Filmfest 1116 Cinema – Concept IMDb Top 250 of all Time (190) – Die große Rezension
Wiedergutmachung oder Erlösung?
Die Verurteilten (Originaltitel: The Shawshank Redemption) ist ein US-amerikanisches Filmdrama des Regisseurs Frank Darabont aus dem Jahr 1994 nach der Novelle Frühlingserwachen: Pin-up (Originaltitel: Rita Hayworth and Shawshank Redemption) von Stephen King, das von dem unschuldig zu lebenslanger Haft verurteilten Andy Dufresne und dessen Freundschaft zu seinem Mithäftling Red handelt. In den Top 250 der IMDb belegt der Film seit 2008 ununterbrochen den ersten Platz.[1]
Was hat uns also angetrieben, den Film zu schauen? Wir hatten gestern einfach Lust auf den besten Film aller Zeiten. Den besten Film aller Zeiten?
So sagt es die IMDb, so sagen es gegenwärtig 1,25 Millionen Menschen, die den Film dort bewertet haben (Stand 31.07.2014). Alle Werke, die Filmgeschichte geschrieben haben, müssen sich hinter dieser Verfilmung einer recht untypischen Stephen King-Novelle durch einen Quasi-Regie-Neuling namens Frank Darabont einreihen. Das klingt kurios und ist es auch, doch die Schwächen der IMDb-Laienbewertungen sind bekannt: Neuere Filme sind ebenso überbewertet wie amerikanische, kommerzielle Filme werden gegenüber künstlerischen Werken ebenfalls zu stark angehoben. Mehr dazu lesen Sie in der Rezension.
Handlung (1)
Dies ist die Geschichte zweier Männer, die nach beinahe 20 und genau 40 Jahren im Gefängnis Shawshank im amerikanischen Ostküstenstaat Maine auf unterschiedliche Weise freikommen und sich anschließend an einem Stand von Mexiko wiedersehen.
Wir erfahren, wie der Banker Andy Dufresne für den Mord an seiner Frau und deren Liebhaber zu zweimaliger lebenslanger Haftstrafe verurteilt wird, wie der Afroamerikaner „Red“, ebenfalls wegen Mordes einsitzend, von der Bewährungskommission abgelehnt wird, und im Anschluss entspinnt sich ein gemeinsames Gefängnisleben, das erst damit endet, dass Andy flieht und „Red“ im dritten Anlauf auf Bewährung freikommt.
Rezension
„Die Verurteilten“ wurde für sieben Oscars nominiert, gewann keinen. Das mag auch daran liegen, dass 1994 als besonders gutes Filmjahr bezeichnet werden kann . „Die Verurteilten“ hatte u. a. gegen den „Forrest Gump“ mit Tom Hanks anzutreten. Während „Forrest Gump“ die Charts stürmte, floppte „Die Verurteilten“ an der Kinokasse und erwirtschaftete seinen Einsatz erst später im DVD-Verleih. Außerdem gab enoch „Pulp Fiction“ von Quentin Tarrantino, der heute in der IMDb als fünftbester Film alle Zeiten angesiedelt ist.
Wir wollen aber nicht auf die IMDb schimpfen, deren umfangreiche Angaben zu allen jemals gedrehten Filmen, deren Übersichten über alle wichtigen Kritiken weltweit unschätzbar wertvoll sind, deren nach Geschlecht und Alter aufgeschlüsselten Bewertungen für uns wichtige Informationen bereithalten. Zu „Die Verurteilten“ zum Beispiel folgende: Amerikaner und Nichtamerikaner sind gleichermaßen begeistert von dem Film, Frauen, obwohl sie nicht als Fans von Gefängnismelodramen gelten, werten ihn nur minimal schlechter als Männer (9,2 gegenüber 9,3/10), jüngere Zuschauer sehen ihn etwas besser als ältere (9,5/10 in der jüngsten gegenüber 8,9/10 in der ältesten Altersgruppe ab 45 Jahren). Aber auch die größere Begeisterungsfähigkeit junger Menschen, die noch wenig über Kinohistorie wissen und Filme nicht so gut einordnen können, ist nichts Untypisches.
Mithin: Es gibt keine signifikanten Abweichungen, fast alle lieben diesen Film (mittlerweile, denn als er 2008 die Top 250 erreichte, war diese schon seit 12 Jahren in Betrieb). Wie fast alle großen Filme hat er auch mit 2,1 % einen recht hohen Anteil an General-Ablehnern, die nur 1/10 geben.
Es muss also etwas dran sein, an „Die Verurteilten“
Um mit der schlechten Nachricht anzufangen: Ein Meilenwerk der Kinogeschichte ist er nicht. Dazu ist er doch wieder zu konventionell gefilmt. Für seinen Stoff aber ist genau diese Art von beinahe kontemplativer Unauffälligkeit beim Stil unglaublich gut geeignet. Wie kann man am besten darstellen, dass Jahr um Jahr verrinnt, hinter Gittern, mit immer gleichen Tagesabläufen, mit immer den gleichen Wärtern, Mithäftlingen? Indem man den Relationen, die sich zwischen diesen Menschen entspinnen, maximalen Raum gibt und nur ganz wenige Akzente auf Aktion und Wendungen und auf visuelle, einmalige Effekte setzt. Dazu braucht es Schauspieler, die über mehr als zwei Stunden hinweg alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wissen: Das können Morgan Freeman als „Red“ und Tim Robbins als Andy wirklich von sich behaupten.
In Kings Novelle ist „Red“ ein Ire, daher auch der Nickname, aber im Film war 1994 schon jene Zeit angebrochen, in der es genau passte, einen Afroamerikaner mit der vielleicht wichtigsten Rolle auszustatten und niemand unter den farbigen Schauspielern war besser geeignet als Morgan Freeman, den wir bereits in einigen sehr schönen Rollen bewundern durften. Offenbar war er von Anfang an für die Rolle des „Red“ vorgesehen und durfte sich seinen Partner aussuchen, wobei die Wahl auf Tim Robbins fiel.
Viele der ganz großen Gefühlsfilme haben kein Happy Ending, sondern einen offenen Schluss, der die romantischen Vorstellungen beflügelt („Casablanca“, „Vom Winde verweht“) oder gar ein tragisches, aber da „Die Verurteilten“ im Originaltitel von Erlösung spricht (wir bevorzugen diese Deutung des Wortes gegenüber „Wiedergutmachung“) müssen die Gefangenen mit der Welt versöhnt werden, und das sind sie beide am Schluss. Das ist bei „Red“ als der eindeutigen Identifkationsfigur noch wichtiger als bei Andy, der, wie wir im Lauf der Zeit immer sicherer spüren, seine Frau und deren Lover eben nicht mit acht Schüssen aus einem `38-Trommelrevolver niedergestreckt hat. Man ahnt es schon, weil dieser offenbar sensible Mensch so gar nicht reuevoll wirkt, was ihm vor Gericht eingangs des Films ja auch vorgehalten wird. Man weiß es, als der junge Häftling Tommy (Gil Bellows) in Shawshank eingeliefert wird, der mit dem wirklichen Mörder eine Zeitlang die Zelle in seiner vorherigen Strafanstalt teilte, wo jener sadistische Typ nur wenige Jahre wegen eines weniger schweren Deliktes einzusitzen hatte und vor Tommy mit seiner Tat prahlte.
Als Tommy plötzlich in den Mittelpunkt rückte, waren wir irritiert, wussten natürlich später, warum die Figur so spät eingeführt wurde, trotzdem merkt man an der Art, wie uns beigebracht wird, dass Andy unschuldig ist und wie es dazu kommt, dass er trotzdem kein Wiederaufnahmeverfahren erreicht, dass der Film einige Muster bedient, die typisch Hollywood, aber nicht sehr logisch sind. In der Novelle kommt dies nicht vor, aber im Film lässt Gefängnisdirektor Norton Tommy von den Wachen erschießen und gibt den Vorgang als Verhinderung eines Fluchtversuchs aus.
Warum aber lässt der Chef vom Ganzen den jungen Mann töten? Weil Andy mittlerweile im Gefängnissystem eine wichtige Rolle hat – als Steuerberater aller Dienstpersonen und als Organisator von Direktor Nortons dunklen Geschäften, der androht, diesen auffliegen zu lassen, wenn die Wiederaufnahme nicht geschehen sollte. Wie unklug von einem Mann, der sonst so besonnen und findig wirkt, den bibelfest-verschlagenen Anstaltsvorsteher so zu reizen und zu warnen. Offensichtlich wird doch die Gefängnispost nicht geöffnet, die Andy regelmäßig nach draußen schickt. Der richtige Weg wäre gewesen, eines dieser Schriftstücke direkt oder auf Umwegen an die zuständigen Behörden zu senden und diese auf den Fall aufmerksam zu machen, anstatt das System herauszufordern, an dessen Installation er selbst mitgearbeitet hat – wenn auch nicht initial freiwillig, sondern mehr oder weniger genötigt. Wie brutal der Kopf der Wachmannschaft, ein gewisser Byron Hadley und wie skrupellos der Direktor ist, das wusste Andy Dufresne.
Der Film weist erstaunlich viele „Goofs“ aller Art auf, auch darüber gibt die IMDb gewissenhaft Auskunft. Ein richtiges Logikloch meinten wir entdeckt zu haben in Form eines echten Wandlochs: Wie konnte Andy hinter den Postern dreier Schönheiten (Rita Hayworth, Marylin Monroe, Raquel Welch) arbeiten und am Ende dahinter verschwinden und das Poster war weiterhin vors Loch geklebt? Die IMDb weist dies als vorgeblichen Fehler aus: Das Poster sei eben nur oben aufgehängt, nicht an allen vier Ecken festgemacht. Wenn dem aber so ist, dann hätte der Stein, den Norton gegen das Poster warf, nicht dieses scharfe, durch die Spannung des durchschlagenen Materials so genau genau definierte Loch mitten der Figur von Raquel Welch produzieren dürfen und das Poster hätte sich in dem Moment mehr bewegen müssen, wenn es nicht an allen Ecken festgeklebt war. Für uns bleibt die Sache mit dem Poster, die wir als einen der Hauptfehler im Film ausgemacht hatten, fragwürdig. Viele andere Fehler haben wir allerdings nicht gesehen – diese Goofs sind ja von sehr vielen Zuschauern zusammengetragen worden und beim ersten Anschauen, zumal am Fernsehbildschirm, die Mehrzahl davon zu entdecken, ist kaum möglich.
Außerdem spielt hier eine wichtige Hirnfunktion nicht mit: Die visuelle Wahrnehmung des Menschen wird hirnseitig in Richtung Affirmation korrigiert. Wir hatten zum Beispiel auch gesehen, dass Andy in einer Szene graue Schläfen bekommen hat, nach längerem Aufenthalt im Gefängnis, danach sind diese aber wieder verschwunden. Die Szenen wurden eben in anderer Reihenfolge gedreht, als sie nach dem Schnitt im Film zu sehen waren. Ist uns aber sofort wieder entfallen, diese Ungenauigkeit, weil der Film weiterging und neue Eindrücke diese durchaus vorhandene Wahrnehmung überdeckten und das Gehirn diese Eindrücke als wesentlich wichtiger ansah, als jene Detailinformation zu speichern. Erst die IMDb (Rubrik „Goofs“) hat uns darauf wieder aufmerksam gemacht.
Nun wollen wir aber den Film nicht zu sehr zerpflücken, obwohl die Menge an „Goofs“ beträchtlich ist und auf eine wenig sorgfältige Produktionsgestaltung schließen lässt. Auch diesbezüglich sind andere wichtige, große Filme nicht besser und am Ende müssen produktionsseitig schon alles überschattende Mängel stehen, damit die Bewertung von Kinostücken durch solche Aspekte beeinflusst werden oder das Vertrauen in den Film als Ganzes darunter leidet.
Wir hatten uns für die Wortdeutung „Erlösung“ für „Redemption“ entschieden, denn eine Wiedergutmachung für zu Unrecht erlittene Haftjahre kann es nicht geben. Nicht für so viele, zumal hier keine Rehabilitation am Ende von Andys Weg steht, sondern eine Flucht. In vieler Hinsicht teilt er das Schicksal von Edmont Dantès aus Alexandre Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“. Nicht nur, dass er der Aristokrat unter den Gefängnisinsassen ist, er landet dort auch unschuldig – nicht aufgrund einer Intrige, wie Dumas, sondern aufgrund eines Fehlurteils, das auf Indizien beruht, mangels gefundener Tatwaffe, welche hätte beweisen können, ob die Schüsse mit Andys Revolver oder zufällig mit einer anderen Waffe des gebräuchlichen Kalibers `38 abgefeuert wurden. Mit Dantès verbindet ihn auch das jahrelange Graben eines Tunnels samt anschließender Flucht. Während sich Andy allerdings nur das unrechtmäßig angehäufte Geld des Gefängnisdirektors greift, für dessen Platzierung er zuständig war, und nach Mexiko ausweicht, ohne Vertrauen in die amerikanische Justiz, nimmt Dantès als ominöser Graf auf gesellschaftlichem Parkett Rache an den Leuten, die ihn einst hinter Gitter gebracht hatten. Wiederum gleich: Beide nehmen eine neue Identität an. Während aber, überschlägig betrachtet, Dantès wirklich auf Wiedergutmachung sinnt oder gar auf Rache, liegt es dem eher nüchtern wirkenden Banker Dufresne (der wohl nicht zufällig einen französisch klingenden Namen hat, der mit demselben Buchstaben beginnt wie „Dantès“), fern, noch einmal auf sich aufmerksam zu machen. Der Gefängnisdirektor hat sich selbst erschossen, weil er weiß, dass sein Spiel aus ist. Der Chef der Wachtruppe, der in alles involviert war und Tommys Erschießung geleitet hat, wird abgeführt.
Der Film hat eine Eigenart, die ihn von vielen anderen abebt: Er zeigt eine zwischemenschliche Wärme in der Welt hinter Gittern. Sie bestimmt die emotionale Temperatur des Films. Immer wieder waren wir deshalb auch misstrauisch. Es fehlt aber kaum etwas: Die Gewalt der „Schwulen“ gegen den Neuankömmling Dufresne, die sich über längere Zeit hinzieht, ohne dass es eine Gegenbewegung gäbe. Erst, als Andy beginnt, sich eine Position zu erarbeiten, wird der Anführer dieser Gruppe vom Wärter Hadley so übel zugerichtet, dass er in ein Hospital muss und nie wieder genesen wird – damit hat Andy Ruhe (im Buch ist er aktiv tätig und lässt den Anführer der Widersacher verprügeln). Die Tötung von Tommy, die Doppelmoral des Gefängnisdirektors, die Korruption, die Brutalität der Wachmannschaften – nein, dieses Gefängnis wird nicht beschönigt dargestellt, etwa wie ein Feriencamp für Delinquenten.
Aber alles ordnet sich ein, wird nicht als Effekt eingesetzt, sondern eher beiläufig gezeigt, ohne maximales Augenmerk auf blutige Szenen, akzentuiert ansonsten gleichförmige Jahre, zerfließt beinahe in den ewig scheinenden Jahren, in denen über Hoffnung und deren Aufgabe diskutiert wird, in denen man sieht, wie „Red“ sich über Wasser hält, indem er der Kaufladen seiner Mithäftlinge ist, eine wichtige Position hat, während Andy immer wieder Projekte anschiebt, wie das Schachbrett mit den Figuren, das seine wahre Absicht verdecken soll, mit dem dafür eingesetzten, allegorisch für die Schichten der Zeit und des Lebens stehenden Geologenhämmerchen tatsächlich einen Gang bis hin zur Kanalisation zu graben, die wiederum ins Freie führt. Was für ein Glück, dass die Scheiße, durch die Andy muss, buchstäblich in den Fluss gekippt wird und die Rohre nicht in einem Klärwerk enden. Oder die Sache mit der Bibliothek, die aus Shawshank geradezu eine Bildungsinstitution macht, was natürlich zu diesem warmen Gefühl mit beiträgt. Häftlinge, die in einer JVA unter Anleitung eines hochgebildeten „Kollegen“ (als „Kollegen“ bezeichnet Andy seine Mitgefangenen einmal und muss dafür Hadleys Häme erdulden) ihr Abi nachmachen, was kann es besseres für die Resozialisierung geben? Und natürlich das Steuer- und Altersvorsorgeprojekt, das allerdings nicht nur etwas unrealistisch ausgeführt rüberkommt, sondern dem Betrieb auch eine Art Fenster zur Außenwelt öffnet, das Häftlinge, wenn sie keinen Freigang haben, in der Realität wohl nicht in dieser Form geboten bekommen.
Wie man nicht aufgibt und unter schwierigsten Bedingungen die Hoffnung bewahrt, Freunde findet, Feinde manipuliert, aus dieser misslichen, zudem ungerechten Situation etwas Besonderes macht, das ist doch ein typischer Hollywoodstoff, gekrönt durch Momente wie die Arie aus „Die Hochzeit des Figaro“, die Andy für alle übers Lautsprechersystem spielen lässt. Die Kamera zeigt von oben, wie alle auf dem Hof stillstehen und sich zu den Lautsprechern wenden, geradezu hypnotisiert. In einer Welt von rauen Gefängnisinsassen ebenfalls eine stilisierte Szene, aber eine wunderschöne.
Zudem atmet der Film noch etwas, das zeittypisch für die 1990er war. Eine große Liberalität, die uns für ihn einnimmt. Der Standpunkt ist klar gegen Repression gerichtet, Gerechtigkeit und Humanität stehen weit über der Erhaltung des Systems, das sich ohnehin als anfällig für jede Art von Infiltrierung erweist. Im Hollywoodkino wird Intellektualität meist negativ dargestellt, heute noch mehr als zu Zeiten, da Bildung nicht durch Googeln suggeriert und substituiert werden konnte. Stephen King hütet sich allerdings in seiner Novelle gemäß Ausrichtung seiner eigenen Bücher, hier in die Hochphilosophie abzudriften, sondern vertraut der Macht des gut Lesbaren, das aus dem dunklen Kabuff, in dem Brooks, der alte Bibliothekar, gearbeitet hat, einen richtigen, modernen Lesesaal gibt, in dem man per Kopfhörer sogar wie im Plattenladen stehen und sich Musik anhören kann.
Der Film verliert nie eine lakonische, distanzierte Grundhaltung, wird nie überdramatisch – bedingt durch den doch verschlossenen Charakter Andys, der hinsichtlich seiner Emotionen und Gedanken selten eindeutig wirkt und durch die Narration und die Art von „Red“, die uns immer dann hilft, wenn es darum geht, per talking Head weitere Informationen zu den Bildern hinzuzufügen. Man wollte alles vermeiden, was den Film kryptisch wirken lassen könnte, um sich auf die Figuren zu konzentrieren, die alle recht gut zu entschlüsseln sind und von denen sich einzig Andy abheben und dadurch zwar nicht zur Identifikationfigur, aber zu einer faszinierenden, möglicherweise vielschichtigen Persönlichkeit entwickelt.
Finale
Ein Gefängnisfilm als Gefühlskino ist mal etwas anderes und insofern ist „Die Verurteilten“ durchaus sehr besonders und stellt sich außerhalb der Masse von Werken, die sich mit dem Alltag hinter Gittern befassen. Wenn man genau hinschaut, haben aber alle großen Gefängnisfilme wie „Der Gefangene von Alcatraz“ oder „Papillon“ genau diese starken Bindungen zwischen Leidensgenossen in manchmal unmenschlicher Umgebung aufzuweisen, die allein das Überleben in jener Umgebung sichern können. Auch die Vision von einem Leben in Freiheit, wie es aussehen könnte, das Arrangement, die Entwicklung von besonderen Fähigkeiten oder Hobbies (Bibliothekar Brooks und sein Rabe, den er großzieht, sind eine mehrfache Anspielung auf Symbole von Leben und Tod und auf andere Filme).
Vieles in „Die Verurteilten“ kann man weiter ins Detail hinein interpretieren, aber man kann ihn auch wirken lassen und vielleicht dem Schicksal entgegenlächeln – solange man gesund ist. Denn dass jemand krank wird, kommt aus guten Gründen in diesem Film nicht vor. Es würde die Balance zwischen Verurteilung und Erlösung stören. Wer im Gefängnis, unschuldig verurteilt, an einer banalen Krankheit stirbt, kann nicht in der Form erlöst werden, die dadurch zuteil wird, dass man die Hoffnung nie aufgegeben hat.
Daher sind alle Häftling von erstaunlicher Robustheit und altern, wenn überhaupt, auch nur sehr mäßig. Die Jahre vergehen, aber die Menschen bleiben im Wesentlichen die, die sie sind. Und man empfindet die Abwesenheit von Wandlungen auch nicht als Mangel, denn irgendetwas ändert sich ja doch. Strukturiert wird der Film sinnvollerweise durch das alle zehn Jahre stattfindende Erscheinen von Red vor der Bewährungskommission – die ihm am Ende die Freiheit gibt, als er nicht mehr versucht, sie mit wohlfeilen Worten zu erlangen, sondern zeigt, wer er wirklich ist. Die Wirkung des dreimal aufscheinenden Motivs, des im dritten Anlauf erfolgreichen Versuchs ist offenbar in uns angelegt und rührt an etwas, woran wir wohl alle glauben und was wir als das richtige Maß zwischen zu wenig Einsatz und sinnloses Gegen-die-Wand-rennen empfinden: Das Maß an Hartnäckigkeit, von dem wir alle gelernt haben, dass es meist zum Erfolg führt.
An die herausgehobene Stellung des Films in der IMDb können wir nicht ganz anschließen, aber wir sind sehr positiv gestimmt.
85/100
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes 2024, zehn Jahre nach der Erstellung des Entwurfs: Mittlerweile kennen wir einige weitere klassische Gefängnisfilme wie „Brute Force“ und neuere wie „The Green Mile“, bei dem ebenfalls Frank Darabont Regie geführt hat und der nach einem Buch von Stephen King entstanden ist, den Klassiker „Der Gefangene von Alcatraz“ und es gibt noch mehr solcher Filme, die wir sicherlich mit Interesse anschauen werden, weil sie aufgrund des Settings zwar sehr ähnlich sind, aber gerade durch die Abweichungen auch viel über den Zeitgeist verraten, den sie spiegeln. Da die Inhaftierten meist die Protagonisten und Identifikationsträger sind, sind diese Filme in der Regel progressiv in ihrer Aussage. Was man auch sieht: Alles baut aufeinander auf. Vieles, was wir jetzt in der obigen Rezension noch einmal nachgelesen haben, erinnert uns an Filme, die wir erst später gesehen haben und die älter sind als „Die Verurteilten.
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Frank Darabont |
|---|---|
| Drehbuch | Frank Darabont |
| Produktion | Niki Marvin |
| Musik | Thomas Newman |
| Kamera | Roger Deakins |
| Schnitt | Richard Francis-Bruce |
| Besetzung | |
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