Crimetime 1248 – Titelfoto © HR
Trittbrett-Entführer und Tonbandaufzeichnungen
Eine todsichere Sache ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom HR produziert und am 17. Februar 1974 zum ersten Mal gesendet. Es ist die 37. Folge der Tatort-Reihe, der vierte Fall für Kommissar Konrad (Klaus Höhne), der wie schon in der Folge Kennwort Gute Reise von seinem Assistenten Robert Luck (diesmal allerdings gespielt von Manfred Seipold) unterstützt wird. Konrad und Luck ermitteln in einem Entführungsfall.
Im vierten von acht Fällen, die Kommissar Konrad bei der Frankfurter Mordkommission gelöst hat, gibt es, wie damals häufig im „Tatort“ – keinen Tatort. Vielmehr ist eine Frau verschwunden und ihr Mann wird um Lösegeld erpresst. 85 Minuten klassische Krimikost warten auf den Zuschauer, der sich in die 1970er hineinziehen lassen mag.
Handlung
Wie meistens am Sonntagmorgen sitzt der Industrielle Georg Moll im Arbeitszimmer seiner Villa, als seine junge Frau Isabell sich anschickt, mit ihrem Sportcabriolet nach Wiesbaden zu ihrer Schwester zu fahren. Als sie sich von ihrem Mann verabschiedet, meint er, bis Mittag werde er mit seiner Arbeit zu tun haben, dann wolle er es sich gemütlich machen. Daraus wird nichts. Denn kaum ist Moll Stunden später in den Garten gegangen, läutet das Telefon. Sein Butler nimmt das Gespräch an. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Unbekannter und erklärt, er habe Isabell Moll in seiner Gewalt. Kommissar Konrad übernimmt die Ermittlungen.
Rezension
Anni & Tom zum Tatort 037 „Eine todsichere Sache“ (enthält ab dem ersten Absatz Angaben zur Auflösung!)
A: Ich liebe diese frühen Tatorte. Einige jedenfalls. Hast du das am Ende gemerkt, wie Moll aus der Wahrnehmung gefallen ist? In der Rückblende sagt er, er hat seine Frau versucht zurückzuhalten, von dem Ingenieur abzubringen. Aber warum wollte er sie halten? Um den Skandal in der Firma zu vermeiden. Du hast alles auf der Hand. Wie es zu dieser Entfremdung kommen konnte, zur Affäre mit dem jungen Ingenieur, alles in einem einzigen Satz. Das war noch Kino. Und es passt, auch am Anfang wirkt Moll ja so kühl und distanziert und sagt einmal auch, dass er sich nie gehen lässt. Ein Technokrat mit einer zu jungen, lebenslustigen Frau. Keine Verurteilung des Fremdgehens mit dem feschen Ingenieur. Trotzdem tödlich. Nur hätte der Firmenchef einen spießigen Benz fahren sollen, kein englisches Auto.
T: Einen alten Rover 3500 hatte er, aber ohne Rad auf dem Kofferraumdeckel. Und die Ehefrau fuhr einen Fiat Spider. Aber das Briten-Gefährt ist doch stockkonservativ, erst 1977 kam dann diese ganz andere Version mit Schrägheck als Nachfolger. Autos als Programm, er einen Wagen für steife, etwas britische Typen halt, er hat ja auch einen Butler, sie ein schickes kleines Cabrio in Rot, das ihre Lebenslust spiegelt. Damals hat man sich noch bei jedem Detail etwas gedacht. Und mir soll niemand erzählen, der deutsche Autorenfilm hat bei diesen sehr lakonisch-präzisen Sozialstudien nicht Pate gestanden. Diese Art, Menschen distanziert und sehr analytisch zu filmen, hat sich schnell auf diese Premium-Krimis übertragen. Man hat sofort erkannt, als die Reihe startete, wie gut sie sich als Zeitspiegel verwenden lässt. Und in Frankfurter Krimis ging es bis in die Brinkmann-Zeit eh immer ums Geld. Dieses Mal sogar in doppeltem Sinn.
A: Das Lösegeld und das große Geld, das wichtiger ist als die emotionalen Dinge, ja? Toller Plot, finde ich. Ich habe keinen einzigen Logikfehler entdeckt.
T: Na ja, so cool die Überwachung mit elf Männern im Wald auch war, so rudimentär die gesamte Geldübergabegeschichte. Da wollte man dieser intimen Beziehungsstudie etwas Pep verleihen und hat sich nichts dabei gedacht, dass es ziemlich kurios ist, dass jemand sich im Wald ein Versteck fürs Geld gräbt und es dann in einer weißen Plastiktüte mit nach Hause nimmt. Was hätte das Verstecken aber auch letztlich genützt? Und warum erfolgt die Täterbeschreibung per Funk so spät? Sei’s drum. Die Idee mit dem Zufalls-Erpresser ist schon gut. Und ansonsten fand ich den Aufbau auch gelungen. Das ist eben der Vorteil, wenn man es mit Schauplätzen und Wendungen nicht übertreibt, man behält den Überblick. Ja, die kleinen Leute, die auf illegale Weise nach oben wollen und die Reichen, die gar nicht merken, wie ihre Art emotionale Bedürfnisse anderer ausblendet. Und die eigenen vielleicht auch.
A: Und wie schön ruhig das alles gefilmt ist. Ein wenig steif, nicht nur der Moll, aber Konrad wirkt sympathisch, oder? Finke sieht man auch kurz. Das war ja damals ein Standard, andere Tatortermittler ein wenig mitmachen zu lassen, damit sie was verdienen können. Damals gab es ja noch nicht so viele Filme wie heute.
T: Auch die einzelnen Teams haben nicht so häufig gedreht, glaube ich. Nur ein- bis zweimal pro Jahr, heute ist es teilweise das Doppelte, und dann noch fast dreimal so viele Städte und Ermittler. Ja, alles an den damaligen Filmen wirkt „crisp and clear“, und dafür kann man sie nicht genug loben. In manchen dieser Filme ist die Filmsprache auch beinahe zeitlos, allerdings in den Konrad-Fällen überwiegend nicht. Das gilt auch für „Eine todsichere Sache“. Cooler Titel, der Erpresser spricht ihn aus, weil er die Frau ja tot gefunden hat. Und dass er in der Pathologie arbeitet und daher kein Problem damit, Leichen mit sich herumzuschleppen, niedlich. Irgendwie hätte ich es ihm gegönnt, dass er mit den 200.000 davonkommt. Mit Moll hatte ich hingegen kein Mitleid, komisch, oder?
A: Und das sagst du als Mann? Du hast dich wohl eher mit dem Ingenieur mit dem BMW identifiziert als mit dem Ehemann mit dem Rover, hm? Bei dir müssen vernachlässigte Ehefrauen etwas gepflegt werden und die Geldsäcke sind selbst schuld, wenn ihre Angetrauten fremdgehen. Das ist auch eine soziale Einstellung oder ein soziales Statement von dir, keine Frage. Aber ein bisschen langsam waren die Tatorte damals schon, oder?
T: Nicht so aufgeregt und verschwurbelt, meinst du?
A: Na, wir kommen wieder auf den Punkt oben raus, ich merke das schon. Was ich auch gut finde – dass nicht jeder Tatort gleich einen Tatort haben muss, und dass sich die Mordkommission auch mal um Entführungsfälle kümmern darf, weil sich ein Konrad denkt, da kommt noch ein Mord.
T: Das gab es damals aber oft, und logisch ist es natürlich nicht. Auch in den 1970ern waren die Dezernate oder Kommissionen schon getrennt, und Erpressung gehört zu den Vermögensdelikten, Freiheitsberaubung geht extra, im Fall einer Entführung. Die man übrigens nicht, wie hier im Film „Kidnapping“ nennen sollte, wenn es sich um eine erwachsene Person handelt.
A: Das „Kidnapping“ ging aber doch auf alle Entführungen über, als Begriff. Machen wir’s heute mal etwas kürzer? Ich hab meine Punkte aufgeschrieben.
T: Ich gebe 7 von 10.
A: Ich habe 7,5/10 notiert. Also mal wieder 7 von 10, gemäß der Abwertung bei Vierteln hinter dem Komma. Ja, das geht an. Schöner alter Tatort. Hat Spaß gemacht.
T: Ja, wir empfehlen ihn mal für Fans der Reihe und Leuten, die Spaß an den alten Zeiten haben.
A: Selbst wenn man die nie erlebt hat, man kann viel darüber lernen. Vorausgesetzt, man sieht die Tatorte als realistisch an.
T: Ich habe fast jeden Grashalm und jeden Baum gerochen, am Waldrand. Was haben wir damals im Wald gespielt und auch mal einen Hochsitz erklommen. Diese nüchterne, fast idyllische Art von Sinnen-Erlebnis bieten heutige Tatorte gar nicht mehr.
A: Ja, sie sind eben Zeitdokumente, und unsere Zeit ist viel künstlicher, dadurch sind auch die Tatorte artifizieller geworden. Wow, was für ein Wort. Nein, keine Frotzelei. Schluss für heute.
7/10
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
| Regie | Thomas Fantl |
|---|---|
| Drehbuch | Herbert Lichtenfeld |
| Produktion | Dieter von Volkmann |
| Musik | Eugen Illin |
| Kamera | Willy Sedler |
| Schnitt | Elke Herbener |
| Premiere | 17. Feb. 1974 auf ARD |
| Besetzung | |
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