Crimetime 1247 – Titelfoto © SWF
Playback oder die Show geht weiter ist eine Folge der ARD-Krimireihe Tatort. Die vom Südwestfunk (SWF) produzierte Episode wurde erstmals am 17. März 1974 in der ARD ausgestrahlt und erreichte einen Marktanteil von 60,0 %.[1] Es ist der zweite Fall mit Kommissar Gerber.
Handlung (1)
Der internationale Gesangsstar Heidi Brühl landet am Stuttgarter Flughafen. Ein Mann, der sie am Flughafen begrüßen will, wird von einem von einem Gepäckwagen herunterfallenden Koffer schwer verletzt. Für Lutz und seinen Assistenten Glöckle steht zunächst fest, dass es sich um einen Unfall handelt. Der Verursacher ist verschwunden. Der Manager von Heidi Brühl vermutet dagegen einen versuchten Anschlag auf seinen Star. Lutz kontaktiert seinen Kollegen Gerber, da Heidi Brühl in Baden-Baden ein Konzert gibt und dorthin weiterreist. Gerber stellt seinen Assistenten Ihle für den Aufenthalt von Heidi Brühl in Baden-Baden ab. Unter den Enseble-Mitgliedern werden bei der Probe Eifersüchteleien deutlich. Kommissar Gerber taucht bei der Probe auf, er will zwar Heidi Brühls Auftritt bewachen, aber macht den Verantwortlichen klar, dass er nicht mehr tun kann, solange nichts passiert. Der Manager von ihr besteht aber auf Personenschutz, den Gerber dann auch gewährt.
Bei der nächsten Probe am nächsten Morgen wird die Orgel fehlgeschaltet, so dass Heidi Brühl einen Stromschlag erhält. Hätte sie dabei in die Pedalen getreten, wäre der Anschlag tödlich gewesen. Der Manager gibt Gerber die Schuld an dem Anschlag. Gerber untersucht einen vorangegangenen Streit zwischen Heidi Brühls Manager Harry May und dem Pianisten Bert Schlesinger. Schlesinger ist wütend auf May, weil dieser seiner Freundin Lill, der Backgroundsängerin von Heid Brühl, nachstellt. Gerber vermutet, dass der Anschlag Schlesinger galt, da dieser normalerweise an der Orgel hätte sitzen sollen. Dieser lehnt den von Gerber angebotenen Personenschutz ab. May erhält einen Drohanruf von einem Unbekannten. Dieser sagt, er wolle, dass Heidi Brühl mit ihrer „entarteten Kunst“ und ihrem „undeutschen Gesang“ aufhöre. Er fordert DM 100.000, damit nicht noch mehr passiert. May macht die Drohung umgehend auf der gleichzeitig laufenden Pressekonferenz öffentlich, was Gerber missfällt. (…)
Rezension mit Anni und Tom
Anni: „Da war meine Liebe schon vorbei.“ Da ist mir das Lied, das zum Singen auffordert, egal, wie man gerade drauf ist, lieber. Das andere hat so einen tragischen Einschlag in Richtung von Heidi Brühls wirklichem Leben. Witzig, dass der Tatort kaum eine Woche nach den letzten Immenhof-Filmen ausgestrahlt wird, die wir hier auch besprochen haben und in denen Heidi Brühl sozusagen von der Originalbesetzung aus den 1950ern übrig geblieben war – und natürlich auch ziemlich genau so aussieht wie in diesem Tatort, der ja fast zur selben Zeit entstand („Die Zwillinge vom Immenhof“ von 1973 und „Frühling auf Immenhof“ von 1974). Einmal werden die Filme aus den 1950ern auch beim Kegeln erwähnt, glaube ich, und da wirkt es schon etwas sonderbar, dass jemand diese Filme in den frühen 1970ern nicht gekannt haben soll.
Tom: Und dass sie in Las Vegas war und dort eine der ganz wenigen deutschsprachigen Künstlerpersönlichkeiten, die sich dort erfolgreich behaupten konnte, worüber sie in ihrer Pressekonferenz Auskunft gibt, stimmt auch.
Anni: Jetzt haben wir ja zum ersten Mal einen Film mit Kommissar Gerber gesehen, dem ersten SWF-Tatort-Ermittler. „Tod eines Einbrechers“ ist noch aufgezeichnet, glaub ich. Anfangs sieht es ja aus, als ob es ein Fall mit Lutz würde, aber dann bewegt sich das Geschehen weg vom Flughafen Stuttgart und nach Baden-Baden.
Tom: Wo der produzierende SWF seinen Sitz hatte – auch der Nachfolger SWR hat dort noch ein Studio. Vermutlich war „Playback“ der erste Medientatort, seitdem gab es einige aus der Welt der Volks- oder Rockmusik oder eben des Schlagers. Luciano Pavarotti hat auch mitgemacht.
Anni: Aber wirklich. Also, sogar die Annik und die Augenpartie und das alles, fast ein Double, und natürlich so ein opernhafter Auftritt, das passt super. Aber der Mann heißt Udo Vioff und spielt einen ständig aufgekratzten oder beleidigten Schlagerkomponisten. Am Ende erklärt er sein tun, wir haben es also mit einem Tatort mit „Talking Head“ vom Feinsten zu tun – aber es gibt keine Toten. Sowas ging damals noch, und trotzdem hat die Mordkommission häufig ermittelt. Hier gleich in Form von zwei Ermittlerteams. Also, dieser Gerber sagt mir gar nichts, obwohl er zusammen mit seinem Assistenten schrillere Klamotten trägt als die Künstler. Die haben wenigstens einfarbige Jacketts an und diagonalgestreifte Krawatten, und nicht diese unglaublichen Jacken mit ungleich großen Karos, die Gerber und sein Assi spazieren tragen. Also, wenn die nebeneinander stehen, bekommst du einen Augenkatarrh. Sollte das ironisch sein, dass die Kriminaler versuchen, noch modischer zu sein als die Showbiz-Leute und dabei ihren schlechten Geschmack zur Schau stellen? Bei einem Tatort aus der Zeit kann man das ja nie genau wissen.
Tom: Schon möglich, dass die Ermittler absichtlich besonders gruselig angezogen wurden. Ironie dürfte dem Film wohl nicht fremd sein, denn die Art, wie die Schlagermenschen gezeigt werden, hat ganz sicher eine satirische Ausrichtung. Und es gibt echt witzige Szenen, wie die kleine Elektroorgel-Explosion, bei der Heidi Brühl nach hinten wegfliegt. Gottseidank ist ihr nichts Schlimmeres passiert. Ich glaube aber, jetzt gründlich nachzuforschen, ob es in der Schlagerwelt wirklich so zugeht oder von mir aus zu Beginn der 1970er so zuging, wäre zu viel des Guten. Ob der Fall, dass jemand die Musik für jemand anderen schreibt, weil dieser ihn erpresst, einem realen Tatbestand nachempfunden wurde? Vermutlich nicht direkt, davon wüsste man heute noch etwas.
Anni: Es hätte sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt, meinst du? Nein, so wichtig waren die Schlagerfuzzis doch auch wieder nicht. Aber diese Art von Schager, die Heidi Brühl hier singt, war damals Mainstream. Solche Sachen haben sich richtig gut verkauft. Nicht alle natürlich, aber denk mal an die ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck. Das war damals ne Kultsendung. Da hätte die Heidi Brühl mit ihrem Auftritt super reingepasst. Und wie sie das ursprünglich langsame und nicht nur nach Brühls Meinung farblose „Sing, sing, sing“ so arrangiert haben, dass es in die Zeit passt, also einen Schunkel-Rhythmus hat, klasse. Die meisten Hits dieser Zeit waren so.
Tom: Ja, das war noch – knapp, allerdings, ich glaube, damals gab es auch schon eine Tendenz zu mehr gefühlvollen und balladenmäßigen Liedern – die Partyzeit an sich. Aber dazu verliest der damalige ARD-Anchorman Karl-Heinz Köpcke Nachrichten aus dem gerade endenden Vietnamkrieg – auch das ist natürlich ein ironischer Kommentar auf die Schlagerwelt mit ihren lächerlichen Eitelkeiten und Streitereien.
Anni: Könnte man heute genauso behandeln. Es gibt ja auch einige moderne Tatorte aus der Musikszene, gerade neulich noch „Zwei auf einen Schlag“ (Volksmusik, Sachsen, neues Team) oder über Musiker, die durch Castingshows gezwiebelt werden („Sternschnuppe“, Österreich). Und ich meine, es gab mal einen Wiegand-Tatort, der auch hinter die Kulissen des eigenen Senders SWF geschaut hat.
Tom: Aber ich finde, keiner von diesen Krimis bietet so viel Einblick in die Produktionstechnik wie „Playback“. Dafür ist er als Krimi allerdings unterbelichtet.
Anni: Das kann man wohl sagen. Anfangs fand ich das ständige Herumgezeter zwischen den Schlagerleuten noch witzig, weil sie doch alle sehr eigenwillig dargestellt werden, aber irgendwann war’s dann zu viel. Produktions-Abendmahl mit zwei Ermittlern, haha. Der Film hat überhaupt keine Verdichtung, klingt dadurch zwar sehr wie dem wirklichen Leben abgeschaut, aber gerade darin liegt ja auch etwas Tückisches. Die Übersteigerung erkennt man fast gar nicht als solche, weil die Dramaturgie so flach ist.
Tom: Wunderbar gesagt. Meine Mutter konnte das auch gut, aus zwei falschen Voraussetzungen die richtigen Schlüsse ziehen – die in Wirklichkeit Ergebnisse eines guten Instinkts waren …
Anni: Hallo? Es stimmt doch, dass der Film so einen halbdokumentarischen Touch hat, anstatt einer klassischen Konstruktion nach der Plotpoint-Theorie pimperlt alles im Zank vor sich hin und dadurch gibt es keinen echten Höhepunkt.
Tom: Ja, aber das mit der Übersteigerung, in dem Zusammenhang. Okay, ich setze jetzt rückwärts aus dieser Sackgasse und versuche, dabei niemanden zu rammen.
Anni: Dankeschön. Wenigstens gibst du’s zu. Haben wir schon über Gerber gesprochen?
Tom: Ja, aber weil du mit ihm angefangen hast, sind wir nicht über die Klamotten hinausgekommen.
Anni: Boah, jetzt fährst du mir doch wieder an die Karre. Ich glaub, der Tatort hat auf dich abgefärbt, du bist so zickig. Dabei bist du hier nicht das Mädchen.
Tom: Im Film ist es ja auch der Komponist, der als zickig bezeichnet wird. Den Ausdruck gab’s damals also auch schon. Okay, an den Gerber muss ich mich erst gewöhnen, aber war das nicht bei all diesen Kommissaren aus der Anfangszeit so, dass man das musste, weil sie so anders sind als die heutigen?
Anni: Den Gerber find ich besonders dröge. Aber in der Rangliste vom Tatort-Fundus ist „Plackback“ auch dessen schwächster Film. Vielleicht sollten wir doch langsam mit Youtube gucken nachhelfen, um die Lücken bei den Uralt-Tatorten zu füllen.
Tom: Liebe Kollegin, wir haben noch fast 100 Rezensionen auf Lager, die bisher nicht veröffentlicht wurden, das reicht für zwei Jahre, wenn wir das gegenwärtige „Ein alter für einen neuen Tatort“-Schema beibehalten. Die Qualität gerade der alten Tatorte, wie sie auf Youtube üblich ist, ist mir auch im Vergleich zu unserem HD-Anschluss hier zu gering. Da krieg ich dann den Augenkatarrh, wie du bei den großkarierten Jacken.
Anni: War nur ein Vorschlag. War nur ein Vorschlag. Ich sag nichts mehr. Aber das letzte Wort hätt ich gerne. So, ich hab meine Punktzahl aufgeschrieben. Your turn.
Tom: Ganz schwierig, dieses Mal. Mehr als 5,5/10 sind auch für mich nicht drin, trotz des auf seine Weise guten Spiels der Darsteller und trotz Heidi Brühl.
Anni: Sag ich doch, als Krimi ist dieser Fall kaum zu gebrauchen. Ich geb 4,5/10. Ich hab auch nicht das Dalli-Syndrom, wie du. Nein, du darfst darauf nicht mehr antworten. Punkt. Klappe. Die Show ist zu Ende und es gibt auch kein Playback.
5/10
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Rolf von Sydow |
|---|---|
| Drehbuch | Henner Höhs |
| Produktion | |
| Musik | Rolf-Hans Müller |
| Kamera | |
| Schnitt | Renate Struve |
| Premiere | 17. März 1974 auf Deutsches Fernsehen |
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