Briefing Geopolitik, Ukrainekrieg, weitreichende Waffen, Lenkwaffen, Raketen, Kriegswende, Nato, Strategie des Westens, Russland, Wladimir Putin, Wolodymyr Selenskyj, Frieden, Aufrüstung, Nato
Mit der heutigen Umfrage lässt sich gut an eine solche anschließen, die wir im Nachgang vor einigen Tagen besprochen haben: Erwarten Sie 2024 noch Frieden in der Ukraine? Wir haben mit „eindeutig nein“ geantwortet. Wir würden auch keinen Frieden erwarten, wenn der heute offiziell vorgestellte Siegesplan von Wolodymyr Selenskyj tatsächlich in allen Punkten bei den Verbündeten durchsetzungsfähig wäre.
Es ist äußerst spannend. Selten wissen wir vor dem Schreiben eines Artikels zu einer Abstimmung nicht, wie wir selbst abstimmen werden. Wir werden es Ihnen am Schluss aber mitteilen. Aber wir werden die Erkenntnisse aus früheren Beiträgen einfließen lassen, unter anderem aus dem oben erwähnten, den Sie hier nachlesen können. Und wir bereiten für Sie die fünf Punkte des Siegesplans kurz auf, die erst nach der Veröffentlichung der Umfrage bekannt wurden. Deshalb unser Tipp: Erst lesen, dann abstimmen. Trotzdem hier der Link:
Wir lesen die Frage übrigens so, dass nicht weitreichende Waffen geliefert werden sollen, die dann nicht in voller Reichweite eingesetzt werden dürfen, sondern dass sie exakt entsprechend ihren maximalen Möglichkeiten verwendet werden dürfen.
Begleittext zur Umfrage
Der Besuch von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Berlin hat die Debatte über Deutschlands Waffenlieferungen an die Ukraine neu entfacht. Selenskyj forderte weitreichende Waffen, um sich effektiver gegen russische Angriffe zu verteidigen. Trotz der Dringlichkeit, die er betonte, bleibt die Lieferung umstritten.
Befürworter wie Anton Hofreiter (Grüne) betonen, dass der Ukraine zur Verteidigung umfassender Zugang zu weitreichenden Waffen gewährt werden müsse. Hofreiter sagte der Rheinischen Post: „Reichweitenbeschränkungen gelieferter Waffen tragen nicht zur Deeskalation bei, sondern ermöglichen weitere russische Angriffe.” Auch CDU-Verteidigungsexperte Johann Wadephul sieht in Marschflugkörpern eine Chance, die ukrainische Verteidigung zu stärken und russische Ziele im Hinterland zu erreichen.
Gegner der Lieferung weitreichender Waffen wie des „Taurus“-Marschflugkörpers warnen jedoch vor Risiken. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befürchtet, dass Deutschland und die NATO durch solche Waffensysteme in den Krieg hineingezogen werden könnten, was die Sicherheit Europas gefährden würde. Stattdessen versprach Scholz der Ukraine 1,4 Milliarden Euro an Unterstützung, darunter für Luftabwehrsysteme, Kampfdrohnen und Munition.
Information zum Siegesplan der Ukraine
Basierend auf den verfügbaren Informationen aus den Suchergebnissen lässt sich Wolodymyr Selenskyjs „Siegesplan“ in fünf Hauptpunkte zusammenfassen:
- **Sofortige NATO-Einladung**: Selenskyj fordert eine unmittelbare Einladung der Ukraine in die NATO. Er betont, dass die europäische Sicherheit durch den russischen Angriff untergraben wurde, weil die Ukraine kein Mitglied des westlichen Militärbündnisses ist[1].
- **Aufhebung von Waffenbeschränkungen**: Der Plan sieht vor, die Beschränkungen für den Einsatz von Langstreckenwaffen bei Angriffen auf russisch besetzte Gebiete und Ziele in Russland aufzuheben. Selenskyj fordert die westlichen Verbündeten auf, diese Limitierungen zu lockern[1][2].
- **Ausweitung des Kampfgebiets**: Selenskyj betont die Wichtigkeit, die Kämpfe auf russisches Gebiet zu tragen. Ziel ist es, dass die russische Bevölkerung die Realität des Krieges versteht und ihren Unmut gegen den Kreml richtet[2].
- **Stationierung nicht-nuklearer Abschreckung**: Der Plan schlägt vor, ein umfassendes Paket nicht-nuklearer strategischer Abschreckungsmaßnahmen auf ukrainischem Gebiet zu stationieren. Dies soll die Ukraine vor zukünftigen militärischen Bedrohungen durch Russland schützen[1][2].
- **Friedensgipfel und Kriegsende**: Selenskyj betont, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine verlieren muss. Das ultimative Ziel ist es, Russland dazu zu bringen, an einem Friedensgipfel teilzunehmen und bereit zu sein, den Krieg zu beenden. Eine Abtretung ukrainischer Gebiete an Russland wird dabei ausgeschlossen[1][2].
Zusätzlich erwähnt Selenskyj die Bereitschaft, westlichen Verbündeten Zugang zu wertvollen ukrainischen Rohstoffen wie Uran, Titan, Lithium und Graphit zu gewähren, um die Unterstützung zu festigen[1].[1]
Kommentar
Was ist Ihr Gefühl nach dem Lesen des Siegesplans? Wird der ukrainische Präsident diese Punkte bei der Nato durchsetzen können (1 bis 4) und daraus könnte dann (5) resultieren? Wir halten das für ausgeschlossen. Leider. Wir glauben eher, dass der Westen tatsächlich nach einer Exit-Strategie suchen wird, wenn es so weiterläuft wie bisher. Wir glauben auch nicht, und das ist eine ganz wichtige Feststellung, dass die Freischaltung von Fernwaffen für den Einsatz auf russischem Gebiet den Krieg wenden kann. Eher wird nach unserer Einschätzung folgendes passieren:
Wladimir Putin wird diese weitere Eskalationsstufe propagandistisch nutzen, um die Bevölkerung noch mehr hinter sich zu bringen, ihr Entsagungen noch besser zu erklären und die Stimmung gegen die Ukraine und den Westen weiter anzuheizen. Das wäre uns egal, wenn sich die Aussichten auf Erfolg für die Ukraine mit dieser abermaligen Erweiterung verbessern ließen, das ist nach unserer Ansicht aber nicht der Fall. Man darf sich nicht von täglichen Horrormeldungen über russische Verluste beeindrucken lassen. Es lassen sich erstens immer genauso viele Meldungen finden, die beschreiben, wie der Ukraine langsam aber sicher die Puste ausgeht, trotz der massiven Unterstützung durch den Westen, und man muss bei alldem auch beachten, dass Informationen oft nicht valide sind und wie groß Russland ist und über wie viele Ressourcen es verfügt.
Eine Sache, die wir nicht für unwichtig halten, ist in der obigen Zusammenfassung des Fünfpunkte-Plans nicht enthalten: Die Ukraine will den Westen damit ködern, dass die Rohstoffe des Landes nicht in russische Hände fallen sollten. Das ist ein wichtiges Argument, das sehen wir auch so. Aber es verändert die Kriegslage nicht.
Wir wiederholen es so lange, bis dieser Krieg zu Ende geht, auf die eine oder andere Weise: Entweder der Westen nimmt aktiv am Krieg teil, das werden die russischen Verbündeten nämlich sicher nicht tun, dann besteht eine echte Chance, die verlorenen Gebiete der Ukraine zurückzuerobern und das Land anschließend zu einer Waffenburg auszubauen, oder man denkt wirklich über einen Exit nach. Das bisherige Vorgehen ist auf die Dauer unhaltbar, sowohl für die Ukraine als auch für westliche Länder, die dadurch erhebliche Nachteile haben, besonders für Deutschland. Wenn man sich doch entschließt, Nato-Truppen in die Ukraine zu schicken, dürfen wir nicht vergessen, zu prüfen, ob sich alle Politiker, die jetzt für jedwede Eskalation sind, auch selbst freiwillig für den Fronteinsatz melden werden. Einige davon müssen allerdings erst einmal eine Grundausbildung absolvieren, weil sie noch nie eine Kaserne von innen gesehen haben. Weil das bei uns anders ist, haben wir immer die vorsichtige Linie von Olaf Scholz unterstützt und sind damit doch mitten im Dilemma gewesen, seit sich abzeichnet, dass die Ukraine nicht aus eigenen Kräften gegen die Invasoren wird standhalten können, auch nicht in dem Sinne, dass die eigenen Kräfte nur das Personal betreffen und fast alle Waffen aus dem Westen kommen.
Spätestens im Verlauf des Jahres 2023 war abzusehen, dass das so nichts wird und damit kommt auch unsere Haltung unter Druck. Wenn wir dem, was Scholz und die meisten Europäer in der Ukrainefrage vorführen, weiterhin folgen und sagen, das ist richtig, dann sind wir dafür, dass ein Krieg auf eine ganz sinnlose Art und Weise verlängert wird und weiterhin Menschen sterben werden und weiterhin unverhältnismäßig hohe Mittel aus Deutschland in die Ukraine fließen werden. Beides ist unverantwortlich.
Da der Westen aber nicht All-in gehen wird und sich die Frage nicht stellen wird, was Russlands Verbündete dann tun werden, sehen wir keine andere Lösung, als die Ukraine mehr oder weniger abzuschreiben und sich diese Niederlage nach vielen westlichen Niederlagen in den letzten Jahrzehnten nun endlich hinter die Ohren zu schreiben und die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Es ist aberwitzig, dass unzählige Volkswirtschaften, die einzeln und erst recht zusammen mehr können als die russische, nicht in der Lage sind, einen solchen Fall wie den der Ukraine zu verhindern. Das liegt daran, dass man gerne Länder in den Westen integrieren möchte, aber nicht die Konsequenzen zu tragen bereit ist, wenn andere etwas dagegen haben, sprich, wirklich für diese Länder einzustehen, indem man an ihren Abwehrschlachten aktiv teilnimmt.
Wir schreiben das in der Mehrzahl, weil wir weitere Fälle voraussehen. Wir meinen mit „Konsequenzen“ ziehen auch nicht, dass der Westen nun in Moldau, Georgien und wo noch immer Russland herausfordern sollte, koste es, was es wolle. Sondern, dass der bisherige Bestand so gesichert wird, dass ein Angriff darauf unmöglich wird. Wer jetzt in der Nato ist, muss geschützt werden, wer noch nicht drin ist, dem darf keine Hoffnung auf Beitritt gemacht werden, das gilt leider auch für die Ukraine, denn sonst gäbe es umgehend den Bündnisfall.
Es ist klar, dass Wolodymyr Selenskyj diesen gerne auslösen würde, aber dann käme die aktive Kriegsteilnahme des Westens, die niemand will, nicht einmal die offensivsten westlichen Regierungen in Polen oder Großbritannien. Die französische Bodentruppenidee war sowieso mehr oder weniger Schaumschlägerei, um zu verdecken, dass man für die Ukraine viel weniger tut als beispielsweise Deutschland.
Selbstverständlich herrscht Bündnisfreiheit und man darf Völkern nicht vorschreiben, wem sie sich anzuschließen haben. Dazu haben wir kürzlich einen guten Artikel gelesen, aus der Sicht eines Osteuropäers geschrieben, der es satthat, sich von Großmächten das Verhalten diktieren zu lassen und es als kolonialistisches Denken bezeichnet hat, festgemacht anhand der prorussischen Haltung von Sahra Wagenknecht, die auch nach unserer Ansicht nicht friedensorientiert, sondern imperialistisch denkt, nur eben anders herum als die Imperialisten im Westen.
Ein Bündnis bzw. dessen Strategen wiederum müssen darüber nachdenken dürfen, was es sich mit der Aufnahme eines geografisch und strategisch sehr ungünstig gelegenen Landes auflädt. Und je mehr sich die Nato ausdehnt, desto mehr Fronten können entstehen. Vor allem, wenn es sich um abgelegene Länder handelt, die nicht einmal gemeinsame Grenzen mit bisherigen Nato-Staaten haben. Man sieht gerade, dass das durchaus eine Rolle spielt, weil Russland Kriege immer noch auf die ganz traditionelle Weise, nämlich mit einer Bodeninvasion, führt.
Die Frage, ob Russland die Ukraine angegriffen hätte, wäre sie ein Nato-Staat, ist müßig. Vielleicht war es besser, diese Aufnahme zu verzögern, sonst wäre möglicherweise der Bündnisfall eingetreten und der Westen hätte nicht vollumfänglich geantwortet. Mehr als derzeit, aber nicht so absolut, wie ein Bündnisfall es vorsieht, denn das hätte einen großen konventionellen Krieg bedeutet, da niemand Atomwaffen einsetzen will.
Müssen wir überhaupt davon ausgehen, dass Russland bereits in die Nato integrierte Länder angreifen wird? Vor dem Ukrainekrieg hätten wir das für ausgeschlossen gehalten, mittlerweile sind wir nicht mehr sicher. Und natürlich könnte eine Niederlage des Westens in der Ukraine die russische Führung tatsächlich dazu veranlassen, sich weitere Gebiete der ehemaligen Sowjetunion einverleiben zu wollen. Wir halten nach den neuesten Entwicklungen die baltischen Staaten tatsächlich für gefährdet. Polen im Moment weniger, auch wenn von dort immer recht schrille Töne kommen.
Deshalb muss klargestellt werden, dass ein Angriff auf Nato-Mitgliedstaaten tatsächlich andere Konsequenzen hätte als die gegenwärtige Ukraine-Invasion. Das bedeutet wiederum, dass die Ertüchtigung der Nato-Ostflanke unabdingbar ist. Wir wüssten tausend Dinge, die im maroden Deutschland unbedingt das Geld bräuchten, das jetzt in die Verteidigung gesteckt wird, aber wir sagen auch: Die Reorganisation des Landes und die Außensicherung wären beide zugleich möglich, würden die mutlosen Politiker endlich die Reichen bei der Ehre packen und ihnen ihrem Leistungsvermögen gemäße Abgaben auferlegen. Die Ehre ist: Wir verteidigen schließlich eure Pfründe, inklusive der Pfründe, die ihr euch durch die Aufrüstung erwerben konntet. Und die Infrastruktur kommt euch auch zugute, wenn sie vernünftig in Schuss ist.
Eine Partei wie die FDP, die zu den geradezu kriegslüsternen zählt, aber die Reichen noch mehr pampern will als bisher, ist absolut indiskutabel und hat ihr politisches Ende längst verdient. Dieser neoliberale Shit hat in Krisenzeiten noch nie funktioniert, wie sich eindeutig anhand der Geschichte der USA belegen lässt. Dort wurden, wenn es darauf ankam, alle zu einer nationalen Anstrengung verpflichtet hat, auch die Geld- und Machtelite.
Deshalb ist eine weitere Konsequenz aus den aktuellen geopolitischen Anforderungen: Ohne ein ideologisches Umsteuern des Westens hin zu mehr Solidarität und Rückgewinnung demokratischer Exzellenz wird es sehr mühevoll werden, den Niedergang aufzuhalten und es wird immer wieder zu verfahrenen Situationen wie in der Ukraine kommen, weil man keine echte Gemeinschaft und kein Konzept hat, das kohärent auch nach innen wirkt, denn Demokratien sind so aufgebaut, dass Politiker ihr Handeln auch vertreten müssen.
Das muss Wladimir Putin nicht, aber am Ende macht ihn das nur stärker, wenn der Westen seine eigenen Werte verrät und die Menschen im Westen nicht mehr das Gefühl haben, dass die Freiheit ein echter Gewinn ist, weil sie auch gelebt werden kann.
Unsere Befürchtung ist, dass sich am Ende waffenstarrende Lager gegenüberstehen, ohne dass eines der beteiligten Systeme für sich beanspruchen kann, des Kampfes von uns allen wert zu sein. In einer solche Situation haben Diktaturen Vorteile, weil sie ihre Bevölkerung pressen können, während sich bei uns viele sagen werden, das ist nicht mein Krieg oder nicht meine Verteidigungsbereitschaft, die mit Unsummen hergestellt werden soll. Wir sind uns ziemlich sicher, dass im Osten Deutschlands eine Mehrheit nicht freiwillig an der Verteidigung der Demokratie teilnehmen würde. Vielleicht nicht einmal im Westen, der viele Jahrzehnte lang die Vorzüge eines gemäßigten Kapitalismus genießen konnte, weil man die Menschen im Angesicht der Blockkonfrontation mit ein bisschen Wohlstand bei der Stange halten wollte.
Dieser Deal funktioniert nicht mehr richtig, und Imperien, die nach innen schwach sind, weil die Menschen nicht hinter dem System stehen, werden noch so viel Geld für Rüstung ausgeben können, irgendwann werden sie zusammenbrechen. Manches Kapitel der Geschichte der Zukunft wird anders ablaufen als die Geschichte der Vergangenheit, weil man noch nie so gut Menschen mit Technik beherrschen konnte wie derzeit, das wird die Macht absichern helfen, die sich nicht mehr damit legitimieren kann, dass die Menschen hinter ihr stehen.
Die Ukraine ist auch ein Testfall für die Demokratien des Westens. Aber nach unserer Ansicht nicht in der Form, dass ein Scheitern des Westens nun zu einem Domino-Effekt führt, unbeschadet unserer Befürchtung, die baltischen Staaten betreffend, sondern dadurch, dass dieser Krieg schonungslos die inneren Schwächen westlicher Systeme, besonders des deutschen, aufdeckt. Da ist einiges morsch geworden, in den letzten Jahrzehnten, das sieht man durch den Ukrainekrieg wie durch ein Brennglas.
Dieses Nachdenken und der Blick auf Zusammenhänge und Anforderungen, die über den Ukrainekrieg hinausgehen, hat auch unsere Antwort mittlerweile geformt. Wir werden dagegen stimmen, dass die Ukraine weitreichende Waffen erhält. Nicht, weil wir sagen, unser eigenes System ist so schlecht, wir können doch dies nicht in und mit der Ukraine verteidigen. So schlecht ist es noch nicht. Aber aus einem schon weiter oben genannten Grund: Weil es keinen Sinn ergibt, immer weiter auf Eskalation und Zerstörung zu setzen, wenn dadurch keine Kriegswende herbeigezwungen werden kann. Die Ukraine hat nicht mehr genug Personal, um Russland noch jahrelang standhalten zu können oder gar die eroberten Gebiete zurückzugewinnen.
Wir würden nur dann anders abstimmen, wenn der Westen sagen würde: Damit es überhaupt zu einem Ende kommt, erklären wir Russland offiziell den Krieg oder auch nicht, denn Russland hat das ja auch nicht getan, aber wir gehen in die Ukraine und befreien Meter für Meter den Donbass. Können Sie sich vorstellen, dass ein solches Szenario realistisch ist? Wir nicht. Und deshalb sind wir gegen diese untauglichen Versuche, mit etwas mehr Zerstörungskraft Russland weiter zu kitzeln, aber nicht entscheidend zu schwächen. Nur, um auch die Dimensionen herauszustellen: Deutschland verfügt gerade mal über etwa 300 einsatzbereite Taurus-System. Mehr einsatzbereite Modelle?: Bundesregierung will kompletten Taurus-Bestand modernisieren – n-tv.de
Davon kann es unmöglich alle in die Ukraine abgeben. Und selbst, wenn man dieses Risiko eingehen und sich ganz auf den US-Atomschirm verlassen würde. Niemals könnte man damit den Krieg zugunsten der Ukraine entscheiden. Das gilt auch dann, wenn andere westliche Länder ähnliche Waffen liefern. Also was tun?
Die Lösung ist leider äußerst unbefriedigend und frustrierend für jeden, der sich auf die Seite der Angegriffenen stellt. Aber der Tag muss kommen, an dem über eine Beendigung des jetzigen, aussichtslosen Verfahrens ernsthaft nachgedacht wird. Wir haben uns in früheren Artikeln schon über die geostrategischen Verluste bedeutet, die in der Folge zu erwarten wären. Aber es ist ja nie zu spät für neue Erkenntnisse und neue Strategien in der Zukunft. Daran sollte jetzt gedacht werden, Gesichts- und Einflussverlust hin oder her. Schade, dass eine etwas konziliantere neue Haltung des Westens dann wie erzwungen aussehen wird. Das hätte man anders haben können. Vielleicht ist gerade daraus aber auch endlich mal etwas wie Demut und Respekt vor anderen erwachsen, die man wieder einmal unterschätzt hat. Nun ja, das wäre ein Maximalergebnis. Das wäre aus einer Niederlage – keinen Sieg, sondern eine kooperativere Welt machen. Ob Menschen dazu in der Lage sind, zweifeln wir immer mehr an.
Wenden wir uns trotzdem dem Versuch zu, es vom Kleinsten aufwärts besser zu machen. Mehr bleibt der Zivilgesellschaft sowieso nicht. Der Ukrainekrieg lässt sich jedenfalls mit mehr Reichweite für ein paar Lenkwaffen nicht gewinnen. So billig werden die inneren Probleme des Systems nicht zu kaschieren sein, dass man weitere Zerstörungen anrichtet, von denen man natürlich nicht selbst betroffen ist, die aber auch der Ukraine nicht aus der Bedrängnis heraushelfen werden.
Ein Zwischenergebnis haben wir auch: 44:40 für unsere Ansicht. Dass hier eine Polarisierung vorliegt, sieht man nicht nur an diesen beiden beinahe gleichstarken Blöcken, sondern auch daran, dass es relativ wenige „dazwischen“ gibt und kaum Unentschiedene. Die Nein-Sager sind übrigens sicher nicht allesamt AfD- oder BSW-Anhänger. Auch den übrigen Menschen dämmert langsam, dass der Ukrainekrieg so nicht zu beenden und nicht zu gewinnen ist, und daran muss uns letztlich allen gelegen sein.
Wer hingegen sagt, ich möchte, dass mit weitreichenden Waffen Zerstörungen angerichtet und Opfer erzeugt werden, der muss prinzipiell auch bereit sein, selbst an diesem Waffengang teilzunehmen. Alles andere ist allenfalls eine halbgare Haltung, wenn nicht Schlimmeres. Uns tut es selbst leid, dass wir unsere Position in diese Richtung entwickelt haben, aber wir können unmöglich ignorieren, dass der Westen die Ukraine nicht retten kann, weil es dafür keinen Konsens gibt, mit Russland in einen heißen Krieg zu ziehen. Es wird jetzt am Kreml liegen, wie lange er weitermacht. Wir sagen nicht, dass die Lieferung von Waffen Russland provoziert, also am Ende zu mehr Durchgriff in der Ukraine führen wird, das wäre Spekulation. Aber wir können genau deshalb auch nicht ausschließen, dass es so kommen wird.
Der Fünfpunkteplan von Wolodymyr Selenskyj ist einer Form wichtig: Er zeigt, was der Westen mindestens tun müsste, wenn er wirklich den Krieg für die Ukraine gewinnen will, Bodentruppen sind darin nicht einmal enthalten. Er zeigt deshalb auch, dass dieser Plan nicht einmal ausreichen würde, würde der Westen alle seine Bestandteile umsetzen, um tatsächlich den Sieg für die Ukraine zu bringen, denn der Ausgleich der Personalverluste ist darin nicht enthalten. Und jetzt prüfen Sie mal, wie viele Punkte des nicht ausreichenden Plans tatsächlich umgesetzt werden dürften. Und Sie haben die Antwort, warum weitreichende Waffen alleine nichts weiter als mehr Explosionen bewirken werden. Dafür wird vermutlich am Ende die Ukraine zahlen müssen, wenn Russland den Krieg gewinnt. Der Westen hingegen kann seinen gesamten Einsatz abschreiben, in diesem Fall, das dürfte wohl auch klar sein.
Dieser Kommentar wurde auch deshalb so umfangreich, beinahe ein kleiner Essay, jedenfalls eine Weisung auch für unsere eigene künftige Haltung in der Ukrainefrage – weil es uns gar nicht leicht fällt, zugeben zu müssen, dass der Aggressor im Ukrainekrieg vermutlich mindestens einen Teilerfolg erringen wird. Aber es gibt nicht mehr viel, was noch dagegen spricht, so ehrlich müssen wir jetzt endlich mit uns und auch den Ukrainer:innen sein. Es kann immer etwas ganz Unvorhergesehenes passieren, eine glückliche Fügung, wie Preußen sie im Krieg gegen einst Russland erfuhr, weil plötzlich ein preußenfreundlicher Zar an die Macht kam, aber wir müssen mit den Tatsachen arbeiten, die im Moment auf dem Tisch liegen. Und die sehen nicht so freundlich aus.
TH
[1] Quellen zum Siegesplan
[1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/selenskyj-siegesplan-ukraine-krieg-russland-100.html
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