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Was wurde die Generation Z gescholten für ihr Wahlverhalten, zumindest der Teil der Generation, der in den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Brandenburg wohnt – wegen ihrer Neigung zur AfD. Es gibt aber auch ein anderes Bild und es wird Zeit, darüber zu schreiben. Wir diskutieren es anhand einer Statista-Grafik:
Infografik: Welche Parteien machen Jugendlichen Angst? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Die repräsentative Jugendwahlstudie 2024 des Instituts für Generationenforschung ermöglicht ein umfassendes Verständnis der Wünsche, Hoffnungen und Ängste der Jahrgänge von jungen Menschen, in deren Kreis es besonders viele Erstwählerinnen und Erstwähler gibt. Dabei wurde den Jugendlichen auch die Frage gestellt, was sie mit einer Reihe von Parteien verbinden. Die Antwort „Diese Partei macht mir Angst“ war hierbei auch möglich. In Westdeutschland haben 74 Prozent der Befragten angegeben, Angst vor der AfD zu haben. Im Osten waren es 65 Prozent. Am zweithäufigsten wurden hierbei die Grünen genannt, der Anteil war hier in Ostdeutschland höher. Auf Platz drei folgt im Osten mit 29 Prozent das Bündnis Sarah Wagenknecht, im Westen liegt das BSW fast gleichauf mit der Linkspartei. SPD und FDP wurden am seltensten genannt.
Bei der AfD, den Grünen und dem BSW haben die Forscher nach den Gründen für die Angst gefragt. Bei der AfD wurden mit abnehmender Häufigkeit Rechtsextremismus, Rückschritt und die Migrationspolitik angegeben. Ferner gaben die Befragten an, dass ihnen die Partei zu radikal und volksverhetzend sei. Die Gründe der Angst vor den Grünen waren zuvorderst „zu viele Vorgaben“ und „zu volksfern“. Die Gründe für die seltenere Angst vor dem BSW waren eine „fehlende klare Haltung“, „AfD-Ähnlichkeit“ oder „neue Partei“ genannt.
Zu den weiteren Ergebnissen ihrer Jugendwahlstudie 2024 zählt laut den Forschern, dass sich die untersuchte Generation mehr und mehr von traditionellen politischen Einordnungen löst und sich außerdem zunehmend zu Extremen hingezogen fühlt. Parteien, die klare Positionen einnehmen und auf Social Media stark präsent sind, hätten bei jungen Wählern aktuell die besten Chancen. Der Wunsch nach Sicherheit und Klarheit in einer ungewissen Welt treibe viele junge Menschen zu radikalen politischen Entscheidungen.
Sicher, es ist beunruhigend, dass sich junge Menschen so sehr von Populismus und Hetze in den sozialen Medien beeinflussen lassen, wie insgesamt im Bereich Politik wäre hier dringend eine bessere Schulung notwendig. Die Bildung wird aber immer schlechter, gleichzeitig wachsen die Herausforderungen und es entsteht durch die neuen Medien eine Art gefühlte Bildung, die in Wirklichkeit genau das Gegenteil ist, nämlich propagandistische Indoktrinierung. Andererseits sind junge Menschen auch weniger verstellt, festgefahren und haben oft ein gutes Bauchgefühl.
Und das sollten sich die AfD-Strategen mit ihrer „Wir sind die Zukunft“-Masche mal genauer anschauen. Trotz ihrer Beherrschung der sozialen Medien hat eine große Mehrheit der Jugendlichen Angst vor dieser Partei. Zu Recht, wie wir meinen. Im Osten ist besonders auffällig, dass fast alle, die sie nicht gewählt haben, Angst vor ihr haben. Wenn dieses richtige Gefühl erhalten bleibt, dann wird es die AfD nie zu absoluten Mehrheiten bringen, denn die Älteren waren ohnehin stabiler, wie die Alterskohortenaufschlüsselung besonders bei Menschen ab 60 zeigt, die noch eine Diktatur erlebt haben (im Osten).
Interessant ist auch, dass im Osten mehr Menschen Angst vor dem BSW haben als im Westen. Vermutlich wird es dort besser durchschaut, weil es sehr ostbezogen und ostgeprägt ist und weil es im Westen als Herausforderung für die Demokratie noch nicht so recht ernstgenommen wird, nicht nur von jüngeren Menschen.
Für die Grünen ist das Ergebnis ohne Zweifel beschämend und reflektiert leider die zutage getretene Inkompetenz des Spitzenpersonals, die sich durch die Regierungsbeteiligung im Bund seit Ende 2021 zeigt, während aus den Ländern kaum Geräusche aus dem Regierungsräderwerk dringen. Aber die Bundespolitik mit ihren vielen Herausforderungen dieser Zeit steht besonders im Fokus und viele haben den Eindruck, keine Partei hat die Herausforderungen bisher schlechter bewältigt oder weniger verstanden als die Grünen. Leider können wir diese Haltung vieler Jugendlicher nachvollziehen. Gleichwohl gilt, dass die AfD eben keine Alternative ist, außerdem ist es trotzdem eine Minderheit von nur 25 Prozent im Westen und 30 Prozent im Osten, die ohnehin eher rechts tickt.
Die Studie zeigt allerdings auch ein Problem, das immer wieder dazu führt, dass die FDP von jungen Menschen gewählt wird, wenn sie gerade mal „hip“ ist, wie im Wahlkampf von Guido Westerwelle 2009 oder mit den Versprechungen und Freiheit und Digitalisierung, mit denen Christian Lindner unterwegs ist. Weil sie so klein ist und weil sie zuletzt solche Klatschen bei den Ostwahlen erhalten hat, wird diese Partei am meisten unterschätzt.
Wir würden zwar nicht unterstreichen wollen, dass wir Angst vor der FDP haben, aber wie sie gegen die Mehrheit der Menschen im Land arbeitet, das wird viel zu wenig erkannt und thematisiert, und sie hat einen erheblich größeren Einfluss, als es ihren aktuellen Wahlergebnissen entsprechen würde. Die FDP war an den meisten Regierungen im Bund beteiligt, es hätten sogar noch mehr sein können, wenn sie 2017 nicht einen Rückzieher gemacht hätte, und sie hat maßgeblich den neoliberal inszenierten Niedergang genau in den Bereichen zu verursachen, die das Land einmal ausgezeichnet haben. Dies alles für den Profit einer kleinen Gruppe, die ohnehin tschüss sagen wird, wenn die hiesige Infrastruktur genug heruntergewirtschaftet ist. Leider helfen im Moment auch die anderen Ampelparteien dabei, dass dieser Zustand möglichst schnell erreicht wird, aber bei keiner von ihnen ist das richtiggehend programmatisch.
Die Idee dahinter ist, dass eine zerstörte staatliche Ordnung dem Kapital den ungehinderten Durchgriff auf alles erlauben soll, und darauf arbeitet die FDP gezielt hin. So offen macht das keine andere Partei, auch wenn die Union und die AfD in dem, was sie tatsächlich an Politik machen bzw. machen würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten, kaum anders tendieren.
Angst haben aber auch. Nicht vor einer einzelnen Partei, aber davor, dass es zu einer Regierung dieser drei letztgenannten Parteien kommen könnte. Das wäre der Untergang der verfassungsmäßigen Ordnung, wie wir sie kennen, in der auch das Sozialstaatsprinzip festgeschrieben ist. Man merkt sowieso schon, wie geduldig das Papier ist, auf dem das Grundgesetz abgedruckt wird. Die FDP wäre dann noch die von den drei Parteien, die sich am meisten gegen den Abbau von Minderheitenrechten stellten würde, aber auch nicht mit voller Überzeugung, und am Ende wäre die Kapitaldienlichkeit wichtiger.
Wir haben uns die Studie noch ein wenig angeschaut: 32 Prozent der Jugendlichen sind der Ansicht, die Politik arbeitet gegen die Bevölkerung.
Das ist richtig gut, wir hätten mit mehr gerechnet. So viel Vertrauen also, das enttäuscht werden kann. Und leider stimmt es mindestens für eine Partei und für die Mehrheit der Menschen. In der Ampel sitzt ein U-Boot des Kapitals, das immer auf Tauchfahrt geht, wenn die Interessen der Mehrheit ins Spiel kommen. Den anderen beiden Ampelparteien möchten wir zumindest keine Absicht unterstellen, sie sind nur unfähig oder ignorant. Leider wissen gerade die Versiertesten in der Koalition, und das sind nach unserer Ansicht die FDP-Politiker:innen, wie man diese Kompetenzlücken bei den anderen zulasten der Mehrheit ausnutzt.
Eine gewisse Ahnung, dass so sein könnte, haben viele Jugendliche aber: Die FDP liegt auf Platz drei, wenn es darum geht, wer gezielt gegen die Menschen agiert, nur AfD und BSW liegen deutlich höher.
Ähnlich, wenn auch nicht gleich, die Aussage: „Wir einfachen Menschen sind den Politikern egal“, so äußern sich 41 Prozent der Jugendlichen. Auch das ist eine Quote, die mit steigender Lebenserfahrung vermutlich nicht sinken wird.
Nicht gezielt dagegen vs. Ignoranz also. Es gibt mehr ignorante Politiker:innen als solche, die absichtlich das Land und uns alle ruinieren wollen. Das ist sicher auch so, aber was nicht ins allgemeine Bild passt: Die Grünen sind die Partei, die am wenigsten mit dieser Ignoranz verbunden werden. Das sehen wir anders, es gibt von der Seite viel zu viele entlarvende Aussagen im Bereich Soziales. Viele in der Partei sind nicht für die Menschen, sondern für sich selbst und ideologische Aspekte unterwegs, die eben nicht links sind, von wo der Begriff „Ideologie“ ja einst in den politischen Raum getragen wurde, sozusagen als Haltungs-Gegenmodell zum bürgerlichen Pragmatismus, und diese sogenannten Pragmatiker haben auch dafür gesorgt, dass der Begriff einen dubiosen Anstrich hat. Vielleicht lehnen wegen der Ermüdung über das darauf basierende Rechts-Links-Schema auch 26 Prozent der Generation Z dieses generell ab.
Was uns überrascht hat: Dass die Zuversicht junger Menschen im Osten größer zu sein scheint als im Westen. Vielleicht ist das aber nicht ganz unlogisch: Im Osten glauben viele daran, dass ihr Hauptthema Migration von der AfD gelöst werden könnte, während im Westen der Klimawandel als bedrückend und unlösbar oder als viel zu langsam von der Politik angegangen empfunden wird. Andere Prioritäten, andere Werte bei der Zuversicht.
Die Generation Z blickt pessimistisch in die Zukunft, die sie einmal wird gestalten müssen, 56 Prozent der Jugendlichen in Ost und West sehen generell keine Perspektiven. Das ist alarmierend, aber der politische Kompass versagt noch nicht komplett, das zeigt die Studie ebenfalls. Wir Älteren sollten uns darüber klar sein, dass wir für dieses Zukunftsbild der Jüngeren verantwortlich sind, anstatt, wie die rechte Presse es tut, auf deren Lebens- und Arbeitseinstellung herumzuhacken. Uns wundert es nicht, dass solche Einlassungen, mit denen bisher jede junge Generation seit Anbeginn des dummen Populismus in Deutschland konfrontiert war, ganz schlecht ankommt. Besonders bei einer Generation, deren Jugend von Krisen geprägt ist, die es bei uns und den nachfolgenden Millennials eben nicht gab. Es gab immer mal dies oder jenes, wie etwa den Kalten Krieg als Dauerzustand, aber nie so viel auf einmal, was so schwer oder gar nicht beherrschbar erscheint. Und wie unsere Generation dieses Gefühl bestärkt, das sieht man an der aktuellen Politik. Damit meinen wir nicht nur die Ampelregierung, sondern speziell Parteien, die diese Ängste noch schüren und daraus politisches Kapital schlagen wollen.
TH
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