Filmfest 1107 Cinema
Einbrecher ist ein deutscher Spielfilm der Ufa aus dem Jahr 1930 von Hanns Schwarz, der am 16. Dezember 1930 im Gloria-Palast (Berlin) uraufgeführt wurde. Das Genre des Films wird in der Titelsequenz als musikalische Ehekomödie angegeben.
Es gibt Filme, bei denen kann man sich nicht recht erklären, warum sie weniger erfolgreich waren als andere und heute fast vergessen sind. Ein Grunde dafür ist in Deutschland aber, dass die großen drei Musicals der Ufa, die vor der Machtübernahme der Nazis entstanden, „Die drei von der Tankstelle“, „Der Kongress tanzt“ und, mit Abstrichen, „Der blonde Traum“ früher im Fernsehen sehr häufig gezeigt wurden. So wurde mit ihnen auch eine Generation vertraut, die erst nach dem Krieg geboren wurde. Ich muss gestehen, von „Einbrecher“ hatte ich nie zuvor gehört, und das, obwohl er das damalige Leinwandpaar Nr. 1, Lilian Harvey und Willy Fritsch, nach dem großen Erfolg der „Tankstelle“ wieder zusammenführt und Heinz Rühmann, der Dritte im Bunde, ist auch dabei. Selten gezeigt, deutet darauf hin, dass der Erfolg sich in Grenzen hielt. Mehr dazu lesen Sie in der Rezension.
Handlung (1)
Renée, die junge, attraktive Frau des älteren und reichen Puppenfabrikanten Dumontier, der selbst insbesondere sprechende Puppen erfindet, ist mit ihrer Ehe unzufrieden. Sie fühlt sich von ihrem Mann bevormundet. Gleichzeitig wird ihr von dem eleganten und charmanten, aber genauso ängstlichen und langweiligen Sérigny, der sich vor ihr gern als Held aufspielt, der Hof gemacht. Dumontier ist sich über die Lage völlig im Klaren und eröffnet Sérigny, dass er nach einem Mann für seine Frau suche, wenn er aber feststelle, dass sie ein Verhältnis haben sollte, würde er den Nebenbuhler sofort erschießen.
Nach einer Auseinandersetzung mit Dumontier nimmt Renée schließlich die Einladung Sérignys zu einem Rendezvous in seinem Pariser Liebesnest ein. Schon bei ihrem Eintreffen wirkt sie zu Sérignys Unglück kühl und bleibt auch weiterhin distanziert. Dann taucht auch noch ein Einbrecher, Durand, auf, der ein kostbares Gemälde aus der Wohnung stehlen will. Durand ist der Typ Mann, für den Renée schwärmt. Er ist dreist, aber zielorientiert. Er ist ein Verbrecher, aber ein Gentleman. Der Einbrecher redet Renée ins Gewissen, für einen Feigling wie Sérigny doch nicht ihre Ehe aufs Spiel zu setzen, und macht Sérigny Vorwürfe, weil dieser in die Ehe eines Freundes einbreche und dessen Frau stehlen wolle, was viel schlimmer sei, als einem Unbekannten ein Gemälde zu stehlen. Nachdem der Einbrecher wieder verschwunden ist, verlässt die junge Frau ihren Verehrer in der Gewissheit, ihre Ehe gerettet zu haben.
Wenige Tage später kündigt sich bei Dumontier ein New Yorker Puppenhändler namens Hutkins an. Als dieser in Anwesenheit Renées und Sérignys eintrifft, erkennen die beiden den Einbrecher Durand. Dieser wirkt auf Renée abermals charmant, unkonventionell, dreist – kurz: überaus attraktiv, und so gelingt es ihm, sie zu einem heimlichen Treffen zu überreden. Als Dumontier bei diesem Treffen auftaucht, erschießt er den Nebenbuhler nicht, sondern gibt seine Frau aus der Einsicht, dass diese mit Durand einen Mann nach ihren Vorstellungen gefunden hat, frei.
Rezension
Einbrecher war von der Ufa nach dem erfolgreichen Film Die Drei von der Tankstelle (1930) als neuer Sensationserfolg eingeplant, weshalb man viele Schauspieler dieses Filmes wieder engagierte. Von den Dreien von der Tankstelle fehlte nur Oskar Karlweis, die Hauptdarstellerin Lilian Harvey agierte wieder als die Hauptperson, Kurt Gerron ließ man wieder tanzen und Gertrud Wolle spielte dieses Mal die ernste Hortense. Mit Hanns Schwarz verpflichtete man einen Regisseur, unter dessen Regie das Traumpaar Fritsch/Harvey schon agiert hatte. Auch die anderen Gewerke sind hochkarätig besetzt: Die Musik stammt von Friedrich Hollaender, das Bühnenbild von Erich Kettelhut, Produzent ist Erich Pommer. Die Dreharbeiten fanden vom 25. August 1930 bis 7. Oktober 1930 in den Ufa-Ateliers Neubabelsberg, dem heutigen Studio Babelsberg in Potsdam, statt. Der erwartete Erfolg blieb jedoch aus. In dem Film wirkt auch Sidney Bechet mit einem musikalischen Auftritt, der dem im Palmensaal im Haus Vaterland nachempfunden ist, mit.
In der Tat hatten Fritsch und Harvey bereits während der Stummfilmzeit zusammen gespielt, gleich zwei Mal im Jahr 1925, in den Filmen hatte aber Hanns Schwarz nicht Regie geführt und in den frühen Tonfilmen von Fritsch vor „Tankstelle“ hatte Harvey nicht mitgewirkt. Ich habe die Filme oder den Film in der Schnellrecherche nicht aufgetrieben, in dem die beiden unter Schwarz’ Regie gespielt haben. Das wäre wichtig gewesen, zumal ich Schwarz’ Arbeiten bisher nicht kannte. Jedenfalls gibt es einen deutlichen Unterschied zur „Ufa-Musical-Trilogie“, die ich angesprochen habe: Die Regisseure Wilhelm Thiele (er hatte z. B. Fritisch / Harvey schon 1925 geführt), Erik Charell und Paul Martin waren top darin, Musik und Handlung zu einem visuell und plotseitig ansprechenden Ganzen zu verbinden. Die Filme setzen zwar unterschiedliche Akzente, aber waren alle sehr versiert inszeniert.
Das kann man leider von „Einbrecher“ nicht sagen. In der IMDb ist er mit 103 Minuten angegeben, in der Wikipedia mit 93 und dem entsprach auch die Kopie, die ich mir anschauen konnte. Aber schon die 93 Minuten wirkten zuweilen ganz hübsch zäh. Auch dieser Film enthält wieder einige nette Ideen wie „Lass mich deine Carmen sein“ als Lied, das von einer mechanischen Torero-Puppe gesungen wird. Aber die Handlung ist unglaubwürdig und langsam gleichermaßen und das ist bei einem Musical tödlich. Unglaubwürdig allein geht noch, wie unzählige amerikanische Revuefilme der 1930er beweisen, die recht erfolgreich waren, aber wer kommt bitte auf die Idee, sich als Einbrecher zu betätigen, weil die Angebetete einen Schriftsteller zu langweilig findet?Vermutetermaßen, nicht bewiesenermaßen. Äh … wir wollen das mal lieber nicht zu genau erörtern. Aber der Aufwand, auch technisch, mit dem der Kreative das Haus seines Schwarms geradezu infiltriert, wirkt geradezu geheimdienstlich, unter Verwendung der besten damals erhältlichen Abhörtechnik. Man musste mitschreiben, denn Tonbänder zur Aufzeichnung gab es noch nicht und ein Gerät mitlaufen zu lassen, das eine Plattenmatrize erstellt, das hat man im Film schon gesehen, wäre aber hier schwerlich unterzubringen gewesen.
Und nach vielen Wendungen sagt der Ehemann am Ende zum nunmehr als Schriftsteller offen auftretenden Pseudo-Einbrecher: Nimm du sie, sie passt zu dir eh besser und bei uns war es nur eine Geldheirat, das wusste ich immer. So kann nur ein Puppenfabrikant denken. Es ist aber nicht dies allein, was den Film leider auch zu einem typischen Ufa-Produkt macht, wie sie dann in der Nazizeit häufiger auf den Markt kamen; die oft weltfremde Art, die Welt zu betrachten, die zuweilen etwas verzweifelt wirkende Konstruktion der Unterhaltung. Die Szenen selbst sind auch nicht gerade inspiriert gefilmt. Zwar sind die Songs wieder einmal handlungstragend, das konnten sie bei der Ufa wirklich gut, aber da die Handlung sich selbst schon so schleppt, haben die Songs nicht viel zu tragen. Deswegen werden Szenen wie die Dreh-Essplatte, in der Gerichte und Geschichte miteinander verbunden werden, Heinz Rühmann ist dafür im Wesentlichen verantwortlich, zu sehr gedehnt. Achten Sie mal in Sprechszenen darauf, wie lange bei drei Anwesenden einer der drei Charaktere wortlos herumstehen muss, bis die anderen ihre etwas mühsam humorvollen Dialoge fertig haben. Das wirkt linkisch, hölzern, teilweise, als ob Regisseur Schwarz den Übergang von der typischen Bild-Gestik-Regie des Stummfilms zur Dialogregie im Tonfilm zumindest hier noch nicht gut beherrscht.
Mich hat dieses Steife des Films vor allem deshalb überrascht, weil Harvey und Fritsch als Paar galten, dessen Chemie immer dafür sorgt, dass es einigermaßen schwungvoll zugeht. Tut es aber doch nur, wenn die Regie es unterstützt. Und Heinz Rühmann? Er wirkt einerseits erholsam, weil er etwas ruhiger ist als in den Filmen jener Jahre, in denen er die Hauptrolle spielte, andererseits ist seine Rolle als Sidekick an der Grenze zur Überflüssigkeit angesiedelt.
Finale
Natürlich wäre eine Vermutung, dass die Menschen, nachdem die Wirtschaftskrise in ihr Leben eingebrochen war, keine Einbrecherfilme sehen wollten – das stimmt aber so nicht, andere Genre mit Räubern und Gendarmen, wie Hans Albers‘ „Der Greifer“ und „Der Sieger“ waren sehr wohl erfolgreich. Aus einer anderen Perspektive gefilmt allerdings.
Der gesamte Film wirkt etwas hohl und bemüht. Oben steht, er wurde kein Erfolg. Das belegt immerhin, dass die Menschen nicht bloß wegen Fritsch und Harvey sozusagen automatisch ins Lichtspielhaus gerannt sind, sondern in schweren Zeiten, in denen man den Pfennig mehrmals umdrehen musste, bevor man ihn für eine Kinokarte ausgab, durchaus darauf schauten, ob eine Produktion als gut angesehen wurde. Es gibt eben Fans und Kinogänger, das vegisst man immer wieder, im Zeitalter des Internets, in dem die Fans das mediale Feld beherrschen, indem sie alles hypen, was mit einer bestimmten Person zu tun hat. Auch im Starsystem der USA konnte man schnell unten durch sein, wenn man ein paar Flops hintereinander zu Buche stehen hatte. In Deutschland war es diesbezüglich wohl etwas entspannter, zumal viele talentierte Filmschaffende ab 1933 das Land verließen (manche auch schon früher, aber freiwillig, weil das Dollar-Imperium lockte). Ein Knaller ist „Einbrecher“ also keineswegs, trotz der Idee, mit beliebten Darsteller:innen den Erfolg von „Die drei von der Tankstelle“ fortzusetzen.
55/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)
(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Hanns Schwarz |
|---|---|
| Drehbuch | Robert Liebmann nach dem Bühnenstück Guignol, un cambrioleur von Louis Verneuil und Georges Berr |
| Produktion | Erich Pommer |
| Musik | Friedrich Hollaender |
| Kamera | |
| Schnitt | Willy Zeyn junior |
| Besetzung | |
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