Filmfest 1125 Cinema
Miss Undercover ist eine US-amerikanische Filmkomödie aus dem Jahr 2000. Sandra Bullock spielt darin eine FBI-Agentin, die bei einer Misswahl als Teilnehmerin eingeschleust wird.[1]
Ein Film, der aktuell von den IMDb-Nutzer:innen nur eine Wertung von 6,3/10 erhält und mit einem Metascore von 43/100 vorliebnehmen muss, zählt nicht zu den Kinostücken, die wir uns aus strategischen Gründen anschauen, nämlich, um die Kinowelt der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts zu erschließen, wie sie gerade in der Filmfest-Chronologie „an der Reihe ist“, sondern es handelt sich um einen Zufallsfund in Form einer Empfehlung eines Streaming-Anbieters. Warum ich diese Empfehlung bekommen habe, kann ich mir anhand der bisherigen Auswahl nicht so gut erklären, aber manchmal geht es um neue Horizonte. Zumindest nach Ansicht der Streaming-Anbieter. Es gab aber einen Grund dafür, dass ich eingestiegen bin. Diesen Grund und mehr verhandeln wir in der – Rezension.
Handlung (1)
Agentin Gracie Hart war schon immer unbequem, klassische Weiblichkeit ist ihr seit Kindertagen fremd. Nachdem durch ihre Impulsivität ein Polizeieinsatz beinahe platzt und ein Kollege schwer verletzt wird, ist ihr Standing bei der US-Bundespolizei FBI schwer angeschlagen.
Als ein Bombenleger, genannt „Der Citizen“ (deutsch: „Bürger“), mit einem Anschlag auf die Wahl zum Schönheitswettbewerb Miss United States droht, will Gracies Kollege Eric Matthews eine Agentin einschleusen, wobei nur Gracie über die erforderlichen Modelmaße verfügt. Gegen ihren Willen und den ihres Chefs – dieser hat sie in den Innendienst versetzt – wird die ungestylt-burschikos auftretende Kriminologin der Misswahl-Organisatorin, Kathy Morningside, vorgestellt. Diese ruft den Model-Betreuer Victor Melling zu Hilfe, der zuerst keine Hoffnung sieht, Gracie dann aber doch noch hinreichend vorbereitet.
Begleitet von Eric, Victor und einigen FBI-Kollegen reist Gracie als „Miss New Jersey“ nach San Antonio, Texas, und wird in die ihr völlig fremde Welt der dauergrinsenden, bikinitragenden Schönheiten eingeführt. Am Anfang verspottet sie die Frauen, die sie für oberflächlich hält und die sich ihrer Meinung nach vor allem den „Weltfrieden“ wünschen. Mit der unbedarften Cheryl Frasier („Miss Rhode Island“) freundet sie sich schnell an, während sie mit anderen Damen weniger gut auskommt. Während sie sich von einem Wettbewerb zum nächsten arbeiten, streitet sich Gracie abwechselnd mit Eric und Victor herum. Sie erregt Aufsehen, als sie auf der Bühne gefragt wird, was der Gesellschaft noch fehle, und sie darauf antwortet: „Härtere Bestrafung für Wiederholungstäter“ und erst später „Weltfrieden“ hinzufügt.
Der „Citizen“ wird schließlich verhaftet, Gracie ist jedoch nicht überzeugt, dass der Drohbrief gegen die Misswahl überhaupt vom „Citizen“ kam. Sie verdächtigt Kathy Morningside, die am Ende der laufenden Saison in den Ruhestand geschickt werden soll. Ihr Chef, Assistent Director McDonald, will davon jedoch nichts hören und erklärt ihr, wenn sie bleiben wolle, dann nur als Privatperson. Gracie drückt Eric daraufhin ihre Waffe und Dienstmarke in die Hand und bereitet sich auf die Abschlussveranstaltung vor. Victor Melling wird ebenfalls gezwungen, die Veranstaltung zu verlassen. Er sagt, er stelle sich seine eigene Tochter so vor, wie Gracie sei. Dem fügt er hinzu, dass er sich „auch deshalb nie fortgepflanzt“ habe.
Abschließend wird Cheryl zur „Miss America“ gekürt, worauf Kathy Morningside und ihr Sohn Frank sie mit einer Bombe in der Krone zu töten versuchen. Gracie kann dies in letzter Sekunde verhindern, wobei ihr Eric und Victor zu Hilfe kommen. Am Ende gestehen Eric und Gracie sich ihre Gefühle füreinander ein, und Gracie wird zur „Miss Congeniality“, zur beliebtesten Teilnehmerin, gewählt.
Rezension
Der Grund hat einen Namen: Sandra Bullock. Ich mag sie einfach, sie hat die möglicherweise sympathischste Ausstrahlung aller Hollywoodschauspielerinnen ihrer Generation und sie kann sehr hübsch sein, wie sich im Verlauf von „Miss Undercover“ zeigt. Eigentlich zeigt es sich nicht erst im Verlauf, in fast ungeschminktem Zustand, also zu Beginn, wirkt sie lediglich etwas markanter und individueller. Es gehört ja auch zum Programm von Schönheitswettbewerben, diese Individualität möglichst zu vertuschen, weil sie in den Augen irgendwelcher Juroren als Makel angesehen werden könnte, wie etwa Bullocks etwas breiter Nasenrücken. So etwas kann man wegschminken, obwohl es eben ihre knuffige Individualität mit ausmacht. Man absolviert mit dem Film also auch einen theoretischen Kosmetiker:innenkurs am praktischen Beispiel. Ohne Aufpreis, in diesem Fall, weil er in meinem Grund-Abo enthalten war.
Bullocks Beliebtheit, die sich in vielen Auszeichnungen als beliebteste Schauspielern, aber auch in exorbitanten Gagen und ihrer Anwesenheit in vielen Frauen-Blockbustern spiegelt, gab es in dieser Form nicht einmal im klassischen Zeitalter von Hollywood, weil die damaligen weiblichen Topstars vor allem als Diven aufgebaut wurden, nicht das Mädel-von-nebenan-Image weiterpflegen durften, das Bullock von Beginn an hatte. Dass sie auch ernst und gehaltvoll kann, hat sie mit ihrem Oscar für „Blind Side“ und mit einer weiteren Nominierung für „Gravity“ als Astronautin allein im Weltraum bewiesen. „Miss Undercover“ ist hingegen eine früher Zurschaustellung eines komischen Talents, das bei ihr auf jeden Fall deshalb kongenial wirkt, weil sie den Wandel vom etwas tapsigen und flapsigen Polizeioffiziers zum Supermodel in zwei Tagen gut darstellen kann, ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren, was man am Ende noch an ihrem nicht zu beseitigenden Rückwärts-Lachen bemerkt. Man hört dieses eigentlich unangenehme, aber auch witzige und pur wirkende Geräusch, wenn sie wieder ganz sie selbst ist und nicht das Model geben muss. Der Titel „Miss Congeniality“ existiert wirklich und wirkt bei Bullock, wie ihre weitere Karriere zeigen sollte, sehr authentisch, weil sie auch im Realleben ein sehr angenehmes Wesen haben soll. „Miss America“ hingegen heißt in Wirklichkeit „Miss USA“, damit es nicht wirkt, als ob der ganze Kontinent auf ein Land konzentriert sei, auch wenn Menschen aus diesem Land oft wirken, als glaubten sie, sie seien die ganze Welt.
Filme wie dieser schließen auf eine sehr sinnige Weise die 1990er ab, denn mit 9/11 kam eine Wendung auch in die Art, wie Hollywoodfilme wirken. Zuvor gab es schon hartes Kino und viel Gewalt, wir sind ja in den USA, aber danach hielt eine Grunddüsternis Einzug, die auf jeden Fall ihre Berechtigung hat und sich auch in der Visualität der Filme ausdrückte. Es gab schon zuvor Avantgardefilme, die mit einem modernen Farben experimentierten, wir haben das kürzlich in „Eissturm“ gesehen, der als Indie-Film gilt und schon 1997 produziert wurde. Doch das Bunte der 1990er hat sich in „Miss Undercover“ ins Knallbunte hinein verdichtet und so ist die Welt der Models. Supermodels waren damals schon eher ein … nun … Auslaufmodell, aber Castingshows sind bis heute nicht auszurotten. Wer hat nicht von „Germany’s Next Topmodel“ gehört? Wenn die Show von Sandra Bullock moderiert würde, die sicherlich gut genug Deutsch spricht, würde selbst ich sie mir ab und zu anschauen. An solchen Anmerkungen, die mir nicht einfach rausgerutscht sind, merkt man auch, was an diesem Business so falsch ist. Es geht nur um Äußerlichkeiten oder bestenfalls um Typen und Sympathie und Antipathie auf den ersten Blick, um Schein und Glanz, aber auch um Diskriminierung und eine Welt, die insgesamt sehr zwiespältig ist.
Der Film verhält sich auch so. Man will das Modelbusiness nicht verprellen, das ist offensichtlich, aber mit der alternden, nur durch eine Manipulation einst zur Miss gewählten Organisatorin, die eifersüchtig auf den Nachwuchs ist, wird ganz sicher eine Schattenseite gezeigt, die an Filme mit alternden Stars erinnern, aber das Ganze ist dann doch zu schräg, um auch nur ansatzweise als Tiefgang und philosophische Abhandlung über die Vergänglichkeit gelten zu können. Wenn man Bullock und andere Schauspielerinnen ihrer Generation heute sieht, weiß man außerdem, dass Frauen weitaus länger als die klassischen Hollywoodstars, die ständig in Sorge um ihre Beliebtheit und jede neue Falte waren, als Leading Ladies tätig sein können, auch dank der fortgeschrittenen Schönheitsindustrie. Bei Männern ist das früher schon so gewesen und hat sich erhalten, dass sie auch mit 60 noch Actionhelden und Lover geben können.
Im Grunde ist es eine konservative Haltung, die der Film ans Publikum sendet. Denn im Verlauf lernt Miss Undercover, dass auch Schönheitskonkurrenzen eine Sinngebung für junge Frauen darstellen können und uns beschleicht wieder einmal das unangenehme Gefühl, dass eine gewisse Form von Feminismus schlicht daher rührt, dass dessen Vertreterinnen komplett der Charme abgeht, es auf die sympathische Weise nach oben zu schaffen. Wir wissen, dass das so nicht stimmt, aber der Film lässt es auf eine recht manipulative Weise so wirken. Dem steht wieder der Zickenkrieg gegenüber, den wir aus unzähligen Reality-Shows kennen, die keine wirkliche Realität zeigen und den man hier nicht komplett ausspart. Die Konkurrenz eben. Sie wird aber in diesem Film nicht so unfair ausgelebt wie in anderen Werken, die sich mit überbordendem Wettbewerbsdenken befassen und daraus viel Komik entwickeln können.
„Mischung aus Komödie und Kriminalfilm, die vor allem dank der gut aufgelegten Hauptdarstellerin unterhält. Insgesamt bietet er freilich nur wenige komische Szenen, weil er sich weitgehend espritlos auf das altbekannte Thema vom ‚hässlichen Entlein‘ sowie auf die Struktur von Shakespeares ‚Der Widerspenstigen Zähmung‘ verlässt.“ – Lexikon des internationalen Films[3]
„In dieser recht albernen Krimikomödie beweist Sandra Bullock immerhin, dass sie durchaus komisches Potential besitzt. Leider kann sie ihren Drang zum Over-Acting auch hier nicht zügeln. Wäre nicht ein alles überragender Michael Caine als Benimm-Trainer und Schönheitsmacher, man könnte diesen Film eigentlich schnell vergessen.“ – Prisma Online[4]
Klar ist der Film vor allem „Pygmalion“ im Schnelldurchlauf, und, by George, dieser Part wurde in „My Fair Lady“ um ein Vielfaches besser ausgespielt, „Der Widerspenstigen Zähmung“ hätte ich nicht ohne Weiteres aus dem Film herausgelesen, denn dafür standen für mich die Sachzwänge zu sehr im Vordergrund: Es war einfach niemand anderes da, der attraktiv genug war, die Undercover-Polizisten zu spielen, die dringend als Misswahl-Teilnehmerin gebraucht wurde, um einen Anschlag zu verhindern. Dafür, dass der Film ein wenig plain ist, sehen wir Stars der vorherigen Generation wie Candice Bergen als Biest, Michael Caine als Dr. Higgins … nein, als Modeltrainer (Haltung, Haltung, Haltung, aber Sprachschulung) und William Shatner alias Captain Kirk als Moderator der Show.
Man soll es damit nicht übertreiben, aber Zufälle sind solche Anmerkungen wie „härtere Bestrafung für Wiederholungstäter“ auch nicht, und sie passen zum gesellschaftlich nicht unbedingt fortschrittlichen Gepräge des Films.
Finale
„Miss Undercover“ kam kam wohl Anfang der 2000er genau zur rechten Zeit, denn die Ära der Megamodels mit Cindy Crawford, Linda Evangelista, Claudia Schiffer, Christy Turlington, Naomi Campbell , Eva Herzigova ging zu Ende, die so unerreichbar schienen, die offenbar etwas Besonderes ausstrahlten, das „It“, das selbst nicht ganz perfekte Menschen in den Olymp heben kann oder jenseits der Perfektion neue Welten öffnet. Das Prinzip „jeder kann prinzipiell alles werden“ griff wieder Raum, das in den USA allerdings immer schon sehr hoch im Kurs stand. 2003 erschien erstmalig „Next Topmodel“, die deutsche Ausgabe gibt es seit 2006. Vielleich hat „Miss Undercover“, der die Botschaft, dass auch eine burschikose Polizistin (fast) Schönheitskönigen werden kann, diesen Hype mit ausgelöst, jedenfalls war der Film sehr erfolgreich. Wirkliche Einblicke ins Business bietet er nicht, aber Sandra Bullock reißt es noch fast auf eine gute Bewertung hoch. Damit ich bei den weniger fein abgestimmten Bewertungsportalen 7/10 vergeben kann, gehe ich hier etwas höher als das IMDb-Publikum es im Durchschnitt tut und wesentlich höher als das Average Voting professionelle Kritik:
67/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)
[1] Miss Undercover – Wikipedia
| Regie | Donald Petrie |
|---|---|
| Drehbuch | Marc Lawrence, Katie Ford, Caryn Lucas |
| Produktion | Bruce Berman, Sandra Bullock |
| Musik | Ed Shearmur |
| Kamera | László Kovács |
| Schnitt | Billy Weber |
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