Sport: Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland (3. Artikel, Update 2)
Liebe Leser:innen, morgen geht die Fußball-Europameisterschaft 2024 zu Ende. Nach dem Finale England gegen Spanien. Auch unser dritter Artikel wird von einer Vergleichsgrafik eingeleitet werden, es ist natürlich wieder die Länderspielbilanz der beiden Fußballnationen.
Hier zu den beiden vorausgehenden Artikeln, sie sind aber auch unten angehängt.
Infografik: Spanien gegen England: Die EM-Finalisten im Vergleich | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Spanien und England stehen sich beim Finale der UEFA-Europameisterschaft 2024 gegenüber. Während die Spanier bisher jedes Spiel im Turnier gewinnen konnten, endeten drei von sechs Spielen der Engländer im Unentschieden – im Viertelfinale gegen die Schweiz entschied sogar das Elfmeterschießen. Offensiv ist Spanien laut Turnierstatistik klar besser, denn mit 13 Toren haben sie fast doppelt so viele erzielt wie England. Die “Three Lions” haben allerdings mehr Zweikämpfe gewonnen und spielen eher defensiv.
Der Blick auf die bisherige Bilanz der beiden Kontrahenten zeigt, dass es ein Duell auf Augenhöhe ist. In bisher 14 Begegnungen konnten beide Teams jeweils sechsmal gewinnen, Spanien schoss dabei aber drei Tore mehr.
Bei Europameisterschaften deren Qualifikationsspielen waren die Spanier jedoch stets erfolglos, wie die Statista-Grafik zeigt. Das letzte EM-Duell der beiden Nationen war das Viertelfinale der Europameisterschaft 1996 in England und endete mit einem 4:2 für die Heimmannschaft im Elfmeterschießen.
Auch im Halbfinale gegen Deutschland mussten die Briten wieder ins Elfmeterschießen. Doch ein Spieler der Engländer konnte den entscheidenden Schuss nicht verwandeln – Englands heutiger Trainer Gareth Southgate. Es wäre schon “eine Geschichte, wie sie nur der Fußball schreibt”, sollte ausgerechnet Southgate, ausgerechnet in Deutschland mit seinem Team Europameister werden.
Was wir besonders bemerkenswert finden: Bei bisher EM-Begegnungen hat England immer gewonnen, während sich auf WM-Ebene bei einem englischen Sieg und einem Unentschieden nicht wirklich eine statistische Reihe aufmachen lässt. Schafft Spanien es morgen doch nicht, entgegen den Erwartungen der meisten Menschen und der meisten Fachleute? Weil die Statistik dagegen spricht und die Engländer in letzter Zeit ganz neue Qualitäten entwickeln, wie Elfmeter verwandeln und in abgezockt in letzter Minute gewinnen?
Spanien ist gegen England mehr favorisiert, als es gegen Deutschland war, damals waren die Wettquoten fast augeglichen und der Spielverlauf spiegelte diese Ausgeglichenheit auch. Gegen England ist die Favoritenrolle deutlicher, daran ändert auch die negative Europameisterschaften-Bilanz der Furia Roja gegen die Three Lions nichts.
EM-Finale Spanien gegen England: die Quoten und Präzedenzfälle (msn.com)
Interessant ist, dass England den am höchsten bewerteten Kader des Turnierst hat, das dürfte aber auch damit zusammenhängen, dass in der englischen Premier League mit Abstand am meisten Geld von allen europäischen Ligen kursiert und sich dort die Marktwerte am leichtesten nach oben entwickeln. Der spanische Kader ist auch von dem „Wunderkind“ Yamal abgesehen nicht unbedingt spektakulär, sondern besticht, wie schon zur Glanzzeit des Teams mit seiner Ausgeglichenheit, seiner mannschaftlichen Geschlossenheit und seiner taktischen Disziplin. In all diesen Punkten, das man gut sehen können, sind die Spanier auch Deutschland überlegen, während sie von Yamal abgesehen nicht so viel herausragende Talente haben – oder zu haben scheinen, muss man vorsichtigerweise schreiben. Bei den Marktwerten wird sich nach der EM sicher einiges verschieben, unter anderem zugunsten der Spanier und möglicherweise zu Lasten Frankreichs, das nach England den zweitteuersten Kader hatte. Das Problem bei den Les Bleus war nicht, dass sie eine Stufe vor den Engländern und Spaniern ausgeschieden sind, sondern ihre durchweg nicht überzeugende Spielweise.
Wir hatten schon mit uns selbst gewettet, ob sie es schaffen werden, ohne ein einziges Feldtor zu erzielen, Europameister zu werden. Das wäre ein spektakluärer Fail des Fußballs gewesen – aber möglich, indem sie zum Beispiel durch einen Elfmeter während der regulären Spielzeit oder durch ein Elfmeterschießen auch gegen Spanien und England gewonnen hätten. Diese Mannschaften sind auf eine Weise selbst dann beeindruckend, wenn sie nicht gut spielen, wie man an der „Équipe Tricolore“ sieht, um den anderen Symbolnamen nicht zu vergessen.
Den nachfolgenden Text haben wir bereits gestern verfasst, da hatten wir die obige Grafik noch nicht per Newsletter erhalten. Wir wollten daraus dann eine Nachbetrachtung machen, hängen den Text jetzt aber an. Zugegeben, es wird viel darin gemeckert und von Klischees und Aversionen ist er keineswegs frei. Aber diese EM hat uns genervt wie noch kein Fußballturniert zuvor. Natürlich auch, weil sie in Deutschland stattfand. Wäre sie wieder in irgendeinem arabischen Land gewesen, in dem die Menschenrechte besonders gepflegt werden, hätten wir ja nicht so hautnah mitbekommen, was abgeht, wie in Berlin.
Unsere Eindrücke und unser resultierendes Herangehen unterscheiden sich ganz grundlegend davon, wie wir einmal angefangen hatten – jenseits der Zeitbudgetfrage.
Es kommt uns selbst vor wie eine Erzählung aus einer anderen Welt, dass wir für den ersten Wahlberliner im Jahr 2011 noch Liveticker von jedem Spiel der Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland geschrieben haben. Damals flog das deutsche Team einigermaßen überraschend im Viertelfinale raus. Bei den Männern war es nun keine Überraschung, dass sie gegen Spanien verloren haben. Im Gegenteil, ein Sieg wäre sehr bemerkenswert gewesen – und doch, er war greifbar nah.
Vorbei. Erwartungsgemäß hat Spanien auch Frankreich besiegt und steht erwartungsgemäß damit im Finale gegen England. Viel wird derzeit darüber berichtet, wer nun wem die Daumen drückt. Früher wäre uns das ziemlich schwergefallen, zwischen diesen beiden Ländern eine Entscheidung zu treffen, jetzt ist das nicht mehr so. Wir hoffen, Spanien holt den Titel, auch wenn sie damit Rekord-Europameister werden (4 Titel) und Deutschland davonziehen. Ehre, wem Ehre gebührt, und Spanien hatte das einzige Team, das fast während der gesamten EM zu überzeugen wusste.
Alle anderen boten zumindest zeitweise einen Fußball zum Abgewöhnen. England zum Beispiel. Und dann haben sie die Niederländer doch eiskalt erwischt. Zuvor hatten sie schon in einem Elfmeterschießen Erfolg, was geradezu eine historische Sensation darstellt. Dieses Team wirkt auf eine Weise abgezockt wie keine englische Mannschaft zuvor, die zu unseren Lebzeiten unterwegs war – um mal wieder keinen Titel zu holen. Dummerweise hat das Abgezockte nun auch die Eigenschaft, sich mit unserem Gefühl dem Land gegenüber seit dem Brexit zu vermischen.
Bis jetzt ist nicht klar, ob der Brexit ein Erfolg wird, England hat nach Deutschland die schlechtesten aktuellen Wirtschaftszahlen in Europa. Aber die Idee war, sich abgezockt und nicht solidarisch zu verhalten und nur auf den eigenen Vorteil zu schauen. Man muss nicht so altruistisch sein, wie die deutsche Bundesregierung es der Bevölkerung zwangsweise auferlegt, aber wir fänden es toll, wenn mal eine Nation in der gesunden Mitte operieren würde. Gibt es ja auch.
Die Spanier zum Beispiel, überhaupt die Iberer. Sie werden nicht nur sehr alt, sie beeindrucken uns auch seit vielen Jahren mit ihrem Pragmatismus und ihrer Fähigkeit, die Dinge vernünftig abzuwägen und sich dabei einen gewissen Spaß am Leben zu erhalten. Die Bankenkrise, Corona, die Energiekrise, nichts bringt diese Leute wirklich aus der Ruhe. So scheint es jedenfalls. Außerdem, und das ist bei einer EM ja nicht unwichtig: Die Fans aus Spanien und Portugal fallen nicht so negativ auf wie die vieler andere Länder und sind damit geradezu eine Ausnahme.
Klar hat man sich in Spanien über das deutsche Drama um den nicht gegebenen Elfmeter wegen Cucurellas Handspiel (oder eben nicht Handspiel) lustig gemacht und die Deutschen als schlechte Verlierer dargestellt. Aber da ist ja auch etwas dran. Man hätte eben noch ein Tor schießen müssen, eines ist in 120 Minuten einfach zu wenig, auch gegen Spanien. Dann wäre es zum Elfmeterschießen gekommen, und da gibt es keine Ausreden mehr.
Mittlerweile gab es noch eine höchst strittige Entscheidung, und zwar zugunsten Englands und gegen die Niederlande, und wieder war Deutschland beteiligt, nämlich in Person des Schiedsrichters. Dieses Mal gab es den Elfer und wieder war alles falsch. Das wird die Aversion der Niederländer gegen die Deutschen nicht gerade vermindern. Aber ehrlich geschrieben, uns ist das mittlerweile schnuppe. Irgendwann muss es mal gut sein, und wenn man die Historie nicht immer so verkürzt betrachtet, dann ist auch alles nicht so einseitig. Dann stellt sich vor allem heraus, dass der jeweils Stärkere dazu tendiert, den Kleineren und Schwächeren zu überfallen, auszuplündern und umzubringen. So sind Menschen. Erst durch die atomare Abschreckung, so schrecklich es klingen mag, hat sich das geändert, sie war ein Gamechanger, seitdem ist zumindest in Europa etwas mehr Ruhe. Nun ja, seit zwei Jahren nicht mehr, aber das ist eine andere Geschichte.
Der Fußballnationalismus ist nicht sehr überraschend. Wo sonst soll man sich noch so ausdrücken? Es geht ja nicht mehr durch Kriege, nicht in Europa jedenfalls. Aber ums Besiegen geht es immer noch, und der Verdacht kommt auf, dass die EU noch großen Belastungen ausgesetzt sein wird. Wenn dieser Nationalismus dazu führt, dass die Regierungen immer rechter werden, zum Beispiel. Und wenn er dazu führt, dass die Engländer die EU verlassen, zum Beispiel.
Das wäre uns früher nie passiert, dass wir in einem Fußballspiel den Niederländern gegen England oder sonst irgendwen (außer den Österreichern und vielleicht den Franzosen – nein, das war jetzt Spaß) die Daumen gedrückt hätten, aber dieses Mal war es so. Die Kränkung über den Brexit sitzt bei früheren England-Liebhabern wie uns sehr tief. Das ist wie eine Scheidung, beinahe jedenfalls. Und offenbar geht es vielen Menschen so, Medienberichten zufolge. Wir sehen viel kritischer hin und die Fankultur nicht mehr nur überwiegend als Folklore, sondern als Unkultur an.
Außerdem haben die Holländer die türkische Mannschaft aus dem Turnier verabschiedet. Wir hatten in einer privaten Gruppennachricht kürzlich geschrieben, seit der K.-o.-Runde sei nur ein Spiel bisher nach unserem Wunsch verlaufen. Es handelt sich um ebenjenes. Wir waren beim letzten Spiel der Türkei in der Gruppenphase sogar am Kudamm, um uns das Treiben anzusehen und haben ein Handy-Filmchen zur Erinnerung daran gemacht und fanden da schon einiges übertrieben, wie die aus Autos heraus abgefeuerten pryrotechnischen Elemente.
Aber seit dem Wolfsgruß hat sich die Lage ernsthaft verändert. Wir empfinden es ohnehin jedes Mal als Invasion, wenn Freund Erdogan anreist und seine Immer-noch-und-ewigen-Landsleute, obwohl sie schon seit gefühlt zehn Generationen in Deutschland leben, aufzuwiegeln. Hier laufen Dinge falsch, und das spürt man in solchen Momenten deutlich. Wir wollten einfach keine rechtsextremistischen Wolfsgrüße mehr sehen, sondern lieber den nationalistischen Käse in Orange, so weit ist es schon gekommen.
Anders ausgedrückt und die in Relation zu unseren Wünschen ziemlich verpatzten K.-o.-Runden eingerechnet, diese EM hat uns kaum Spaß gemacht. Wir sind sogar genervt davon, dass in jeder Butze von einem Restaurant ein Riesenbildschirm mit maximaler Lautstärke giftgrün mit verschiedenfarbigen Männlein darauf zeigte, die einem kleinen runden Ball nachjagen, als hinge der Bestand der Welt davon ab. Okay, auch den Fußballern dämmert, dass sie nicht ganz so wichtig sind, wie man es ihnen einredet, deswegen hat man auch viele sehr zurückhaltend ausgeführte Spiele gesehen. Die Leistungen waren dezenter als das Verhalten der Fans.
Sportlich kann man schon das Fazit ziehen: Es gab zwar einige aufregende Spiele, unter anderem das Viertelfinale mit deutscher Beteiligung, aber einen Sprung nach vorne hat der Fußball technisch bei dieser EM ganz sicher nicht gemacht. Es ist eine andere Zeit als damals beim Sommermärchen. Die deutsche Mannschaft hatte seinerzeit eine neue Spielweise entwickelt, die offensiv, flexibel und sogar einigermaßen ballsicher war, außerdem waren kurz darauf die Spanier mit ihrem „Tiki-Taka“ bestimmend im Weltfußball geworden, das war eine Innovation. Wir finden ja, diese Spielweise ist sehr anstrengend, dafür, dass sie nicht maximal spektakulär ist, aber irgendwo hat man anscheinend noch ein paar Körner gefunden, die bisher immer liegengelassen wurden. Irgendwie passt auch Ronaldos ewig währende Fitness in ein Bild, das zum Nachdenken anregt. Man darf Menschen generell nicht zu blind vertrauen, nicht einmal den Iberern.
Wir glauben ohnehin mehr an den Vereinsfußball. Von wem man Fan ist und wen man nicht leiden kann, das funktioniert zwar grundsätzlich nach demselben Mechanismus wie der Nationalismus, und wenn man bedenkt, dass die Steuerzahlergemeinschaft für die mittlerweile hochgradige Absicherung simpler Bundesligaspiele durch die Polizei bezahlen muss, ist der Vereinsfußball auch nicht mehr tragbar, gesellschaftlich gesehen. Aber er hat so etwas immer Begleitendes, eine durchgängige Tradition, die jeden Tag gelebt werden kann, während dieser Fußballnationalismus zumindest hierzulande so wirkt, als würde man ihn alle zwei Jahre, wenn eine EM oder WM ansteht, erst einmal aus der hintersten Ecke des Lagers holen und aufpumpen, bevor man damit loszieht und „Schlaaaand, Schlaaaand!“, ruft. Irgendwie wirkt das auf uns alles unecht, und – ja, das ist gut so. Denn dort, wo es echt wirkt, da ist es auch bedenklich.
Im Grunde läuft es darauf hinaus, wie man Nationalismus und Patriotismus definiert. Kann man auf sein Land stolz sein, ohne andere dadurch abzuwerten? Wir meinen, das ist schwierig. Denn es geht ja immer ums Vergleichen, also um etwas, das Psychologen aus gutem Grund den Menschen im Alltag etwas mehr abgewöhnen möchten, damit nicht auf andere herabgesehen wird, deren Hintergründe man gar nicht kennt oder kennt und sich auch noch daran delektiert, dass sie weniger chancenreich sind als die eigenen, aber auch, damit man sich nicht so selbst unter Druck setzt.
Es ist schon schwierig genug, auf eigene Leistungen stolz zu sein, ohne die Leistungen anderer abzuwerten, es gibt aber tatsächlich auch neutrale Versionen, nämlich, dass man einfach nur auf sich selbst schaut, was man gerade wieder besser gemacht hat, nicht darauf, ob andere es weniger gut oder noch besser gemacht haben. Sicher muss es objektive Leistungsvergleiche geben, sonst wäre fast alle Politik sinnlos. Denn es geht ja darum, das eigene Land in Relation zu anderen gut aussehen zu lassen. Wenn ein Politiker sich damit brüstet, dass er viele neue Jobs geschaffen hat, wie gerade US-Präsident Biden, sofern er die Zahlen noch richtig zusammenkriegt, dann heißt das auch immer, sie sind bei uns, nicht bei irgendwem anders entstanden. Wir haben die anderen ausgestochen, wir haben mehr Subventionen gezahlt. Wir können das, die anderen nicht.
So, wie spanische Fußballclubs gerne andere ausgestochen haben, weil sie wussten, wenn sie überziehen, springt der Staat ein. Nicht einmal die Iberer, Sie wissen schon. Nicht viel anders mit deren morgigen Gegnern, wo die Liga zu einem Investorencasino geworden ist, gegen das eine Mitgliedervereinsstruktur wie die deutsche keine echte Chance hat. Deswegen freuen wir uns auch, rein aus Gerechtigkeitsgründen, wenn deutsche Mannschaften, die einen vergleichsweise geringen „Marktwert“ haben, es damit weit schaffen. Es ist klar, dass der FC Bayern diese Art von Sympathie für den Underdog nicht für sich verbuchen kann, denn er ist in Deutschland eine Ausnahme und hat die Größenordnung wie die Spitzenvereine der EPL oder der La Liga. Und damit müsste er in Deutschland immer die Meisterschaft holen und das tat er ja zuletzt auch, bis auf dieses Jahr. Dieses Jahr hat ein von einem – sic! – Iberer trainiertes Team mit dem halben Marktwert die Bayern richtig alt aussehen lassen. Wir glauben schon, dass das etwas mit dem Trainer zu tun hat, der in diesen Zeiten für Spanien gespielt hat, als dort die neuen Maßstäbe für den Weltfußball gesetzt wurden.
Und damit zu den Spaniern und morgen. Unser Gefühl sagt, sie werden ihren vierten Europameister-Ttitel holen. Egal, ob die bisherige EM-Quote gegen England, die wir jetzt als Grafik zugeschickt bekamen, negativ ist. Jede Serie hat einmal ein Ende, bei der EM 2016 war das sogar in Bezug auf Niederlagen Deutschlands gegen Italien der Fall. Gut, dass wir dieses Mal nicht gewettet haben. Das Gefühl ist eine Sache, es bezieht sich aber mehr auf das, was wir bisher gesehen haben. Die Engländer sind neuerdings für Überraschungen gut, und das kann natürlich alles ändern.
TH
Wir wollten zumindest vor dem Viertelfinale Deutschland-Spanien, das in wenigen Stunden beginnt, nichts mehr über die Fußball-EM schreiben, wir haben uns ohnehin zu vielen Betrachtungen veranlasst gesehen, die mit Fußball nichts zu tun haben, aber doch immer wieder im Rahmen von Länderspielen sichtbar werden. Zum gestrigen 2. Artikel zur EM geht es hier, er ist auch unten angehängt, ebenso wie der Einleitungsbeitrag vor dem Start des Turniers und dem ersten Spiel Deutschlands gegen Schottland.
Da aber Statista heute eine Grafik zum Thema Deutschland-Spanien aufgesetzt hat, leiten wir diese gerne an Sie weiter. Die Überschrift lautet: Angstgegner Spanien?

Das Viertelfinale der UEFA-Europameisterschaft 2024 steht an und Deutschland hat mit Spanien seinen bisher stärksten Gegner vor der Brust. “La Furia Roja”, wie die spanische Nationalmannschaft von ihren Fans genannt wird, konnte im Turnier bei allen Spielen überzeugen. In vier Partien verbuchten die Spanier vier Siege und ein Torverhältnis von 9:1. Dabei strahlen nicht nur die Youngsters Nico Williams und Lamine Yamal Torgefahr aus, sondern auch die Mittelfeldspieler und Defensivkräfte um Rodri und Dani Carvajal.
Der Blick auf die Statistik vergangener Partien zeigt, dass das Kräfteverhältnis kaum ausgeglichener sein könnte. In 26 Begegnungen konnte Deutschland neun Siege feiern und musste sich achtmal geschlagen geben, weitere neun Spiele endeten Unentschieden. Dabei schossen die Spanier 32 Tore – eins mehr als die Deutschen. Der letzte Sieg der Deutschen liegt jedoch schon zehn Jahre zurück. Unvergessen bleibt auch das letzte Aufeinandertreffen der beiden Fußballnationen bei einer Europameisterschaft – im EM-Finale 2008 in Wien schoss Fernando Torres Spanien durch sein Tor zum zweiten Titel. Die “goldene Generation” der Spanier holte danach noch die Weltmeisterschaft 2010 und einen weiteren EM-Titel im Jahr 2012. Zusammen mit Deutschland sind sie also die einzige Nation, die drei Europameisterschaften gewinnen konnte.
Darauf, dass die Mannschaft, die heute gewinnt, Rekord-Europameister werden könnte, haben wir schon hingewiesen. Frankreich hat hingegen die Möglichkeit, zu beiden Ländern aufzuschließen, sollte die Équipe Tricolore den Titel holen.
Sieht doch gar nicht so schlecht aus, oder? Jedenfalls besser als die unglaubliche Niederlagenserie gegen Italien seit dem Anbeginn von großen Turnieren, die erst im Viertelfinale von 2016 beendet werden konnte. Allerdings war Spanien über Jahrzehnte hinweg nicht der Maßstab im Weltfußball, das änderte sich erst, als die oben angesprochene Goldene Generation sich zu formen begann. Die deutsche Goldene Generation hatte dann 2014 das Glück, das Spanien einen regelrechten Einbruch verzeichnete und so früh aus dem Turnier flog, dass es nicht zu einem Aufeinandertreffen in der K.O.-Phase kam.
Auch die Buchmacher sehen das Spiel mittlerweile so ausgeglichen, wie die obige Grafik es ausweist, wenn man die Historie für die aktuelle Betrachtung als maßgeblich ansehen würde. Das ist sie natürlich nicht, für uns ist Spanien nach wie vor Favorit in diesem Spiel und auch für den Turniersieg. Die Statistik ändert sich immer, und die deutsche Mannschaft hat in den letzten Jahren einiges getan, um ihren ewigen Score zu verschlechtern. Da ist zum Beispiel der in der Grafik auch ausgewiesene Weltranglistenplatz 16. Das ist richtig schlecht, im Vergleich zu früheren Platzierungen. Es gab allerdings schon einmal eine richtige Schwächephase, seit die Rangliste 1994 eröffnet wurde (und damit die Glanzzeit des deutschen Fußballs bzw. des westdeutschen nicht abbildet): das war zwische2004 und 2006, damals ging es hinunter bis auf Rang 22. Eine Umbruchzeit, wie wir heute wissen, aber auch eine, die es mit sich brachte, dass trotz später wieder viel besserer Platzierungen danach nur ein einziges Turnier gewonnen wurde, die WM 20214.
Von den noch im Turnier verbliebenen Mannschaften stehen alle bis auf die Schweiz und die Türkei in der Weltrangliste besser als Deutschland, Frankreich auf Rang 2 wäre der nominale Titelfavorit. Die Spitze hält Weltmeister Argentinien, das Frankreich 2022 im Elfmterschießen besiegt hatte, Brasilien ist gerade von 4 auf 3 vorgerückt. Bei den Weltmeisterschaften muss Spanien noch lange gut sein, um Deutschlandz zu überholen, da steht es aktuell 4:1. Aber unbestreitbar ist der deutsche Fußball nicht mehr so titelträchtigt, wie er insbesondere in den 1970ern bis Mitte der 1990er Jahre war. Außerdem hat sie im Weltfußball nie eine Ära so geprägt, wie es Brasilien in den späten 1950ern bis 1970 und Spanien ab 2008 gelang. So, nun geht es schon bald los. Die Hubschrauber kreisen schon, obwohl das Match gar nicht in Berlin stattfindet. Vermutlich geht es um die Überwachung des Geschehens in den Fanzonen. Wir werden unserer Maßgabe treu bleiben, das Spiel zumindest nicht life im Fernsehen zu verfolgen.
TH
20 Tage ist es her, seit wir unsere erste EM-Kolumne geschrieben haben, mit ein wenig Statistik zu Deutschland-Schottland. Das hatte ja dann auch geklappt, die Statistik in Pflichtspielen blieb positiv. Und damit zum Auftakt in Form einer Statista-Grafik:

Nun sind 44 von 51 Spielen der EM gespielt, noch acht von 32 Teams im Rennen. Morgen und übermorgen werden die Halbfinals gespielt.
Morgen wird Deutschland nach aller Wahrscheinlichkeit aus seiner Heim-EM ausscheiden. Die Wettquoten weisen nicht ganz unser Gefühl aus, sie sehen Spanien nur leicht im Vorteil, etwa mit 2,6 / 2,8 oder ähnlich, dazwischen liegt noch das Unentschieden mit etwa 3,2 bis 3,3 – gemeint ist das Ende der regulären Spielzeit + Nachspielzeit, nicht das Spielende, denn ein Unentschieden kann es in einem K.O.-Spiel nicht geben.
Selbstverständlich nicht. Aber nicht seit ewig. Wenn man in die Geschichte einsteigt, sieht man, dass es eine Zeit gab, in das sehr wohl möglich war und Wiederholungsspiele ausgetragen werden mussten. So lange, bis jemand endlich gewann. In der Regel hat ein Wiederholungsspiel ausgereicht.
Wer morgen im Rennen bleibt, hat die Chance, Rekord-Europameister zu werden. Spanien und Deutschland haben bisher jeweils drei Titel.
Allerdings sind die spanischen Titel viel „frischer“, die letzten beiden datieren aus den Jahren 2008 und 2012. Das Golden Goal hat sich auch nicht bewährt, durch das Deutschland 1996 seine letzte Europameisterschaft errungen hat. 28 Jahre ist das schon her. Zwischen dem ersten und dem zweiten Titel lagen nur acht Jahre, zwischen dem zweiten und dem dritten Titel 16 Jahre. Deutschland erst in vier Jahren wieder dran, wenn sich die bisherige Verdoppelungstendenz bei den Titelabständen fortschreiben wollte. Die obige Grafik zeigt aber auch einen großen Unterschied: Es wird noch lange dauern, bis eine andere Mannschaft so oft mindestens das Halbfinale erreicht haben wird wie Deutschland. Diese Kontinuität in der Spitze ist vorerst unerreichbar. Sie ist aber auch das Resultat von Stärken, die in der Vergangenheit liegen.
Falls Frankreich die EM gewinnt, könnte es nach Titeln zu Spanien und Deutschland aufschließen.
Einen Rekord wird Deutschland auf jeden Fall behalten: Denjenigen mit den meisten Teilnahmen an einer EM-Endrunde (14), Spanien kommt jetzt auf 12, Rang zwei. Außerdem war Deutschland schon achtmal im Halbfinale und sechsmal im Finale, auch diese Rekorde können bei der EM 2024 nicht von anderen Mannschaften gebrochen werden.
Bemerkenswert ist die deutsche Zahl auch deshalb, weil die BR Deutschland an den Endrunden 1960 und 1964 freiwillig nicht teilgenommen und sich 1968 nicht qualifiziert hatte. Das bedeutet, diese Rekorde wurden in dem relativ kurzen Zeitraum von 1972 bis heute erzielt. Allerdings waren die ursprünglichen Endrunden auch sehr klein, begannen mit nur vier Teams, sodass nur wenige Mannschaften die Möglichkeit hatten, von Beginn an Teilnahmen, Finals oder Halbfinals zu sammeln.
Geht es um einzelne Spieler, überstrahlt einer alle anderen: CR7.
Sechs EM-Teilnahmen, 29 Einsätze, 14 Tore – damit liegt Christiano Ronaldo so weit vor allen anderen, dass diese Bestmarken zumindest zu unseren Lebzeiten wohl nicht gebrochen werden. Wir hoffen, das reicht dem – pardon – alten Nimmersatt jetzt. Was immer man über Ronaldo denkt. Einen solchen Ausnahmespieler hat es in Europa zuvor nicht gegeben. Fast unerkannt in seinem Schatten der ebenfalls portugiesische Nationalspieler Pepe, der seit 2008 dabei ist und auf fünf Teilnahmen kommt, zusammen mit dem Kroaten Luca Modric und dem früheren spanischen Torwart Iker Casillas. Einige deutsche Spieler kommen auf vier Einsätze, davon aktiv sind noch Toni Kroos und Thomas Müller, die in ersterem Fall sicher, in letzterem wahrscheinlich bei der EM 2028 nicht mehr dabei sein werden. Manuel Neuer kommt ebenfalls auf vier Teilnahmen. Torhüter sind sehr durabel, vielleicht ist er in vier Jahren immer noch die Nummer eins in Deutschland, dann könnte er auch Rekordnationalspieler sein.
Damit solche Einzelspieler-Rekorde erzielt werden können, ist es natürlich wichtig, dass ihre Mannschaften immer an der Endrunde teilnehmen, teilweise auch, dass sie dabei weit kommen. Aufgrund der immer weiteren Ausdehnung der Teilnehmerfelder sind die Chancen stark gestiegen, dass Spieler von Spitzenteams Endrundenteilnahmen, Spiele und Tore sammeln können. Deswegen finden Sie in der Tabelle, auf die wir uns beziehen, auch keinen „historischen“ Spieler, sondern nur welche, die mindestens bis in die 2000er hinein aktiv waren. Unter den besten Goalies, die darin gelistet sind (8 Tore oder mehr) findet sich übrigens kein Deutscher. Sogenannte „Bomber der Nation“ gibt es hierzulande mittlerweile nicht mehr. Sicherlich einer der Gründe, warum Deutschland im Sammeln von Titeln nachlässt. Der letzte dieser Spieler war Miroslaw Klose, der auch den Torrekord hält (71), aber für ihn mehr als doppelt so viele Spiele brauchte wie Gerd Müller (68 Tore). Müller hatte den unglaublichen Score von mehr als einem Tor pro Spiel (62 Einsätze).
Wenn man einen deutschen Nationalspieler finden will, der auf eine ähnlich lange Einsatzzeit wie Christiano Ronaldo kommt, muss man auf Rekordnationalspieler Lothar Matthäus zurückgreifen (150 Einsätze), an Matthäus wird vorerst niemand herankommen. Thomas Müller ist der aktuelle Nationalspieler, der am dichtesten dran ist (130 Einsätze), aber wir bezweifeln, dass er noch zwanzig weitere bekommen wird. Nach der EM wird sicher die Verjüngung weiter vorangetrieben werden, egal, wie das Turnier ausgeht. Bei den aktuellen Spielern rächt es sich ein wenig, dass Deutschland bei den letzten Endrunden großer Turniere nicht überzeugt hat und früh ausschied, denn insgesamt nimmt die Zahl der möglichen Nationaleinsätze weiter zu, dank der immer größeren Turniere und neuer Formate wie der Nations League. Vielleicht wird Manuel Neuer der neue Rekordnationalspieler (derzeit 123 Einsätze). Vor allem südeuropäische Torhüter haben noch mit 40 Jahren und mehr hervorragende Leistungen im Nationaltrikot gezeigt.
Wie viele Spiele werden aber bei der EM 2024 noch hinzukommen, bei denen Spieler „Punkte“ sammeln können?
Wenn es nach unserer Prognose geht, für Deutschland nur noch eines. Man hat es auch in diesem Turnier wieder gesehen, wir haben es vorhergesehen: Deutschland hat schon gute Spieler, aber das Gesamtkonzept ist nicht das überzeugendste aller Mannschaften. Es ist besser geworden als in den chaotischen letzten Jahren, aber auch andere Länder bringen immer wieder Supertalente hervor, bei einem der spanischen Spieler gab es sogar Diskussionen, ob er mit 16 überhaupt schon mitmachen dürfte. Die Zukunft dieses Landes scheint fußballerisch also auch gesichert zu sein. Der nächste Nationalspieler mit der Fähigkeit, internationale Rekorde zu brechen?
Was erwarten wir?
Bis auf den EM-Sieger wollen wir keine Prognose abgeben, die morgige für das Deutschland-Spiel ist damit umschlossen.
Spanien hat die besten Leistungen im bisherigen Turnier gezeigt, nie etwas anbrennen lassen, bisher erst ein Tor kassiert. Dumm gelaufen, dass Deutschland schon im Viertelfinale auf die Spanier treffen wird. Also kein Fernsehspiel für uns. Denn wir haben gesagt, wir schauen erst ab dem Halbfinale zu, und dabei sind wir bisher geblieben. Für den morgigen Nervenkrieg werden wir auch keine Ausnahme machen. Uns sind die Auftritte der später doch noch „Goldenen Generation“ gegen Spanien bei der EM 2008 und der WM 2010 noch zu gut in Erinnerung. Spanien hatte damals eine Ära geprägt und mit seinem Spiel einen enormen Einfluss auf andere Mannschaften genommen, auch auf die deutsche. Der Begriff Ballbesitzanteil wurde vor der spanischen Ära um 2010 herum nur sehr nachrangig behandelt.
Wenn die Spanier kein Eigentor schießen, was ja schon vielen Nationen bei dieser EM gelungen ist, wird es sehr schwer werden für Deutschland. Schwerer, als die Wettquote es ausdrückt, die enthält nämlich auch einen Heimbonus. Dadurch steht Deutschland jetzt bei den Buchmachern auf Rang zwei – auch, weil andere Mannschaften nicht überzeugen. Frankreich hat sich von dem Bruch der Nase der Nation bis jetzt nicht erholt, schießt keine Tore aus dem Spiel heraus. Unser Lieblings-Endspiel Spanien gegen Frankreich könnte trotzdem stattfinden, aber die Favoritenrolle wäre doch deutlich auf Seiten der Spanier. Von den Engländern wird erwartet, dass sie doch noch leistungsmäßig explodieren, sonst wären sie nicht unter den Topfavoriten. Sogenannte Geheimfavoriten sind jetzt natürlich die Schweiz und die Türkei, den Niederländern traut man nach nur einem guten Spiel gegen Rumänien plötzlich auch wieder alles zu. So schwankend ist der Mensch. Leistungsmäßig und einschätzungsmäßig.
Aber bis auf Spanien hat keine Mannschaft konstant gute Leistungen gezeigt. Auch Portugal nicht. Ronaldo kommt zwar jetzt auf vier Tore, aber sie entstanden vom Elfmeterpunkt aus und man merkt doch langsam, dass seine Zeit zu Ende geht. Solange er die anderen nicht behindert, kann aber auch Portugal noch weit kommen. Gäbe es diese Iberer nicht, wir meinen das größere Land der iberischen Halbinsel, wäre das ein sehr spannendes und offenes Turnier.
Ist die EM ein Riesenfest?
Haben Sie das Achtelfinale Österreich-Türkei gesehen? Wir nicht, siehe oben, wir haben dieses Mal nicht einmal reingehört während der Abendrunde und natürlich über dessen gewisse Begebnisse gelesen. An dem Abend sind wir erst raus, als die Stadt schon verstopft war. Die paar österreichischen Fans, die noch in Berlin verblieben sind, waren es nicht, die wieder einmal für ein Spektakel gesorgt haben. Diejenigen, die nach Leipzig gefahren waren, nehmen die Sylt-Version eines alten Liedes auf, die rassistisch geändert wurde und schrieen „Ausländer raus“. Gemeint sind die Türken, dabei sind die Österreicher, die hier die Spiele besuchen, selbst Ausländer, viele der Türken hingegen nicht, die im Leipzig waren.
Die anderen machen Wolfsgrüße und sagen: Pardon, ich bin Türke. Ja, wir sind Deutsche, da könnte uns auch mal ein Hitlergruß rausrutschen, ohne dass gleich so ein Tamtam gemacht wird. Es war aber nicht „rausgerutscht“. Natürlich stellt sich der türkische Präsident, der in einer Koalition mit dem parlamentarischen Arm der Grauen Wölfe ist, der MHP, hinter dieses rassistische Zeichen und kommt sogar nach Berlin zum nächsten Spiel. Das haben wir jetzt davon, dass mal jemand es gewagt hat, den grassierenden Nationalismus zu kritisieren, der nicht nur in diesem Land ausgeprägt ist, wie man an den Österreichern gesehen hat. „Trottel vs. Trottel“ hat der Spiegel geschrieben. Wir halten das für eine Verharmlosung, auch wenn der gesamte Artikel natürlich nicht auf diesen Satz reduziert werden darf.
Übermorgen wird Berlin wieder Hochsicherheitsgebiet.
Wir sind keine ausgesprochenen Oranje-Fans, aber Sie können sich denken, wem wir für das Spiel übermorgen die Daumen drücken. Das hat vor allem mit dem Erscheinen des Mannes zu tun, der jedem Demokraten und jedem, der will, dass Deutschland als Gesellschaft der Vielfalt gelingt, ein Dorn im Auge sein muss.
Die orangenen Fans können auch lautstärkemäßig am besten mit den roten mithalten. Und natürlich sind sie extrem nationalistisch. Sollte man kaum glauben, bei einem Land, das als so liberal gilt. Ist aber schon lange so und jetzt gibt es auch dort den passenden Rechtstrend. Auch die Engländer drehen seit dem Brexit noch mehr frei und sind ohnehin als Fans ziemliche Rüpel.
Ist die EM also ein Riesenfest? Fanfreundschaften wird es sicher auch geben, aber die hören spätestens im Stadion auf.
Sie müssen alles, was wir jenseits der klaren Fakten schreiben, so lesen: Wir meinen die Minderheiten, die den Fußball als Ersatzbefriedigung verwenden, nicht die schweigende oder gemäßigtere Mehrheit in den jeweiligen Ländern.
Der Eindruck, den viele Anhänger verschiedener Nationalmannschaften hinterlassen, ist trotzdem verheerend und fördert seinerseits Aggressionen bei jenen, die diesen Nationalismus nicht mehr sehen können. Der Rechtsdrall in Europa und nicht nur in Europa führt zu der realistischen Einschätzung: es wird schlimmer werden. Alte Animositäten waren nie verschwunden, aber man darf sie jetzt immer offener zeigen und zu neuem Wachstum hochziehen. Das ist in einer Welt wie der heutigen hochgefährlich. War es immer schon, aber man dachte ja, die Menschen hätten etwas dazugelernt. Kaum ein europäisches Land hat nicht auf dem Nationalismus-Trip schon erhebliche Niederlagen einstecken müssen.
Wir sind da anders drauf.
Unter Deutschen wird hingegen diskutiert, ob nicht das Zeigen einer Deutschlandfahne AfD-Nähe bedeutet. Auch in der ganz kleinen Form, irgendwo an den Türrahmen des Autos gesteckt.
Ein Kolumnist hat das weniger Flaggen-Lametta mit 2006 verglichen, als es noch keine AfD gab und das Fahnenmeer noch ganz unschuldig war. Ja, es war bunter, deutlich mehr als jetzt. Der Vergleich hinkt, im Kleinen betrachtet, etwas, denn unserer Gegend ist seitdem beispielsweise stark gentrifiziert worden, und jetzt stehen eher Sonnenblumen auf den Balkonen der nunmehr renovierten oder neu zugebauten Häuser.
Oder sie sind nur stylisch, es gibt keine Statements, auch nicht in Pflanzenform. Aber es geht ja ums Ganze. Ja, die Deutschlandflagge ist in Verruf geraten. Angesichts des nunmehr traditionell geringen Anteils von AfD-Wähler:innen in der Berliner Innenstadt können nicht alle, die früher geflaggt haben, AfD-Wähler:innen sein.
Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Wir haben uns am Fahnenmeer niebeteiligt, uns kann es eigentlich egal sein. Und doch. Da ist etwas im Rutschen, das spürt man und befasst sich damit. Die Viewings und Kneipen sind nach wie vor voll, dort sieht man auch Schwarz-Rot-Gold. Aber nicht als permanentes Verbundenheitszeichen über die EM hinweg.
Würden alle sich so zurücknehmen, wäre das sogar angenehm. Aber sie tun es nicht. Man hat den Eindruck, sie füllen das deutsch-großstädtische Nationalismus-Vakuum gerne aus.
An der Stelle haben wir gleich mehrere Absätze gecancelt, die unsere aktuellen Beobachtungen in Berlin betreffen. Ein bisschen Selbstzensur muss auch mal sein, zumal wir eben nicht in die gleiche, sagen wir mal, etwas archaische Haltung verfallen wollen wie jene, über die wir direkt nach dem Erleben doch gerne ein paar Takte geschrieben hätten. Es gibt ja noch anderes.
Doch selbst in Spanien.
Als Vincente del Bosque noch Trainer der spanischen Nationalmannschaft war, war er eigentlich ein sehr sachlicher Typ, selbstbewusst, moderat in seinen Ansprachen anderen Nationen gegenüber. Mittlerweile aber lässt er gegenüber der deutschen Mannschaft eine ziemlich Arroganz raus. Aber er wird wohl recht behalten und es ist am Ende doch nervig, wenn der größte Fußballverband der Welt, der deutsche nämlich, der sogar der größte Einzelsportverband der Welt ist, es angesichts von fast doppelt so vielen Einwohnern in diesem Land, wie Spanien sie hat, nun schon seit fast 20 Jahren nicht hinbekommt, eine ähnlich gute Mannschaft auf die Beine zu stellen. Der DFB, wie er in den letzten Jahren geführt und organisiert wurde, was er konzeptionell auf die Reihe bekommen hat und was nicht, das ist eben ein Zeichen für den Niedergang, und das nervt, weil es sich mit so vielen anderen Zeichen verbindet wie gerade jetzt.
Aber wegen solchen Einlassungen drücken wir den Deutschen doch noch ein bisschen mehr die Daumen, ohne zu enttäuscht zu sein, wenn es morgen zum erwarteten Ausscheiden kommt. Wir haben schlicht kein Bild davon, wie morgen der erste Pflichtspielsieg gegen Spanien seit 1988 (!) gelingen soll. Es war damals übrigens auch eine EM, am Ende wurden die Niederlande zum ersten und bisher einzigen Mal Europameister. Außer es kommt zu einigen Ungewöhnlichkeiten, wie einer blöden VAR-Entscheidung im für die Spanier falschen Moment, zu einem Eigentor, was wir eher nicht glauben oder was auch immer außerhalb der reinen Leistungsbetrachtung liegen könnte.
Spanien ist nicht besser als 2008 oder 2010, aber andere haben abgebaut oder sind gerade sehr schwankend in ihren Leistungen.
Wir haben jedenfalls Wort gehalten, wir haben uns noch kein Spiel im Fernsehen angeschaut, siehe oben und wenn man von den scheelen Blicken absieht, die wir im Vorbeigehen auf die Bildschirme in den Außenbereichen der Restaurants geworfen haben. Einmal haben wir zwischen Kudamm und Budapester Straße bei einer etwas größeren Viewing-Location haltgemacht. Da lag Deutschland gerade gegen die Schweiz zurück. Wir gingen dann wieder, denn bei den ersten Spielen fiel nie ein Tor, wenn wir auch nur mit den Steckern in den Ohren zugehört hatten. Wir wollten auf keinen Fall an einer deutschen Niederlage schuld sein. Es geht ja nicht nur um uns, sondern auch um Menschen, die sich noch richtig über etwas freuen können, was mit ihnen selbst überhaupt nichts zu tun hat.
Wir wissen, dass auch ein Europameistertitel in diesem Land niemandem helfen und keine Probleme lösen wird, die dringend sind, das muss als Erkenntnisbasis reichen und sollen sich die freuen, die es können. Unser State of Mind schließt nicht ein, anderen Trauer und Melancholie zu wünschen.
Der Turnierbaum war nicht der Freund der deutschen Mannschaft. Ausgleichende Gerechtigkeit, denn das war auch schon mal anders und vor allem erwischt Deutschland regelmäßig recht komfortable Qualifikations- und Vorrundengruppen. So auch dieses Mal. Lediglich die Schweiz hat sich als etwas stärker erwiesen als erwartet, und prompt gab es nur ein Unentschieden, das auch noch ziemlich glücklich war.
Der am härtesten erarbeitete Titel war wohl der bisher letzte, der Weltmeistertitel von 2014. Die Brasilianer hatte man mit einem Fluch belegt, aber alles andere war wirklich viel Arbeit und auch etwas Glück und das Glück, dass man Führungsspieler hatte, die dem Trainer sagten, wir machen jetzt unser Ding, sonst werden wie keine goldene Generation. Wir sind gespannt, ob wir noch einen deutschen Fußballtitel erleben werden. Aber unser Glück hängt davon nicht ab. Auch im Fußball ist nicht alles sauber und rein, deswegen sollte man auch ihm gegenüber eine gewisse Distanz waren. Und sich im Allgemeinen nicht zu sehr mit Dingen identifizieren, auf die man persönlich überhaupt nicht stolz sein sollte, weil man nichts mit ihnen zu tun und keine eigenen Leistungen für die Ergebnisse erbracht hat.
Wenn man sich zum Beispiel persönlich für die Demokratie engagiert und das mit vielen anderen zusammen und sie durch dieses große zivilgesellschaftliche Engagement alle Gefahren übersteht, denen sie aktuell ausgesetzt ist, dann darf man darauf auch ein wenig stolz sein. Das ist das einzige, was wir neben persönlichen, auf ehrliche Art erreichten Zielen als Grund zum Stolz (nicht zur Überheblichkeit) gelten lassen. Denn wie gut man performt, hängt auch von den persönlichen Voraussetzungen ab, nicht nur vom Willen oder Wissen. Und da hilft kein Fußball: Viele in diesem Land werden von der Politik immer mehr im Stich gelassen, und deswegen nimmt die Ungleichheit immer mehr zu. Fußballstolz ist im Grunde eine Verneigung vor Ausnahmetalenten, die schlichtweg von der Natur bevorzugt wurden und vernebelt eher die Sicht auf die Realität von Normalmenschen, als sie zu fördern. Der Alltag ist entscheidend, und der ist am Morgen nach einem Spiel, das die Nationalmannschaft gewonnen hat, genau der gleiche wie zuvor. Und er wird von Faktoren besstimmt, die wir mitgestalten können. Aber wir müssen es auch wollen. Hingegen wird niemand Nationalspieler, nur, weil er es will. Er muss etwas haben, worüber er nicht selbst bestimmen kann.
Wir werden uns natürlich freuen, sollte es morgen wider Erwarten klappen mit dem Weiterkommen der deutschen Mannschaft. Ein bisschen Prestigedenken hat ja am Ende doch fast jeder. Aber wir machen keinen Hype daraus. Wir beschreiben diesen Hype und seine Auswüchse auch hier nicht, obwohl es uns gerade wieder rausrutschen wollte, sondern halten stattdessen abschließend fest: Wer es braucht!
TH
13.06.2024
Morgen findet das Eröffnungsspiel der Fußball-EM der Männer in Deutschland statt. Traditionell ist der Gastgeber auch am ersten Spiel beteiligt. Dieses Mal ist Schottland der erste Gegner.
Wir werden die EM sicher beim Wahlberliner nicht zu einem Hype für uns selbst machen, dazu gibt es zu viele andere, für uns wichtigere Themen. Aber wenn Statista schon netterweise eine Statistik-Infografik zu Deutschland vs. Schottland anbietet, dann nehmen wir sie doch und können mir relativ wenig Aufwand einen Beitrag abhaken. Zumal uns ein anderer Artikel für einen Werktag ziemlich stark in Anspruch genommen hat.
Deutschland gegen Schottland: Das sagt die Statistik

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Am Freitag um 21 Uhr ist es endlich soweit – Schiedsrichter Clément Turpin gibt den Anpfiff Fußball-Europameisterschaft 2024. Im Eröffnungsspiel trifft Gastgeber Deutschland auf Schottland. Eine machbare Aufgabe für die deutsche Nationalelf, denn statistisch sind die Deutschen der klare Favorit in dieser Begegnung.
Wie die Statista-Grafik zeigt, standen sich die beiden Nationen in ihrer Länderspielgeschichte bereits 17-mal gegenüber – das erste Aufeinandertreffen fand bereits 1929 im Rahmen eines Freundschaftsspiels statt. Deutschland gelang seitdem achtmal ein Sieg, Schottland viermal, weitere fünfmal verlief die Partie unentschieden. Das Torverhältnis ist dabei mit 26 zu 23 Toren für Deutschland relativ ausgeglichen. Schottland konnte sich jedoch bisher nie bei einem großen Turnier durchsetzen, sondern nur bei Freundschaftsspielen gewinnen.
Ein Blick auf die aktuelle FIFA-Weltrangliste offenbart ebenfalls einen Klassenunterschied zwischen den beiden Mannschaften, auch wenn beide Teams momentan eher schlecht abschneiden. Schottland belegt momentan Rang 39 und ist damit so tief platziert, wie zuletzt im Dezember 2022. Auch die deutsche Nationalmannschaft steckt in einem Drei-Jahrestief und wird auf Platz 16 gerankt.
Deutschland kann jedoch auf die individuelle Stärke seiner Nationalspieler vertrauen. Im Kader von Trainer Julian Nagelsmann befinden sich gleich sechs Spieler, die einen höheren Marktwert aufweisen als der höchstbewertete Schotte Scott McTominay (32 Millionen Euro) von Manchester United. Das Juwel im deutschen EM-Kader Florian Wirtz überragt diesen um fast 100 Millionen Euro.
Die Ausgangslage für das deutsche Team scheint also günstig zu sein, dennoch sollte man nicht vergessen, dass Turniere ihre eigenen Gesetze haben und auch Außenseiter über sich hinauswachsen können.
Wohl wahr. Man sieht es auch an der obigen Statistik. Sie bestätigt, dass die deutschen Nationalfußballer es bei Freundschaftsspielen gerne etwas lockerer angehen lassen. Sie konnten bei Turnieren auch Gegner schlagen, die im Grunde besser spielten. Vor allem in unserer Jugendzeit war es beinahe grotesk, wie erfolgreich der deutsche Fußball angesichts der vorherrschenden rumpeligen Spielweise war (Sie merken, wir meinen die Zeit nach der Beckenbauer-Ära und vor der Wiedervereinigung). Heute ist es umgekehrt. So viel Talent, aber kein Mannschaftsgeist. Denn das war immer das Geheimnis: „Die Mannschaft“. Zuletzt 2014. Im Grunde ist Deutschland jetzt eines von vielen Ländern, die zwar gute Einzelspieler haben, aber das Gesamtpaket nicht richtig schnüren können, und es fehlen die Charaktere, die über das spielerische Potenzial hinaus wirken.
Das heißt vor allem, die Leistungen sind unbeständig. Manchmal erstaunlich gut, dann wieder grottenschlecht. Gut kicken können sie ja – wenn sie wollen, was leider nicht immer der Fall ist. Wenn es schlecht läuft, übernimmt niemand die Verantwortung, um eine Wende herbeizuführen. Auch hier verweisen wir auf die WM 2014. Nach unserer Ansicht wurde der Trainer damals von den Führungsspielern nach mehreren schwachen Leistungen und entnervenden Final- oder Halbfinalniederlagen in den Turnieren zuvor teilentmachtet (das entscheidende Spiel war wohl der sehr knappe Sieg gegen Algerien im Achtelfinale) und ab da lief es. Auch mit Glück, aber es lief. Schon bei der EM 2016 war der nach unserer Ansicht ausschlaggebende Führungsspieler Philipp Lahm nicht mehr dabei und seitdem geht es abwärts. Toni Kroos ist zwar ein Weltklassemann, aber nicht der Lautsprecher und Motivator, den eine Mannschaft auch braucht, um große Spiele gewinnen zu können, in denen sie nicht spielerisch überlegen ist. Es sei denn, sie ist so herausragend besetzt, wie es Spanien lange Zeit war oder immer wieder auch Frankreich, dann sieht es etwas gleichmäßiger aus. Aber auch diese Mannschaften hatten natürlich legendäre Führungsfiguren.
Auf wen tippen Sie? Wer gewinnt die EM?
Wir haben uns noch nicht entschieden, und, offen geschrieben, es ist uns auch nicht mehr so wichtig, wir werden uns möglicherweise nicht einmal die deutschen Spiele ansehen. Es sei denn, sie schaffen es bis ins Halbfinale, denn werden wir kurzfristig Erfolgsfans. Gut, dass wir schon bei der letzten EM und der letzten WM vorrunden-abstinent geblieben sind. Erst Corona und dann dieses Gekicke, das wäre zu viel gewesen.
Es ist keine Feststimmung mehr da. Nicht fußballerisch und allgemein nicht, und eine Pflichtaufgabe ist die Bewegungen des Runden, das ins Eckige muss verfolgen für uns nicht. Vielleicht machen wir unsere Abendrunde, während das Spiel läuft und schauen uns an und lauschen dem, was öffentlich von der EM zu sehen ist. Was es bisher nicht gibt, sind Deutschlandfahnen an Autos oder Wohnungen. Nirgendwo bisher eine gesehen, 2008 und 2010 war das noch sehr ausgeprägt (die erste EM und WM, die wir in Berlin erlebt haben). Kam das vielleicht erst nach Turnierbeginn oder hat sich wirklich etwas verändert? Wir meinen, es hat schon bei den letzten Groß-Fußballereignissen nachgelassen. Vor allem wurden die Beflaggung schnell wieder entfernt, gemäß der Turnierergebnisse. Wir meinen, das war eine gute Gelegenheit, sich etwas mehr von Dingen zu distanzieren, mit denen man im Grunde gar nichts zu tun hat. Jetzt könnte es ein kleiner Gegentrend zum politischen Rechtsdrall sein, es mit dem Schland-Geheule etwas dezenter anzugehen.
Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich wünschen wir allen, die mit der EM friedlichen Spaß haben wollen, genau dies: viel Spaß!
TH
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