Wie bewerten Sie es, dass 17-Jährige der Bundeswehr beitreten können? (Umfrage + Überraschungs-Info + Kommentar) Briefing 599 | PPP, Politik, Personen, Parteien, Geopolitik, Gesellschaft

Briefing 599 Geopolitik, Gesellschaft, Bundeswehr, PPP, Wehrdienst mit 17, falsche Friedensbewegte und echte Kriegshetzer

Viele Menschen, die einmal Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, werden sich für die heutige Civey-Umfrage interessieren:

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie es, dass 17-Jährige der Bundeswehr beitreten können? – Civey

Wir kommentieren unterhalb des Civey-Begleittextes und wir versprechen, Sie werden eine Überraschung erleben.

Civey-Text zur Umfrage:

Die Linke kritisiert die Rekrutierungsmaßnahmen der Bundeswehr. Ein freiwilliger Bundeswehrdienst ist laut SZ ab dem vollendeten 17. Lebensjahr mit Einverständnis der Eltern möglich. Dem Bundesverteidigungsministerium zufolge wurden hierzulande in den vergangenen fünf Jahren 7.681 Minderjährige rekrutiert. Letztes Jahr wurde ein Höchstwert mit 1.996 Rekrut:innen von unter 18 Jahren verzeichnet, 2022 waren es 1.773. Ferner wurden im vergangenen Jahr 3.460 Vorträge an Schulen und Hochschulen gehalten, mit denen etwa 90.000 Schüler:innen und Studierende erreicht wurden. 

„Die Bundesregierung scheint den Schutz von Minderjährigen vor Militarisierung inzwischen völlig aufgegeben zu haben“. Das sagte die bildungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Nicole Gohlke, letzte Woche gegenüber der dpa. Ferner kritisiert die Linkspartei die Auftritte von Jugendoffizier:innen der Bundeswehr in Schulen. In den Augen der Linken sollte die Schule ein politisch neutraler und sicherer Ort sein, in dem politische Bildung unabhängig und altersgerecht gelehrt werde. „Diese bewusste und zunehmende Anwerbung Jugendlicher ist inakzeptabel“, so Gohlke. 

Das Bundesverteidigungsministerium weist den Vorwurf der Militarisierung von sich. Insofern hätten Interessierte Nachteile gegenüber gleichaltrigen Berufseinsteiger:innen im zivilen Bereich, wenn sie bis zur Volljährigkeit warten müssten. Außerdem würden 17-Jährige grundsätzlich nicht in den Einsatz geschickt. Zudem würden Jugendoffizier:innen keine Nachwuchswerbung in Schulen vollziehen, heißt es im Jahresbericht der Truppe. Die Schulbesuche kämen auf Einladung der Schulen zustande und dienten der Aufklärung über militärische und sicherheitspolitische Grundsatzfragen sowie über Bundeswehreinsätze. 

Unser Kommentar

  • Ab 17 Jahren ist eine Verpflichtung mit Einverständnis der Eltern möglich. Diese Regelung gibt es schon länger. Sie wurde also nicht vom aktuellen Verteidigungsminister Boris Pistorius angeschoben, sondern von einem / einer seiner CDU-Vorgänger:innen. Stimmt das? Nicht ganz. In Wirklichkeit gibt bzw. gab es das in Deutschland schon vor langer Zeit. Aber nicht bei der Bundeswehr. In unserer Generation fand der Einzug zum Pflichtwehrdienst, mit der Tauglichkeitsprüfung als Eingangsvoraussetzung, ab 18 statt.

Informationen für Geschichtsvergessene

Behalten wir uns den oberen Satz im Kopf. Wir hatten eine Idee, weil gerade die Linke und natürlich auch das BSW, das auf jeden vorgeblich friedensaktiven Spin aufspringt oder ihn selbst in die Welt setzt, so protestieren. Wir haben uns bei der Recherche noch einmal vergewissert und die Quellennennung verbessern lassen. So hat die KI im zweiten Anlauf geantwortet:

Ja, ich bin sicher, dass die beschriebene Situation der NVA (Nationale Volksarmee) der DDR korrekt ist. Hier sind die relevanten Details, die bestätigen, dass Minderjährige in der NVA unter bestimmten Bedingungen dienen konnten.

  1. **Wehrpflicht und Musterung**: Die allgemeine Wehrpflicht wurde in der DDR 1962 eingeführt. Die Musterung für den Wehrdienst erfolgte in der Regel im Alter von 17 Jahren. Jugendliche mussten sich also bereits mit 17 Jahren entscheiden, ob sie sich eventuell für eine längere Dienstzeit verpflichten wollten[1][2].
  2. **Freiwilliger Dienst ab 17 Jahren**: Jugendliche konnten sich ab 17 Jahren freiwillig zum Dienst in der NVA melden. Dies erforderte jedoch die Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten, wenn sie noch minderjährig waren[1][3].
  3. **Gesetzliche Regelungen**: Die rechtlichen Rahmenbedingungen der DDR erlaubten es, dass Minderjährige unter bestimmten Voraussetzungen Verträge mit der NVA abschließen konnten. Dies war Teil der umfassenden Militarisierung der Gesellschaft und der ideologischen Erziehung durch die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)[2][4].
  4. **Ausbildung und Verpflichtung**: Minderjährige, die sich freiwillig meldeten, konnten verschiedene militärische und technische Ausbildungen in der NVA durchlaufen. Die Verpflichtungsdauer konnte je nach Laufbahn und Position variieren[1][3].

Diese Informationen basieren auf den historischen Gegebenheiten und den spezifischen gesetzlichen Regelungen der DDR, die sich von den heutigen Regelungen in Deutschland unterscheiden. Die Quellen bestätigen, dass die NVA Minderjährige unter bestimmten Bedingungen in den Militärdienst einbezog.

Quellen

  1. [MDR](https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/nva/nva-volkspolizei-grenzpolizei-grenztruppen-wehrpflicht-grenzer-ddr-100.html)
  2. [Wikipedia](https://de.wikipedia.org/wiki/Nationale_Volksarmee)
  3. [Wissenschaft & Frieden](https://wissenschaft-und-frieden.de/artikel/wehrpflicht-und-wehrdienst-in-der-ddr/)
  4. [Haus der Geschichte](https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-gruenderjahre/weg-nach-osten/nationale-volksarmee.html)

Wo hat die Bundeswehr sich ihre gegenwärtige Regelung also in weiten Teilen abgeschaut?

Man weiß wirklich nicht, ob man all die DDR-Ostalgiker und Putinfreunde, die ja nicht nur aus der DDR stammen, einfach nur noch zum Kotzen oder lächerlich finden soll. Sorry, aber die Formulierung musste sein, denn hier geht es um Minderjährige und um eine Scheinheiligkeit, die in der Politik keine Seltenheit ist, aber sich bei diesem wichtigen Thema verbieten sollte. Wir haben jetzt noch recherchiert, ob in der DDR 17-Jährige, anders als in der Bundeswehr, auch für Kampfeinsätze hätten herangezogen werden können um den ethischen Krater vielleicht noch zu vertiefen, der sich hier auftut. Uns hat gereicht, was wir oben gelesen haben.

Hier melden sich die Falschen zu Wort, das ist das Problem, nicht die Meinung an sich. Doppelstandards wieder einmal, wohin man schaut. Wir markieren es immer, wenn wir derlei finden, auch bei der aktuellen Regierungs- und besonders der Außenpolitik, also dürfen wir das auch in diesem Fall tun.

Selbstverständlich sind wir trotzdem gegen eine Verpflichtung Minderjähriger.

Wir waren mindestens 18, als es losging, volljährig also. Und viele waren sich nicht der Tragweite dessen bewusst, was sie mit diesem Dienst für ein Risiko eingingen oder eingegangen wären, wenn es wirklich zu einem heißen Krieg gekommen wäre. Wir waren politisch relativ gut gebildet, aber auch wir haben uns darauf verlassen, dass schon nichts passieren wird. Das kann man heute aber niemandem garantieren, der sich freiwillige meldet, die Bundeswehr fährt schließlich Auslandseinsätze, das war zu unserer Zeit undenkbar.

Den Wehrdienst, der tödlich enden kann, mit einem ganz normalen Job zu vergleichen wie einer Bäckerlehre – um es ehrlich zu schreiben, wir würden den Politikern oder wer auch immer sich das ausdenkt, also Menschen, die diesen Vergleich für zulässig halten, am liebsten die kräftigste Ohrfeige verpassen, die uns zu Gebote steht und sie dann in die Ukraine zum Wehrdienst im Schützengraben abkommandieren.

Jede andere Berufsentscheidung mit 17 ist reversibel, wenn sie noch nicht verständig genug getroffen wurde. Wer sich bei der Bundeswehr verpflichtet und es durchzieht, der hätte schon ein Jahr später keine Möglichkeit mehr, etwas zu revidieren, wenn er beim Kampfeinsatz oder auch bei der „Friedenssicherung“ ums Leben gekommen wäre. Deshalb ist auch die Werbung der Bundeswehr an Schulen kritisch zu sehen. Zumindest darf sie nicht dazu führen, dass schon Jugendliche Verträge unterschreiben, egal, ob die Eltern zustimmen oder nicht. Generationen von Eltern haben ihre Kinder ziemlich leitfertig in Kriege geschickt, nationalistisch, wie sie nun einmal waren.

Das Alter spielt beim Überblick für die Folgen einer Entscheidung nicht die alleinige Rolle, wie der Bezug auf die Eltern klarstellt, aber eine wesentliche. Nicht umsonst ist die Volljährigkeit auf 18 Jahre festgelegt, bis 1974 lag diese Grenze, die auch über die volle Geschäftsfähigkeit entscheidet, bei 21 Jahren. Umfangreiche Geschäfte dürfen mit Einwilligung der Eltern schon früher getätigt werden, dem ist die Verpflichtung mit 17 bei der Bundeswehr nachgebildet, obwohl sie kein übliches (zivilrechtliches) Rechtsgeschäft darstellt und aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf das Leben junger Menschen im Falle eines späteren Einsatzes eben nicht mit üblichen Ausbildungsverträgen zu vergleichen ist.

Gerade in der Berufsarmee, die wir mittlerweile haben, sollte niemand einchecken mit der Haltung, dass eben nichts passieren kann, in typisch jugendlicher Risikobereitschaft, wie das bei uns noch der Fall war, weil ein Krieg damals aller Wahrscheinlichkeit nach auch einen Atomkrieg bedeutet hätte, und die Wette auf die Abschreckung doch eine sehr hohe Gewinnwahrscheinlichkeit auswies und sich als richtig herausgestellt hat.

Damals kamen keine Bundeswehrsoldaten beim Einsatz ums Leben, das ist mittlerweile anders, wie wir alle spätestens seit Afghanistan wissen, wo übrigens Bundeswehrsoldaten sinnlos gestorben sind, wenn man das Ergebnis dieses Einsatzes betrachtet. Aber das Risiko gehen Berufssoldat:innen der Bundeswehr ein. Und das muss gut überlegt sein. Dass sie von der Politik verheizt werden, anstatt dass es um lebenswichtige Interessen der BRD geht, ist allemal möglich. Im Grunde müsste deshalb auch eine neutrale Risiko-, nicht nur eine werbende Chancenberatung stattfinden, die verpflichtend wäre, bevor man einen Vertrag bei den Streitkräften unterzeichnet.

Uns ärgert die Minderjährigenrekrutierung auch deshalb, weil die heutige Berufsarmee immer mehr anderen Berufsarmeen ähnelt, zwangsläufig: In ihr ist nicht mehr ein Gesellschaftsquerschnitt anwesend wie zu unserer Zeit, von den damaligen Berufs- und Zeitsoldaten abgesehen und abzüglich der linksorientierten Kriegsdienstverweigerer – wenn man so will, also ein Zweidrittel-Abbild, sondern wie in allen Berufsarmeen gehen vor allem Junge Menschen aus nicht privilegierten Milieus zur Armee, weil sie sich dort Aufstieg, Sicherheit, sogar Kameradschaft und soziale Einbindung erhoffen, die es in der Familie oder im Umfeld nicht gab. Wir sind uns hingegen ganz sicher, dass sich keine helikopterüberwachten Kinder aus hochgestellten Haushalten mit 17 einfach mal bei der Army melden werden, wenn wirklich Krieg in der Luft liegt. Da werden die Eltern nicht zustimmen, selbst wenn unversehens  und gegen jede Erziehungsabsicht ein  Kind vom lässigen Konsumenten zum feurigen Patrioten mutieren sollte.

Diese Handhabe, schon Jugendliche zu rekrutieren, die mit 18 schon voll einsatzbereit sind, hat also auch einen sozialpolitischen, einen klassenpolitischen Aspekt. Es trifft immer diejenigen, die schon zu allen Zeiten und in allen Kriegen das sogenannte Kanonenfutter waren oder wie immer der Begriff vor der Erfindung der Artillerie lautete. Diejenigen, die für die Reichen und derjenigen, die zu allen Zeiten von allen Kriegen profitierten, den Kopf hinhielten. Leben zählen nicht gleich, das wird hier wieder sehr offensichtlich

Dieser Aspekt war für uns einer der Gründe, warum wir gegen die Aufhebung der Wehrpflicht waren und warum wir für die Wiedereinführung einer allgemeinen Dienstpflicht stimmen, die ja nicht bei der Bundeswehr abgeleistet werden muss. Auch ein sozialdienlicher ziviler Einsatz wäre ein wertvoller Beitrag, ein Dienst an der Allgemeinheit, der in diesen Zeiten der Vereinzelung nottut.

Aber die Grenze für solche Verpflichtungen muss immer mindestens das Erreichen der Volljährigkeit sein, auch wenn mit diesen Diensten keine tödliche Gefahr verbunden ist. Ein solcher Einsatz ist etwas Höchstpersönliches im Dienst für andere und steht ethisch mehr im Fokus als eine Lehre; stellt hohe Anforderungen an die eigene Integrität und Einsatzbereitschaft, und das gilt für die Bundeswehr aufgrund der möglichen Gefahren im Dienst noch mehr als für eine Dienstverpflichtung im systemrelevanten zivilen Bereich.

Wie wurde bisher abgestimmt und wie sind wir verfahren?

Die Abstimmenden sind gespalten. Die jeweils eindeutigen Meinungen teilen sich in 33 Prozent pro und 34 Prozent kontra Verpflichtung und Wehrdienstbeginn mit 17. Wie wir abgestimmt haben, ist oben schon vermerkt: Wir haben dagegen votiert, dass man bereits mit 17 eine Entscheidung auf Leben und Tod treffen darf, auch wenn die Zustimmung der Eltern eingeholt werden muss. Jugendliche sind vor dem Tod oder vor Entscheidungen, die ihn wissentlich herbeiführen können, ausnahmslos zu schützen, soweit das irgend möglich ist. Wir sind deswegen auch bezüglich des Auto-Führerscheins mit 16/17 skeptisch. Eltern sind keine Fahrlehrer, sondern mitunter große Deppen im Straßenverkehr, deren Kinder sich das dann frühzeitig abschauen dürfen.

Trotzdem ist auch der Straßenverkehr nur bedingt mit einem eventuellen Kriegseinsatz zu vergleichen, obwohl im Straßenverkehr viel mehr Menschen getötet werden als nach dem Zweiten Weltkrieg durch Einsätze der Streitkräfte.

Wohl aber gibt es eine Verbindung zu einem anderen Thema: Wir haben uns vor längerer Zeit generell gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgesprochen. Fraglich ist in diesen Tagen, ob wir, solange es um erfahrene Soldat:innen geht, die wissen sollten, was sie tun, diese Meinung werden vollständig aufrechterhalten können. Gerade wieder gibt es zum Beispiel „Präsenzfahrten“ der Marine in Südostasien, die viele Fragen aufwerfen, denen man sich ernsthaft stellen muss, anstatt die für Politiker oft zur zweiten Haut gewordene  Scheinheiligkeit an den Tag zu legen.

Mit den Scheinheiligen meinen wir, wohlverstanden, nicht nur die Apologeten des putingerechten Diktatfriedens, sondern auch deren Antagonisten, der Rüstungsindustrie oder rechten Thinktanks und imperialistischen Geostrategen nahestehende Kriegshetzer.  

Dass etwa die Hälfte der Abstimmenden in Sachen Bundeswehr es anders sieht als wir und bedenkenlos Jugendliche in den Militärdienst gehen lassen will (bzw. die gängige Praxis richtig findet), ist jedoch einmal mehr ein bedenkliches Zeichen in Bezug auf Demokratie, Zivilisation und Rechtsstaat, der Minderjährige und Minderprivilegierte besonders zu schützen hat.

Dass unter den Ablehnenden wiederum einige sein dürften, die wir inständig anflehen möchten, endlich mal ihre doppelzüngige große Klappe zu halten, wenn es um Leben und Tod geht, ändert nichts an der sachlichen Richtigkeit dieser Ablehnung. Man ist fast immer auch mit den Falschen unterwegs, gleich, zu welchem Thema man sich eine Meinung bildet und sie darstellt.

TH


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