Das Ekel (DE 1939) #Filmfest 1135

Filmfest 1135 Cinema

So ein Gemoser

Das Ekel ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahre 1939 von Hans Deppe mit Hans Moser in der Titelrolle. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück (1924) von Hans Reimann und Toni Impekoven. Bei dem Film handelt es sich um eine Neuverfilmung des Filmes Das Ekel von 1931.

Jetzt wissen wir endlich, woher der Begriff „mosern“, „rummosern“, „herummosern“ kommt. Vermutlich hat ihn Hans Moser im Alleingang nicht nur erfunden, sondern auch unter die Menschen gebracht. Was es sonst zum Film zu schreiben gibt, steht in der Rezension.

Handlung (1)

Karl Sträubler ist ein richtiges Ekelpaket, ständig ist er am nörgeln, schimpfen und mosern. Bei seinen Mitmenschen gilt der klein gewachsene Wiener Spediteur und Weingroßhändler als regelrechter Querulant. Er tyrannisiert seine Familie und steht im ständigen Clinch mit den Behörden. Derzeit ist für ihn die Straßenbahn, die genau vor seinem Haus in der Kurve quietschende Geräusche macht ein ständiger Quell des Ärgernisses. Als Sträubler sich mal wieder nicht verstanden glaubt, verfasst er ein knallhartes Beschwerdeschreiben an das Gericht. Der Meckerer hat Glück im Unglück, denn sein einziger Freund, der Justizoberwachtmeister August Weichert, fängt den geharnischten Brief vorher ab und kann damit verhindern, dass sich Karl diesmal ernsthaft Ärger einhandelt. August macht Karl unmissverständlich klar, dass dieser den von ihm abgefangenen Brief unbedingt zurückziehen sollte, sonst könne er nicht garantieren, dass Sträubler diesmal wegen seiner verbalen Ausfälle für einige Zeit hinter Gittern muss. Dies macht Karl nur noch wütender, und er beschimpft nun erstmals auch seinen Freund und droht diesem, ihn wegen Unterschlagung anzuzeigen, sollte er das Schreiben nicht an den Adressaten im Gericht weiterleiten. (…) (2)

Leni Sträubler, die Tochter des großen, kleinen Wüterichs, hat ebenfalls unter der väterlichen Despotie zu leiden. Sie liebt den Automechaniker Heinrich Weichert, Augusts Sohn, soll aber lieber den ziemlich öligen Ferdinand Scheibler heiraten, dessen Vater Matthias beruflich im selben Beritt wie Karl unterwegs ist, im Weinhandel. Scheibler junior hat wiederum hat ebenso wenig wie Leni Lust auf diese arrangierte Ehe, denn sein Herz gehört Gusti Pitzinger, der Tochter des Friseurmeisters Anton Pitzinger. Dies alles schert das Ekel Karl recht wenig, und so setzt er kurzerhand eine Verlobungsanzeige für Leni und Ferdinand auf. Dies geht nun dem Rest der Familie definitiv zu weit: Leni Sträubler sträubt sich und stürmt aus dem Haus, um Exil bei den Weicherts zu suchen und zu finden, und auch Karls bislang ziemlich duldsame Gattin Karoline packt Kind und Kegel und zieht mit beider Sohn Fritz aus dem Haus. Von nun an geht es für Karl steil bergab.

Der Brief an das Gericht wurde zugestellt, und Sträubler muss sich dort wegen Beamtenbeleidigung verantworten. Er wird, da er sich aus Knickrigkeit keinen Rechtsbeistand sucht und glaubt, er sei sein bester Anwalt in eigener Sache, zu 14 Tagen Haft verurteilt. Im Gefängnis beißt der störrische Weingroßhändler mit seiner querulatorischen Art jedoch bald auf Granit und muss lernen, sich den Anordnungen zu fügen. Eines Tages wird ein lebensfroher Musikant namens Willibald Sperling in seine Zelle verlegt, der mit seiner positiven Art allmählich einen Sinneswandel beim quengeligen Querkopf bewirkt. Karl erkennt, dass er mit seiner Sturheit und seiner Streitlust eine echte Belastung für seine Familie geworden ist und nimmt sich vor, ein besserer Mensch zu werden. Als Weichert Karl in dessen Zelle besucht und ihm ordentlich den Kopf wäscht, ist es Karl, der zum ersten Mal Einsicht zeigt und klein beigibt. Karoline Sträubler hat derweil ein Gnadengesuch eingereicht, das Karls vorzeitige Freilassung bewirkt. Als niemand von seiner Familie vor dem Gefängnistor auf ihn wartet, hat er erstmals richtig Angst, dass keiner mehr etwas von ihm wissen will. Doch daheim wartet bereits eine festlich gedeckte Tafel, an der sich die gesamte Familie, inklusive Neuzugang Heinrich Weichert, versammelt hat. Jetzt stört das einstige Ekel auch nicht mehr die quietschende Straßenbahn, die soeben tösend um die Ecke fährt.

Rezension

Wir waren überrascht zu sehen, dass der erste Film von Hans Deppe, der bei „Das Ekel“ im Regiestuhl saß, „Der Schimmelreiter“ von 1934 war. Da klang sofort etwas an. Nämlich die Mittelstufe. Unser cinéastisch gepräger Deutschlehrer, den wir schon in der Rezension zu „Fahrstuhl zum Schafott“erwähnten und der eine Mitschuld trägt an unserer kaum bezähmbaren Liebe zu alten Filmen. Auch diese alte Adaption des Fontaneschen Deichdramas hat er uns auf 16-mm-Rollen vorgeführt. Oder war’s doch schon VHS? Vermutlich Letzteres, aber zur Legende vom alten Film gehört, dass er auf Zelluloid dargeboten wird.

Die beiden Filme unterscheiden sich stark voneinander und in den 50ern setzt sich dann eine komödiantische Linie fort bis zu Heinz Ehrhardt („Immer die Radfahrer“, 1958) und eine andere zweigt ab ins Heimatgenre („Schwarzwaldmädel“, 1950 – den wir für den Wahlberliner besprechen werden). Hans Deppe entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer regieseitigen Allzweckwaffe und wenn man „Das Ekel“ betrachtet, dazu die soeben erwähnten Filme und einige mehr, ahnt man, warum.

Auch wenn dabei keine kinematographischen Spitzenwerke herauskamen, der Mann wusste, was das Publikum zu genau jener Zeit mochte, in welcher die Filme entstanden, und was die Schauspieler, die er darin einsetzte oder einzusetzen hatte, am besten konnten. Sie wirken in seinen Filmen recht natürlich und frei aufspielend.

Ganz besonders gilt das für Hans Moser in „Das Ekel“. Sein ganzer Typ von Pedant und Familientyrann, von notorischem Gerichtebeschäftiger und beleidigter Leberwurst ist superb. Wir alle kennen diesen deutsch-österreichischen Typus, der durch das Wienerische und die im Grunde augenscheinliche Herzensgüte des Mannes gemildert wird. So kennen wir uns doch irgendwie – immer penibel bis zum Anschlag, aber am Ende siegt das Menschliche. Ja, wenn’s so wäre, es gibt wirklich sinistere Eingabenkönige und Nachbarschaftsstreithämmel und wir werden auch das Gefühl nicht los, dass die eher preußisch-norddeutsch sind, wenn sie übers Ziel hinausschießen und nicht mehr wissen, wo sie umkehren sollen. Natürlich profitiert das Ekel namens Karl Sträubler von einer großzügigen Umwelt, die ihn herzlich gerne mag und Schaden von ihm fernhalten will, so gut es geht. Wäre er Menschen und Ämtern ausgesetzt, die zum Mobbing neigen, wäre er nicht mit ein paar Wochen Gefängnis davongekommen, die zudem noch durch ein Gnadengesuch seiner Frau verkürzt werden.

Was uns den Typ so sympathisch macht, ist, dass wir ganz genau verstehen, was ihn umtreibt. Dieser Wille des Kleinbürgers, Präsenz zu zeigen, sich nichts gefallen zu lassen, seine Welt zu steuern und sich nicht Mächten auszuliefern, die stärker, einfach nur stärker sind. Eigentlich ein renitenter Individualist, der nicht perfekt in die Zeit von 1939 passt.

Besonders gut fanden wir den Aufhänger bzw. Auslöser der Handlung, die quietschende Straßenbahn. Es ist ja nun nicht so, dass es wegen geräuschvoller Verkehrsmittel nicht auch in der Realität schon Ärger gegeben hätte. Wer genau hinschaut, weiß genau Bescheid. Wir nehmen ein naheliegendes Beispiel: In Berlin und Umgebung sorgt ein Flughafen für Riesenwirbel, der noch gar nicht fertig ist, der vermutlich auch nie fertig werden wird – und das seit Jahren. Dagegen ist Mosers Gemosere gegen ein garantiert viel aufdringlicheres Geräusch als das ferne Säuseln moderner Düsentriebwerke eine quantité négligéable, die zum Schmunzeln anregt – zumal er selbst ein Auto hat und die Bahn nicht benutzt, während bezüglich besagtem Flughafen den stillen Verdacht hegen, dass diejenigen, die riesige Anti-Flughafen-Plakate vor ihre Jägerzäune oder Designerzäune aus Schmiedeeisen hängen, genau diejenigen sind, die einst vom BBI aus in höchst umweltschädlicher Weise so nah wie möglich an ferne Palmenstrände heranfliegen werden (natürlich nur, falls der BBI = Berlin Brandenburg International (Airport) doch noch dank höchster Durchhaltekraft der dilettierenden Beteiligten sowie ungeheurer weiterer Zuschüsse seitens des allgemeinen Steuerzahlers in Betrieb gehen wird).

Ein wenig verwundert hat uns, dass Ekel Karl als mittelständischer Speditionskaufmann daherkommt, klassischerweise ist er ja ein Erbsenzähler von einem Beamten, aber diese antiklischeehafte Berufszuordnung hat auch ihren Reiz, denn auch im Unternehmer schlummert zuweilen der renitente Wutbürger, der sich nicht immer gemeinschaftsdemonstrativ Luft macht, sondern auch durch einzelpersönliche Belagerung der Verbraucherzentrale.

Wenn auch nicht so häufig wie bei der anderen erwähnten Berufsgrupe, denn ein Unternehmer hat heutzutage, das mag 1939 anders gewesen sein, als das Verhältnis von Aufwand und Ertrag noch stimmte, kaum die Zeit und die Energie für solche Nebenkriegsschauplätze, wie Ekel Karl sie eröffnet – um sie später, gegen Ende des Films, geläutert zu verlassen, ohne gesiegt zu haben oder wirklich besiegt zu sein. Nein, seine Frau teilt ihm mit, er soll sich bloß nicht wegen dieser Gefängniswoche kathartisch paralysiert verhalten, man habe sich so an ihn gewöhnt, wie er nun einmal ist. Im Grunde treusorgend und eben doch väterlich. Es macht gewiss einen Unterschied, ob ein liebenswert frecher Sohn mal einen Schubser erhält oder von einem der seinerzeit und vor wegen und nach schlecht verdauten Weltkriegen häufig anzutreffenden Typus Vater mit sadistischer SS-Schergen-Mentalität brutalisiert oder systematisch klein gemacht wird. Was ist dagegen der Moser Hans oder Sträubler Karl doch für ein Gemütsmensch.

Klar ist der Film strukturkonservativ, wie anders, an der Schwelle zum großen Schlag ins Verderben, als es galt, die Kräfte der Volksgemeinschaft zu bündeln, mit all den liebenswerten Macken, wie ein Hans Moser sie hier glaubwürdig darstellt – und den weniger liebenswerten, zum Bespiel einer Pedanterie, die Alltäglichkeiten mit der gleichen Sorgfalt aufblähte, wie sie in der Lage war, Massenvernichtung an Menschenleben und eine für ein vergleichsweise kleines Land wie Deutschland (ab 1938: inklusive Österreich) verblüffende Kriegsmaschinerie so einwandfrei zu organisieren und zügig voranzubringen, dass sechs Jahre lang Dunkelheit über Europa fiel – inklusive dem im Film immer so idyllisch wirkenden Wien.

Vor dem Anschauen hatten wir 1936 als Produktionsjahr im Kopf, wunderten uns dann aber über den recht modernen Hut, den Sträublers Tochter Leni  (Herma Relin) trägt, als sie angeblich mit dem ihrem Vater genehmen Ferdinand Astronomie hört, in Wirklichkeit aber mit Heinrich unterwegs unter den Sternen ist. Ferdinand hingegen mag lieber die Gusti (Else von Möllendorff), eine kleine Tauschkomödie ist also auch mit enthalten im Ekelpaket. Dieser angeblich schüchterne Ferdinand knöpfelt der Gusti in einer Szene übrigens an der Bluse herum, da dachten wir: Das hätte es in einem amerikanischen Film von 1939 aber nicht gegeben. Woran man sieht, dass in der Nazizeit manches auch naturalistischer gezeigt werden konnte war als auf der anderen Seite des Atlantik. Aber sich deswegen die alten Zeiten mit ihren gut angezogenen Parkspaziergängern und Bengelchen in Matrosenanzügen zurückwünschen? Naa, wirklich net.

Finale

Schade, dass der Ton der von uns geschauten Version schlecht war, da half auch ein ruhiges und kontrastreiches Schwarzweißbild nicht immer drüber hinweg. Die mäßige Soundqualität, verbunden mit dem allfälligen österreichischen Dialekt, der durch Hans Mosers Genuschel und Gestottere noch einmal ein Stück unverständlicher wird, hat diesen Film zu einer vergleichsweise anstrengenden Aufgabe gemacht. Dem Problem könnte eine Restauration durch die Murnau-Stiftung abhelfen, andererseit ist der Film für solchen Aufwand nur des guten Tons wegen wohl nicht künstlerisch genug und optisch besteht eh keine Notwendigkeit. Wir haben den Fernseher halt etwas lauter gestellt und so schlimm ist das zeitweilige Ohrensausen letztlich nicht, denn die Handlung ist einfach zu verfolgen und manches kann man auch ahnen, ohne es genau zu verstehen.

Die IMDb-Nutzer:innen weisen dem Film anständige 6,9/10 zu. Hauptsächlich wegen des urigen Hans Moser, aber auch der spontan und frei wirkenden Spielweise aller Darsteller kommt „Das Ekel“ heute noch erstaunlich frisch daher und bekommt trotz seiner teilweise reaktionären Botschaften, auf die wir im vorliegenden Format nicht einzeln eingehen können, (3) noch 

66/100

© 2024, 2012 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

(1), (2), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Hans Deppe
Drehbuch Otto Bielen[1]
Walter F. Fichelscher
Produktion Robert Wuellner
Walter F. Fichelscher
Musik Franz R. Friedl
Kamera Erich Claunigk
Besetzung

(2) Wikipedia, weiter zur Handlung: Leni Sträubler, die Tochter des großen, kleinen Wüterichs, hat ebenfalls unter der väterlichen Despotie zu leiden. Sie liebt den Automechaniker Heinrich Weichert, Augusts Sohn, soll aber lieber den ziemlich öligen Ferdinand Scheibler heiraten, dessen Vater Matthias beruflich im selben Beritt wie Karl unterwegs ist, im Weinhandel. Scheibler junior hat wiederum hat ebenso wenig wie Leni Lust auf diese arrangierte Ehe, denn sein Herz gehört Gusti Pitzinger, der Tochter des Friseurmeisters Anton Pitzinger. Dies alles schert das Ekel Karl recht wenig, und so setzt er kurzerhand eine Verlobungsanzeige für Leni und Ferdinand auf. Dies geht nun dem Rest der Familie definitiv zu weit: Leni Sträubler sträubt sich und stürmt aus dem Haus, um Exil bei den Weicherts zu suchen und zu finden, und auch Karls bislang ziemlich duldsame Gattin Karoline packt Kind und Kegel und zieht mit beider Sohn Fritz aus dem Haus. Von nun an geht es für Karl steil bergab.

Der Brief an das Gericht wurde zugestellt, und Sträubler muss sich dort wegen Beamtenbeleidigung verantworten. Er wird, da er sich aus Knickrigkeit keinen Rechtsbeistand sucht und glaubt, er sei sein bester Anwalt in eigener Sache, zu 14 Tagen Haft verurteilt. Im Gefängnis beißt der störrische Weingroßhändler mit seiner querulatorischen Art jedoch bald auf Granit und muss lernen, sich den Anordnungen zu fügen. Eines Tages wird ein lebensfroher Musikant namens Willibald Sperling in seine Zelle verlegt, der mit seiner positiven Art allmählich einen Sinneswandel beim quengeligen Querkopf bewirkt. Karl erkennt, dass er mit seiner Sturheit und seiner Streitlust eine echte Belastung für seine Familie geworden ist und nimmt sich vor, ein besserer Mensch zu werden. Als Weichert Karl in dessen Zelle besucht und ihm ordentlich den Kopf wäscht, ist es Karl, der zum ersten Mal Einsicht zeigt und klein beigibt. Karoline Sträubler hat derweil ein Gnadengesuch eingereicht, das Karls vorzeitige Freilassung bewirkt. Als niemand von seiner Familie vor dem Gefängnistor auf ihn wartet, hat er erstmals richtig Angst, dass keiner mehr etwas von ihm wissen will. Doch daheim wartet bereits eine festlich gedeckte Tafel, an der sich die gesamte Familie, inklusive Neuzugang Heinrich Weichert, versammelt hat. Jetzt stört das einstige Ekel auch nicht mehr die quietschende Straßenbahn, die soeben tösend um die Ecke fährt.

(3) Ursprünglich wurde der Text für die FilmAnthologie des „ersten“ Wahlberliners von 2011 bis 2016 veröffentlicht, darin waren Rezensionen nach Größenordnung unterteilt, hier „Kurzkritik“. Das entspricht angesichts einer Gesamtlänge des Textes von mittlerweile fast 2.400 Wörtern, erweitert durch den Ersatz der ursprünglichen, kürzeren Handlungsangabe durch die mittlerweile vorhandene Wikipedia-Version ohnehin nicht mehr  der damaligen Zuordnung, mittlerweile gibt es nur noch die (Standard-) Rezension, „Die große Rezension“ (ab 3.000 Wörter) und das „Filmessay“ (ab 5.000 bis 6.000 Wörter).


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