Handlung und die Figuren sind nicht wirklich von tatorthistorischer Bedeutung. Wohl aber ist das IAA-Setting den Film doch wert, ohne dass es dadurch zu einer hohen Bewertung des Werkes als Krimi käme.

Finale

Wir hatten auch zu später Stunde keine Mühe, diesem Tatort zu folgen, also wachzubleiben, aber das liegt zum Einen sicher an der Kürze der Nummer 187 (75 Minuten), andererseits daran, dass wir im Moment wegen der Hitze eh nicht so richtig gut schlafen können und sich der Tagesrhythmus etwas nach hinten verschoben hat.

Es gibt in diesem Tatort keine Figur, der man hingegen auch emotional folgen mag, und weil das wohl bei vielen Brinkmann-Tatorten so ist, gehören sie nicht zu den Kronjuwelen in der Tatort-Schatztruhe.

Wenn man sie mit den Konrad-Fällen aus dem 1970ern vergleicht, sind viele von ihnen sogar ein Rückschritt. Die herrlichen Räuberpistolen und dagegen der dezidierte Typ Konrad mit seiner persönlichen Art den Gangstern gegenüber entsprechen mehr heutigen Konventionen der Reihe als das Auftreten seines Nachfolgers Brinkmann. Ebenso wie die Autos, sollten die Tatorte der 1980er wohl ein betont sachliches Layout bekommen, aber das hat sich nicht langfristig durchgesetzt. Selbst die Kritik am Money, Money ist in diesen Tatorten abgeschwächt, und die war doch ein Hauptanliegen der Fernsehmacher in der Geldstadt Frankfurt, das erst mit den eher sozialthematischen Filmen der Dellwo-Sänger-Ära in den Hintergrund trat.

5/10

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

Regie Wilm ten Haaf
Drehbuch Fritz Eckhardt
Produktion Dieter von Volkmann
Musik Conti Eckert
Kamera
Schnitt
Premiere 30. Nov. 1986 auf ARD
Besetzung

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