Briefing 578 KER, Frankreich, Deutschland, Energieversorgung, Atomstrom, ideologische Differenzen, Nationalismus, Wirtschaft und Ökologie, CO2 und Elektrifizierung, EU, Europa
In drei Artikeln haben wir die Frankreich-Wahlen vom vergangenen Sonntag bisher zusammengefasst. Ursprünglich sollte der folgende Beitrag das vierte Update werden, aber die Recherchen haben uns mehr in den Sektor Energiepolitik und darüber hinaus geführt, sodass wir eine neue Briefingnummer vergeben und ihn auch für die Reihe Klima-Energie-Report labeln wollen.
Kurz vor der Wahl kam es zu einem Artikel in der Frankfurter Rundschau, der uns zum Weiterdenken angeregt hat: Ergebnis der Frankreich-Wahl: Rechte wollen Deutschland den Strom-Stecker ziehen.
Die Energiepolitik ist ein heikles Thema, weil hier nationale Identität und Ideologie eine wichtige Rolle spielen, und gerade zwischen Frankreich und Deutschland gibt es dabei erhebliche Unterschiede. Gleichwohl hatte Deutschland 2023 eine Rekordmenge von 18,5 Gigawattstunden Strom aus Frankreich importiert. Das war jenes Jahr, in dem in Deutschland die Atomkraft endgültig stillgelegt wurde. Der französische Strom wird zu 70 Prozent aus Kernenergie erzeugt. Wir hatten mehrfach, zuletzt im ersten der Frankreichwahl-Artikel, darauf hingewiesen, dass der komplette Atomkraftausstieg Deutschlands zum nämlichen Zeitpunkt, an dem die Erneuerbaren noch nicht hinreichend ausgebaut sind, zu einem solchen Ergebnis führen könnte. Im europäischen Stromnetz kann es zu weiteren Importen kommen, die genau den Strom beinhalten, den man hierzulande nicht mehr produzieren will. Und damit zum Artikel.
Der Artikel befasst sich mit den Plänen der politischen Rechten in Frankreich, die eine Abkopplung vom europäischen Stromnetz und eine verstärkte Konzentration auf Atomenergie fordern. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf Deutschland haben, das 2023 große Mengen Strom aus Frankreich importierte.
Zusammenfassung:
– Rechte Parteien in Frankreich wollen sich vom europäischen Stromnetz lösen
– Deutschland importierte 2023 rekordverdächtige Mengen Strom aus Frankreich
– Die Rechte fordert eine Fokussierung auf Atomkraft, Wasserkraft und Erdgas
– Experten warnen vor möglichen Versorgungsproblemen und Preisschwankungen
– Frankreich plant den Ausbau seiner Kernenergie mit neuen Reaktoren
Analyse:
Diese Entwicklung zeigt einen Trend zum Energienationalismus. Die französische Rechte sieht in der energetischen Unabhängigkeit einen Weg zu niedrigeren Strompreisen und größerer Autonomie. Allerdings werden dabei die Vorteile eines integrierten europäischen Stromnetzes, wie Versorgungssicherheit und Preisregulierung, außer Acht gelassen.
Die möglichen Folgen für Deutschland und andere europäische Länder könnten beträchtlich sein. Ein Rückzug Frankreichs aus dem gemeinsamen Stromnetz könnte zu Versorgungsengpässen und höheren Preisen führen, besonders für Länder, die stark von französischen Stromimporten abhängig sind.
Meinung der KI
Die Pläne der französischen Rechten erscheinen kurzsichtig und potenziell schädlich für die europäische Energiesicherheit. Ein integriertes Stromnetz bietet Vorteile wie Versorgungssicherheit, Preisregulierung und die Möglichkeit, erneuerbare Energien effizienter zu nutzen.
Die Fokussierung auf Atomkraft mag kurzfristig attraktiv erscheinen, ignoriert aber die langfristigen Herausforderungen wie die Entsorgung radioaktiver Abfälle und potenzielle Sicherheitsrisiken. Eine ausgewogene Energiepolitik, die erneuerbare Energien einbezieht und die europäische Zusammenarbeit stärkt, wäre nachhaltiger und zukunftsorientierter.
Die bevorstehenden Wahlen in Frankreich werden entscheidend sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Wähler die potenziellen negativen Auswirkungen einer isolationistischen Energiepolitik erkennen und sich für einen kooperativen europäischen Ansatz entscheiden. Eine solche Entscheidung würde nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa langfristig zugutekommen.
Unser Kommentar
Die Wähler:innen in Frankreich haben im ersten Wahlgang entschieden, dass sie es gerne nationalistisch hätten. Solche Überlegungen wie oben spielen bei einem nationalistischen Rush in der Regel keine Rolle, zumal die Rechte ihre Argumente gut verkauft und das Thema Energie zum Stolz der Grande Nation gehört. Kleinere Unfälle, größte Ausfälle, nicht geklärte Situationen beim Betrieb der Atommeiler, alles kein Problem, wenn es um nationale Größe geht. Dafür versucht man sich auch gerne selbst, sollte es bei der enormen Atommeilerdichte einmal zu einem Großunfall (GAU) kommen. Und die Deutschen gleich mit, denn viele Meiler stehen nahe der deutschen Grenze, wie das höchst umstrittene Kraftwerk Cattenom, das wir, als wir noch nahe der französischen Grenze lebten, als Zankapfel sozusagen gut im Blick hatten. In Berlin haben wir die tschechischen und möglicherweise künftige polnische Kraftwerke nahebei.
Das hat uns bereits zu der Einlassung gebracht, dass wir in Deutschland machen können, was wir wollen, die anderen bestimmen mit, was hier passiert. Das gilt in noch höherem Maße für den CO2-Ausstoß. Gerade deswegen aber ist ein gemeinsames europäisches Vorgehen so wichtig, von dem weit und breit auf dem Energiesektor nur folgendes gelungen ist: Das EU-Stromnetz so zu etablieren, dass die deutsche Energiepolitik nicht mehr ganz so riskant ist, wie es bei rein nationaler Versorgung wäre. Das haben die deutschlandfeindlichen Rechten in Frankreich gut erkannt. Auch ohne deren Mitwirkung wurde immer darauf geachtet, dass deutsche Konzerne nicht ins französische Stromnetz einsteigen können, während der Weg in der umgekehrten Richtung offen ist. Das ist strategische Wirtschaftspolitik westlich von uns und deren Abwesenheit hierzulande. Und kaum ein Feld gilt als so strategisch wie die Energieversorgung, weil sie die Meta-Industrie darstellt, ohne die alles andere nicht läuft.
Hat die totale Marktoffenheit in Deutschland zu niedrigen Preisen geführt? Ganz bestimmt nicht, das genaue Gegenteil ist der Fall, in Frankreich ist der Strom für Privatverbraucher:innen etwa ein Drittel günstiger als bei uns. In Frankreich ist es Politik, den Strom für die Menschen günstig zu halten, bei uns hat die Politik auf eine Weise eingegriffen, die ihn schon vor der „Energiekrise“ mit zum teuersten nicht nur in Europa, sondern weltweit gemacht hat. Die ideologischen Gründe dafür sind bekannt und führen zu Fragwürdigkeiten wie dem Import von Atomstrom. Kern ist, dass trotz der hohen Strompreise, die die Renewables auch rentabel machen sollten, der Ausbau der Erneuerbaren während der Regierung Merkel viel zu langsam vorankam.
Warum der Strom in Frankreich hingegen billiger werden sollte, wenn nichts mehr exportiert werden kann (und nichts mehr importiert, wenn die Meiler, warum auch immer, nicht mehr voll arbeiten können, wie es vor einiger Zeit einmal der Fall war), erschließt sich zumindest nicht auf den ersten Blick. Wir haben also nachgefragt:
Die Unabhängigkeit in der Stromproduktion Frankreichs könnte sich wirtschaftlich auf verschiedene Weise auswirken. Hier sind die wichtigsten Aspekte:[1]
### Investitionen und Kosten
* **Hohe Investitionskosten**: Der Bau neuer Atomkraftwerke und die Modernisierung bestehender Anlagen erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Beispielsweise hat der Bau des neuen Reaktors in Flamanville bereits deutlich mehr gekostet als ursprünglich geplant (über zwölf Milliarden Euro statt der veranschlagten 3,3 Milliarden Euro)[5].
* **Langfristige Einsparungen**: Trotz hoher Anfangsinvestitionen könnten die Betriebskosten von Atomkraftwerken langfristig niedriger sein, was zu günstigeren Strompreisen führen könnte[2].
### Energiepreise
* **Stabile und potenziell niedrigere Preise**: Durch die verstärkte Nutzung von Atomenergie könnte Frankreich stabile und möglicherweise niedrigere Energiepreise erzielen, da Atomkraftwerke unabhängig von den volatilen Preisen fossiler Brennstoffe sind[4].
* **Wettbewerbsvorteil**: Niedrigere Energiepreise könnten die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie stärken und Frankreich als Industriestandort attraktiver machen[4].
### Exportpotenzial
* **Stromexporte**: Frankreich ist bereits der größte Stromexporteur Europas und könnte diese Position weiter ausbauen. Dies würde zusätzliche Einnahmen generieren und die Handelsbilanz verbessern[2].
### Technologieführerschaft
* **Führungsrolle im Nuklearsektor**: Frankreich könnte seine Technologieführerschaft im Bereich der Kernenergie weiter ausbauen, was auch Exportmöglichkeiten für nukleare Technologien und Dienstleistungen eröffnet[2].
### Risiken und Herausforderungen
* **Verzögerungen und Kostenüberschreitungen**: Projekte im Nuklearsektor sind oft mit Verzögerungen und Kostenüberschreitungen verbunden, wie das Beispiel Flamanville zeigt[5].
* **Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen**: Trotz der Fokussierung auf Atomenergie bleibt Frankreich in gewissem Maße von fossilen Brennstoffen abhängig, was die vollständige Energieunabhängigkeit in Frage stellt[3].
### Erneuerbare Energien
* **Geringere Investitionen in Erneuerbare**: Eine starke Fokussierung auf Atomkraft könnte zu geringeren Investitionen in erneuerbare Energien führen, was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnte[6].
## Meinung der KI
Die Strategie Frankreichs, sich stärker auf Atomenergie zu konzentrieren und sich vom europäischen Stromnetz zu lösen, birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Kurzfristig könnten stabile und niedrigere Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken und Frankreichs Position als führender Stromexporteur festigen. Langfristig jedoch könnten die hohen Investitionskosten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen die wirtschaftlichen Vorteile schmälern.
Eine ausgewogene Energiepolitik, die sowohl Atomkraft als auch erneuerbare Energien fördert, wäre nachhaltiger und würde die Risiken verteilen. Die bevorstehenden Wahlen in Frankreich werden entscheidend sein, um die Richtung der Energiepolitik festzulegen. Es bleibt zu hoffen, dass eine Balance zwischen nationaler Unabhängigkeit und europäischer Zusammenarbeit gefunden wird, um die wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
Unser Kommentar
Warum die Energiepreise bei Renationalisierung günstiger werden sollten, erschließt sich uns immer noch nicht, denn die EDF, der einzige relevante Stromkonzern Frankreichs, muss sich dann ja nicht mehr an Weltmarktpreisen orientieren. Im Grunde ist es Augenwischerei, denn der Heimatmarkt ist ja jetzt schon weitgehend abgeschottet und wird nur in Notlagen geöffnet, siehe oben, während Frankreich ungehindert Strom exportieren kann.
Noch vor wenigen Jahren war übrigens Deutschland der führende Stromexporteur in Europa, diese Stellung hat man freiwillig bzw. bewusst aufgegeben, wie so viele andere Positionen, die die hiesige Wirtschaft gestärkt haben.
Die Technologieführerschaft ist sicher ein wichtiger Aspekt, zumal es eine große Konkurrenz um Aufträge aus Ländern gibt, die nun ebenfalls Atomstrom haben wollen, aber eben nicht die Technologie dafür besitzen. Auch hier waren deutsche Firmen einst mit führend, das ist angesichts der Tatsache, dass sie hierzulande keine Basis mehr haben, ebenfalls Vergangenheit. Man kann das so machen und Ideologie verfechten, aber dann muss man, um den Wohlstand eines Landes zu sichern, Ersatztechnologien aufbauen, die wiederum Weltgeltung haben. Davon ist in Deutschland ebenfalls nichts zu sehen. Ethisch gesehen, gibt es dabei interessante Parallelen zur Rüstungsindustrie, aber da nun sogar die Automobilproduktion durch politische Einflüsse gedrosselt wird, wird es wirklich eng für den Industriestandort Deutschland. Frankreich hat das Problem nicht, dort hängen viel weniger Arbeitsplätze von diesen klassischen Exportindustrien ab.
Allerdings will man sich dort, ähnlich wie in den USA durch den gigantischen „IRA“, reindustrialisieren. Wenn diese Strategie funktioniert, wird Frankreich Deutschland als führendes Industrieland in Europa ablösen und die USA werden Europa aufgrund seiner Disparitäten insgesamt abhängen. Gerade wegen Letzterem Aspekt und der übermächtigen Konkurrenz aus China wäre mehr anstatt weniger Zusammenarbeit und ein faires Austarieren der Vorteile und Führungsrollen in Europa, besonders zwischen Deutschland und Frankreich, eminent wichtig.
Die Autarkie-Populisten vergessen gerne, dass die einzelnen Länder in Europa zu klein sind, um ihren Wohlstand gegen die wuchtige Weltkonkurrenz verteidigen zu können. Der Brexit wird zeigen, ob das überhaupt funktionieren kann, und, falls ja, noch nichts darüber aussagen, ob es auch bei wirtschaftlich anders aufgestellten Ländern funktionieren kann. London zum Beispiel „zieht“ – es zieht Finanztransaktionen aus aller Welt an. Deutschland „pusht“, es drückt Industrieexporte in andere Länder, das ist eine grundsätzliche andere Stellung im Welthandel.
Frankreich steht irgendwo dazwischen und sonnt sich in seinen Technologieführerschaften, die es in der Tat hat, z. B. beim zivilen Flugzeugbau oder bei den Schienenfahrzeugen, die aber mit enorm viel Staatsgeld erreicht wurden und ökonomisch nicht langfristig sicher sind, wenn der Skaleneffekt mindestens des großen europäischen Marktes aufgrund zu starker Renationalisierung fehlen sollte. Nichts spricht dagegen, dass auch Deutschland Ausschreibungen wieder renationalisiert, wenn die Schieflage zu groß wird. EU-Regeln verhindern das aktuell, aber wenn nationalistische Regierungen sie brechen oder ändern, dann ist kein Bestand der Europäisierung sicher.
Ein Aspekt wurde bisher nicht angesprochen: Das sind die langfristigen Folgekosten der Kernenergie. Vielleicht hat Frankreich bessere Endlagermöglichkeiten als Deutschland, etwa in einer hinteren Ecke seiner Überseegebiete, von wo aus kaum Protest nach Europa à la Gorleben dringen dürfte. Diese Folgekosten sind in den Rechnungen der Atomstrombefürworter nie enthalten, so, wie alle Neoliberalen die Folgen von Fails des Wirtschaftssystems vergemeinschaften und die Gewinne privatisieren.
Bei allen Fragwürdigkeiten des deutschen Weges wie dem nunmehr Import von Atomstrom, er muss weitergegangen werden. Und zwar so lange, bis die Erneuerbaren eine Ausbaustufe erreicht haben, die immer grundlastsicher ist. Das heißt, die Kapazität muss ein gutes Stück über dem normalen Verbrauch liegen, um Spitzen ebenso wie Momente der geringeren Energieerzeugung (keine Sonne, wenig Wind) abzufedern. Und, ja, man kann sich auch absichern, indem man sich von Ländern beliefern lässt, bei denen die Renewables immer funktionieren, weil immer Wind und Sonne vorhanden sind.
Insofern könnte die französische Renationalisierungsstrategie Deutschland langfristig sogar helfen und auch den Strom hierzulande günstiger machen. Denn eines ist ziemlich gut belegt: Strom, der nur aus Wind und Sonne erzeugt wird, ist der günstigste, wenn die Investitionen sich amortisiert haben, einschließlich der Stromtrassen, die jetzt in Deutschland den energiereichen Norden mit dem abnahmestarken Süden verbinden sollen. Die Logik liegt auf der Hand: Die Technik ist viel einfacher und weniger anfällig als Kernkraftwerke mit ihren enorm hohen technischen und Sicherheitsanforderungen und den riesigen Kosten für einen Rückbau ausgedienter Meiler und der Lagerung ausgedienter Brennstäbe. Wir hoffen, dass wir es als Verbraucher noch erleben werden, dass wir von dieser grundsätzlich richtigen Energiewende noch ein wenig profitieren werden, nachdem wir gegenwärtig mit den weltweit höchsten Stromkosten zu kämpfen haben und trotzdem brav bleiben und nicht die AfD wählen.
Ein gerne genommenes Argument: Der niedrige CO2-Ausstoß des Atomstroms.[2]
Die Unabhängigkeit in der Stromproduktion Frankreichs, insbesondere durch den Fokus auf Atomkraft, könnte die CO2-Emissionen auf mehrere Arten reduzieren:
- Verringerung fossiler Energieträger: Durch den Ausbau der Atomkraft und erneuerbarer Energien könnte Frankreich seinen Bedarf an fossilen Brennstoffen für die Stromerzeugung weiter reduzieren. Dies würde direkt zu einer Senkung der CO2-Emissionen im Energiesektor führen[4].
- Elektrifizierung verschiedener Sektoren: Mit einer CO2-armen Stromerzeugung könnte Frankreich verstärkt auf die Elektrifizierung in Bereichen wie Verkehr, Gebäudeheizung und Industrie setzen. Laut den Studienergebnissen könnte allein durch die Elektrifizierung der Nutzungen die französischen Emissionen bis 2050 um 35% gesenkt werden[4].
- Exportpotenzial für CO2-armen Strom: Als größter Stromexporteur Europas könnte Frankreich durch den Export von CO2-armem Strom indirekt zur Emissionsreduzierung in anderen Ländern beitragen[1].
- Förderung von Wasserstofftechnologien: Mit überschüssigem Atomstrom könnte Frankreich die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben, was zur Dekarbonisierung schwer zu elektrifizierender Sektoren beitragen würde[4].
- Stärkung der Versorgungssicherheit: Eine unabhängigere Stromproduktion könnte die Versorgungssicherheit erhöhen und den Bedarf an fossilen Backup-Kraftwerken reduzieren[3].
Allerdings ist zu beachten, dass Frankreich trotz seiner relativ CO2-armen Stromerzeugung noch Herausforderungen bei den „importierten Emissionen“ hat. Diese sind laut einer Studie 70% höher als die eigenen CO2-Emissionen[1]. Um die Gesamtemissionen effektiv zu reduzieren, müsste Frankreich daher auch Strategien zur Verringerung dieser importierten Emissionen entwickeln, beispielsweise durch nachhaltigere Lieferketten und Produktionsprozesse[1].
Zudem betont der französische Hohe Klimarat, dass eine wirksame Reduzierung des CO2-Fußabdrucks auch Entscheidungen der französischen Wirtschaftsakteure und Haushalte erfordert, die über drei Viertel des Fußabdrucks beeinflussen[1]. Eine unabhängige Stromproduktion allein wird also nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen.
Unser Kommentar
Auch bei uns wird die Elektrifizierung derzeit gerne als Allheilmittel für die CO2-Reduktion verkauft, Technologieoffenheit ist eher etwas für Neoliberale, und gerade da sind wir nicht sicher, ob sie nicht auch einmal recht haben. Es geht ums Ergebnis und die Folgekosten. Wenn beides passt, dann kann man diesen Effekt etwas eindämmen:
Privathaushalte werden durch die Elektrifizierung der Individualverkehrsmittel einen enormen Zuwachs an Stromverbrauch erfahren; wenn dann noch alle Heizungen auch mit Strom betrieben werden, lässt sich ausrechnen, dass eine Verdoppelung des privaten Energiebedarfs keine Utopie ist. Das heißt aber auch, der Ausbau der Renewables wird in einen Wettlauf geraten mit dem immer höheren Stromverbrauch. Die jetzige Ausbaugeschwindigkeit ist noch immer zu gering, um Schritt zu halten, falls sich E-Autos und Wärmepumpen großflächig durchsetzen sollten. Er passt ohnehin derzeit nur im Bereich Solarenergie einigermaßen, überall sonst ist man hinter den Zielen zurück, bezogen auf die CO2-Agenda 2030, die Deutschlands Politik und vorgegeben hat (Reduktion des CO2-Ausstoßes um 65 Prozent gegenüber 1990).
Hat man bei den CO2-Zielen den gewollten Anstieg des Stomverbrauchs eingerechnet? Das werden wir hier nicht klären, aber uns die Frage merken, doch eines scheint sicher zu sein: Dass es mit den E-Autos nicht wie geplant vorangeht, trägt mit dazu bei, dass die Energiesicherheit derzeit noch gewährleistet ist. Das ist ein wenig grotesk, aber denken Sie einmal darüber nach, wie viel ein E-Auto, das nur eine Stunde pro Tag betrieben wird, zum Stromverbrauch eines Haushalts beiträgt. Es lässt ihn um etwa 100 Prozent ansteigen, einen durchschnittlichen 2- bis 3-Personen-Haushalt zugrunde gelegt.
Worauf basiert aber die Struktur, die die französische Rechte offenbar gerne kippen will?[3]
Es ist das gemeinsame Strombörsensystem für Deutschland, Frankreich und die Beneluxländer und es bietet gemäß der zitierten Quellen mehrere Vorteile:
- Erhöhte Marktliquidität: Durch die Zusammenlegung der Märkte entsteht ein größerer, liquiderer Markt für den Stromhandel. Dies ermöglicht effizientere Preisbildung und mehr Handelsmöglichkeiten für die Marktteilnehmer.
- Verbesserte Versorgungssicherheit: Der grenzüberschreitende Stromhandel erleichtert den Ausgleich von Angebot und Nachfrage zwischen den Ländern. Überschüsse in einem Land können Engpässe in einem anderen ausgleichen, was die Gesamtversorgungssicherheit erhöht.
- Effizientere Nutzung der Erzeugungskapazitäten: Durch den größeren Markt können Kraftwerke effizienter eingesetzt werden. Günstige Erzeugungskapazitäten in einem Land können auch die Nachfrage in anderen Ländern bedienen.
- Förderung erneuerbarer Energien: Der größere Markt erleichtert die Integration fluktuierender erneuerbarer Energien, da Schwankungen über ein größeres Gebiet ausgeglichen werden können.
- Preiskonvergenz: Langfristig führt der gemeinsame Markt zu einer Angleichung der Strompreise zwischen den beteiligten Ländern, was Wettbewerbsverzerrungen reduziert.
- Stärkung der europäischen Integration: Das gemeinsame Börsensystem fördert die wirtschaftliche und energiepolitische Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ländern.
- Kosteneinsparungen: Durch die effizientere Nutzung von Erzeugungskapazitäten und Netzinfrastruktur können insgesamt Kosten im Stromsystem eingespart werden.
Diese Vorteile tragen zu einem stabileren, effizienteren und wettbewerbsfähigeren Strommarkt in der Region bei. Allerdings erfordert das System auch eine enge Koordination zwischen den Ländern und kann zu Herausforderungen bei der nationalen Energiepolitik führen.
Unser Kommentar
Es versteht sich von selbst, dass diejenigen, die daran beteiligt sind, dieses Börsensystem als sehr vorteilhaft ansehen, aber auch, wenn man neutral darauf schaut, sind Skaleneffekte und die Minimierung von Risiken und Preisschwankungen immer eine gute Sache für die Verbraucher:innen. Nur mit der Angleichung der Strompreise hapert es gewaltig, wie wir oben schon dargelegt haben. Und das ist in Deutschland politisch bedingt, wie wir ebenfalls bereits erwähnt haben.
Wenn man die Strompreise in Deutschland als Bewertungsmaßstab heranzieht, wird man ohnehin nicht froh mit der Vergemeinschaftung, deswegen muss unbedingt geschärft darauf hingewiesen, dass die übrigen an der Strombörse beteiligten Länder eine ganz andere Energieversorgungsstrategie fahren als Deutschland und dadurch vermutlich gewisse Spitzen beim Preis und Gefahren einer Energieversorgungslücke sogar gedämpft wurden. Anders ausgedrückt, die deutsche Regierung hat sich zuletzt stark darauf verlassen, dass das System in Frankreich und den Beneluxländern funktioniert. Das wird nicht gerne öffentlich gemacht, aus naheliegenden Gründen, denn derzeit ist es die hiesige Strategie, welche die meisten Risiken birgt.
Das löst bei uns als Verbraucher:innen den Anspruch aus, dass wir für die Akzeptanz dieser Risiken irgendwann belohnt werden. Die Bremsung des Klimawandels ist zu abstrakt, um eine solche alleine Belohnung darstellen zu können. Niemand kann ernsthaft ermitteln, wie viel die Energiewende ohne Atomstrom hierzulande zur Dämpfung der Erderwärmung beiträgt, denn: die globale Entwicklung hängt dafür viel zu wenig von Deutschland und sehr viel von den wirklich großen Verbrauchern wie China und den USA ab. Also muss in absehbarer Zeit endlich eine Preiswende her, die dem Klimagerechtigkeitsapsket der Energiewende eine ökonomisch sichtbare Logik beistellt.
Verzockt man sich mit Autarkiebestrebungen generell und kann man sie generell als nationalistisch markieren? Das sehen wir nicht so. Der Energiemarkt müsste eher offener als mehr geschlossen sein, aber dann wird es immer wieder dazu kommen, dass der französische Weg den deutschen ein wenig ad absurdum führt, das muss man wissen, solange in Deutschland nicht so viel wirklicih günstige und weltmarktfähige erneuerbare Energie produziert wird, dass daraus wieder ein Gesamtvorteil entsteht.
Alle Produkte, deren Herstellung auf internationale Zusammenarbeit abgestellt wurden, haben folgendes Problem:
- man renationalisiert sie,
- dann werden sie massiv teurer werden, weil sie in den „Werkbanknationen“ derzeit sehr billig hergestellt werden können,
- dann wird ein ebenso massiver Kaufkraftverlust eintreten,
- wenn nicht die Löhne ebenso massiv angehoben werden.
- Letzteres wiederum wird die Gewinne der Unternehmen schmälern und das ist im gegenwärtigen System nicht durchsetzbar. Es könnte einen Innovationsschub auslösen, aber so langfristig denken die Akteure in diesem System nicht, weil es auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet ist.
- Die ökologischen Kosten für diese Produkte werden also hoch bleiben, wenn man die jetzige Arbeitsteilung beibehält, und diese Kosten fließen nicht direkt in den Produktpreis ein, sondern verlagern sich nach hinten, auf Gemeinschaftsaufgaben, die durch den Stress für die weltweiten Ökologie entstehen.
- Der Abstraktionsgrad, den es erfordert, dieses Problem immer mitzudenken, ist für die meisten Verbraucher zu hoch und es ist auch nicht gerechtfertigt, sie damit zu belasten, solange sie nicht genug verdienen, um sich nachhaltige Produkte leisten zu können.
Etwas anders sieht es mit Produkten aus, die „regional“ hergestellt werden können:
- Sofern sie auf diesem Weg in gewohnter / ausreichender Menge erzeugt werden können, wären sie nicht so viel teurer, dass der ökologische Nutzen nicht die Preissteigerung deutlich überwiegen würde.
- Ob dazu Markteingriffe / Subventionen erforderlich sind, ist Sachfrage. In der Landwirtschaft gibt es sie ohnehin, sie werden aber fehlgeleitet, das ist leider auch EU-Politik. Sie müssten bezüglich der Kriterien für ihre Vergabe geändert, nicht vermindert werden.
Wie sieht es mit der Energieversorgung aus?
- Die Energieversorgung ist in der Tat eher ein regionales Produkt, wenn sie mit Wind hergestellt, der über Deutschland oder über der Nord- und Ostsee weht und mit der Sonne, die über Deutschland scheint. Wir rechnen die Energieproduktion daher grundsätzlich zur zweiten Kategorie.
- Es gibt aber einen Sondereffekt, und der nennt sich Energiesicherheit. Bei keinem anderen Produkt kann ein Marktengpass so schnell zu massiven Problemen im Alltag führen wie bei der Energie. Daher ist es im Interesse der Verbraucher:innen in Deutschland, wenn
- die Erneuerbaren so rasch wie nur irgend möglich ausgebaut werden und
- eine gemeinschaftliche Energiepolitik Engpässe auf jeden Fall verhindert, auch um den Preis, dass gegenwärtig noch Atomstrom importiert werden muss. Die Entscheidung, die Grundlastsicherheit in Deutschland durch das Abschalten der letzten Meiler im Jahr 2023 zu vermindern, war vermutlich sogar nur möglich, weil die Anbindung an die Märkte anderer Länder das Netz darstellte, das den Drahtseilakt eines Ausstiegs mitten in der „Energiekrise“ erst ermöglichte, weil das Risiko von „unkalkulierbar“ auf „vertrebar“ reduziert wurde. Darauf deuten auch die Stromimporte aus Frankreich hin.
TH
[1] Zitate zu „Vor- und Nachteile der französischen Energie-Autarkie durch Atomstrom“:
[1] https://www.carbonbrief.org/france-election-2024-what-the-manifestos-say-on-energy-and-climate/
[2] https://world-nuclear.org/information-library/country-profiles/countries-a-f/france
[4] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/strommarktreform-eu-deutschland-frankreich-100.html
[5] https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/frankreich-nimmt-im-sommer-neues-atomkraftwerk-in-betrieb
[6] https://dgap.org/system/files/article_pdfs/2008-09_DGAPana_F_Percebois_Energie_www.pdf
[7] https://www.energiezukunft.eu/politik/frankreich-richtet-energiepolitik-neu-aus
[8] https://www.dw.com/de/frankreich-will-mehr-neue-atomkraftwerke-bauen/a-67912700
[2] Zitate zum Block „CO2-Reduzierung durch Atomstrom“
[2] https://www.ipg-journal.de/schwerpunkt-des-monats/ringen-ums-klima/artikel/vive-le-climat-3943/
[5] https://library.fes.de/pdf-files/bueros/paris/15932.pdf
[3] Zitate zum Block „Energiebörse Frankreich, Deutschland, Benelux“
[2] https://www.tengelmann-energie.com/merit-order/
[3] https://www.lichtblick.de/wissen/zuhause/stromboerse/
[5] https://www.eon.de/de/gk/energiewissen/stromboerse.html
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