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Jerry Maguire – Spiel des Lebens ist eine romantische Komödie von Regisseur Cameron Crowe, gedreht im Jahr 1996 in den Vereinigten Staaten.
Unser Star in diesem Film ist Renée Zellweger, die ihm eine wirklich anrührende Menschlichkeit verleiht und mit ihm einem breiteren Publikum bekannt wurde. Zwei Jahre zuvor konnte sie mit ihrem sehr jung wirkenden Gesicht noch einen Teenager im Texas-Kettensägenmassaker („Die nächste Generation“) spielen, aber vom Trash zum Olymp ist der Weg in Hollywood manchmal kurz. Mittlerweile hat Zellweger einen Oscar für ihre Rolle als Bridget Jones gewonnen. Die Wärme und Natürlichkeit, die vielen kleinen Gesten und Gesichtsausdrücke, charakterlich gesehen die Loyalität und zärtliche Freundlichkeit ihrer Figur sind für den Film enorm wichtig. Sie macht es glaubhaft, in einer zynischen Welt, wie Jerry Maguire konstatiert, dass eine Frau einem Mann einfach deshalb folgt, weil er ein hübsches Mission-Statement geschrieben hat, das sich ohne Weiteres als Luftnummer herausstellen könnte. Mehr dazu und zum Film im Ganzen steht in der Rezension.
Handlung (1)
Jerry Maguire arbeitet als extrem erfolgreicher Sportmanager für ein großes Unternehmen. Nach einer Tirade gegen die Unehrlichkeit und mangelnde Menschlichkeit des Unternehmens, die er in sämtliche Postfächer der Angestellten verteilen lässt, wird er entlassen. Daraufhin eröffnet er mit einer Buchhalterin, die ihm wegen seines Mission Statements aus dem alten Unternehmen folgt, eine eigene Agentur. Neben dem jungen Football-Megatalent Frank Cushman kann er mit Rod Tidwell noch einen seiner früheren Kunden übernehmen. Dieser ist jedoch sportlich nicht gerade erfolgreich und zudem von einer kaputten Schulter gezeichnet. Er erwartet von Jerry einen neuen Millionenvertrag. Bei einem gemeinsamen Marketingauftritt seiner beiden letzten Kunden kümmert sich Jerry fast nur um den jungen Frank und lenkt die Medienaufmerksamkeit auf ihn, wodurch sich Rod im Stich gelassen fühlt. Doch als Jerry Frank an einen ehemaligen Kollegen verliert, ist er auf Rod angewiesen. Unter diesen Voraussetzungen und der einseitigen Abhängigkeit entwickelt sich im Laufe des Films ein fast freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden.
Maguire heiratet seine Buchhalterin Dorothy Boyd. Er ist sich aber nicht sicher, ob er sie wirklich liebt oder sie nur wegen ihres jungen Sohns geheiratet hat, mit dem sich Maguire sehr gut versteht. Das Paar trennt sich.
Jerry bemüht sich nun um Rod und schenkt ihm seine volle Aufmerksamkeit. Der sportliche Erfolg bleibt jedoch weiter aus, worauf sie sich gegenseitig Vorwürfe machen und in ihrem Handeln kritisieren. Bei einem Spiel wird Rod mal wieder eingesetzt und schafft prompt einen sensationellen Touchdown. Er bleibt jedoch nach einem Tackle mit anschließendem Überschlag regungslos am Boden liegen. Von den Kameras erfasst, läuft Jerry besorgt zu ihm. Nach einem kurzen Moment öffnet Rod die Augen, steht auf und lässt einen Freudentanz folgen, wobei das ganze Stadion, samt Rods Familie am Fernseher, in Jubel ausbricht. Jerrys besorgtes Verhalten auf dem Spielfeld bleibt nicht ohne Wirkung, denn ein ehemaliger Klient Jerrys stellt die Frage, warum er nicht auch eine solche Behandlung seitens seines Agenten genießt und gedenkt wieder zu Jerry zu gehen. Rod erhält einen neuen Vertrag.
Jerry Maguire geht zurück zum Haus, in dem Dorothy lebt. Sie hat gerade ein paar Freundinnen zu Besuch, vor denen er seine Liebe gesteht und sie um einen Neubeginn bittet. Sie antwortet, dass er sie bereits beim „Hallo“ überzeugt hatte.
Rezension
Vielleich wäre alles in Ordnung gewesen, wenn Maguire seine Klienten hätte ins neue, eigene Business mitnehmen können. Dass er überhaupt noch am alten Arbeitsplatz telefonieren durfte, um sie bei der Stange zu halten, sprich, seinem bisherigen Arbeitgeber abzuwerben, beweist übrigens, dass es zynischere Welten gibt – in manchen Vertriebsbranchen ist es üblich, dass Mitarbeiter erstens genauso urplötzlich über ihren Rausschmiss informiert werden wie Jerry im Restaurant von seinem gierigen Schüler, aber sie müssen sofort ihren Platz räumen, damit sie keine Kunden mehr kontaktieren können. Ob das bei jemandem, der dazu neigt, unehrlich zu sein, funktioniert, wagen wir zu bezweifeln, eine solche Person wird sich schon vorher die wichtigsten Daten sichern.
Darüber, was ein Sportagent macht, erfahren wir einiges, und es scheint sich nicht wesentlich von dem zu unterscheiden, was irgendein Verkäufer macht – nur, dass Menschen anstatt Autos oder Häuser an zahlungskräftige Kunden vermittelt werden. Wir kennen das aus dem Fußball-Business, wobei der Fußballmanager eher eine langfristige Begleitperson für die Regelung vieler Lebensfragen ist, damit sich der Gemanagte auf den Sport konzentrieren kann.
Da ein Sportagent sowohl Spielerverträge als auch Werbeverträge vermittelt, ist das sicher ein interessanter und vielseitiger Job, aber letztlich läuft es immer auf das Gleiche hinaus: Mehr ist mehr und muss immer weiter gesteigert werden. Gewiefte Agenten sind gewiss dafür mitverantwortlich, dass die Gehälter und Ablösesummen für Spitzensportler, besonders in den USA, aber auch im europäischen Fußball, Summen erreicht haben, die immer mehr ins Utopische abgleiten – doch solange der Markt diese Summen trägt, werden ethische Gesichtspunkte, wie Jerry Maguire sie ins Feld führt, nachrangig bleiben. Ethik tritt typischerweise dann in den Vordergrund, wenn es eh nicht mehr so gut läuft. Einer der Gründe, warum man Verträge immer schriftlich schließen muss – und einer der am wenigsten realistischsten Bestandteile des Films ist, dass dies hier in einem Fall nicht geschieht und offenbar schon längerfristig so gehandhabt wurde.
Deswegen ist Jerry Maguire eine Ausnahmeerscheinung. Er macht sich Gedanken über ein „Weniger ist mehr“ auf dem Gipfel seines Erfolges, und wenn wir Renée Zellweger herausgehoben haben, versteht es sich, dass wir auch Tom Cruise seinen Anteil am Funktionieren des Films zukommen lassen sollten. Er spielt seine Titelrolle mit viel Energie, sein Jerry zeigt durchaus Ecken und Kanten und hat Schwierigkeiten, die Ehe mit der süßen, aber vielleicht für seine bisherigen, bei der Partnerwahl wirksamen Verhältnisse etwas zu wenig auf Duell und Außenwirkung gebürsteten Dorothy lebendig zu erhalten. Wo normalerweise ein Happy End kommt, vollzieht der Film noch einmal eine Wendung und die ist durchaus glaubhaft. Jerry ist kein Heiliger, sondern ein Typ, der aus der Not in mehrfacher Weise eine Tugend macht und dabei an Haltung gewinnt.
Ein weiteres Plus des Films ist das funktionierende Verhältnis zu seinem letzten Kunden Rod Tidwell, auch die Chemie zwischen Cruise und Cuba Gooding Jr., dem afroamerikanischen Footballspieler, der alles andere als einfach zu managen ist. Für seine Rolle als problematischer Footballer erhielt Cuba Gooding Jr. den „Supporting Role“-Oscar, den wir im Deutschen gerne mit „Nebenrollen-Oscar“ übersetzen, aber eine unterstützende Rolle hat oft Hauptrollen-Charakter. In der Tat unterstützt Rod Tidwell als lebender, muskelbepackter Prüfstein für Jerrys neue Welt der fairen, intensiven Sportlerbetreuung den Film so, dass ein emotionales Dreiecksverhältnis entsteht, mit dem fast alle etwas anfangen können, auch wenn sie vom American Football so wenig Ahnung haben wie wir und nur wissen, dass ein Touchdown ziemlich wichtig ist, aber die Spieltaktik wird klugerweise nur an einer Stelle erläutert, als Gegenstand eines Live-Berichtes von einem NBA-Playoff-Spiel.
Finale
„Jerry Maguire“ war auch für den Oscar als bester Film des Jahres nominiert, verlor aber gegen „Der englische Patient“, was angesichts der Wucht dieses Großprojekts im David Lean-Stil nicht verwunderlich ist und wäre wohl auch gegen „Fargo“ nicht durchgekommen, der ebenfalls im Rennen war. Trotzdem ist dies eine der gelungensten US-Komödien, die wir im Jahr 2015 angeschaut haben.
Die Schauspieler passen, die Botschaft passt und die Stimmung ebenfalls: Der Ur-Optimismus, den Jerry Maguire ausstrahlt, auch als alles schiefläuft, ist nicht einfach nur amerikanisch, sondern auch eine typische Grundatmosphäre auf dem Höhepunkt der Clinton-Ära, in der es aussah, als ob die New Economy alle Pionierträume noch einmal wahr machen würde. Als damals Bill Clinton mit einer großen symbolischen „Null“ öffentlichkeitswirksam das Ende des Haushaltsdefizits verkündete, wirkt dies, auf US-Verhältnisse bezogen, nicht nur wie eine andere Welt, es macht auch einen komplett anderen Eindruck, als wenn Finanzminister Schäuble ein ähnliches Ergebnis heute in Deutschland zustande bringt.
Eine sympathischere Epoche hat einen reizenden Film hervorgebracht und es versteht sich von selbst, dass es während des Anschauens nicht eine Minute gab, in der wir daran gezweifelt haben, dass das Business-Downsizing letztlich funktioniert und allen ein Mehr an Spaß und Authentizität bringen wird – dass die persönlichen Verhältnisse nicht zu seicht und zu einfach dargestellt werden, ist eine zusätzliche Qualität von „Jerry Maguire“.
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2024: Wenn wir heute die Spätfolgen der schäubleschen Schwarzen Null sehen und wie weit die USA sich von der ökonomischen Entwicklung hierzulande abgesetzt haben und wie weit wir von den Verhältnissen der 1990er und auch denen des Jahres 2015 schon entfernt sind, stimmt das sehr nachdenklich und vermutlich würden wir nach einer Neusichtung mehr über etwas referieren, was Hollywood von Anfang an begleitet hat: eine gewisse Verlogenheit, gerade, wenn jemand aus ethischen Gründen freiwillig auf etwas verzichtet. Man kann es natürlich auch als Wunsch definieren, als Aufforderung, als Leitmotiv für ein Leben, das besser sein könnte als die Wirklichkeit.
Man sollte den Film auch dem Genre „RomCom“ (Romantische Komödie) zurechnen, das in den 1990ern in den USA eine große Popularität erreichte.
80/100
© 2024 der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Cameron Crowe |
|---|---|
| Drehbuch | Cameron Crowe |
| Produktion |
|
| Musik | Nancy Wilson |
| Kamera | Janusz Kamiński |
| Schnitt | Joe Hutshing |
| Jerry Maguire | Tom Cruise | Frank Schaff |
| Rodney Tidwell, gen. Rod | Cuba Gooding junior | Dietmar Wunder |
| Dorothy Boyd | Renée Zellweger | Ulrike Stürzbecher |
| Ray Boyd, Sohn von Dorothy | Jonathan Lipnicki | Yvonne Greitzke |
| Laurel Boyd, Schwester von Dorothy | Bonnie Hunt | Heike Schroetter |
| Marcee Tidwell, Frau von Rod | Regina King | Maud Ackermann |
| Bob Sugar, Sportmanager, Kontrahent von Jerry | Jay Mohr | Peter Flechtner |
| Avery Bishop, Freundin von Jerry | Kelly Preston | Bettina Weiß |
| Frank Cushman, gen. Cush, Footballspieler | Jerry O’Connell | Matthias Hinze |
| Matt Cushman, Vater von Frank | Beau Bridges | Norbert Gescher |
| Ethan Valhere, High-School-Bekannter | Eric Stoltz | Andreas Fröhlich |
| Chad, Au-pair bei den Boyds | Todd Louiso | Stefan Krause |
| Dicky Fox, Mentor von Jerry | Jared Jussim | Werner Ehrlicher |
| Dennis Wilburn, General Manager der Arizona Cardinals | Glenn Frey | Frank-Otto Schenk |
| Katarina Witt (Cameoauftritt) | sie selbst | Ulrike Möckel |
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