Die üblichen Verdächtigen (The Usual Suspects, USA 1995) #Filmfest 1117 #Top250

Filmfest 1117 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (192)

 Die üblichen Verdächtigen (Originaltitel: The Usual Suspects) ist ein Spielfilm des Regisseurs Bryan Singer aus dem Jahr 1995. Er ist neben The Sixth Sense eines der bekanntesten Beispiele für die Anwendung des unzuverlässigen Erzählens als Stilmittel in einem Film.

Gegenwärtig steht „Die üblichen Verdächtigen“ auf Rang 37 der besten Filme aller Zeiten und Länder gemäß IMDb. Und ich werde nie wieder den Namen „Keyser Söze“ vergessen. Klar, dass schon drei Jahre nach dem Film in Berlin eine Lokalität dieses Namens eröffnete, denn Soße ist einfach zu verführerisch, um sie in dieser Stadt nicht auf diese Weise zu verwursten … hm, darüberzugießen. Im Grunde hätte Kevin Spacey einen Hautrollen-Oscar für diesen Film bekommen müssen, denn, wer, wenn nicht er, hat die Hauptrolle inne und – nun ja, erfahren Sie mehr oder nicht in der -> Rezension.

Handlung (1)

Der größte Teil der Handlung wird von dem körperbehinderten Kleinkriminellen Verbal Kint in einem Polizeibüro bei einem Verhör erzählt und in Rückblenden gezeigt. Kint wurde festgenommen, weil er einer der beiden Überlebenden einer Schiffsexplosion mit 27 Toten im Hafen von San Pedro (Los Angeles) ist. Er war Mitglied einer Bande, mit der er einige gut organisierte Überfälle durchführte. Zwar hat Kint bereits ausgesagt, wofür ihm vollständige Straffreiheit zugesichert wurde, dem Zollinspektor David Kujan gelingt es dennoch, ein inoffizielles Verhör im Büro eines Kollegen zu arrangieren.

Die von Kint erzählte Geschichte beginnt sechs Wochen zuvor in New York, wo Kint mit den Kriminellen Dean Keaton, McManus, Fenster und Hockney wegen des Verdachts, einen Lastwagen überfallen zu haben, festgenommen und gemeinsam in eine Zelle gesperrt wird. McManus und Fenster kennen sich schon seit fünf Jahren; Keaton möchte eigentlich aus dem Gangsterleben aussteigen und mit den anderen zunächst nichts zu tun haben. Die Strafverteidigerin Edie Finneran, die Geliebte von Keaton, verhilft den Kriminellen zu einer vorzeitigen Freilassung. Kurz darauf starten die Fünf gemeinsam diverse Coups: unter anderem einen Anschlag auf einen geheimen „Taxi-Service“, den korrupte Beamte der Polizei von New York betreiben, und einen Überfall auf einen Smaragdhändler. In Los Angeles verkaufen sie die Ware an einen Kontaktmann namens Redfoot. Ein weiterer Überfall auf einen Juwelenhändler endet damit, dass Kint das Opfer erschießen muss, weil Keaton zu lange zögert. Als sie statt Schmuck nur Kokain vorfinden, schiebt Redfoot die Verantwortung auf einen Zwischenmann namens Kobayashi, der sich aber ohnehin mit ihnen treffen wolle.

Während Kints Aussage wird der Ungar Kovács, der die Schiffsexplosion mit schweren Verbrennungen überlebt hat, im Krankenhaus vom FBIAgenten Baer aufgesucht. Mit Hilfe eines Dolmetschers verrät er den Namen eines legendären Gangsterbosses, Keyser Söze, der stets im Hintergrund die Strippen ziehe, aber noch nie gesehen worden sei. Mithilfe von Kovács Aussagen soll ein Phantombild von Söze angefertigt werden. Kujan erfährt von den Aussagen und bringt im Verhör mit Kint den Namen Keyser Söze ins Spiel. Kint erzählt daraufhin eine Geschichte über Sözes kriminelle Anfänge in der Türkei, als dieser zunächst seine eigene, von ungarischen Kriminellen gefangene Familie tötete, dann die Ungarn, bis auf einen, den er als Zeugen des Geschehenen laufen lässt, um dann im Drogenkrieg gegen die ungarische Mafia mit seinen Feinden abzurechnen. Er ermordete zuerst systematisch deren Familien, dann all ihre Geschäftspartner und letztlich sie selbst. (…)

Rezension

Wir wollten die Handlungsbeschreibung nicht bis zum Schluss abbilden, weil die Wiki-Handlungsbeschreibungen natürlich auch komplette Spoiler sind und in diesem Fall das Ende wohl zum Ruhm des Films geführt hat. Neben Keyser Söze natürlich. Mit dieser Figur und mit Kevin Spacey verbindet sich auch das eingangs angedeutete Element des unzuverlässigen Erzählens. Allerdings kann man das, was den Clou von „Die üblichen Verdächtigen“ ausmacht, auch aus der Besetzungsliste erahnen, also, was soll’s eigentlich? Die Frage ist vor allem, ob dieses Ende glaubhaft wirkt. Dass man darüber staunt, steht nicht in Frage, sondern, ob man der Figur, die sich als Keyer Söze herausstellt, tatsächlich zutraut, ein dermaßen gewiefter und mächtiger Gangsterboss zu sein, der sich aller Mitstreiter entledigt.

„Aufwändig in mehreren Rückblenden strukturierter Kriminalfilm, der an Hand der Vernehmung eines Beteiligten die Hintergründe einer blutigen Schießerei mit 27 Toten beschreibt. Mit zahlreichen Anspielungen auf die Filmgeschichte inszeniert, baut er ganz auf stilistische Pointierung und ein überraschendes Ende, in dem das Filmbild als Lüge entlarvt wird. Über der Grundidee gehen die stimmige Gestaltung der Figuren und die Überzeugungskraft der Handlung zumindest phasenweise verloren.“ – Lexikon des Internationalen Films[4]

Deswegen können wir diese Meinung trotz des herausragenden Standings von „Die üblichen Verdächtigen“ verstehen. Man hat sich vor mehr als 25 Jahren auch noch mehr Gedanken darüber gemacht als heute, ob eine Figur „dafür steht“. Dabei ist man mit „Die üblichen Verdächtigen“ bis an die damalige Grenze gegangen und hat sie erweitert. Das wäre nicht passiert, wenn dem Film kein Erfolg beschieden gewesen wäre. Aber Keyser Söze ist ebenso Kult geworden wie die Filme von Quentin Tarantino, an denen sich Regisseur Bryan Singer hier bereits orientiert. Auch die aufwendige Erzählstruktur erinnert an den im Jahr zuvor entstandenen „Pulp Fiction“, wiewohl sie dort nicht der Idee gewidmet ist, eine Figur mit ihrem wirklichen Hintergrund kunstvoll zu verstecken.

„Mitunter droht der Film in all seiner Stilisierung durch Kamera, Schnitt, Musik und Erzählstruktur förmlich zu erstarren. Was den bewussten und effektvollen Einsatz der Mittel angeht, muss Bryan Singer bereits heute kaum einen Vergleich scheuen. Doch seinen Filmen – über die Vitalität ihrer Figuren – wirkliches ‚Leben‘ einzuhauchen, daran sollte er weiterfeilen.“ – Filmdienst 1/1996

Zumindest, was „Kint“ alias „Keyser“ angeht, hätte mehr Vitalität allerdings auch dafür gesorgt, dass man als Zuschauer früher auf die richtige Idee gekommen wäre. Wie war es bei mir? Ich glaube, kurz vor der Wendung hatte ich eine Ahnung, aber nicht sehr viel früher, die Idee hatte ich nicht von Beginn an durchschaut, wie es manchen Menschen ja eigentlich immer möglich ist. Das liegt eben auch daran, dass die Erzählung es beinahe unmöglich macht und dafür müssen bei der Logik Kompromisse eingegangen werden, keine Frage. Oder man hätte mehr an dem Ganze feilen müssen. Es wird behauptet, dass das Drehbuch eine Art Idee auf de Sundance-Festival für unabhängige Filmemacher gewesen sein soll und der Film in nur 35 Tagen gefilmt wurde. Letzteres ist auf jeden Fall eine  Topleistung für einen Ensemble-Kinofilm wie diesen.

„Highlight ist hier eindeutig die spektakuläre Schlusswendung. Was Drehbuchautor Christopher McQuarrie, mit dem Singer übrigens schon bei ‚Lion Den’s‘ zusammenarbeitete, hier auf die Zuschauer loslässt, ist so überraschend, dass sich in weiten Teilen des damaligen Kinopublikums schiere Sprachlosigkeit einstellte und sich die Fachpresse förmlich überschlug. Völlig zu Recht erhielt McQuarrie den Oscar für das beste Drehbuch. Die Schlusssequenz, in der Chazz Palminteri klar wird, was gespielt wird, gehört unbestritten zu den besten und intelligentesten Momenten des Kinos, die Hollywood je zustande brachte.“ – filmstarts.de

Finale

Was mich beim Nachschauen überrascht hat: Dass der Film nur 106 Minuten Spieldauer hat. Mir kam er um einiges fülliger vor, ich will aber nicht zu sehr ins Detail gehen, weil dieses Mal einige Wochen zwischen dem Anschauen und der Rezension liegen. Das kommt bei mir vor allem dann vor, wenn mir nicht sofort eine griffige Herangehensweise zu einem Kinostück einfällt. Daran kann man nicht unbedingt festmachen, dass er mir nicht gefallen hat, dies zu beschreiben, wäre recht einfach und auch die Gründe dafür zu benennen, aber hier ist es ambivalent. Für denen der 50 besten Filme aller Zeiten halte ich „Die üblichen Verdächtigen“ sicher nicht, weil eben doch viel Akrobatik notwendig ist, um alle Fäden in der Hand zu behalten. Vielleicht schaue ich ihn mir noch einmal an. Weit unterhalb der oben erwähnten Durchschnittswertungen liege ich nicht, aber bei uns bedeutet die im Folgenden zu lesende Punktzahl eine gute, nicht eine absolute Top-Platzierung.

81/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)

(1), zitiert, kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Bryan Singer
Drehbuch Christopher McQuarrie
Produktion Michael McDonnell,
Bryan Singer
Musik John Ottman
Kamera Newton Thomas Sigel
Schnitt John Ottman
Besetzung

 

 

Regie

Bryan Singer

Drehbuch

Christopher McQuarrie

Produktion

Michael McDonnell,
Bryan Singer

Musik

John Ottman

Kamera

Newton Thomas Sigel

Schnitt

John Ottman

Besetzung

·         Kevin Spacey: Roger „Verbal“ Kint / Keyser Söze

·         Kevin Pollak: Todd Hockney

·         Benicio del Toro: Fred Fenster

·         Stephen Baldwin: Michael McManus

·         Chazz Palminteri: David Kujan

·         Gabriel Byrne: Dean Keaton

·         Pete Postlethwaite: Kobayashi

·         Giancarlo Esposito: Jack Baer, FBI

·         Suzy Amis: Edie Finneran

·         Dan Hedaya: Sgt. Jeffrey „Jeff“ Rabin

·         Michelle Clunie: Sketch-Künstlerin

·         Peter Greene: Redfoot the Fence

·         Christopher McQuarrie: Polizist bei Verhör

 

 


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