Briefing PPP Politik Personen Parteien, Ampelkoalition, SPD, FDP, Grüne, Bundestagswahl 2025, #btw25, Brandenburg-Wahl 2024, durchhalten oder aufgeben
Wir betrachten diesen Artikel nicht mehr als Nachlese zur Landtagswahl in Brandenburg am letzten Sonntag, obwohl die Ergebnisse im Begleittext zur Umfrage noch einmal erwähnt werden. Nach unserer Ansicht ist die Wahl in Brandenburg nichts anderes als eine Fortschreibung der schlechten Ergebnisse der Ampelparteien der letzten Zeit – mit Ausnahme der SPD, bei der es einen besonderen Effekt durch das „Alles-oder-nichts“-Prinzip des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke gab, das sich als funktionsfähig erwiesen hat.
Was im Begleittext der Umfrage noch nicht berücksichtigt ist: Der heutige Rücktritt des Bundesvorstands der Grünen, verkündet von dessen Sprechern Omid Nouripour und Ricarda Lang.
Hier zunächst die Umfrage:
Begleittext von Civey
Bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag ist die SPD mit 30,9 Prozent knapp stärkste Kraft geworden. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis liegt die AfD mit 29,2 Prozent auf dem zweiten und das BSW mit 13,5 Prozent auf dem dritten Platz. Grüne (4,1) und FDP (0,8) liegen unter der Fünf-Prozent-Hürde und werden daher nicht im brandenburgischen Landtag vertreten sein. Laut rbb habe die FDP damit ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten bei einer Wahl in Deutschland erzielt. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen erhielten alle drei Ampel-Parteien nur einstellige Werte. Aus dem Grund hinterfragen einige den Fortbestand der Bundesregierung, deren Legislaturperiode noch mindestens bis zum nächsten Herbst andauert.
Innerhalb der FDP werden erneut Rufe nach einem vorzeitigen Ende der Ampel laut. „Die Entscheidungen werden in diesem Herbst fallen und ich glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht“, sagte etwa FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki bei Welt-TV. FDP-Chef Christian Lindner forderte die Ampel Anfang der Woche der SZ zufolge auf, zügig Konsens beim Thema Migration und Haushalt zu finden. Zuvor hatte er angedeutet, dass er einen Ampelbruch nicht per se ausschließe. „Auch in meiner Generation haben wir den Mut, für unsere Überzeugungen einzutreten“, sagte er der Rheinischen Post mit Blick auf 1982, als die FDP die Koalition mit der SPD verließ.
Der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP) warnt seine Partei vor einem Ampel-Ausstieg. Dies wäre „Selbstmord”, sagte er der Rheinischen Post. Angesichts der großen Herausforderungen wäre ein Ausstieg zudem eine Flucht vor Verantwortung. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sei laut ARD wild entschlossen, gemeinsam mit FDP und Grünen bis zum Ende der Legislaturperiode zu regieren. Er forderte die FDP-Spitze auf, sich klar zur Ampel-Zukunft zu äußern. Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang zeigte sich trotz Niederlage optimistisch. Es gebe einen negativen Trend „und da werden wir uns gemeinsam rauskämpfen“, sagte sie in der ARD. Dies sei aber kein Grund für ein vorzeitiges Ampel-Aus. Für das schlechte Abschneiden der Grünen machte sie auch das taktische Wählen um eine Verhinderung der AfD verantwortlich.
Unser Kommentar
Hier gibt es die aktuelle Karikatur zur Ampel, es ist im Moment die erste, die Sie sehen, wenn Sie den Link öffnen: Aktuelle Karikaturen | WEB.DE. Ja, jeder will raus, aber wohin? Ins politische Nichts, wie bei der FDP gemunkelt wird, in die ewige Opposition oder Verzwergung als gefälliger Koalitionspartner der CDU, wie bei der SPD zu befürchten, als Partei von gestern, die Politik von morgen nicht mehr ansatzweise wird gestalten können, wie die Grünen?
Wir würden uns derzeit nicht darum reißen, Ampelpolitiker zu sein. Okay, vielleicht doch, der guten Bezahlung wegen, sofern Aussicht darauf besteht, aus dem gegenwärtigen Chaos auch nach der Bundestagswahl 2025 wieder mit einem Mandat fürs Parlament hervorzugehen. Wir wagen keine Vorhersage darüber, ob die Ampel bis zum regulären Wahltag am 28. September 2025 halten wird. Das ist noch ein Jahr und es sind dann noch drei Tage. Eine Ewigkeit, bei der politischen Unruhe, die derzeit herrscht.
Einen Vorteil hat diese Situation aber: Es steht nur noch eine einzige wichtige Wahl an, die Bürgerschaftswahl in Hamburg im März 2025. Heimspiel für Olaf Scholz, sollte man meinen, aber derzeit ist die Verknüpfung einer Wahl mit seinem Namen ja eher das Gegenteil. Scholz hat nur noch Auswärtsspiele und wird dementsprechend auf Veranstaltungen auch häufig von gegnerischen Fans angegangen.
Bei der Gelegenheit darf man gerne wieder einmal darüber nachdenken, ob es in diesen Zeiten, in denen es so dringend wie nie zuvor einer strategischen Politik mit langfristiger Planung bedarf, noch Sinn ergibt, jedes Bundesland zu einem anderen Termin wählen zu lassen. Im Grunde herrscht immer Wahlkampf, und das ist nicht gut für die Nachhaltigkeit des politischen Handelns. Zusammen mit der Tendenz zum Populismus wirkt das Geschehen immer atemloser und chaotischer.
Deswegen heißt es jetzt, Nerven behalten. Die Ampel kann sich nur noch eine weitere Niederlage einfahren, bei der erwähnten Hamburg-Wahl, im Grunde sich also jetzt aufs politische Geschäft konzentrieren. Zumal in Hamburg kein AfD-Durchmarsch zu erwarten ist. Es gibt aber noch einen anderen Aspekt: Wenn zum Beispiel die FDP sich nicht aus der Ampel bewegt, besteht die Gefahr, dass sie 2025 aus dem Bundestag fliegen wird. Christian Lindner weiß, wie schwer ein Neuanfang ohne Präsenz im Bundestag ist, als das 2013 schon einmal passierte und er die Partei in der schwierigsten Phase ihrer Geschichte übernahm. Er hat ihn allerdings geschafft, das muss man ihm lassen, auch als politischer Gegner. Andererseits: Wie leicht man Wähler in diesen orientierungslosen Zeiten einfangen kann, kann man anhand des BSW feststellen, das es vor einem Jahr noch gar nicht gab und das in jeder der drei Ost-Landtagswahlen der letzten Wochen zweistellige Ergebnisse einfahren konnte. Ein Neustart, wenn er glaubhaft ist, kann immer gelingen.
Dies auch als Mutmacher an die Linke und an die Grünen, wobei diese bei einer Bundestagswahl natürlich nicht so weit abschmieren würden, dass sie nicht mehr im Parlament vertreten wären. Im Westen haben sie eine stabile Stammwählerschaft von 8 bis 10 Prozent, das reicht aus, um weiter bei der Musik zu sein. Es reicht natürlich nicht, um sinnvoll Kanzlerkandidat:innen aufstellen zu können, wie die Grünen es 2021 erstmals in ihrer Geschichte taten.
Im Grunde sind sie noch gar nicht „alt“. Als politische Kraft auf dem Sprung zur Volkspartei sogar erst ein paar Jahre alt. Den Sprung haben sie erst einmal in den Sand gesetzt bzw. einen ungültigen Versuch hingelegt. Solange keine Partei daherkommt, die Soziales, Klimawandel und Ökologie zu einem sinnvolleren Ganzen formt, als die Grünen es können, werden die Grünen weiterhin eine Platz in der politischen Landschaft haben. Auch hier schauen wir allerdings auf die Linke. Sie muss es hinkriegen, diesen Platz zu besetzen. Die Grünen werden nicht sozial werden, also muss die Linke ihre ökologisch-klimaseitige Positionierung mehr in den Vordergrund rücken.
Die Linke gehört nicht zur Ampel, also halten wir uns diesbezüglich kurz, zumal sie im nächsten Bundestag vermutlich nicht mehr vertreten sein wird und daher keine neue Mitte-Links-Koalition mehr möglich sein wird. Auch die Mitte-Rechts-Koalition der Ampel wird dann wohl Geschichte sein und durch eine Rechtskoalition ersetzt werden.
Wir schrieben kürzlich sinngemäß, nicht wörtlich, lieber Merz ranlassen als so weitermachen wie bisher. Das war, bevor Merz wirklich zum Kanzlerkandidat der Union ausgerufen wurde. Hier geht es nicht um das, was wir uns wünschen, das kriegen wir sowieso nicht. Weit und breit keine Partei, die für eine bessere Welt eintreten kann und dabei nicht von rechts filetiert wird. Das heißt, die Menschen wollen es nicht guthaben. So ist die Lage, bis sie merken werden, wen sie sich da eingehandelt haben, wenn die Wahlergebnisse weiter ausfallen wie zuletzt.
Es geht um die Lageeinschätzung, und da sind wir komplett unsicher. Jetzt müsste man hinter die Türen der Parteien blicken können, die an der Ampelregierung beteiligt sind und vielleicht nicht nur hinter deren Türen. Gibt es sie schon, die informellen Gespräche zwischen FDP und der Union, in denen Szenarien angerissen werden für einen Wechsel?
Das Thema ist auch bei den Abstimmenden – nicht umstritten, es geht ja nur um eine Einschätzung, nicht um die eigene Position – aber polarisiert. Eine Mehrheit glaubt nicht, dass die Ampel noch ein Jahr durchhält, insgesamt ca. 53 Prozent, Stand 25.09.2024, ca. 14:30 Uhr. 37 Prozent glauben das wohl, also bleiben etwa 10 Prozent, die sich so verhalten haben wie wir, die ihre Unsicherheit mit einem „Unentschieden“ ausgedrückt haben.
Geben Sie also eine Einschätzung ab! Vielleicht folgt die Ampel ja der Mehrheit.
TH
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