CDU und BSW: Koalition oder nicht? Frieden und Raketen oder nicht? (Umfrage + Kommentar)

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Es kommt vor, dass wir denken, wir hätten schon einen Artikel zu einer bestimmten Frage geschrieben, stellen aber fest, das ist nicht der Fall – oder finden ihn nicht. Es mag daher kommen, dass in letzter Zeit immer wieder dieselben Fragen auftreten, hier: Wer koaliert mit wem nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen?  

CDU und BSW also. Was wir aber noch sicher wissen: Wir haben uns dazu schon beim Thema „CDU und Die Linke“ geäußert, dort können Sie sich schon ein wenig einlesen. Da wir den Entwurf ein wenig zurückgestellt hatten, kommt es heute ausnahmsweie zu zwei Umfrage-Beiträgen – und wir können das Wahlergebnis von Brandenburg mitberücksichtigen.

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Forderung von einer Gruppe von CDU-Mitgliedern, Koalitionen mit dem BSW durch einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu verhindern? – Civey

Begleittext von Civey

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen stehen schwierige Regierungsbildungen bevor. Die bisherige sächsische Regierung aus CDU, SPD und Grüne hat nun keine Mehrheit mehr. Rein rechnerisch möglich wäre eine Koalition aus CDU, BSW und Linke. Die CDU schließt jedoch jegliche Bündnisse mit AfD und Linke per Parteibeschluss aus. Daher könnte dem BSW eine Schlüsselrolle zukommen, damit die CDU etwa mit SPD und BSW eine Mehrheitsregierung bilden könnte. CDU-Chef Friedrich Merz lehnt eine Zusammenarbeit mit dem BSW im Bund zwar ab, will es laut dpa auf Länderebene aber den jeweiligen Regierungen überlassen. 

Eine Gruppe von 40 CDU-Parteimitgliedern fordert indes einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW. Mitinitiator und CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnte im Tagesspiegel, das BSW wolle als verlängerter Arm des Kremls die demokratische Mitte aushöhlen und die hiesigen Grundwerte unterminieren. „Sahra Wagenknecht widerspricht allem, wofür die Unionsparteien […] stehen: klare Westbindung, ein vereintes Europa und Mitgliedschaft in der Nato als dem größten Friedensprojekt der Geschichte“, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Frank Sarfeld ebenfalls dem Tagesspiegel. Eine Zusammenarbeit sei unmöglich, da sich das BSW wie die AfD autoritären Themen zuwende.  

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach spricht sich indes für Gespräche mit dem BSW aus. Wenn sich die Union verweigere, stünde sie in einer Sackgasse, sagte er der Kölnischen Rundschau. Er appellierte an die CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt und Michael Kretschmer, Verantwortung für ihre Länder und die Glaubwürdigkeit der Unionspolitik zu übernehmen und Gespräche nicht auszuschließen. Voigt habe laut ntv bereits erste unverbindliche Gespräche mit dem BSW geführt. Für Thorsten Frei führe ebenfalls kein Weg an dem BSW vorbei, wenn die CDU in Sachsen oder Thüringen regieren wolle. Daher müsse man jetzt Wege der Zusammenarbeit ausloten, forderte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im rbb.

Unsere Ansichten

Heute kommentieren wir ein wenig anders als üblich, weil es sich anbietet bzw. wir beginnen mit dem Thema  Krieg und Frieden. Heute hat das BSW seinen Nach-der-Wahl-ist-vor-der-Wahl Dankesnewsletter versendet. Wir zitieren ihn überwiegend, denn er hat eine große Bedeutung für mögliche Koalitionen mit der CDU, ein paar Floskeln haben wir extrahiert:

(…) Erneut haben wir zusammen als Bündnis Sahra Wagenknecht Geschichte geschrieben: Erst wenige Monate nach unserer Gründung das bundesweite Ergebnis von 6,2 Prozent bei der Europawahl und jetzt sind wir im Gründungsjahr auch noch zweistellig in zwei Landtage eingezogen (mit 11,8 Prozent in Sachsen und 15,8 Prozent in Thüringen). Das gab es in der Bundesrepublik noch nie. Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen sind eine schallende Ohrfeige für die Ampel, die schon längst abdanken und den Weg für Neuwahlen hätte frei machen sollen. Durch unser gutes Abschneiden ist jetzt eine andere Politik in Thüringen und Sachsen möglich! (…)
(…) Wir werden nun sondieren, ob stabile Regierungen möglich sind, die endlich im Sinne der Wähler positive Veränderungen erreichen können. Auch nach den Wahlen bleibt es dabei: Als bloße Mehrheitsbeschaffer stehen wir nicht nur Verfügung.
Deshalb versprechen wir: Das BSW wird neben anderen wichtigen Themen auch alles dafür tun, um die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern, die mit ihren Löhnen und Renten kaum noch über die Runden kommen, die auf einen funktionierenden Staat, gute Schulen, ärztliche Versorgung und einen guten ÖPNV angewiesen sind.
Das BSW wird sich nur an einer Landesregierung beteiligen, die die Wünsche und Interessen der Menschen wieder ernst nimmt. Alles andere würde vollkommen fahrlässig der AfD weitere Wähler in die Arme treiben. In Landesregierungen brauchen wir deshalb Partner, die einsehen, dass auch in den Bundesländern in der Frage Krieg und Frieden nicht über die Köpfe der Menschen hinweg regiert werden darf. Wir erwarten, dass sich eine Landesregierung gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland ausspricht und über den Bundesrat Druck auf die Bundesregierung ausübt, denn eine übergroße Mehrheit in Ostdeutschland lehnt die Stationierung der US-Raketen ab. Wir brauchen mehr Diplomatie statt Säbelrasseln. Dafür steht das BSW im Wort.

Mittlerweile ist es um dieses Thema schon etwas ruhiger geworden, aber es ist eingekapselt in den Komplex „Frieden ja, aber wie?“, den das BSW auch in Brandenburg wieder, man kann sagen, verwendet hat, um ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen.

Wir haben zuletzt geschrieben, dass bereits an Formulierungen gearbeitet wird, die es den Landesverbänden der CDU in Sachsen und Thüringen ermöglichen sollen, dem BSW entgegenzukommen, ohne sich dabei komplett quer zur Bundespartei zu stellen. Die CDU kann gar nicht ohne das BSW regieren, wenn sie in Sachsen an der Macht bleiben und sie in Thüringen erringen will, ohne die AfD ins Boot zu nehmen. Mittlerweile gilt das Gleiche in Brandenburg. Mit dem Unterschied, dass die SPD als Wahlsiegerin die Verhandlungen führen wird und es zur „Brombeer-Koalition“ kommen könnte (SPD-BSW-CDU, die Namen der Parteien nach Wahlergebnis geordnet). 

CDU und AfD, das wäre ja angeblich die Wunschkoalition vieler Menschen in diesen Bundesländern Sachsen und Thüringen, während in Brandenburg klar ist, dass die SPD nicht mit der AfD verhandeln wird. Wir in Thüringen hat die AfD allerdings auch in Brandenburg die „Sperrminorität“ erreicht, die ihre viele Einflussmöglichkeiten gibt, auch wenn die anderen Parteien nicht mit ihr zusammenarbeiten wollen.

Also bleibt das BSW, und diese Situation bietet ein hohes Erpressungspotenzial. Kann man aber von Erpressung sprechen, wenn in der Tat eine Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland und, je nach Umfrage, auch eine Mehrheit in Westdeutschland, zum Biespiel die  Stationierung von amerikanischen, nicht atomaren Mittelstreckenraketen ablehnt? Deswegen haben wir gefragt, ob zum Thema Umfragen vorliegen.

Ja, es gibt mehrere Umfragen zu diesem Thema. Hier sind die relevanten Ergebnisse:

## Gesamtdeutschland

Eine Civey-Umfrage für die Funke Mediengruppe ergab:

– 50% der Befragten befürchten eine Eskalation des Konflikts mit Russland durch die Stationierung[1][2].

– 38% glauben nicht an eine Eskalation[1][2].
– 12% sind unentschieden[1][2].

Eine Forsa-Umfrage zeigte:

– 49% lehnen die Stationierung ab[4].
– 45% befürworten sie[4].

## Ostdeutschland

– 60% der Ostdeutschen sprechen sich gegen die Stationierungspläne aus[1][2].
– 26% der Ostdeutschen befürworten die Pläne[1][2].

In der Forsa-Umfrage:

– 74% in Ostdeutschland lehnen die Stationierung ab[4].
– 23% in Ostdeutschland stimmen zu[4].

## Westdeutschland

– 50% der Westdeutschen sind für die Stationierung[1][2].
– 36% der Westdeutschen sind dagegen[1][2].

In der Forsa-Umfrage:

– 49% in Westdeutschland befürworten die Stationierung[4].
– 45% in Westdeutschland sind dagegen[4].

## Zusätzliche Erkenntnisse

Eine MDRfragt-Umfrage ergab, dass zwei Drittel der Befragten gegen die Pläne zur Stationierung sind[6]. Diese Umfrage zeigt eine noch stärkere Ablehnung als die anderen Erhebungen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Ergebnisse je nach Umfrage leicht variieren, aber insgesamt eine Tendenz zur Skepsis gegenüber der Stationierung zeigen, besonders in Ostdeutschland.[1]

Eine leichte Mehrheit von 47 zu 45 bejaht allerdings eine Abschreckungswirkung (in der Quelle Berliner Zeitung liest es sich, als sei die Civey-Umfrage gemeint, aber in diesen Umfragen werden nie zwei Themen gleichzeitig behandelt und die Befürwortung oder Ablehnung und die Abschreckungswirkung und des Weiteren die Eskalationsmöglichkeit  sind nicht das Gleiche. Offenbar wird eine weitere Umfrage oder werden zwei weitere Umfragen zitiert, aber das Meinungsforschungsinstitut nicht genannt, das sie erstellt hat. Darüber ist oben auch die KI gestolpert.

Wenn in Ostdeutschland (ca. 14 Millionen Einwohner inklusive dem früheren Gebiet Ostberlins) 26 Prozent der Menschen für die Stationierung sind und in Westdeutschland (ca. 70 Millionen Einwohner inklusive dem früheren Westberlin) 60 Prozent, dann kann keine Mehrheit gegen eine Stationierung zustandekommen: (14 x 0,26 = ca. 3,65 Millionen pro Stationierung) + (70 x 0,6 = ca. 42 Millionen pro Stationierung) = insgesamt 45,65 Millionen pro Stationierung = etwas mehr als 54 Prozent von 84 Millionen. Unentschiedene sind dabei selbstverständlich nicht zugunsten von „pro“ berücksichtigt.

Anders bei der Forsa-Umfrage: Sie lässt auf den ersten Blick erkennen, dass es insgesamt in Deutschland keine Mehrheit pro Stationierung gibt. Wir rechnen noch einmal kurz durch: (14 x 0,23 = 3,22 Millionen pro Stationierung) + (70 x 0,49 = 34,3 Millionen pro Stationierung) = 38,52 Millionen pro Stationierung. Das ergibt insgesamt nur eine Minderheit von knapp 46 Prozent pro Stationierung, das Thema ist nach dieser Umfrage also ebenso eng wie nach der anderen, aber mit einer Tendenz in die ablehnende Richtung.  Ob es eine ablehnende Mehrheit gibt, hängt in dem Fall davon ab, wie viele der Abstimmenden sich unentschieden gezeigt haben, während oben eindeutig eine Pro-Mehrheit zu sehen ist.

Vor diesem Hintergrund müssen Sie den BSW-Newsletter lesen. Man kann es so sehen, wie darin beschrieben, aber so eindeutig ist es nicht.

Das BSW fordert des Weiteren   eine Volksbefragung zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Trotz des Ukrainekriegs wäre derzeit die Chance gegeben, dass die Bevölkerung die Stationierung mehrheitlich ablehnen würde – je nachdem, wie valide die Umfragen sind und wie sich das Stimmungsbild wandelt. Unsere Prognose ist, dass, wenn nicht Gefährdungslagen für EU- oder Nato-Länder entstehen, die von Russland verursacht werden und wenn die Propagandaerfolge der Ukraine nachlassen, wie zum Beispiel der Vormarsch auf russisches Territorium bei Kursk, die Stimmung hierzulande sich eher zulasten der Stationierung entwickeln wird.

Unsere Haltung haben wir mehrfach dargelegt: Wir sind sehr wohl für eine Verteidigungsertüchtigung, aber soweit irgend möglich in eigener Regie, nicht abhängig von Ländern wie den USA, die politisch immer volatiler werden und deren Interessen von ihren Regierungen als immer mehr von denen Europas abweichend definiert werden könnten. Das wäre ja dann auch die aus ebenjenen USA geforderte Selbstermächtigung der Europäer, deren stärkerer Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung. Ob man allerdings deutsche Waffen vorbehaltlos dem Nato-Regime unterstellen sollte, ist eine andere Frage, denn dadurch ginge ja wieder die Unabhängigkeit verloren, die man sich erarbeiten wollte. Frankreich und Großbritannien halten ihre Atomwaffen ausschließlich unter nationaler Ägide.

Eine weitere Frage stellt sich unweigerlich. Ist die Mehrheit immer der Maßstab? Das ist eine Frage in jeder Demokratie, die nur Menschen, die davon keine Ahnung haben, klar mit „ja“ beantworten würden. Da Demokratie unter anderem die Menschenrechte auch von Minderheiten zu schützen hat, darf natürlich nicht eine bösartige Mehrheit, wie sie in Deutschland ohne Weiteres organisiert werden könnte, diese Rechte schleifen, bloß, weil sie die Mehrheit ist. Eine Demokratie hat auch Schutzverpflichtungen, die ein Korrektiv zur Mehrheitsmeinung darstellen können.

Ist die Raktenstationierung aber damit zu vergleichen? Nach unserer Ansicht nicht. Sie ist eher ein Thema wie die Enteignungsfrage in Berlin, die von der Bevölkerung 2021 positiv beantwortet wurde, was die Rechte der Zivilgesellschaft angeht, sogar noch weniger, weil es sich nicht um eine soziale Frage handelt, die sich wiederum auf „Grundrechte für alle“ auswirkt. Vielmehr geht es um eine strategische Entscheidung. Und um die repräsentative Demokratie. Wenn die Mehrheit der vom Volk Gewählten sich für etwas entscheidet, kann das Volk dann jede einzelne solche Entscheidung angreifen, wenn es in dieser einzelnen Frage anders tickt als die von ihm gewählten Repräsentanten?

In Deutschland hat man das Plebiszitäre nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem auf Bundesebene, bewusst kleingehalten, um den oben erwähnten Durchgriff einer zum Verbrechen bereiten Mehrheit zu verhindern. Die Idee dahinter war, dass nur noch sehr verantwortungsvolle Menschen in die Politik gehen werden, die den Volkswillen kanalisieren und dem Bevökerungsdurchschnitt an Wissen und strategischem Denken überlegen sind. Die das Volk also sehr wohl führen, auch wenn sie demokratisch legitimiert sind.

Wir meinen, die Sicherheit des Landes und seiner Bevölkerung darf nicht zum Gegenstand einer Volksbefragung gemacht werden. Wenn auf dem Gebiet Fehler passieren, sind sie irreversibel und die Mehrheit, gerade in diesem Land, hat sich schon  oft geirrt. Wir würden plebiszitäre Elemente auf vielen Gebieten stärken, zum Beispiel, um den Sozialstaat gegenüber Art. 14 I GG wieder zu stärken, aber Krieg und Frieden dürfen nicht nach Gefühl und Stimmung entschieden werden, zumal, wenn im Osten in weiten Teilen eine Bevölkerung zugange ist, die die BRD in ihrem aktuellen Zustand mit der DDR gleichsetzt. Auf der anderen Seite wird die DDR glorifiziert, und am Ende war auch noch alles besser als im Westen, obwohl die Fluchtbewegungen exakt das Gegenteil ausdrückten. Hätte es die Mauer nicht gegeben, hätte die DDR sich geleert und wäre zusammengebrochen. Dass Menschen das nicht mehr auf dem Schirm haben, zeigt, dass hier eine Wahrnehmungsverschiebung vorliegt, die sich auch zugunsten des Putin-Regimes auswirkt. Anders ausgedrückt: Weite Teile der Bevölkerung im Osten können in dieser Frage nicht wenigstens überwiegend rational entscheiden.

Natürlich haben wir auch wir Gefühle, die mit unserer Prägung zusammenhängen, aber wir hatten uns sehr gefreut, als die Wende kam und Russland ein Freundesland auch für uns im Westen zu werden schien.

Dass im Osten so viele Friktionen eine Rolle spielen, die auch das Friedensverständnis negativ beeinflussen, wissen natürlich auch die – sic! – Strategen vom BSW, und da kommt der Begriff Populismus ins Spiel. Populismus ist nicht, die Meinung des Volks zu berücksichtigen, wir sind durchaus für die sozialen Aspekte, die im BSW-Newsletter erwähnt werden und die sicher in Deutschland mehrheitsfähig sind. Die Mehrheitsfähigkeit macht sie nicht schlecht, diskreditiert sie nicht. Es geht ja um Verbesserungen und mangels bisher vorliegender Erfahrung mit Regierungsarbeit des BSW nehmen wir diese Absichten mal so hin und werden zu gegebener Zeit nachschauen, wie es in der Realität damit aussieht. Natürlich haben wir auch hier eine Prognose, die wir in eine Aufforderung kleiden: Man soll nicht ein Mehrfaches von dem versprechen, was man wirklich umsetzen kann, sonst wird man schnell als unseriös abgestempelt, und wir wissen ja, wie schnell die Bevölkerung derzeit bereit ist, Parteien als unseriös zu markieren. Es wird sich alles weisen, denn in keinem der drei Ost-Bundesländer, in denen zuletzt gewählt wurde, wird es ohne das BSW gehen, wenn man die AfD aus der direkten Regierungsbeteiligung raushalten will.

Aber die Sicherheit ist eine andere Kategorie. Auch bei vielen anderen Themen gibt es internationale, globale Interdependenzen, die das BSW als Regierungspartei auf Länderebene noch spüren wird, also nicht erst, sollte das BSW auch im Bund in Regierungsverantwortung kommen. Doch die Sicherheitsarchitektur ist leider wieder lebenswichtig geworden und jede falsche Bewegung in einem komplizierten geostrategischen Spiel kann einen Krieg auslösen. Und eine richtige kann ihn verhindern. Wir halten es deshalb für unerlässlich, die Verteidigung zu stärken, aber auf die oben kurz angesprochen Weise. Wir sehen die Abschreckungswirkung als gegeben an, wären aber wesentlich beruhigter, wenn Raketen mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten, die ausschließlich nationaler Ägide unterstehen. Wir führen die Gedanken dazu an dieser Stelle nicht aus, wir haben sowieso auf die Frage hin „Soll die CDU mit dem BSW?“ schon eine Verengung und gleichzeitig eine Erweiterung vorgenommen.

Zum Civey-Begleittext ein paar Sätze zu schreiben, fällt nach den obigen Absätzen nicht schwer. Sollte man meinen. Roderich Kiesewetter! Der Name ist schon Gold wert. Im Ernst: Klar ist die Nato ein Friedensprojekt, aber vor allem für ihre Mitglieder. Noch nie wurde ein Nato-Land angegriffen, wenn man vom Falklandkrieg im Jahr 1982 absieht. Länder, die keine Nato-Mitglieder sind, haben zur Funktion des Bündnisses oftmals eine andere Meinung, vor allem diejenigen, die von der Nato und ihrer Führungsmacht USA geostrategisch „bearbeitet“ wurden, und das sind nicht wenige. Die Spur der Verwüstung zieht sich rund um die Welt und besonders der Nahe Osten hat zu spüren bekommen, wie überhaupt nicht friedlich, dafür aber maximal destruktiv Nato-Politik sein kann. Die Nato ist auch wegen dieser unzähligen Übergriffe heute in der weltpolitisch in der Defensive. Leider hat wer auch immer dahintersteckt, es geschafft, ihre sich abzeichnende Überflüssigkeit aufzuheben und sie wieder relevant zu machen.

Wir sehen derzeit keine andere Möglichkeit, die Sicherheit Deutschland zu garantieren, als in diesem Verbund zu bleiben. In der Linken, gerade von der Wagenknecht-Fraktion, wurde das lange Zeit anders gesehen, aber auch in anderen Zeiten als den jetzigen; die Ablehnung der Nato nimmt spürbar ab. Man kann alles, was passiert, auch den Ukrainekrieg, als ein fieses Spiel der Nato-Strategen markieren, aber es hilft ja nichts, die Frontstellung gegenüber Russland ist nun einmal da und wir würden nicht unsere Hand dafür ins Feuer legen, dass Putin nicht immer weitermachen würde, wenn man ihm den Raum dazu geben würde. Diese Dynamik hat sich verselbstständigt. In gewisser Weise ist die Unterstützung der Ukraine vielleicht sogar Zeit schinden, um die russischen Kräfte so lange zu binden, dass man verteidigungsfähig ist, wenn Putin mit der Ukraine durch ist und sich anderen imperialistischen Kriegen zuwenden kann.

Und wie man damit umgeht, hängt davon ab, ob BSW und CDU koalieren können. Wir haben beiden Parteien gegenüber keine größeren Emotionen zu berücksichtigen, anders als bei der Linken, deren zu einseitige Antiwestlichkeit wir in Kauf genommen haben, weil sie zum Ausgleich so viel Gutes wollte. Und weil wir unseren Antiimperialismus eher trotzkistisch sehen als stalinistisch, nämlich: Imperialismus ist Mist, egal von wem er kommt, also gilt das für den amerikanischen ebenso wie für den russischen und chinesischen und jeder Einzelfall von imperialistischem Übergriff ist gesondert zu betrachten.

Das macht uns bezüglich CDU und BSW ziemlich entspannt. Die CDU ist politisch unser Gegner, das BSW könnte sich zu einem solchen entwickeln, trotz vieler Übereinstimmungen in sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen. Wer nun in einem solchen Bündnis von Parteien, die wir nicht wählen würden, verlieren und gewinnen könnte, ist nicht unserer größte Sorge. Unsere Sorge gilt der Demokratie, und deswegen werden wir gleich mit „überwiegend ja“ also, da die Frage eine Negierung enthält, mit überwiegend „nein“ abstimmen. Das haben wir nun getan, und wir sind in der Minderheit. Nur ca. 41 Prozent sind klar oder überwiegend dagegen, der CDU den Weg zum BSW zu verbauen, etwa 48 Prozent klar oder überwiegend dafür, etwa 11 Prozent sind unentschlossen / unentschieden (Stand 08.09.2024, ca. 17 Uhr).

Dieses Abstimmungsverhalten wäre okay für uns, wenn sich darin eine robuste, wertkonservativ-demokratisch-transatlantische Hauptlinie bei den CDU-Anhängern zeigen würde. Oder standhafter Putinismus bei den BSW-Fans. Oder was immer sich jene dazu denken, die nicht eine dieser beiden Parteien wählen. Wir haben aber den Verdacht, dass viele deshalb so abstimmen, weil sie die CDU lieber mit der AfD zusammen regieren sehen würden. Für die AfD-Wähler:innen wiederum ein normales Verhalten, aber was ist mit dem CDU-Klientel? Was wird aus der Union, wenn sich immer mehr Teile davon überlegen, lieber gleich die AfD zu wählen, als darauf angewiesen zu sein, dass ihre CDU mit den Rechtsextremen koaliert und die Brandmauerrhetorik offiziell beendet?

Das ist ein sehr unangenehmes Gefühl, das uns wiederum darauf hinweist, dass viele Unionswähler alles andere als „mittig“ sind bezüglich ihrer Positionen, ebenso wie viele aktuelle Spitzenpolitiker der Partei. Sie mögen noch gerade so mittig sein in Bezug auf ihre Verortung in einer immer mehr nach rechts rückenden Gesellschaft. Dieses „mittig“ ist ja sehr flexibel, während „Ersteres“ sich an der Matrix aller politischen Richtungen und Ideologien orientieren sollte. Und da ist die CDU nicht mittig, sondern ziemlich weit rechts, wie der „Political Compass“ zeigt. Wir sind übrigens schon gespannt, wo das BSW dort einsortiert werden wird, vermutlich auch im rechten oberen Feld, also eher autoritär und von den Positionen eher rechts, wie alle anderen aktuell im Bundestag vertretenen  deutschen Parteien außer der Linken.

Wenn man sich diese Matrix anschaut, könnte man eh sagen: Ist ja Quatsch, dass AfD und CDU nicht koalieren, so eng, wie sie, über alle Ideologien hinweg betrachtet, beieinander liegen. Diese Matrix ist auch nicht statisch, veränderte Positionen berücksichtigt sie. Sie ist aber nicht geeignet, um das Verhalten von Parteien in Bezug auf die Demokratie zu ermitteln und kann nicht abbilden, ob eine Partei ihre Positionen strategisch so ausspielt, dass sie damit die Demokratie gefährdet. Die AfD gefährdet die Demokratie aktuell eindeutig mehr, als CDU und BSW das tun. Und deshalb müssen wir die fette Kröte schlucken, sie eventuell im Osten zusammen regieren zu sehen, wenn wir der Demokratie Zeit zum Luft holen und sich regenerieren verschaffen wollen.

TH

[1] Quellen zu den Umfragen pro und contra Stationierung:

[1] https://www.berliner-zeitung.de/news/umfrage-stationierung-von-us-raketen-schuert-furcht-vor-eskalation-li.2243232
[2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article252917192/Umfrage-Stationierung-von-US-Raketen-in-Deutschland-schuert-Furcht-vor-Eskalation-mit-Russland.html
[3] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1015784
[4] https://www.n-tv.de/politik/Knappe-Mehrheit-ist-gegen-neue-US-Raketen-in-Deutschland-article25122507.html
[5] https://www.prosieben.de/serien/newstime/news/stationierung-von-us-raketen-ab2026-jeder-zweite-deutsche-befuerchtet-eskalation-415957
[6] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/mdrfragt-umfrage-ergebnisse-waffen-raketen-stationieren-nato-100.html


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