Briefing Verkehrswende, Sozialpolitik, Wirtschaft
Nutzen Sie das Deutschlandticket der Bahn oder Ihres regionalen Verkehrsverbundes? Dann wird Sie folgende Umfrage vielleicht interessieren.
Deutschlandticket: Günstiger für Geringverdiener? (civey.com)
Genauer Text der Umfrage:
Begleittext
Das Deutschlandticket soll ab dem nächsten Jahr 58 Euro kosten. Das haben die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der Bundesländer laut RBB letzte Woche in einer digitalen Sondersitzung beschlossen. Das Deutschlandticket wurde zum 1. Mai 2023 eingeführt und kostet aktuell 49 Euro im Monat. Bei dem Ticket handelt es sich um ein Abo, das monatlich kündbar ist. Es kann bundesweit in allen Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs eingesetzt werden. Bund und Länder stritten schon länger über die künftige Finanzierung des Tickets.
NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer nannte die Erhöhung „maßvoll“ und einen „Befreiungsschlag“, um das Ticket dauerhaft zu sichern. Die Preiserhöhung sei erforderlich, „um gemeinsam mit dem staatlichen Zuschuss von Bund und Ländern ein passendes Finanzierungskonzept auszubalancieren”. So heißt es laut Spiegel in der Beschlussvorlage. Durch das aktuell günstige Angebot litten Verkehrsunternehmen derzeit unter hohen Einnahmeeinbußen, heißt es ferner zur Begründung. Die Länder gehen davon aus, dass das Ticket durch zusätzliche Angebote wie das Jobticket und Studierendentickets weiterhin attraktiv für die Kundschaft bleibe.
Zahlreiche Verbände reagierten mit starker Kritik. Der Sozialverband VdK fordert einen günstigeren Ticketpreis von 29 Euro für Menschen mit geringem Einkommen. Der Preisaufschlag sei ein großes Problem für Millionen von armutsgefährdeten Menschen, sagte VdK-Vize Horst Vöge der WAZ. Er warnte zudem davor, dass der desolate Nahverkehr auf dem Land so noch unattraktiver werde. Die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik forderte die Ampel laut Tagesspiegel auf, die Erhöhung zu verhindern. Der Bund könnte die Steigerung bspw. selbst abfedern oder Unternehmen verpflichten, das Deutschlandticket als Jobticket anzubieten.
Meinung
Wir sind ein wenig im Zwiespalt. Sollen wir uns nur noch zu Themen äußern, die uns besonders nahe liegen, weil wir da ohne weitere Recherche einen Kommentar texten können, oder wiederholen wir uns deshalb zu oft und sollten unsere Meinung zu weiteren Themen schärfen? In diesem Fall hielten wir es für angezeigt, erst einmal etwas Recherche zu betreiben:
Bitte erklären Sie das Deutschlandticket und die Meinungen zur Anhebung des Preises von 49 auf 58 Euro, was spricht generell für und gegen das Deutschland-Ticket?
Das Deutschlandticket, auch bekannt als 49-Euro-Ticket, ist ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket, das seit Mai 2023 für 49 Euro pro Monat erhältlich ist. Es ermöglicht die Nutzung aller Busse und Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland[1].
## Geplante Preiserhöhung
Die Verkehrsminister der Länder haben beschlossen, den Preis des Deutschlandtickets ab Januar 2025 von 49 auf 58 Euro pro Monat zu erhöhen. Dies entspricht einer Preissteigerung von etwa 18 Prozent[1].
### Begründung für die Preiserhöhung
Die Preiserhöhung wird als notwendig erachtet, um die Mehrkosten des Tickets über die Zuschüsse von Bund und Ländern hinaus auszugleichen. Bund und Länder finanzieren das Ticket jeweils zur Hälfte mit jährlich 1,5 Milliarden Euro. Die tatsächlichen Kosten für die Verkehrsunternehmen übersteigen jedoch diese drei Milliarden Euro[1].
### Reaktionen auf die Preiserhöhung
– **Befürworter**: Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) bezeichnet die Erhöhung als „maßvolle Preissteigerung“ und betont, dass es sich nach wie vor um ein sehr günstiges Angebot handele[1].
– **Kritiker**: Verbraucher- und Umweltschützer äußern scharfe Kritik. Sie befürchten, dass die Preiserhöhung viele Menschen abschrecken und zu sinkenden Nutzerzahlen führen könnte[1].
## Argumente für das Deutschlandticket
- **Vereinfachung**: Das Ticket bietet eine einfache und einheitliche Lösung für den öffentlichen Nahverkehr in ganz Deutschland.
2. **Kostenersparnis**: Für viele Pendler und Vielfahrer ist es deutlich günstiger als herkömmliche Monatstickets.
3. **Förderung des ÖPNV**: Es soll mehr Menschen dazu bewegen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
4. **Klimaschutz**: Durch die Verlagerung vom Individualverkehr auf den ÖPNV kann es einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
5. **Soziale Teilhabe**: Es ermöglicht mehr Menschen die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und fördert somit die Mobilität[2].
## Argumente gegen das Deutschlandticket
- **Finanzierungsprobleme**: Die langfristige Finanzierung ist nicht gesichert, was zu Unsicherheiten führt.
2. **Ungleiche Nutzung**: Kritiker argumentieren, dass vor allem die Mittelschicht in Vorstädten und Speckgürteln von dem Ticket profitiert, während es ärmere Bevölkerungsgruppen nicht ausreichend erreicht[3].
3. **Begrenzte Wirkung**: Einige Mobilitätsforscher sehen den Preis als zu hoch an, um signifikante Verlagerungseffekte vom Auto auf den ÖPNV zu erzielen[3].
4. **Kosten für die öffentliche Hand**: Die Subventionierung des Tickets belastet die öffentlichen Haushalte erheblich.
5. **Kapazitätsprobleme**: In einigen Regionen könnte eine erhöhte Nachfrage zu Überlastungen im ÖPNV führen.
Insgesamt wird das Deutschlandticket als wichtiger Schritt zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs gesehen, aber es gibt auch Bedenken hinsichtlich seiner langfristigen Finanzierung und Wirksamkeit. Die geplante Preiserhöhung hat die Debatte über die Zukunft des Tickets weiter angefacht.[1]
Grundsätzlich sind Subventionen nach unserer Ansicht dann sinnvoll, wenn sie zielgruppengerecht und zielgerecht vorgenommen werden: Der ÖPNV muss mehr genutzt werden und wirklich arme Menschen müssen etwas vom Deutschlandtickt haben. In der Form, dass sie es nutzen, während sie die normalen Monatsabos in nicht genutzt haben. In Berlin spart ein Deutschlandticket etwa 25 Prozent gegenüber einem Dauer-Abo, wenn man nur in der Innenstadt führt, wenn man das Umland dabei haben möchte, ist die Ersparnis höher. Gegenüber dem Innenstadt-Ticket, wofern man frühere Preise zurgrundelegt, würde ein 58-Euro-Ticket kaum noch eine Ersparnis bedeuten.
Für die wirklich Armen hingegen sind 49 oder 58 Euro bereits zu teuer, für sie gibt es in Berlin aber das S-Ticket. An dieser Stelle eine kleine Belehrung zur Bürgergeld-Diskussion: Privilegien von Bürgergeldempfängern gegenüber Niedriglöhnern, die nicht aufstocken müssen durch Bürgergeld, darf man aus der Gerechtigkeitsdiskussion nicht ausklammern. So spart jemand, der in Berlin Bürgergeld bezieht, gegenüber einem Niedriglöhner, der nicht zusätzlich Bürgergeld beziehen muss, um über dem Existenzminimum zu liegen, allein durch den Unterschied zwischen S-Ticket und 49-Euro-Ticket sowie dem Erlass der Rundfunkgebühren fast 60 Euro monatlich. Es gibt weitere Privilegien für Arme, die aber eher fakultativ sind, das heißt, man muss die Angebote wirklich nutzen, die vergünstigt sind, z. B. im Kulturbereich. Nach unserer Ansicht bestehen diese Privilegien zu Recht, auch der Zugang zur Tafel gehört dazu, denn sie gleichen geringere Teilhabe in vielen Bereichen zumindest teilweise aus. Der Mindestlohn ist eben immer noch zu niedrig.
Zurück zum Kern. Der Staat subventioniert an vielen Stellen. Zum Beispiel haben im Berlin unzählige Menschen mittlerweile einen Anspruch auf Wohngeld, weil die Mieten so davonschießen, dass auch Vollzeit-Arbeitende teilweise nicht mehr in der Stadt wohnen könnten, in der sie für die Reichen Dienstleistungen aller Art erbringen, wenn wenn der Staat nicht eingreifen würde. Nach unserer Ansicht tut er das auf die falsche Art. Anstatt eine Mietpreisbegrenzung einzuführen, die tatsächlich wirkt, subventioniert er Mieten in die Taschen der Reichen hinein. Die Mietenden haben davon nur oder immerhin, dass die Verdrängung aus der Stadt etwas gebremst wird, nicht mehr und nicht weniger. Hingegen werden die Reichen selbst mit unzähligen, teilweise skandalösen Absetzungsmöglichkeiten subventioniert, gerade im Immobilienbereich, deswegen haben wir dieses Vergleichsbeispiel auch erwähnt.
Die ÖPNV-Subventionierung ist nicht ganz so politisch aufgeladen, zumal sie auch eine ökologisch Wirkung haben soll. Sofern sich also ermitteln lässt, dass der ÖPNV tatsächlich mehr genutzt wird, sind wir für diese Subventionierung, weil hier Geld für sinnvolle Verbraucherverhaltenssteuerung ausgegeben wird. Wir finden es auch richtig, dass Geringverdiener weniger zahlen müssen als jene, die es nicht nötig haben, subventioniert zu werden, damit sie mobil sind. Ob die Erhöhung im Ganzen notwendig ist, um das Ticket zu sichern, können wir nur schwer beurteilen, aber die hohe Inflation der letzten Jahre lässt darauf schließen, dass die Erhöhung zumindest nicht aus der Luft gegriffen ist.
Eine Splittung des Ticketpreises nach Einkommensgruppen hat natürlich wieder einmal einen Mehraufwand für die Ticketverwaltung zur Folge, weil es dafür einen Berechtigungsnachweis geben muss. Sinnvollerweise sollte man also wenigstens Grenzen für die Verbilligung einführen, die mit bereits vorhandenen Nachweisen (in Berlin könnte das der S-Ticket-Ausweis sein oder ein allgemein ein Bewilligungsbescheid des Jobcenters) verknüpft sein könnten. Schlecht fahren damit im wörtlichen Sinne diejenigen, die keine Staatsbeihilfen bekommen, aber wenig verdienen, und diese trifft es ja leider häufig, wenn es nichts zu verteilen gibt. Eine Art Staffelung ähnlich derjenigen der Steuersätze wäre vielleicht gerechter, aber doch zu kompliziert.
Obwohl wir nicht sicher sind, dass die wirklich Bedürftigen am meisten von dem Ticket profitieren werden, wenn es künftig zwei verschiedene Preise dafür gibt, haben wir eindeutig mit „ja“ gestimmt, denn eine Ermäßigung, die nicht ganz passgenau ist, ist in diesem Fall immer noch besser als gar keine.
Ein anderer Fall sind die sogenannten Jobtickets. Wir hatten auch den Vorteil, dass unser Arbeitgeber uns das Innenstadt-Ticket komplett bezahlt hat, aber damit gehörte er zu einer Minderzahl von Unternehmen, die freiwillig diese Leistung als kleinen Gehaltsbonus anbieten. Wenn man hingegen das Jobticket als verpflichtend einführen will, wird man den Unternehmen die Kosten dafür ersetzen müssen, also indirekt anstatt direkt subventionieren, mit dem Nebeneffekt, dass nicht Arbeitende davon nichts haben werden. Falls das gewünscht ist, soll die Politik es auch benennen.
Grundsätzlich finden wir das Deutschlandticket richtig, aber 49 Euro fanden wir für ärmere Menschen von Beginn an recht hoch angesetzt, unbeschadet der Inflation gilt das natürlich auch für 58 Euro, den Preis, der jetzt eingeführt werden soll. Deswegen ist eine Splittung sinnvoll, solange dies nicht mehr Aufwand verursacht, als die Nutzung an tatsächlichen Teilhabe-Vorteilen erbringt.
Mit uns haben 42 Prozent eindeutig für die Geringverdiener-Ermäßigung eines ohnehin ermäßigten, nicht kostendeckenden Ticketpreises gestimmt, weitere 16 Prozent sind überwiegend dafür. Die 20 Prozent, die komplett dagegen sind, können dafür verschiedene Motive haben, die wir an dieser Stelle nicht interpretieren (Stand der Abstimmung: 03.10.2024, ca. 15 Uhr).
TH
[1] [1] https://www.trtdeutsch.com/news-inland/preiserhohung-beim-deutschlandticket-stosst-auf-scharfe-kritik-18212050
[2] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/deutschlandticket-kostet-kuenftig-neun-euro-mehr-102.html
[3] https://www.deutschlandfunk.de/deutschlandticket-finanzierung-kosten-bilanz-100.html
[4] https://www.regionalhero.com/ratgeber/deutschlandticket
[5] https://www.chip.de/news/Deutschlandticket-Diese-Aenderung-bringt-grossen-Nachteil-fuer-Kunden_184913948.html
[6] https://www.spiegel.de/auto/deutschlandticket-verbraucherschuetzer-warnen-vor-nachteilen-fuer-nutzer-des-49-euro-tickets-a-ae31b470-bd76-4a84-bba4-7c12988954c7
[7] https://www.bahn.de/angebot/regio/deutschland-ticket
[8] https://www.adac.de/news/49-euro-ticket/
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

