Unser Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Brandenburg am 22. September 2024

Briefing | Wahl-O-Mat, Brandenburg, Landtagswahlen, #ltwbr 22.09.2024

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sind Geschichte, wenn auch Geschichte mit Nachwirkungen, aber diese hat Geschichte ja immer, sonst hätte sie keine Relevanz.

Die nächste Abstimmung steht schon vor der Tür. Am 22. September wird auch in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt werden. Dieses Mal wird die AfD wohl nicht über 30 Prozent kommen. Wir werden heute die Aussichten der Parteien ebenfalls im vorliegenden Artikel besprechen, fangen aber mit der Übereinstimmung an, die wir mit den zur Wahl stehenden Parteien erzielt haben.

Hier zu unserem Wahl-O-Mat Sachsen 2024 und hier zum Wahl-O-Mat Thüringen 2024. 

Im Großen und Ganzen ist alles nicht nur wie gehabt, sondern auch, wie es sein soll. Mit einer bemerkenswert großen Spreizung. In Sachsen und Thüringen erzielte keine Partei bei uns ein Ergebnis nahe 90 Prozent, aber auch beim Thüringen-Wahl-O-Mat hatte die Linke mit 84 Prozent das Tableau angeführt. Gefolgt von den Grünen mit knapp 78 Prozent. Auch die SPD lag mit fast 77 Prozent für unsere Verhältnisse ungewöhnlich weit vorne. Auch in Sachsen war das so, da kamen die Sozialdemokraten knapp über 78 Prozent. Und wir hätten sie gewählt, wenn wir in Sachsen hätten abstimmen dürfen. Aus der Überlegung heraus, dass Umfragen darauf hindeuteten, dass Stimmen für die Linke demokratietechnisch verschenkt sein könnten, weil die Linke nicht wieder in den neuen Landtag einziehen würde.

Das hat nun nicht gestimmt, dank zweier Direktmandate, die sie erobert hat. Das ist ein Sonderfall, normalerweise erzielt eine Partei, die landesweit auf nur 4 Prozent kommt, keine Mandate, in denen ihr Kandidat der der stärkste von allen sein muss, die in einem Wahlkreis gegeneinander antreten. In Sachsen gab es diese Ausnahme gleich noch einmal. Die Freien Wähler (2,2 Prozent insgesamt) erzielten ebenfalls ein Direktmandat und schicken denjenigen, der es erkämpft hat, in den neuen Landtag. In Thüringen hätten wir Die Linke gewählt und damit dazu beigetragen, dass die CDU jetzt ordentlich ins Schwitzen kommt, weil sie unfassbarerweise an einem lächerlichen Hufeisen-Ausschließungsbeschluss gegenüber der Linken festhält, den sie erst 2018 getroffen hat, als die Linke, insbesondere in Thüringen unter Führung des Westdeutschen Bodo Ramelow  von der SED schon viel weiter weg war als die CDU nah an der AfD ist, mit der sie aber auch nicht koalieren darf.  Wenn jetzt noch ein Anti-BSW-Beschluss hinzukommt, wie es einige ihrer Politiker im Westen schon fordern, kann sich die CDU im Osten quasi zur Ruhe setzen, weil sie nie wieder mitregieren wird. Um auch dies offen zu schreiben: Wir hielten einen Anti-BSW-Beschluss für viel logischer als einen Anti-Die-Linke-Beschluss, aber, siehe oben: Wie will die CDU im Osten dann weitermachen?

Und in Brandenburg? Da sieht es vielleicht ein wenig anders aus, aber sicher ist es nicht. Betrachten wir zunächst die Wahlprognosen und die Ergebnisse von 2019:

Partei

LTW 2019

Letzte Umfrage 06.08.2024

 

SPD

26,2 %

20 %

AfD

23,5 %

24 %

CDU

15,6 %

19 %

Grüne

10,8 %

5 %

Die Linke

10,7

5 %

BVB/FW

5,0

4 %

FDP

4,1

2 %

BSW

noch nicht gegründet

17 %

Angesichts der wackeligen Stellung der Grünen und der Linken könnte man nun sagen: SPD wählen, ist doch klar. Woidke wählen. Dietmar Woidke ist als Ministerpräsident ähnlich beliebt in Brandenburg wie Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen.

Im Moment regiert die SPD mit der CDU und den Grünen, war aber auch deutlich stärkste Partei, während es am 22. Auch so kommen könnte, dass die CDU vor der SPD liegt. Der Vorsprung für Woidke und seine Mitstreiter:innen beträgt in der aktuellsten Umfrage, die wir herangezogen haben, nur 1 Prozent.

Allerdings gibt es ein Problem: Mit der SPD kommen wir im Wahl-O-Mat nur auf knapp 59 Prozent Zustimmung. Einiges zwischen der Brandenburger SPD und uns scheint nicht zu passen, und wir haben noch nie eine Partei gewählt, mit der wir beim Wahl-O-Mat-Test auf einen so geringen Übereinstimmungswert gekommen sind. Vielleicht ist das aber gar nicht so schlimm, denn:

Die AfD erhält gegenwärtig gemäß Umfragen „nur“ 24 Prozent, das ist deutlich weniger als in Sachsen und erst recht als in Thüringen, wo sie über 30 bzw. an 33 Prozent herankam. Außerdem sieht es nach der Umfrage so aus, als ob die AfD in Brandenburg gegenüber 2019 kaum einen Zugewinn verbuchen würde. Dass das keine Trendwende ist, haben die beiden gerade gelaufenen Wahlen leider klargestellt, außerdem erhält die AfD, das ist mittlerweile traditionell so, Stimmen ziemlich am oberen Rand der Umfragen, weil viele AfD-Wähler:innen ihre Absichten anscheinend immer noch kaschieren, wenn sie von Meinungsforschern befragt werden. Und anders als Civey mit seinen Algorithmen dürfen die klassischen Stimmenzähler, die behaupten, ihre Befragungen führen auf direktem Weg  zu einem in etwa repräsentativem Ergebnis keine Korrekturanleitung an die künstliche Intelligenz schreiben, die auf solchen Beobachtungen basiert.

Anders herum beim BSW: Wir erwarten eher etwas weniger als die oben ausgewiesenen 17 Prozent. Offenbar sind viele in Umfragen BSW-euphorisch, die es sich am Ende doch anders überlegen, in Thüringen stand das BSW beispielsweise in Vor-Wahl-Umfragen bei 19 bis 21 Prozent und erhielt 15,5. Trotzdem trauen wir der jüngsten Partei des Landes natürlich auch in Brandenburg locker ein zweistelliges Ergebnis zu, wir tippen auf ein ähnliches Abschneiden wie in Thüringen, weil der Erfolg immer den Erfolg fördert (bei so kurzem Zeitabstand und wenn nicht ein besonderer Umstand dazwischenkommt, der diesen Erfolg verhindert).

Wir können also das tun, was der Wahl-O-Mat uns vorgibt, und helfen, der Linken über die Fünfprozenthürde zu kommen. Oder den Grünen, mit denen wir fast 84 Prozent Übereinstimmung haben, so viel wie bei keiner Wahl zuvor? Nein, eher nicht. Wir haben uns über die Grünen in den letzten drei Jahren zu sehr geärgert. Wir sehen das nicht als das gerade im Osten übliche Grünen-Bashing an, wir können es an konkreten Fehlern festmachen. Trotzdem stehen Personen dafür. Die Personen von Habeck und Baerbock, die wir noch begrüßt haben, als sie gleichzeitig in die vorderste Reihe der Grünen rückten, haben für uns jedweden Glanz verloren. Wir müssen das hier nicht zu sehr detaillieren, aber die Wirtschaftspolitik und die Außenpolitik würden wir gerne in kompetenten Händen sehen, in diesen schwierigen Zeiten.

Dadurch, dass wir befreit die Linke wählen können, weil es in Brandenburg nicht so dramatisch wie in Sachsen und Thüringen um den Demokratieerhalt gehen dürfte, ersparen wir es uns auch, Scholz mitwählen zu müssen. Wir haben ihn mit seiner verantwortungsvollen Haltung im Ukrainekrieg zwar immer unterstützt und tun das weiterhin, aber als der Politiker, der die Menschen in Deutschland mitnehmen sollte, hat er für uns verloren. Das ist nach den letzten Wahlen endgültig klar, und leider hat die gesamte Bundes-SPD offenbar keinen Plan, wie sie diesem Abwärtstrudeln begegnen soll.

Scholz kann nicht anders, er hat keine Varianz, kann nicht die Tonlage und auch nicht den Führungsstil in der Berliner Koalition ändern, so bitter notwendig es auch gerade ist. Er hilft auf seine Weise, wie jede der Ampelparteien auf ihre Weise, die Demokratie zu beschädigen. Da kann er von Glück sagen, dass er mit seinem Parteifreund Woidke in Brandenburg jemanden hat, der sich vom Bundesverein etwas absetzen kann, gut ankommt, während Kretschmer in Sachsen auch davon profitiert hat, dass der Wind auf nationaler Ebene der CDU nicht direkt ins Gesicht bläst. Gleichwohl wird Woidke dieses Jahr Stimmenanteile verlieren, das scheint sicher zu sein.

Selbst aber dann, wenn die CDU in Brandenburg die SPD überholen sollte, könnte Woidke möglicherweise weiterregieren. Falls er nur Dritter wird (hinter der AfD und der CDU), will er gehen, das hat er angekündigt. Das wäre dann auch besser, denn auch in Brandenburg wird es nicht einfach. CDU, SPD und BSW hätten zusammen eine klare Mehrheit, aber, falls die Linken und / oder die Grünen in den Landtag kommen, könnte man auch sie hinzunehmen. Wir wagen in dem Fall nicht, vorauszusagen, welch eine Koalition am Ende herauskommen wird. Denn obwohl Brandenburg uns geografisch am nächsten ist, haben wir über die Politik dort viel weniger Informationen aufgenommen als über die in Sachsen und besonders in Thüringen, das wegen seiner möglichen Funktion als Dosenöffner für den Durchmarsch der AfD von uns am meisten beobachtet wurde. Brandenburg ist auch politisch relativ ruhig, so scheint es jedenfalls, sicherlich ein Verdient auch des Ministerpräsidenten.

Wir haben jetzt im Indikativ geschrieben. Es versteht sich von selbst, dass wir nicht rüberfahren und in ein Brandenburger Wahllokal gehen dürfen, um dort unsere Stimme abzugeben. Wir können also der Demokratie nicht wirklich helfen, sie scheint es nebenan aber auch noch nicht ganz so nötig zu haben wie weiter südlich im Osten. Das Land Brandenburg hat selbst einen Osten. Und natürlich auch einen Westen. Während der Westen bei den letzten Wahlen rot war, war der Osten 2019 schon blau. Wenn man so will, spiegelt Brandenburg im Kleinen die gesamte Republik, denn der Westen, besonders das westliche Berliner Umland, gilt als Kraftzone des Bundeslandes und als viel progressiver als zum Beispiel die ostbrandenburgischen Teile der Lausitz mit der Grenze nach Polen. Nicht umsonst haben die Grünen in Potsdam, das quasi übergangslos an Berlin anschließt, zwei Bezirke nach Stimmenzahl gewonnen, bei den Wahlen 2019, sowie in Teltow-Fläming, das ebenfalls direkt an Berlin angrenzt und in dem viele wohnen, die aus Berlin in die Einfamilienhaus-Idylle dort gezogen sind. Im Wahlkreis Potsdam I konnte erstmals in Brandenburg eine Grüne ein Direktmandat erringen.

Gehen wir ans andere Ende unserer Liste. Auf mit der AfD kommen wir regelmäßig über 20 Prozent Zustimmung, alles andere wäre auch ungewöhnlich, denn wir haben ja auch einige Fragen mit „neutral“ beantwortet, weil sie uns nicht so wichtig sind oder weil wir uns mit den landesspezifischen Problemen oder Projekten, die dahinterstecken, nicht gut auskennen. Das ist immer so, aber in Sachsen kamen wir bei der AfD auf auffällig hohe 44,6 Prozent Zustimmung – offenbar liegen die Parteien dort positionsmäßig enger zusammen als in anderen Bundesländern, denn daran, dass wir in Sachsen plötzlich konservativer abgestimmt haben, dürfte es nicht gelegen haben.

Trotzdem gibt es ein paar Themenfelder wie die Bildung, die im Brandenburg-Wahl-O-Mat keine Rollen spielen, bei denen wir wohl dichter an der AfD sind als auf anderen Gebieten. Wir wollen das nicht vertiefen, zumal die Übereinstimmung zwischen uns und den Blauen noch nie so niedrig waren wie jetzt in Brandenburg (knapp 19 Prozent), zum Ausgleich, wenn man so will.

Obwohl wir die Grünen nicht wählen würden, stimmen wir mit Sicherheit in fast allen ökologischen Themen mit ihnen überein. Wie bisher ist aber auch unser sozial- und wirtschaftspolitisches Profil bei unseren Antworten von großer Relevanz, zusammen mit den Öko-Themen gewichten wir hier oft auch doppelt, während wir bei das bei gesellschaftspolitischen Gegenständen weniger häufig tun, uns bei ihnen manchmal sogar neutral stellen.

Allerdings haben wir nach den doch alarmierenden Erfahrungen in Sachsen und Thüringen noch einmal mehr Wert auf bestimmte ökologisch-soziale und wirtschaftliche Tatbestände gelegt und ganz klar gegen die Positionen der AfD votiert, auch teilweise mit Doppelgewichtung. Das dürfte das herausragende Ergebnis der Linken wie auch über 80 Prozent für die Grünen mitverursacht haben. Es gab also etwas wie eine leichte Gegenreaktion von unserer Seite. Wir hätten das noch mehr auf die Spitze treiben können, weil wir, ohne bei den Positionen der Parteien jedes Mal nachschauen zu müssen, in etwa wissen, wer für was steht, aber das hätte wiederum nicht unserer realen Sichtweise entsprochen. Letztlich geht es darum, immer wieder die eigenen Positionen zu überprüfen, nicht darum, mit besonders hoher politischer Anschlussfähigkeit zu glänzen.

In einigen Punkten haben wir tatsächlich unsere Positionen geschärft. Bei den Grenzkontrollen haben wir mit „neutral“ gestimmt, obwohl wir eine leichte „Pro-Tendenz“ bei uns erkennen, ebenso haben wir uns klarer gegen jede Verschärfung staatlicher Repression ausgesprochen, als uns manchmal nach schlagzeilenträchtiger Verbrechen zumute ist, weil sich damit u. E. die Probleme nicht lösen lassen, die es augenfälligerweise gibt. Beim nächsten Bundes-Wahl-O-Mat werden deshalb einige Gretchenfragen auf uns zukommen: Wie stehen wir insgesamt nun in der Migrationspolitik? Fast alle Parteien treiben nach rechts, lassen wir uns mittreiben? Gehen wir bewusst den einen oder anderen Schritt mit? Wir sehen nämlich ab, dass auch die Grünen wackeln und dann Positionen räumen werden, wenn sie noch Chancen bei künftigen Wahlen haben und etwas von ihrer Klima-Agenda retten wollen (bei der wir übrigens felsenfest bleiben, ebenso wie wirtschafts- und sozialpolitisch wie unsere Antworten belegen). Einzig Die Linke wird bei der Migrationspolitik keine Kompromisse machen müssen. Das ist der Vorteil der sich abzeichnenden neuen Kleinheit der Partei. Und hier werden wir weiter einen Anker finden, wenn die anderen den Rechten nachgeben.

Die Migrationspolitik ist bei uns im Grunde immer eine Weichstelle gewesen, seit wir in Berlin leben, weil wir nicht blind durchs Leben gehen und sehen, dass in den letzten Jahren, Jahrzehnten, einiges falsch gelaufen ist. Nirgendwo in Deutschland kann man sowohl Vorteile als auch Nachteile der Immigration so gut beobachten wie in Berlin. Der gesellschaftliche Zusammenhalt, der sich heutzutage in einem friedlichen, jedem Raum lassenden Miteinander verschiedener Kulturen und gegenseitigem Respekt ausdrücken sollte, nimmt nach unserer Ansicht nicht zu, sondern ab. Wenn die Vertreter des einen oder anderen Milieus in Sachsen oder Thüringen so auftreten würden, wie sie das in Berlin tun, ohne dass selbstverständlich auch die neue, CDU-geführte Stadtregierung auch nur irgendwo Grenzen setzt (wir haben das nicht erwartet, wir wissen, wie rhetorisch Politik in dieser Stadt ist), hätte die AfD die Landtagswahlen vom vergangenen Wochenende mit absoluter Mehrheit gewonnen.

Wir müssen also auch aus Gründen der Demokratieerhaltung immer wieder scharf darüber nachdenken, wie wir uns zu bestimmten Zeiterscheinungen stellen. Grundsätzlich gilt weiterhin: Der Rechtsstaat darf sich nicht zurückziehen, im Gegenteil, muss konsequenter sein in Einzelfällen, aber darf nicht gruppenbezogen, tätig werden. Was wir dürfen: Uns ein paar Sätze zu diesem vieldiskutierten Thema erlauben. Denn wir haben mit der AfD nur 18,5 Prozent Übereinstimmung, das ist eine Aussage und eine Ansage. Wir haben auch eine Darstellung zur Bandenkriminalität in der Schublade, die wir noch etwas anfüttern müssen, bevor sie veröffentlicht werden wird.

Und hier zum Abschluss unsere Sachfragen-Antworten:

TH


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