Briefing 595 PPP, Die Grünen, Bundestagswahl 2025
Nachdem in den letzten Tagen alles so viel größer und wichtiger geworden ist als die deutsche Politik, ist es schwierig, sich wieder einzufinden in den üblichen Knatsch hierzulande. Wir versuchen es trotzdem, denn so lang ist es nicht mehr hin zu den nächsten Landtagswahlen und bis zur Bundestagswahl 2025. Heute die Grünen:
Grüne: Erneut in nächster Bundesregierung? (civey.com)
Der Begleittext zur Umfrage:
Die Grünen kämpfen schon lange mit niedrigen Umfragewerten. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang wurde deshalb am Sonntag im ZDF-Interview gefragt, ob ihre Partei überhaupt eine:n Kanzlerkandidat:in für die Bundestagswahl nächstes Jahr aufstellen werde. Lang zufolge werde die Entscheidung erst in den kommenden Monaten fallen. Sie betonte jedoch, dass dabei nicht allein hohe Umfrage-Ergebnisse maßgeblich seien. Andernfalls könnte einzig die Union einen Kandidatin aufstellen. Und das wäre nicht gut für die Demokratie.
Für die Co-Vorsitzende sei das sehr schlechte Ergebnis bei der Europawahl ein „Denkzettel” für ihre Partei gewesen. Auch mit den aktuellen Umfragewerten dürfte man sich nicht zufriedengeben. Sie rief die Grünen daher dazu auf, wieder dem Anspruch gerecht zu werden, eine führende Orientierungspartei für das ganze Land zu sein, ohne die eigenen Grundsätze aufzugeben. In Bezug auf die Erstwählerschaft gab Lang zu, ihre Versprechen vom Wahlkampf 2021 nicht eingelöst zu haben: „Wir waren zu sehr im Krisenmodus gefangen”. Durch den Fokus auf die Pandemie und den Ukraine-Krieg hatten etwa viele Jugendliche das Gefühl, zu kurz zu kommen.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge äußerte sich zuversichtlicher. In ihrer langjährigen Laufbahn als Grünen-Mitglied habe sie sehr viel erlebt, die derzeitige Situation würde sie aber nicht als Krise bezeichnen, sagte sie dem RND. Sie sei optimistisch, dass ihre Partei bis zur Bundestagswahl einige Dinge ändern werde, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sie verwies zudem auf die Errungenschaften von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der medial als Kanzlerkandidat gehandelt wird. Dieser habe trotz diverser Krisen und Kriege gute Arbeit geleistet und Erfolge erzielt. So konnte er etwa die Hälfte der fossilen Energie in kürzester Zeit mit Erneuerbaren ersetzen.
Unser Kommentar:
Was ist ein schlechtes Umfrageergebnis? Wären jetzt Bundestagswahlen, würden die Grünen immer noch ihr zweitbestes Ergebnis aller Zeiten einfahren, aber es wäre auch klar, dass sie keine Volkspartei sind, sondern von bestimmten Einzelthemen wie dem Klimawandel getragen werden. Das Thema stand einmal ganz hoch im Kurs, wird derzeit von anderen jedoch überlagert. Obwohl die Grünen mehrere wichtige Ministerien in der Ampelregierung besetzen, hat sich im Grunde ihr Profil nicht erweitert.
Als Klimawandelspezialist kann man sagen: Das läuft ja fein, die Erneuerbaren kommen voran. Als Verbraucher sagen wir: Der Strompreis kommt nicht runter und wieso wird nicht endlich etwas gegen den Preisauftrieb ohne Ende bei den Lebensmitteln getan? Und in der Situation wollen die Grünen mit der CDU zusammengehen, diesen Miesnicks, die nichts anderes mehr im Kopf haben, als die Armen z bashen und die Reichen noch schneller noch reicher zu machen? Geht’s noch?
Eine andere Option für eine erneute grüne Regierungsbeteiligung gibt es nach aller Voraussicht im Jahr 2025 nicht. Vermutlich wird es auch so laufen, aktuelles CDU-Getöse gegen die Grünen hin oder her, die Grünen sind nicht besonders ehrpusselig, sondern machtorientiert, wie die anderen. Oder die SPD gibt sich wieder als Steigbügelhalterin einer Unionsregierung her und vernichtet sich damit endgültig.
Allerdings würde es für Union und Grüne nach aktuellen Umfragen auch zusammen nicht reichen, also müsste das U-Boot des freidrehenden Menschenverachtungskapitalismus, die FDP, wieder mit ins Boot. Zwei von drei Parteien der Ampelregierung wären dann also dabei, wo schon drei Ampelparteien für die Bevölkerung nichts als Erschwernisse organisiert haben. Das würde sich mit dem Austausch der SPD durch die CDU verstärkt fortsetzen, auch wenn das Gegenteil behauptet wird.
Natürlich wäre auch eine „Kenia-Koalition“ möglich, das wäre sogar die sicherste Variante, wiederum an den aktuellen Umfragen gemessen. Aber diese Regierung wäre genauso gespreizt bezüglich der Ansichten ihrer Teile wie die aktuelle Ampel-Koalition. Einen Unterschied gibt es natürlich: Fährt die Union ein gutes Wahlergebnis, nach aktuellen Maßstäben eines über 30 Prozent, ein, dann kann sie die anderen Parteien stärker dominieren als das jetzt für Kanzler Scholz möglich ist. 2021 waren sowohl die Grünen als auch die FDP Wahlgewinner, das wird 2025 vermutlich anders aussehen.
Außerdem bekommen sie es in der CDU mit einem Duo Merz-Linnemann oder mit Markus Söder zu tun, und das wird zu einem weit mehr populistisch-autoritären Gepräge der nächsten Regierung führen. Andere Kanzlerkandidaten für die Union haben wir rausgelassen, weil wir sie für 2025 noch nicht als überwiegend wahrscheinlich ansehen.
Die Grünen wären nur ein schwaches, weil geschwächtes Korrektiv für die rechte Unionspolitik, weit entfernt davon, Volkspartei zu werden. Das bisschen soziale Agenda, welches die SPD in die aktuelle Koalition eingebracht hat und das schon wieder auf der Kippe steht, weil es gegen den Rechtsdrall, der in der eigenen Regierung, in der Justiz und natürlich in der Opposition seinen Platz hat, nicht genug Gegenwehr gibt, würden die Grünen sich schenken, solange nur die Energie-Agenda halbwegs bestehen bleibt und das Verbrenner-Aus doch noch kommt.
Wir haben wir nun abgestimmt? Früher hätten wir uns klar dagegen ausgesprochen, dass die Grünen auf Bundesebene mit der Union zusammengehen. In jenen Jahren, als wir die Grünen noch gewählt hatten, hätten wir das auf jeden Fall getan. Als 2017 Jamaika beinahe zustande gekommen wäre, hatten wir uns zum Glück schon anders orientiert und hätten keine Mitschuld an dieser Regierungskonstellation getragen.
Derzeit sprechen sich etwa 64 Prozent der Abstimmenden klar gegen eine Unions-Grüne-und-was-sonst-noch-Regierung aus. Da werden Altgrüne mit etwas linkerer Prägung ebenso dabei sein wie viele Konservative und Rechte. Uns ist es mittlerweile quasi egal. Deshalb haben wir konsequenterweise mit unentschieden votiert. Noch konsequenter wäre es gewesen, gar nicht erst über diese Option zu schreiben. Es ist auch mehr eine Fingerübung, wir heben angesichts der deutschen Politik inzwischen fast nur noch mit den Augen. Das gilt auch für die sogenannten Alternativen, wie sich von selbst versteht. Aber von oben wird auch keine Erlösung kommen. Immer mehr Menschen denken ans Auswandern und ziehen es auch durch. Wir verstehen das.
Die Regierungsbeteiligung der Grünen hat dieses Land nicht attraktiver und progressiver gemacht, im Gegenteil. Der Eindruck, hier ist alles, was schon während der zuletzt ausführlich besprochenen Merkel-Ära nicht gut gelaufen ist, noch ranziger geworden, dominiert bei uns mittlerweile die gesamte Politikwahrnehmung. Da ist ein bisschen Richtiges im Falschen und noch mehr Falsches im Falschen. Insgesamt fühlt es sich falsch an.
Sollten Maßnahmen der aktuellen Bundesregierung sich langfristig noch als positiv erweisen, wird sie nichts mehr davon haben, denn bis 2025 wird das sicher nicht der Fall sein, und die Menschen sind nun einmal so. Sie sehen, was ist, vor allem dann, wenn man ihnen nicht eine überzeugende Perspektive vermittelt.
Angeblich kann Robert Habeck das viel besser als Olaf Scholz und wird von manchen Medien quasi als der heimliche Kanzler dargestellt, inklusive seiner Außenwirkung in anderen Ländern. Wir dachten, Annalena Baerbock sei für die Außenpolitik zuständig, aber irgendeinen Spin muss es ja geben. Welche Politiker sind aber wirklich aktuell die beliebtesten in Deutschland, und darauf wird es ja bei den anstehenden Wahlen ankommen?
Sie haben Recht, ich entschuldige mich für die Ungenauigkeit in meiner vorherigen Antwort. Lassen Sie mich die Informationen aus den Suchergebnissen präziser zusammenfassen und die Top 10 der beliebtesten Politiker gemäß der Umfrage auflisten.
Basierend auf dem Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen [4] ergibt sich folgende Rangfolge der beliebtesten Politiker in Deutschland auf einer Skala von +5 bis -5:
- Boris Pistorius (SPD): 1,8
- Hendrik Wüst (CDU): 1,0
- Markus Söder (CSU): 0,1
- Friedrich Merz (CDU): 0,0
- Robert Habeck (Grüne): -0,4
- Annalena Baerbock (Grüne): -0,6
- Olaf Scholz (SPD): -0,6
- Christian Lindner (FDP): -0,6
- Sahra Wagenknecht (BSW): -0,9
- Alice Weidel (AfD): -2,5
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Bewertungen Sympathie und Leistung der Politiker kombinieren. Boris Pistorius führt die Liste mit deutlichem Abstand an, während die anderen Politiker dichter beieinander liegen. Interessanterweise befinden sich mehrere Politiker im negativen Bereich, was auf eine generelle Unzufriedenheit mit der politischen Führung hindeuten könnte.
Diese Rangfolge spiegelt die aktuelle politische Stimmung in Deutschland wider, wobei der Verteidigungsminister Boris Pistorius besonders positiv wahrgenommen wird[1][3][4].
Bei der negativen Bewertung von Personen wie Weidel und Wagenknecht spielt natürlich eine Rolle, dass sie sehr stark spalten – glühenden Fans, besonders bei Wagenknecht, denen immer der Verstand aussetzt, wenn sie überhaupt nicht bemerken, welche eklatanten Widersprüche deren Positionen offenbaren, stehen viele gegenüber, die genau diesen Populismus nicht mögen, der Wahrheiten verwendet, um einen falsche Spin damit zu organisieren, sie also ganz einseitig zu interpretieren.
Aber Habeck, der heimlich Kanzler? Tatsächlich jetzt? Schauen Sie sich bitte immer solche Werte an, bevor Sie Pressehypes lesen. Habeck und Scholz liegen fast auf einem Niveau, und zwar im negativen Bereich. Wie am Ende beinahe süffisant zusammengefasst wird, könnte das auf eine allgemeine Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik deuten.
Die SPD könnte es sich aber zunutze machen, dass der einzige wirklich beliebte Regierungspolitiker aus ihren Reihen stammt. Nach unserer Ansicht ist es noch zu früh, Pistorius so zu hypen, wie viele es tun. Wir haben mehrfach ausgeführt, warum es nicht so schwierig ist, mit gigantischen Summen, wie sie jetzt für die Rüstung lockergemacht werden, die Managementfehler in der Bundeswehr zuzuschütten, eine Effizienzsteigerung ist quasi gar nicht mehr nötig.
Das Trendbarometer trifft aber noch eine weitere Aussage, das wird Ihnen sicher aufgefallen sein. Es geht um die Kanzlerkandidatur der Union. Obwohl er national kaum in Erscheinung tritt, ist Hendrik Wüst, der Ministerpräsident von NRW, bei Weitem beliebter als Söder oder Merz. Das kommt von seinem bislang eher mittig wirkenden Gepräge, das beweist, dass die Idee der Union, die AfD in Sachen diskriminierender Hetze überholen zu wollen, nicht wirklich zielführend ist und die Union am untern Rand des 30-Prozent-Turms festhält. Sie müssten angesichts der beinahe grotesken Unbeliebtheit der Ampelregierung viel höher stehen. Tut sie aber nicht, sondern es gibt immer mehr Freiraum für Populisten, die Hetze in den Genen haben. Das trifft zwar auf Merz und Linnemann auch zu, aber es gibt immer noch viele ältere, konservative Wähler, die diesen aus den barbarischen Verhältnissen des US-Wahlkampfs importieren Stil nicht mögen. Sie mögen Menschen mehr, die schon Verantwortung getragen haben und es dabei schafften, die Gesellschaft wenigstens nicht noch weiter zu spalten. Und auf diese Wähler:innen wird die CDU auch 2025 angewiesen sein.
Trotzdem glauben wir nicht, dass es schon 2025 auf Wüst oder den als geradezu progressiv wahrgenommenen Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, hinauslaufen wird. Etwas sagt uns, dass der Weg für mittigere Politiker der Union erst frei sein wird, wenn sich die Populisten in eine Sackgasse gefahren haben, weil die AfD in der Hinsicht nun einmal das Original ist und es mit dem BSW und seiner Vorsitzenden nun ein weiteres Original gibt, wenn man so will. Wenn der Rechtstrend in Deutschland den Gipfel überschritten haben wird und viele sich fragen werden, warum so viele gesellschaftliche Scherben auf der Straße herumliegen, dann könnte der Weg für eine Person frei werden, die nicht noch mehr polarisiert oder polarisieren möchte, gleich, aus welcher Partei sie kommt.
Die Grünen sind da quasi außen vor, weil ihre aktuellen Zugpferde innerhalb weniger Jahre von Hoffnungsträgern zu Reizfiguren wurden, an denen sich fast alle anderen abarbeiten. Auch wir tun das, aber nicht aus populistischen Gründen, sondern, weil uns deren mangelhafte Performance und ihre falschen Ansprachen besorgen. Die sogenannte feministisch-werteorientierte Außenpolitik weist kratertiefe Kohärenzlöcher auf, sie funktioniert für ein Land wie Deutschland schlicht und ergreifend nicht, während mit Robert Habeck ausgerechnet in diesen Zeiten jemand das Wirtschaftsressort führt, wo es so wichtig geworden ist, der überhaupt keine Ausbildung in dieser Richtung aufweist, daher anfällig für Einflüsterungen aller Art ist und nicht überprüfen kann, ob das, was aus seinem Haus kommt, handwerklich mindestens okay ist. Im Grunde müsste sich Olaf Scholz darum auch noch kümmern, tut er aber nicht hinreichend, weil dies letztlich eine Kapazitätsfrage ist, einerseits, und er führt nun einmal mehr kooperativ, das ist es wohl auch, was er meinte, dass Führung bekommen wird, wer von ihm Führung haben will.
Die Grünen und die SPD leiden mit ihrer aktuellen Aufstellung darunter, dass wir nicht in ruhigen Zeiten leben, wo man das eine umsteuern, das andere perfektionieren und dabei immer ein gemächliches Tempo vorlegen kann. Ein Tempo, das den Schaden von Baerbocks Wirken begrenzt, das Habeck die Zeit zum Lernen und Scholz die Luft zum Vermitteln gibt. Selbst dann würde ein Zukunftsnarrativ fehlen, aber das würde nicht so auffallen wie jetzt, schließlich kam Angela Merkel mit der Narrativlosigkeit ganze 16 Jahre lang durch.
Nun sind die Zeiten aber anders und daran kann sich die Ampel erkennbar nicht anpassen, was ihre Ansprache an die Menschen angeht. Das gilt auch für die Grünen, da kann Habeck noch so viele Kanzlerersatz-Videos absenden. Die Medien mag er damit beeindrucken, die Menschen sind sehr verhalten, wie das Politbarometer zeigt.
Das bedeutet auch, wenn die Grünen in eine Regierung mit der Union gehen, werden sie sehr meinungsstarken Profis von CDU und CSU deren Gepräge bestimmen. Und das nicht zum Guten der Gesellschaft, wenn sie sich nicht einkriegen und zur Verantwortungsethik durchringen können. Ob die SPD dabei mitmachen muss oder die Grünen, ist letztlich egal, es wird dem Land und dem Zusammenhalt dieser Gesellschaft weiter schaden. Zumal ein weiterer Aspekt hinzukommt: Mit ihren Uralt-Rezepten werden Union und FDP nicht die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Welt zugunsten Deutschlands nutzen können und weder SPD noch Grüne sind die Parteien, die eigene, konsequent ausgearbeitete, strategische Konzepte entgegensetzen könnten. Selbst wenn diese vorhanden wären, wären sie nicht gegen die stärkste Kraft, die Union, durchzusetzen, die mehr als alle anderen Parteien in den Mustern von gestern gefangen ist.
Die Grünen haben einen Mangel an politischer und fachlicher Substanz erreicht, der besorgniserregend ist. Ihre Kernwählerschaft stört das kaum, weil sie meist in sehr abgesicherten Verhältnissen lebt, aber viele, die diesen Laden am Laufen halten, sehen es anders. Ein anderer Kanzlertyp als Scholz wird sich das zunutze machen, um die Grünen zu marginalisieren und sie mehr oder weniger zu benutzen. Wir haben zwar mit „unentschieden“ gestimmt, aber eine Empfehlung hätten wir schon: In die Opposition gehen und dort darüber nachdenken, wie man sich so aufstellen will, dass Vertrauen in grüne Politik entsteht, das genau so ist, wie es die Grünen doch am besten hinbekommen sollten: nachhaltig. Wenigstens ökologisch-wirtschaftlich, für den sozialen Ausgleich müssen eh andere sorgen.
TH
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

