Rücktritt der Grünenchefs Lang und Nouripour gut oder schlecht für die Partei? (Umfrage + viele Zusatzinfos + Kommentar, inklusive Grüne Jugend)

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Die letzte Grüne, die wir gewählt haben, war 2013 Renate Künast, die in unserem Berliner Bezirk für den Bundestag kandidierte. Danach haben wir uns von der Partei abgewendet, weil sie uns zu sehr verbürgerlicht war. Diese Haltung nehmen nun auch Junggrüne ein, die möglicherweise zur Linken wechseln könnten. Ob das für beide Seiten eine gute Idee ist, besprechen wir hier nicht zentral, gehen aber am Ende des Artikel auf den Abschied auch dieser Gruppe ein, widmen uns aber hauptsächlich dem Rücktritt bisherigen Vorsitzenden Ricarda Lang und Omnid Nouripour eine gute Idee für die Grünen war. Die genaue von heute lautet so:

Civey-Umfrage: Wird der Rücktritt der Doppelspitze aus Ricarda Lang und Omid Nouripour Ihrer Einschätzung nach den Grünen langfristig eher helfen oder eher schaden? – Civey

Begleittext

Die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie der gesamte Parteivorstand kündigten am Mittwoch geschlossen ihren Rücktritt an. Die Entscheidung sei eine Konsequenz aus den schlechten Wahlergebnissen bei den letzten Landtagswahlen in Ostdeutschland und bei der Europawahl, erklärten die beiden Co-Chefs bei einem gemeinsamen Statement. Bei der jüngsten Wahl in Brandenburg schafften es die Grünen genau wie in Thüringen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde und werden nicht mehr in den dortigen Landtagen vertreten sein.

 „Das Wahlergebnis am Sonntag in Brandenburg ist ein Zeugnis der tiefsten Krise unserer Partei seit einer Dekade”, sagte Nouripour. Es brauche einen strategische Neuaufstellung und neue Gesichter, um die Partei aus der Krise zu führen, erklärten die beiden Vorsitzenden. „Jetzt ist nicht die Zeit, um am Stuhl zu kleben – jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen, und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen”, ergänzte Lang. Dem Spiegel zufolge war das Führungsduo aufgrund fehlender Rivalitäten und Meinungsverschiedenheiten relativ beliebt in der eigenen Partei.

Auf dem nächsten Bundesparteitag im November soll ein neuer Bundesvorstand gewählt werden, bis dahin bleibt die aktuelle Spitze im Amt. Über ihre Nachfolgerinnen oder Nachfolger äußerten sich Lang und Nouripour nicht. Der ARD zufolge seien aber schon die Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak (beide Grüne) im Gespräch. Der ehemalige Grünen-Chef in Nordrhein-Westfalen Banaszak wird eher dem linken Flügel zugeordnet. Brantner gilt als enge Vertraute von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Sie gehöre dem Spiegel nach dem Realoflügel an und sei bei Teilen des linken Lagers der Grünen nicht sonderlich beliebt.

Spontane Assoziationen

  • Übernehmen Lang und Nouripour wirklich Verantwortung oder drücken sie sich in einer schwierigen Lage eher weg?
  • Steckt Robert Habeck hinter dem Rückzug, der nach den Wahlen auch von Nouripour indirekt kritisiert wurde, als dieser forderte, am grünen Auftritt müsse sich etwas ändern?
  • Robert Habeck und Annalena Baerbock schwammen auf einer Erfolgswelle, als sie die Partei geführt haben. Sie galten damals als hip und die Klimabewegung der späten 2010er war ein perfektes Szenario für die Grünen, auch wenn sie von der Bewegung selbst für zu wenig Klimapolitik gerügt wurden. Dieses Politik geht aber nur in Regierungsverantwortung, kam es dann zurück, also haben viele junge, klimabewegte Menschen den Grünen 2020 Traum-Umfragewerte beschert, die sich dann 2021 nicht mehr ganz halten ließen, als der Bundestag gewählt wurde.
  • Wer wird in der Außensicht wirklich für den Niedergang der Grünen verantwortlich gemacht? Robert Habeck hat mit seinem Wirtschaftsdilettantismus daran sicher einen größeren Anteil als Ricarda Lang oder Omid Nouripour und Annalena Baerbock hat sich als Außenministerin mit einer realitätsfernen und gleichzeitig von Doppelstandards geprägten Politik verhoben. Ricarda Lang wird sehr wohl mit Hass überzogen, aber da spielt leider ein Umstand eine Rolle, der keinesfalls zu einem Rücktritt führen darf. Omid Nouripour war einer der Spitzengrünen, die nur in dem Maße negativ bewertet wurden, wie es auf die Grünen im Ganzen derzeit zutrifft, nicht in besonderem oder stärkerem Maße wegen seiner Person.
  • Die Innensicht der Grünen und die Machtverhältnisse dort kennen wir nicht so gut wie die bei der Linken, wo unser Wissen nun aber auch „altert“, deswegen müssen wir uns auf Darstellungen in den Medien verlassen. Das grüne Führungsduo war, wie bereits aus dem Civey-Text hervorgeht, nicht als kontrovers untereinander oder umstritten in der Partei bekannt.
  • Das Bündnis 90 scheint bei den Neuplanungen für die Parteispitze nicht mehr vorzukommen. Das war zwar bei Lang / Nouripour auch so, aber das einstige Erfolgsduo Habeck / Baerbock war „gemischt“, Habeck stammt aus Schleswig-Holstein, Baerbock aus Brandenburg.

Wir wollen aber noch ein paar Meinungen einfangen, bevor wir auf das Abstimmungsergebnis zu sprechen kommen:

Der Rücktritt des Grünen-Bundesvorstands mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang wird von verschiedenen Seiten unterschiedlich bewertet:

## Innerhalb der Grünen

– Der Schritt wird als notwendiger Neuanfang gesehen. Die Parteispitze begründet den Rücktritt damit, dass die Partei in einer tiefen Krise stecke und einen Neustart brauche.
– Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lobt den Rücktritt als „großen Dienst an der Partei“ und als Zeichen von „großer Stärke und Verantwortung“.
– Grünen-Politiker aus den Ländern wie Cornelia Lüddemann (Sachsen-Anhalt) zeigen Verständnis für die Entscheidung und sehen die Notwendigkeit für einen Neustart, auch inhaltlich.

## Koalitionspartner SPD

– Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil danken Lang und Nouripour für die gute Zusammenarbeit.
– Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, geht davon aus, dass es sich um eine interne Neuordnung der Grünen handelt und nicht um eine Neuausrichtung innerhalb der Regierung.

## Opposition

– Die CDU/CSU sieht den Rücktritt als Zeichen für einen Zerfall der Ampel-Koalition. Der parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei spricht von zunehmenden „Fliehkräften in der Ampel“.
– CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert Neuwahlen und sieht darin den einzigen Ausweg.- Die CSU kritisiert, dass nicht die Grünen in der Parteispitze, sondern die in der Regierung das Problem seien.

## Medieneinschätzungen

– Der Stern sieht in dem Rücktritt ein Signal, das die ganze Ampel-Koalition treffen wird.
– Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die Opposition den Rücktritt als Zeichen für einen Zerfall der Ampel-Regierung interpretiert.
– Der MDR hebt hervor, dass Robert Habeck den Schritt lobt und selbst Verantwortung übernehmen will.

Insgesamt wird der Rücktritt als bedeutender Einschnitt für die Grünen gesehen, dessen Auswirkungen auf die Partei und möglicherweise auch auf die Regierungskoalition noch nicht abzusehen sind. Während die Grünen selbst den Schritt als Chance für einen Neuanfang sehen, interpretiert die Opposition ihn als Schwächung der Ampel-Koalition.[1]

Kurzkommentar

Die CDU und ihr Waldbeißer Linnemann nehmen wirklich jeden Anlass wahr, um Neuwahlen zu fordern, auch Vorgänge, die sie gar nichts angehen, während die CSU im Grunde auf der richtigen Spur ist: Viel mehr im Fokus, ob man ihre Politik mag, oder, wie die CSU, nicht mag, stehen Habeck und Baerbock. Insofern ist es kurios, dass Habeck jetzt durch den Rücktritt der beiden Vorsitzenden möglicherweise noch mehr Macht bei den Grünen zuwächst, obwohl er selbst für deren schlechtes Bild in der Öffentlichkeit viel mehr verantwortlich ist als Lang oder gar Nouripour.  Uns war die obige Darstellung aber nicht detailliert genug, deswegen haben wir weitergefragt, ob es auch Kritik am Rücktritt der beiden Parteivorsitzenden gibt:

Weitere Infos

Basierend auf den verfügbaren Informationen gibt es kaum direkte Kritik an den Rücktritten von Ricarda Lang und Omid Nouripour. Die Reaktionen fallen überwiegend verständnisvoll bis positiv aus:

  1. Innerhalb der Grünen wird der Schritt als notwendiger Neuanfang gesehen. Robert Habeck lobt den Rücktritt sogar als „großen Dienst an der Partei“ und Zeichen von „großer Stärke und Verantwortung“[1].
  2. Die FAZ bewertet den Rücktritt als Chance für die Partei und stellt fest: „Ricarda Lang und Omid Nouripour haben mit ihrem Rücktritt den Grünen keinen Schaden zugefügt.“[3]
  3. Der Stern sieht den Rücktritt als Signal für einen Neuanfang, das auch die Koalitionspartner erfassen wird[2].
  4. Kritischer wird angemerkt, dass Lang und Nouripour selbst zum Niedergang der Partei beigetragen hätten, indem sie Warnungen ignorierten und die Realität verkannten[3].
  5. Es wird auch hinterfragt, ob ein Personalwechsel allein ausreicht, da die Grünen eher ein Strategieproblem als ein Personalproblem hätten[2].

Insgesamt überwiegt jedoch die Einschätzung, dass der Rücktritt eine Chance für einen Neustart der Partei bietet. Direkte Kritik an der Entscheidung zurückzutreten findet sich in den vorliegenden Quellen nicht.[2]

Kurzkommentar 2

Falls es also bei den Grünen selbst Kritik gibt, dann wird sie nicht offen vorgetragen. Das würde zur eher dezenten Streitkultur der Grünen passen, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und in einem auffälligen Gegensatz zu den früheren Kämpfen steht, die Fundis und Realos miteinander ausgefochten haben. Diese harmonische Vereinigung wird auch dem Wirken der früheren Vorsitzenden Habeck und Baerbock zugeschrieben.

Es gibt aber einen anderen Vorfall, der für uns mehr als ein kleiner Fingerzeig ist, der darauf schließen lässt, dass eben nicht alles okay ist: Der Rücktritt des Bundesvorstands der Grünen Jugend, der sogar mit Austritten verbunden ist. Dazu fällt uns auch sofort die passende Frage ein: Ist es gut oder schlecht für die Grünen, dass sich die mehr linksgerichteten Junggrünen verabschieden, was natürlich ebenfalls auf einen Machtgewinn für Robert Habeck hinausläuft. Und hat dieser Abschied wichtiger Vertreter der Jugend mit dem Rückzug von Lang und Nouripour zu tun und damit, dass nun erwartet wird, dass die Verbürgerlichung der Grünen einen nächsten Schritt erfährt: Die quasi komplette Aufgabe der bisherigen Positionen in Sachen Migration zugunsten des allgemeinen Rechtstrends im Land? War dieser Rücktritt eine Kröte zu viel, die die Junggrünen nun schlucken mussten?

Wir haben auch dazu etwas recherchiert:

Infoblock Grüne Jugend

Basierend auf den vorliegenden Informationen lässt sich die Situation wie folgt zusammenfassen:

  1. Rückzug des Vorstands der Grünen Jugend:

Der gesamte zehnköpfige Bundesvorstand der Grünen Jugend hat seinen Rücktritt und Parteiaustritt angekündigt. Namentlich werden die Bundessprecherinnen Svenja Appuhn und Katharina Stolla erwähnt.

  1. Tendenz zur Linkspartei:

Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass sich die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder politisch nach links orientieren könnten:

– Sie kündigen an, einen „neuen, dezidiert linken Jugendverband“ gründen zu wollen.
– Katharina Stolla äußert, dass man „ausloten“ wolle, wie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei sind.

– Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler begrüßt den Schritt der Grünen Jugend.

  1. Zusammenhang mit dem Rücktritt von Lang und Nouripour:

Der Rückzug der Grünen Jugend steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem Rücktritt des Grünen-Bundesvorstands:

– Die Entscheidung zum Parteiaustritt sei bereits „in den letzten Wochen“ getroffen worden, also noch vor der Bekanntgabe des Rücktritts des Grünen-Bundesvorstands.
– Der Vorstand der Grünen Jugend betont, dass der Rücktritt des Parteivorstands zwar „zweifelsohne menschliche Größe“ beweise, sie aber nicht davon ausgehen, „dass eine personelle Neuaufstellung zu einer inhaltlichen und strategischen Neuausrichtung der Partei in unserem Sinne führen wird.“

Der Rückzug der Grünen Jugend scheint eher das Ergebnis eines längeren Entfremdungsprozesses zu sein, bei dem die Jugendorganisation zunehmend unzufrieden mit dem Kurs der Mutterpartei war. Die zeitliche Nähe zum Rücktritt des Grünen-Bundesvorstands erscheint zufällig, verstärkt aber den Eindruck einer Krise innerhalb der Partei.[3]

Kurzkommentar 3

Wir gehen auch davon aus, dass die Grüne Jugend sich schon länger von der Parteispitze entfernt hat bzw. von jenen, die politische Verantwortung tragen. Es ist die Aufgabe junger Menschen, progressiver zu sein und idealistischer als ältere, auch die Jusos in der SPD haben immer Positionen, die links vom Mainstream der Partei angesiedelt sind. Einst war das auch bei der Jungen Union so, aber die rechten Parteien tendieren im Moment anders, nämlich dahin, dass ihr Jungvolk noch rechter ist als diejenigen, die in der Öffentlichkeit eher im Fokus stehen und daher ihre Rhetorik noch etwas maßvoller gestalten. Bei der AfD verwundert das nicht, aber bei der Union ist das Verrutschen der Jugend von links nach rechts im Verhältnis zur Gesamtpartei ein schlechtes Zeichen, dem in der Öffentlichkeit viel zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Die Zukunft der Union wird sehr AfD-freundlich sein, falls sich diese Linie der Jung-Unionist:innen später in den Spitzenfunktionen durchsetzt.

Die Grüne Jugend hat sich bisher aber als Motor des Fortschritts gesehen, diese Funktion scheint sie in ihren eigenen Augen nicht mehr wahrnehmen zu können. Deshalb glauben wir nicht, dass der Rücktritt des Vorstandes nur zufällig mit dem der Parteivorsitzenden zusammenfällt. Er markiert nach unserer Ansicht auch eine Kritik an der Habeck- und Baerbock-Linie, und jetzt sind diejenigen weg, die noch als Scharnier zwischen den Positionen eine wichtige Stellung hatten; besonders Nouripour hatte diesbezüglich sicherlich eine ausgleichende Wirkung.

Man kann auch sagen, der Rücktritt von Lang / Nouripour war vielleicht der Tropfen, der das Fass bei der Grünen Jugend zum Überlaufen brachte, sie wollte aber nicht diese Personalien, sondern die grundsätzliche Ablehnung der Entwicklung der real regierenden Grünen zum Ausdruck bringen.

Was die Linkspartei angeht: Ob es für sie eine gute Idee wäre, durch den Zugang von Junggrünen weiter in die Mitte gerückt zu werden, werden wir heute nicht besprechen, aber nach unserer Einschätzung, und die Positionen der Linken kennen wir ganz gut, würde es mit der Grünen Jugend gar nicht schlecht passen. Vor allem der Stolperstein echter Systemkritik, den wir von einer linken Partei verlangen, ist bei der heutigen Linken nicht mehr so ausgeprägt, dass man die jungen Grünen, die aus linker Sicht von rechts kommen, nicht integrieren könnte. Vielleicht wäre das, da junge Menschen noch etwas flexibler in ihren Ansichten sind (hoffentlich, angesichts der vielen Jungwähler:innen, die zuletzt rechts gewählt haben), auch eine Chance, gemeinsam eine neue, tragfähige Basis. Auch die Junggrünen sind vermutlich keine Putinanhänger, wie die Kommunisten, die immer noch in der Linken sind. Vielleicht würden sich aus einem Zugang der Grünen weitere Verschiebungen innerhalb des Mitte-Links-Gefüges ergeben.

Wir jedenfalls wünschen uns angesichts der Tatsache, dass es eine relevante echte Linke in Deutschland nicht mehr gibt, dass es wenigstens eine gemäßigte Linke gibt, und da könnte der Zugang von versierten Grünen einen positiven Impuls bei der Linken darstellen. Dass sich damit zwei Verlierer der politischen Prozesse der Gegegnwart zusammenschließen, muss nicht bedeuten, dass sie gemeinsam nicht wieder in die Erfolgsspur finden könnten – und zwar dieses Mal unabhängig von ideologischen Altlasten, die uns alle keinen Schritt voranbringen.

Ergebnis

Wir sind doch erstaunt, wie viele Menschen dem Rücktritt von Lang und Nouripour eine positive Wirkung zurechnen, es sind, dezidiert und latent zusammengerechnet, aktuell nicht weniger als 47 Prozent der Abstimmenden. Allerdings haben wir auch noch bei keiner Umfrage so viele Menschen gesehen, die mit „unentschieden“ gestimmt haben: 31 Prozent.  Und zu jenen zählen wir. Wir glauben eher nicht, dass der Rücktritt des derzeitigen Grünen-Vorstands größere Auswirkungen auf die Wahlchancen der Grünen haben wird. Anders dann, wenn jemand nachrückt, der für sehr deutliche Veränderungen steht und die Grünen quasi den Liberalkonservativen so weit annähert, dass die Grünen für gesellschaftlich konservative, aber ökologisch progressive Menschen wählbarer werden.

Diejenigen, die gesellschaftspolitisch zu links sind, könnten dann das „Juste Milieu“ in der Linken stärken, wie Sahra Wagenknecht es ausdrücken würde. Wenn man ihre BSW-Abspaltung von der Linken hinzunimmt, die zur erfolgreichsten Partei-Neugründung in der Geschichte der BRD geführt hat, wenn man bedenkt, dass die CDU ebenfalls eine kleine Abspaltung nach rechts hatte, kann man wirklich sagen, es ist viel Bewegung im politischen Spektrum. 

Bei den Grünen selbst hat dieser Vorgang übrigens ein Vorbild: Viele Linksgrüne wendeten sich von der Partei ab, als diese 1998 in die Koalition mit der SPD unter Kanzler Schröder ging. Zu Recht, nach unserer Ansicht, denn was die Grünen damals sowohl außenpolitisch als auch sozial alles abnickten, hätte sie in unseren Augen schon unwählbar machen müssen. Als wir 2007 nach Deutschland zurückkehrten und nach Berlin zogen, hatte dann aber doch noch einmal das Gepräge der Grünen vor Ort und die durchaus vorhandene Sympathie für deren Direktkandidatin im Bezirk eine Zeitlang vorgehalten, die wir bis heute als eine der fachlich versiertesten Grünen schätzen.

Wissen Sie noch, wie die Grünen eigentlich entstanden sind? Weil die Schmidt-SPD nach Ansicht vieler junger Menschen, die im 68er-Milieu aufwuchsen, nicht genug Friedenspolitik und nicht genug Soziales anbot und natürlich auch keine Anti-Atom-Haltung. Der Atomausstieg ist erledigt, das Soziale bei den Grnen weitgehend beerdigt, sie sind mittlerweile die am meisten rhetorisch kriegsgeneigte Partei neben der FDP,  also ist es die Klimapolitik, und die ist bei genauem Hinsehen konservativ: Erhaltung durch Veränderung. Das ist auch der Teil grüner Programmatik, mit dem wir uns heute noch identifizieren können, obwohl wir wirtschafts- und sozialpolitisch nicht konservativ sind und daher die Widersprüche in der grünen Haltung leicht ermitteln können, wie sie sich ja leider nun seit dem Ampelstart auch realpolitisch zeigen und dem gesamten linken Spektrum schaden.

Werden also die Grünen erneut eine konservative Verschiebung vornehmen? Etwas mehr Klimapolitik als die anderen Mitte-Rechts-parteien hätten sie dann ja immer noch zu bieten. Die Justierung der Ausrichtung dürfte aber nicht von heute auf  morgen so deutlich und an neuen Vorsitzenden festgemacht sichtbar werden, dass sie wesentliche Rückgewinne von Wähler:innen mit sich bringt oder Neuwähler:innen, die bisher CDU oder SPD gewählt haben, undHabeck und Baerbock, die das Bild der Grünen in der Öffentlichkeit wesentlich bestimmen, müssen ja ihre Positionen nicht ändern. An einer Änderung ihres Stils arbeiten sie sehr wohl, aber man bemerkt den Mangel an Authentizität, weil immer wieder eine Verstiegenheit durchdringt, die ihnen als Vorsitzende seinerzeit nicht geschadet hat, aber sehr wohl Probleme bei bürgernaher, sozial halbwegs gerechter Bundespolitik oder gar beim Gestalten von Weltpolitik verursacht.

TH

 

[1] Quellen zum Rücktritt Lang / Nouripour

[1] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/so-reagiert-die-politik-in-bw-auf-ruektritte-bei-den-gruenen-100.html

[2] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/gruene-ruecktritt-lang-nouripour-reaktionen-100.html

[3] https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-ruecktritt-lang-nouripour-reaktionen-lux.KHCQUFxTyifqDTLmf39uMF

[4] https://www.stern.de/politik/deutschland/ruecktritt-der-gruenen-spitze–das-signal-gilt-der-ganzen-ampel-35093250.html

[5] https://www.faz.net/aktuell/politik/ruecktritt-der-gruenen-spitze-ist-das-der-befreiungsschlag-110008573.html

[6] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/nouripour-lang-ruecktritt-gruene-102.html

[7] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-vorstand-ruecktritt-102.html

[8] https://www.deutschlandfunk.de/gruene-ruecktritt-vorstand-lang-nouripour-100.html

 

[2] Quellen zu „Kritik am Rücktritt?“

1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-nouripour-lang-102.html

[2] https://www.stern.de/politik/deutschland/ruecktritt-der-gruenen-spitze–das-signal-gilt-der-ganzen-ampel-35093250.html

[3] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ohne-ricarda-lang-und-omid-nouripour-gruene-ruecktritte-als-chance-110010662.html

[4] https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-ruecktritt-lang-nouripour-reaktionen-lux.KHCQUFxTyifqDTLmf39uMF

[5] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-vorstand-ruecktritt-102.html

[6] https://www.stern.de/politik/deutschland/-fuer-die-gruenen-brechen-schwierige-zeiten-an—-die-pressestimmen-35095996.html

 

[3] Quellen zu „Rückzug der Grünen Jugend“

[1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruenen-vorstand-ruecktritt-100.html

[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-jugend-vorstand-ruecktritt-austritt-partei-lux.2zfArsx6vhN8qDiJY57xJu

[3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-jugend-linke-100.html

[4] https://www.br.de/nachrichten/bayern/vorstand-der-bayerischen-gruenen-jugend-tritt-aus-partei-aus,UPXhuIk

[5] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/gruene-austritte-100.html

[6] https://taz.de/Gruene-Jugend-Spitze-tritt-aus/!6039134/

[7] https://www.deutschlandfunk.de/kommentar-ruecktritte-gruene-jugend-100.html

 


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