Briefing PPP Politik Personen Parteien | Brandenburgwahl 2024, Landtagswahl in Brandenburg
11:00
Die Wahllokale in Brandenburg sind seit drei Stunden geöffnet, das Wetter ist optimal zum Rausgehen und seine Stimme abgeben. Aber die politische Großwetterlage ist nicht so schön und das politische Mikroklima in Brandenburg genauso vergiftet wie in anderen Zonen der Republik.
Das vergisst man beinahe, wenn man sieht, wie gestern Ministerpräsident Dietmar Woidke ungestört und im Kreise seiner SPD-Liebsten den Wahlkampf abgeschlossen hat. Hier können Sie noch einmal schnell nachlesen, wie die gefährliche Strategie des Ministerpräsidenten aussieht: Woidke setzt zum Abschluss auf Polarisierung (nordkurier.de). Oder etwas ausführlicher bei uns, wir haben mehrere Artikel zu einer Serie zusammengefasst:
Die letzten Umfragen laufen darauf hinaus, dass Woidkes Polarisierungsstrategie zum Beispiel dafür sorgen könnte, dass die Grünen, mit denen er aktuell regiert, nicht mehr im Landtag vertreten sein werden und dass er mit dem BSW und der CDU zusammengehen muss, um eine AfD-Regierungsbeteiligung zu verhindern. Dabei könnte sogar eine recht stabile Koalition herauskommen, zumindest die Zahl der Sitze im Landtag betreffend. SPD, BSW und CDU zusammen könnten auf etwa 55 Prozent der Stimmen kommen. Ob diese Koalition auch inhaltlich gut funktionieren wird, ist eine andere Frage. Falls Woidke die Wahl nicht gewinnt und die AfD die SPD überholt, wird das aber nicht mehr sein Problem sein, wenn er Wort hält und abtritt. So stark, dass die SPD die führende Partei in der neuen Regierung sein und den Ministerpräsidenten stellen wird, wird sie auf jeden Fall werden.
Tradition ist es mittlerweile, dass wir Ihnen zum Auftakt eines Wahlsonntags Pressestimmen liefern, die die Lage erklären und dass wir kurz dazu kommentieren. Hier ein persönlicher Bericht von einem echten Ostdeutschen, wie ihn sich AfD-Wähler gar nicht als deutsch denken können: AfD-Wählende in Brandenburg : Eigentlich stolz ostdeutsch zu sein – taz.de.
Wir haben noch nicht Nazideutschland 2.0, und das ist keine Verharmlosung. Aber wir verstehen, dass jemand, dessen deutsche Biografie jünger ist als die Begründung der Nachkriegsordnung, damit auch meint: Wir haben das schlimmste Deutschland, das es gibt, seit seine deutsche Biografie und die seiner Vorfahren begonnen hat, und er zieht zu Recht Vergleiche zu den frühen 1990ern, als die Asylbewerberunterkünfte brannten. Nicht nur, aber damals schon überwiegend ein einem Ostdeutschland, in dem es noch kaum Ausländer gab. Uns machen solche Aussagen betroffen, denn eines wird deutlich: Der Osten schädigt sich jedes Mal selbst, wenn er anfängt, nach rechts freizudrehen. Er wird ärmer an interessanten und intelligenten Menschen, er fällt wirtschaftlich zurück, er schafft sich die Perspektivlosigkeit selbst, die wiederum zum rechts wählen führt – angeblich, denn in dem Artikel wird erwähnt, dass mittlerweile 15 Prozent der Ostdeutschen aus Überzeugung, sprich, wegen ihrer rechten, rassistischen Ansichten die AfD wählen.
Brandenburg, sollte man meinen, hat es besser als zum Beispiel Sachsen-Anhalt. Es verliert keine Bevölkerung mehr, die Wirtschaft läuft weitaus besser, es gibt keinen Riesenfail wie den Stopp der Magdeburger Intel-Chipfabrik, Brandenburg profitiert von Berlin und – es ist doch zweigeteilt. Dietmar Woidke als Lausitzer müsste eigentlich wissen, dass der Wirtschaftsaufschwung eben nicht dort stattfindet, wo er herkommt, sondern im Berliner Umland, auch wenn es eine Strukturpflege in der Lausitz gibt. Was er natürlich auch verschweigt: Wie fragil der aktuelle Aufschwung ist, wie sehr auf wenige große Unternehmen gestützt, wie wenig produzierenden, generischen oder autochthonen Mittelstand es auch in weiten Teilen Brandenburg gibt. Es wird auf Dauer nicht tragen, wenn nur das direkte Berliner Umland Input und Output liefert.
Die Zukunft Brandenburgs als Industriestandort wird in hohem Maße davon abhängen, wie Tesla sich entwickelt. Der Konzern und auch der Standort sind hochgradig umstritten und wiederum abhängig von einem einzigen Mann, der ein Rechtsextremer ist und immer noch ein Newcomer, der innerhalb weniger Jahre den technologischen Vorsprung verlieren kann, den er in Sachen Automobiltechnik erarbeitet hat. Und kürzlich haben wir aus erster Hand gehört, dass das Mercedes-Werk in Ludwigsfelde seine Pforten bald schließen wird. Stimmt das aber?
Basierend auf den vorliegenden Informationen gibt es aktuell keine konkreten Pläne, das Mercedes-Werk in Ludwigsfelde zu schließen. Die Situation lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Es gab zunächst Befürchtungen, dass der Standort gefährdet sein könnte, da die nächste Generation des elektrischen Sprinters (eSprinter) ab 2028 nicht mehr in Ludwigsfelde gebaut werden sollte.
- Mercedes-Benz hat jedoch inzwischen mitgeteilt, dass der neue eSprinter ab 2024 auch in Ludwigsfelde produziert werden soll.
- Das Unternehmen plant, das Werk als „Kompetenzcenter für eVan-Individualisierungen“ zu etablieren.
- Mercedes geht davon aus, dass die Nachfrage nach Sprintern und eSprintern bis zum Ende des Jahrzehnts eine hohe Auslastung des Werks sicherstellt.
- Es sollen Investitionen getätigt werden, um die bestehenden Produktionslinien für die Fertigung von Verbrennern und Elektrofahrzeugen umzurüsten.
- Mit dem Betriebsrat wurde eine Vereinbarung zur künftigen Entwicklung des Standorts geschlossen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Werk in Ludwigsfelde zwar vor Herausforderungen steht, aber aktuell keine Schließung geplant ist. Vielmehr scheint Mercedes-Benz den Standort für die Zukunft umzustrukturieren und in die Elektromobilität einzubinden.[1]
Möglich, dass das Werk am Ende der Umstrukturierung einige Arbeitsplätze weniger haben wird, aber das heißt nicht, dass es zu Entlassungen kommen wird und schon gar nicht, dass der Standort aufgegeben wird.
Und jetzt kommt die Pointe. Die Information, die wir hatten, stammt von einer AfD-Wählerin, die viele Jahre lang im Werk gearbeitet hat. Das heißt aber nicht, dass sie tatsächlich auf aktuellem Stand Bescheid weiß. Und so ist es mit den AfD-Wählenden oft: Es wird katastrophisiert und der Untergang herbeigeredet und dabei der Anschluss an die Zukunft verpasst. Bis dann die Prophezeiungen sich selbst erfüllen, weil kein vernünftiges Unternehmen, das auf seine Außenwirkung bedacht sein muss, sich in einem AfD-Land ansiedelt. Gut, bei Elon Musk passt es ideologisch, aber das ist eine Ausnahme und wir haben aus mehreren Gründen Bedenken, dass mit seinen industriellen Aktivitäten Nachhaltigkeit entsteht.
Im folgenden Artikel können Sie sich noch etwas über die Struktur und konkrete Aussagen zu Projekten, Menschen, Um- und Zuständen in Brandenburg informieren: Stimmungslage in Brandenburg: Rechtsruck im Aufschwungsland – taz.de.
Damit schließen wir unseren Auftaktartikel zum Wahlsonntag und werden ab hier mit Updates und ab den ersten Prognosen gegen 18 Uhr mit einem Liveticker arbeiten.
TH
[1] Quellen zu „Mercedes in Ludwigsfelde“
[1] https://www.igmetall-ludwigsfelde.de/aktuelles/meldung/geht-der-stern-in-ludwigsfelde-unter
[2] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2022/09/mercedes-benz-mitarbeiter-ludwigsfelde-jobs-gewerkschaft.html
[3] https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/abgehaengt-mercedes-werk-in-ludwigsfelde-verliert-transporter-produktion-li.269003
[4] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2022/12/mercedes-benz-esprinter-ludwigsfelde.html
[5] https://group.mercedes-benz.com/unternehmen/standorte/produktionsnetzwerk-ludwigsfelde.html
[6] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/landtagswahl-brandenburg-spd-woidke-afd-100.html
[7] https://web.de/magazine/politik/wahlen/landtagswahlen/brandenburg/wahl-krimi-brandenburg-brombeer-koalition-muenden-40138722
[8] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/landtagswahl-brandenburg-koalition-parteien-100.html
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