16:00
Der Rechtstrend seit der Wende
Hier hat die Taz anhand von Grafiken, von Wahl zu Wahl, die Entwicklung des Potenzials an rechten Wählerstimmen seit 1994 nachvollzogen. Sehr instruktiv anhand von Ereignissen dargestellt, die den Rechtstrend beschleunigten oder abschwächten. Deutlich erkennbar ist zum Beispiel die geradezu explosionsartige Zunahme des Wählens rechter Parteien (im Wesentlich damals schon der AfD) zwischen 2013 und 2017 – von vor bis nach der Geflüchtetenkrise im Herbst 2015.
In Wirklichkeit ist die Lage noch schlimmer als dargestellt. Würde man nicht nur die „rechten Parteien“ mit ihrer rasanten Entwicklung grafisch darstellen, sondern zusätzlich, wie sich die SPD, die CDU, die Grünen und auch die Linken im Laufe der Jahre verändert haben, gäbe es quasi eine 100-Prozent-Rechtsverschiebung. Dass die „Traditionsparteien“ trotz ihrer immer weiter in Richtung Neoliberalismus und Entsolidarisierung tendierenden Positionen die Wähler:innen nicht mehr halten können, sagt eigentlich alles über dieses veraltete Konzept. Die nächste Stufe ist, es mit völkischem Nationalismus zu verbinden und es ist die Stunde derer, die nun sagen, was sie immer schon sagen wollten, wie etwa der Bundespräsident, der seiner eigenen Partei im Grunde vorschlägt, sich von der CDU die Migrationspolitik vorschreiben zu lassen und sich damit selbst überflüssig zu machen.
Die sogenannten Volksparteien und jene, die es um die Preisgabe ihrer sozialen Identität werden wollten, haben den Rechten fleißig den Weg geebnet. Vielleicht kann die CDU sich gerade noch einmal halten, weil sie auf dem allgemeinen Weg ins Rechts noch nicht abgedrängt wurde, weil sie vielen noch rechts genug erscheint. Aber das Original und immer einen Schritt voraus ist die AfD, auch wenn die Medien sie eher markieren als ihre inhaltlichen Positionen besprechen, und dieses Problem wird der CDU noch auf den Kopf fallen, da sind wir uns ziemlich sicher. Gut möglich, dass sie bereits den Zenit ihrer Nach-Merkel-Zeit erreicht hat, falls die AfD heute noch besser abschneiden sollte, als ohnehin erwartet. Von der Mitte aus wird diese Partei mit ihrem beispiellosen Niedermachen Schwächerer, die sich immer noch christlich nennen darf, ohne dass Christen dagegen ernsthaft protestieren (so viel zu den Christen) ihr Wählerreservoir nicht mehr auffüllen können, also wird sie sich mit der AfD um die Rechtswähler balgen müssen. Die SPD vertritt ohnehin Positionen, die rechter sind als frühere CDU-Standpunkte und die Grünen verlieren den Anschluss, weil sie keine sozialpolitische Basis mehr haben, anders als im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens.
Der Trend zur Briefwahl
Bei der Bundestagswahl 2021 gaben in Thüringen nicht weniger als 47,3 Prozent derer, die überhaupt gewählt haben, ihre Stimme per Brief ab. Für uns gibt es zwei gute Gründe für die Briefwahl: Man weiß, dass man am Wahltag nicht vor Ort sein wird, zum Beispiel durch Urlaubsabwesenheit oder man ist so schlecht zu Fuß, dass man lieber von zu Hause aus wählt. Alles andere können wir nicht recht nachvollziehen, denn die Wahllokale sind meist in der Nähe und es erfordert kaum mehr Zeit, dorthin zu gehen und in die Wahlkabine, als die Unterlagen anzufordern, den Wahlzettel in einen Umschlag zu tun und wieder abzuschicken. Oder kommt uns das nur so vor, weil der Weg zum demokratischen Hochamt in Berlin wirklich immer sehr kurz ist, nie mehr als 7 bis 8 Minuten Fußweg? Für uns ist der Wahltag trotz aller Vertrauensverluste in Sachen Handhabung der Demokratie durch politische Parteien in Deutschland immer noch etwas Besonderes. Gelernt ist gelernt, könnte man sagen. Dazu gehört auch die Atmosphäre, gemeinsam mit anderen die den Wahlzettel entgegen zu nehmen und hinter einem kleinen Stand zu verschwinden. Letztes Mal, bei der Europawahl, haben wir die Kabine geradezu blockiert, weil die Entscheidung tatsächlich erst dort gefallen ist. Aber auch das gehört dazu, ebenso wie die Schlangen, die es bei anderen Wahlen schon gab (sofern nicht gerade eine Pandemie herrscht … ein Thema, das uns ausgerechnet jetzt, wo sie ein Minderheitenthema geworden ist, stark beschäftigt).
15:00 Uhr, Trend zu hoher Wahlbeteiligung
In Sachsen und Thüringen zeichnet sich bei den aktuellen Landtagswahlen eine hohe Wahlbeteiligung ab:
## Sachsen
– Bis zum Mittag hatten 25,8% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben[1][3].
– Bei der letzten Landtagswahl 2019 lag der Wert zum gleichen Zeitpunkt bei 26,2%[1].
– Die Briefwähler sind in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt. Es wird erwartet, dass 24,6% der Wahlberechtigten per Brief wählen, im Vergleich zu 16,9% im Jahr 2019[1][4].
**Regionale Unterschiede:**
– In Dresden lag die Wahlbeteiligung bis 12 Uhr bei 57,5% (2019: 53,3%)[5].
– In Leipzig betrug sie 52,5% (2019: 40,8%)[5].
– In Chemnitz lag sie bei etwa 33% (2019: 32%)[5].
## Thüringen
– Bis 12 Uhr hatten rund 32% der Wahlberechtigten in den Wahllokalen abgestimmt[5].
– 2019 lag die Wahlbeteiligung zu dieser Uhrzeit bei 31,2%[5].
– Auch hier sind Briefwähler in diesen Zahlen nicht enthalten[5].
Insgesamt deutet sich in beiden Bundesländern eine leicht höhere Wahlbeteiligung als bei den vorherigen Landtagswahlen an, wobei der Anstieg der Briefwähler besonders in Sachsen bemerkenswert ist.
Wir hoffen, dass die hohe Wahlbeteiligung in den größeren sächsischen Städten eher ein Zeichen dafür ist, dass die Demokrat:innen noch einmal alles in die Waagschale werfen, und dass es nicht auf eine besonders hohe Mobilisierung von AfD-Wähler:innen schließen lässt. Eine Wahlbeteiligung von 57,5 Prozent um 12 Uhr ist gigantisch, offenbar sind besonders die Dresdner:innen auch Früh-Wähler:innen. Die Prozentzahlen, wie bereits angemerkt, ohne Briefwähler:innen, und deren Anteil ist ja gerade ins Sachsen offenbar stark gestiegen.
Quellen
[1] https://www.n-tv.de/politik/Hohe-Wahlbeteiligung-in-Sachsen-und-Thueringen-article25196435.html
[2] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/-landtagswahlen-in-sachsen-zeichnet-sich-eine-hohe-wahlbeteiligung-ab/29969938.html
[3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-08/landtagswahl-sachsen-2024-live
[4] https://www.focus.de/politik/deutschland/landtagswahl-in-sachsen/sachsen-landtagswahl-bei-landtagswahl-zeichnet-sich-hohe-wahlbeteiligung-ab_id_260229482.html
[5] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/in-sachsen-und-thueringen-zeichnet-sich-hohe-wahlbeteiligung-ab/
[6] https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/in-sachsen-zeichnet-sich-hohe-wahlbeteiligung-ab-19955932.html
14:15 Uhr, Startbeitrag
Liebe Leser:innen, gerade wegen eines eher negativen Ereignisses werden wir es heute wohl doch schaffen, die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen etwas ausführlicher zu kommentieren. Mit einem Mix aus Ticker und Updates. Erstmals setzen wir bei einer Wahlberichterstattung auch auf die KI, um schneller und präziser Informationen aufzubereiten.
Gemäß X-Trendhashtags ist die Thüringenwahl gegenwärtig die interessantere von beiden, obwohl hier wesentlich weniger Menschen zur Wahl aufgerufen sind als in Sachsen (1,7 gegenüber 3,2 Millionen). Vermutlich liegt es daran, dass hier der Wind der Veränderung noch schärfer zu wehen scheint, die Ergebnisse noch spannender zu sein scheinen als im Nachbar-Bundesland.
14:15 Uhr
Zuletzt hatten wir uns zum Thema gestern anhand eines Kommentars geäußert, den wir zu einem Artikel des Verfassungsblogs geschrieben haben, er heißt „Vor dem Sturm“. Gerade ist der Sturm also im Gange und erste Meldungen deuten darauf hin, dass er heftig werden wird. Vor dem Sturm (Verfassungsblog + Kommentar zu den Landtagswahlen im Osten) – DER WAHLBERLINER
Zur Einstimmung empfehlen wir einen Artikel der Berliner Zeitung, in der das große Auslandsinteresse an den Landtagswahlen des 1. September beschrieben wird und wie die Korrespondenten internationaler Medien auf diese Wahlen schauen. Landtagswahlen 2024: „Der Osten erhebt sich“ – internationale Medien zur Wahl in Sachsen und Thüringen (berliner-zeitung.de). For-Free-Version hier: „Der Osten erhebt sich“: Internationale Medien zu den Landtagswahlen 2024 (msn.com)
Den Titel hat die Berliner Zeitung mit Bedacht gewählt, denn sie ist erkennbar eine Stimme des Ostens und bedient das Narrativ, dieser werde unterdrückt. Schaut man in den Artikel selbst, wird es differenzierter, dank der Einlassungen der Journalisten von abroad.
Wir werden natürlich auch die Prognosen, Hochrechnungen und für Sie aufbereiten, aber wir wollen auch immer wieder auf interessante, nicht so geläufige Perspektiven achten, wie zum Beispiel die folgende. Hatten Sie im Kopf, dass heute vor 85 Jahren der Zweite Weltkrieg von Nazideutschland ausgelöst worden war? Wir kennen das Datum, wie sicherlich auch viele von Ihnen, aber wir hatten es nicht in Bezug zu den Wahlen gesetzt.
Der Artikel berichtet über die Kritik des Historikers Peter Oliver Loew am Wahltermin für die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, die am 1. September 2024 stattfinden sollen. Dieser Tag markiert den 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und damit den Beginn des Zweiten Weltkriegs[1].
## Hauptpunkte
**Kritik am Wahltermin:**
Loew, Direktor des Deutschen Polen-Instituts, äußert, dass die Wahl dieses Datums von mangelndem historischem Bewusstsein zeuge[1].
**Bedenken bezüglich der AfD:**
Der Historiker warnt vor „unguten Assoziationen“, sollte die AfD, die vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird, in Dresden oder Erfurt gewinnen[1].
**Historischer Kontext:**
Der Artikel erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkriegs, insbesondere an die Bombardierung der Stadt Wielun durch die deutsche Luftwaffe, bei der schätzungsweise bis zu 1200 Zivilisten ums Leben kamen[1].
## Aktuelle politische Situation
**Umfragen:**
In Thüringen liegt die AfD in Umfragen deutlich vorn, während sich in Sachsen CDU und AfD ein enges Rennen liefern[1].
**Mögliche Koalitionen:**
In Thüringen wird eine Koalition aus CDU, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD als Option diskutiert. In Sachsen ist unklar, ob die bisherige Koalition aus CDU, SPD und Grünen weiterhin eine Mehrheit haben wird[1].
Der Artikel unterstreicht die [mangehlhafte, Anm. TH] Sensibilität des gewählten Wahltermins vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der aktuellen politischen Entwicklungen in den betroffenen Bundesländern.
Quelle:
[1] https://www.n-tv.de/politik/Historiker-empoert-ueber-Wahltermin-article25196212.html
Es ist jetzt obsolet, den Wahltermin als schlechtes Omen anzusehen, während die Wahllokale geöffnet sind, aber wenn man es so sieht, steht er in einer schrägen Kontinuität nationalistischer deutscher Politik. Die AfD wird nicht so leicht den Dritten Weltkrieg auslösen können wie die Nazis den Zweiten, aber es hätte niemand gedacht, dass die politischen Verhältnisse in Deutschland sie so schnell verschieben könnten, wie es heute wohl der Fall sein wird. Es gibt eine Parallele nicht hinsichtlich konkreter Vorgänge, sondern des Abwärtstrends in Sachen Demokratie.
TH
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