Briefing 588 Geopolitik, USA, Trump, Politik, Personen, Parteien, Anschlag, Attentat, Auserwählte, vier Todesfälle und mindestens 15 Anschläge, Geschichte der USA, Opfer und Inszenierung, Glaube und Faschismus
Es gibt bestimmte Ereignisse, die bestimmte Rituale nach sich ziehen. Wenn sie sich einigermaßen statistisch aufbereiten lassen, ziehen sie beispielsweise eine Statista-Grafik nach sich und wenn diese interessant für eines unserer Themen ist, zieht diese Erstellung nach sich, dass wir sie an Sie weiterreichen und kommentieren.
So war es nicht verwunderlich, dass nur zwei Tage nach dem Attentat auf Donald Trump eine Infografik erschien, die sich mit den bisherigen Anschlägen auf US-Präsidenten befasste – besonders auf die „erfolgreichen“, bei denen es tatsächlich zum Tod des Präsidenten kam. Eines vorweg, die Grafik macht einen Schlenker: alle anderen Personen, die im Schaubild aufgeführt werden, waren zur Zeit des Attentats amtierende Präsidenten, bei Trump ist das nicht der Fall. Allerdings ist es bei ihm wiederum anders als bei dem Attentat auf Robert F. Kennedy 1968: Dieser war im Vorwahlkampf der Demokraten mit Aussichten auf die Kandidatur zum demokratischen Bewerber tätig, als er erschossen wurde, Trump war schon einmal Präsident und will es wieder werden – ein Sonderfall in der bisherigen Geschichte der Anschläge auf hohe Politiker in den USA.
Infografik: US-Präsidenten leben gefährlich | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump wurde bei einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner in Pennsylvania Opfer eines Attentats, dass dieser nur um Haaresbreite überlebte. Bis auf einen Streifschuss am Ohr, blieb der ehemalige US-Präsident unversehrt und konnte von der Bühne eskortiert werden. Ein Projektil der von einem entfernten Dach abgefeuerten Schusswaffe traf jedoch einen Besucher der Veranstaltung tödlich.
Wie die Statista-Grafik veranschaulicht, ist der Anschlag auf Trump nur der neueste Vorfall in einer Reihe von Mordversuchen auf amtierende oder Ex-Präsidenten. Dass es dabei zu Verletzungen kam, ist allerdings schon knapp 40 Jahre her. Damals wurde Präsident Ronald Reagan vor dem Hilton Hotel in Washington von einem psychisch Kranken Mann angeschossen, der später als Motiv angab durch seine Tat die Schauspielerin Jodie Foster beeindrucken zu wollen. Reagan überlebte aber und konnte seine beiden Amtszeiten als US-Präsident ausführen.
Weniger Glück hatten etwa Abraham Lincoln, James Garfield, William McKinley und John F. Kennedy. Alle vier US-Präsidenten wurden von Kugeln tödlich verletzt oder erlagen wenig später an den Folgen der Schussverletzung.
Informationen
Bisher gab es 46 Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika[3][4]. Joe Biden ist der aktuelle und 46. Präsident der USA, der sein Amt am 20. Januar 2021 angetreten hat[4].
Es ist wichtig zu beachten, dass die Zählung der Präsidenten nicht exakt der Anzahl der Personen entspricht, die das Amt innehatten. Dies liegt daran, dass Grover Cleveland zweimal, aber nicht aufeinanderfolgend, als Präsident diente. Er wird als 22. und 24. Präsident gezählt[3].
Einige weitere interessante Fakten zur US-Präsidentschaft:
– Bisher gehörten 19 Präsidenten den Republikanern und 16 den Demokraten an[4].
– Vier Präsidenten starben während ihrer Amtszeit eines natürlichen Todes, und vier wurden ermordet[3].
– William Henry Harrison hatte mit nur einem Monat die kürzeste Amtszeit, während Franklin D. Roosevelt mit über 12 Jahren die längste Amtszeit hatte[1].
– Franklin D. Roosevelt war der einzige Präsident, der mehr als zwei Amtszeiten diente[1].
Quellen
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Pr%C3%A4sidenten_der_Vereinigten_Staaten
[2] https://uswahl.lpb-bw.de/praesidenten-der-usa
[3] https://www.englisch-hilfen.de/texte/presidents_usa.htm
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sident_der_Vereinigten_Staaten
[5] https://de.pons.com/p/wissensecke/sprache-kultur/amerikanische-praesidenten
Bereits ein erster Checkup hat erbracht, dass die obige Liste bezüglich der versuchten Ermodungen nicht vollständig ist, es fehlen mindestens drei Vorgänge:
– Ein Attentatversuch auf Andrew Jackson im Jahr 1835.
– Ein Attentatsversuch auf Franklin D. Roosevelt 1933, bei dem der gewählte Bürgermeister von Chicago, Anton Cermak, getötet wurde.
– Zwei Attentatsversuche auf Gerald Ford im Jahr 1975.
Es ist wichtig zu beachten, dass es neben diesen bekannten Fällen möglicherweise weitere Attentatsversuche oder -pläne gab, die weniger bekannt sind oder verhindert wurden, bevor sie zur Ausführung kamen.
Quellen
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Pr%C3%A4sidenten_der_Vereinigten_Staaten
[2] https://www.deutschlandfunk.de/der-weg-ins-weisse-haus-wie-funktioniert-das-wahlsystem-in-100.html
[3] https://uswahl.lpb-bw.de/das-praesidentenamt
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Befugnisse_des_Pr%C3%A4sidenten_der_Vereinigten_Staaten
[5] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2667074
Wenn von 46 Präsidenten vier während ihrer Amtszeit einen gewaltsamen Tod fanden, ist stastisch wieder ein Mord im Amt überfällig. Denn der letzte Präsident, der getötet wurde, war John F. Kennedy, der 35. Präsident der USA. Allerdings begann die Mordserie erst im Jahr 1865 und hatte typischerweise in einer sehr polarisierten Zeit stattgefunden, nämlich am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs und galt dem Präsidenten, der die siegreichen Nordstaaten angeführt und nach Kriegsende die Sklaverei in den gesamten USA hatte verbieten lassen. Die Versuche begannen schon früher, mindestens für 1835 ist ein solcher belegt. Insgesamt gab es mindestens 15 Anschläge auf US-Präsidenten mit den oben genannten vier Todesfällen. Statistisch hat also jeder dritte US-Präsident ein Attentat erleben müssen und jeder zehnte wurde im Amt ermordet.
Der Anschlag auf Trump ist innerhalb weniger Tage eingehend analysiert worden.
- Wird er Trump eine Opferrolle bringen, die ihm beim Wahlkampf hilft? Es gibt tatsächlich ein mehrheitliches Meinungsbild, das besagt, dieser Anschlag während des Wahlkampfs wird ihm helfen, ins Amt zu kommen. Zumindest sieht das die überwiegende Zahl der Deutschen in einer Umfrage von Civey so.
- War der Anschlag von Trump selbst inszeniert worden, um genau das zu bewirken? Wir hatten bereits im ersten Artikel, der sich nach den Schüssen auf Trump damit befasst, geschrieben: Das glauben wir nicht, es wäre viel zu riskant gewesen. Zwar hat Trump die Situation nutzen können, um Bilder zu produzieren, die das Zeug zu historischen Ikonen der politischen Popkultur zu werden, jedenfalls verkaufen sich T-Shirts in den USA reißend, die Szenen des Anschlag mit dem Präsidentschaftskandidaten zeigen – aber einen Schuss aus der gegebenen Entfernung so präzise daneben zu setzen, das sollte man nicht planen wollen, denn das es schiefgeht und die angezielte Person tatsächlich erschossen wird, ist wahrscheinlicher als eine so präzise erreichte leichte Verletzung. Wir glauben bei allem, was wir Trump zutrauen, trotzdem nicht, dass eine solche Aktion bei ihm denkbar wäre.
- An einen Aspekt hatten wir gar nicht gedacht, der freilich nur dann relevant ist, wenn man nicht auf die Idee kommt, das Attentat für eine Inszenierung zu halten. Das werden aber Trump-Anhänger:innen in der Regel auch nicht tun. Wir sind zunächst darauf nicht gekommen, weil dieser Aspekt in Deutschland keine Rolle spielt. Das wird sich auch nicht ändern, in der Hinsicht folgen wir einmal nicht Trends aus den USA: Viele glauben jetzt, dass das Fehlgehen des Attentats darauf schließen lässt, Trump sei „von Gott begünstigt.“ In einer Blitzumfrage nach dem Anschlag waren nicht weniger als 84 Prozent der befragten eingeschriebenen Republikaner-Wähler:innen davon überzeugt. Das bedeutet natürlich, man muss doch wohl einem Mann seine Stimme geben, der von Gott selbst beschützt wird. Daran kann gar kein Zweifel bestehen. Klingt für unsere Verhältnisse beinahe unglaublich, spielt aber in den USA eine erhebliche Rolle, wo eine banal-brutale Form Christentum in vielen Communities mit faschistischem Gedankengut verrührt wird und wo Trump nun noch mehr als zuvor als Auserwählter gilt.
- Wir schreiben seit Jahren, dass die Superheldenfilme aus den USA profaschistisch sind und sich auch ohne christlichen Fundamentalismus weltweit zur Manipulation der Menschen in Richtung Diktatur eignen, also auch hierzulande. Sie sind Ausdruck der Faschisierung in den USA, die wiederum mit Verzögerung und ohne dieses basale vorgeblich christliche Element auch bei uns sichtbar ist.
- Die Nominierung seines Vizepräsidentschaftskandidaten („Running Mate“) J. D. Vance zeigt nach überwiegender Ansicht der Kommentatoren, dass Trump nicht auf bewegte und mitleidige Wechselwähler setzt, sondern auf die Mobilisierung des Kerns der rechtsrepublikanischen Wählerschaft und seine eigene Marke, die der jüngere Politiker (Vance ist exakt halb so alt wie Trump) verstärken und vielleicht 2028 weiterführen soll. Zur Erinnerung: Selbst, wenn Trump dann noch fit sein sollte, er darf nicht noch einmal antreten, da er bereits zwei Mal Präsident war. Eine Ausnahme von diesem Prinzip gab es nur für den Kriegspräsidenten F. D. Roosevelt.
- Nicht wenige Menschen in den USA sind der Ansicht, dass Gewalt für die Durchsetzung von politischen Zielen legitim ist, auf jeden Fall oder auch ein wenig (eindeutige oder latente Zustimmung). Aber auch hierzulande wurde die Diskussion geführt, ob ein Anschlag auf einen Mann wie Donald Trump aus ethischen Gründen gerechtfertigt sein könnte. Der sogenannte Tyrannenmord ist ein Gegenstand, der immer wieder diskutiert wird: Wäre Hitler von Georg Elser noch 1939 umgebracht und damit der zweite Weltkrieg verhindert oder gleich wieder beendet worden, würde die heutige Geschichtsschreibung – ja, wie würde sie damit umgehen, weil ja die gröbsten Folgen wie der Holocaust in seiner Form nach der Wannseekonferenz und die meisten Kriegsfolgen 1939 noch nicht eingetreten waren?
- Es gibt jedenfalls eine Ansicht, die einen Gewaltakt für gerechtfertigt hält, wenn dadurch viele Menschenleben gerettet werden können, ähnlich wie nach 9/11 sich das Blatt mehr hin zur Abwägung, weg vom absoluten Tötungsverbot Unschuldiger gewendet hat (darf man ein Flugzeug mit 200 Menschen an Bord abschießen, wenn es auf einen Büroturm gesteuert wird, in dem Tausende anwesend sind, die getötet werden könnten, verkürzt ausgedrückt). Allerdings gilt die Figur des Tyrannenmords für die meisten Kommentator:innen bei Donald Trump nicht. Er ist zwar für das Gewaltklima in den USA mitverantwortlich bzw. fördert es, während seiner ersten Amtszeit sind die USA andererseits nicht in neue Kriege eingetreten und die demokratischen Institutionen in den USA gelten als zu stark, als dass Trump zum Schutz der Demokratie beseitigt werden müsste. Wie stark die Institutionen wirklich sind, wird sich zeigen, aber wir gehören auch nicht zu jenen, die Gewalt gegen Personen grundsätzlich für ein Mittel der Politik halten. Selbst die beiden bekanntesten Attentate auf Hitler waren problematisch: Dasjenige von 1939 hätte einen damals äußerst beliebten Politiker getroffen, das von 1944 kam zu spät, um noch Wesentliches zu retten, auch die Ehre Deutschlands als zivilisierte Nation und wurde im Wesentlichen von Personen ausgeführt, die solange zu Hitler standen, bis sich abzeichnete, dass der Krieg verlorengehen würde.
Wenn die Demokraten noch Chancen auf einen Wahlsieg haben wollen, müssen sie, nach dem Attentat auf den Herausforderer mehr als je zuvor, Joe Biden ersetzen oder bereits eine klare Richtung vorgeben, wie wir sie in bisher zwei Artikeln vorgeschlagen haben, nämlich, dass jemand Jüngeres nach zwei Jahren für ihn übernimmt. Selbst das würde aber nach dem Attentat vermutlich nicht mehr ausreichen, um das Blatt zu wenden – falls Trump wirklich von dem Anschlag auf ihn profitiert, sich ihn im Wahlkampf dienlich machen kann.
TH
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