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Sind Sie schon mal vom bösen Russen ausspioniert worden? Nein? Dann waren Sie einfach nicht wichtig genug. Uns ging es bisher genauso, müssen wir leider zugeben. Bis auf einen Bot, der auf X hin und wieder auf Texte zum Ukrainekrieg mit prorussischer Propaganda geantwortet hat, aber so etwas zählt ja in diesem Sinne nicht. Braucht es mehr Möglichkeiten für die Geheimdienste, um dem Ansturm der russischen Spionage und Sabotage gewachsen zu sein? Das hat Civey vorgestern gefragt und wir finden heute die Zeit, uns kurz mit dem Thema zu befassen.
Begleittext der Meinungsforscher
Russische Spionage- und Sabotageaktivitäten in Deutschland nehmen laut der deutschen Geheimdienste deutlich zu. Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, warnte kürzlich in einer öffentlichen Anhörung: „Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste.“ Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, ergänzte, dass Putin bestrebt sei, „rote Linien des Westens auszutesten.“ Die Spitzenvertreter der Geheimdienste forderten mehr Kompetenzen, um solchen Gefahren wirksam begegnen zu können.
Die Union befürwortet stärkere Überwachungsinstrumente, etwa die Vorratsdatenspeicherung. Nachdem US-Geheimdienste Anfang des Jahres einen möglichen russischen Anschlag auf den Rheinmetall-Chef Armin Papperger aufgedeckt hatten, kritisierte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) in der BILD, dass Deutschland permanent Informationen aus dem Ausland brauche, da deren Sicherheitsbehörden mehr Instrumente nutzen dürften. Er betonte: „Wenn wir aber nichts dürfen – ich halte das für hochriskant, sich immer wieder auf Erkenntnisse aus dem Ausland verlassen zu müssen.“
Liberale wie der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin lehnen solche Instrumente ab. Er sagte der dpa: „Der reflexhafte Ruf nach alten und untauglichen Überwachungsinstrumenten wie der Vorratsdatenspeicherung hilft nicht weiter, wenn man Sicherheit stärken will.“ Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte zudem ein Sondervermögen für die innere und äußere Sicherheit und verwies darauf, dass die USA in diesem Bereich deutlich mehr investieren.
Informationen
Auf den ersten Blick wirkt das Thema dringend und, weil es um Geheimdienstaktivitäten geht, auch geheimnisvoll. Deswegen hier zunächst ein Überblick, den wir für Sie recherchiert haben:
Derzeit werden Rufe nach Ausweitung geheimdienstlicher Befugnisse laut, wegen russischer Spionage und Sabotage. Bitte nennen Sie Stimmen dazu und analysieren Sie pro und contra.
Die Forderungen nach einer Ausweitung geheimdienstlicher Befugnisse in Deutschland sind derzeit ein vieldiskutiertes Thema, insbesondere angesichts zunehmender russischer Spionage- und Sabotageaktivitäten. Es gibt sowohl Befürworter als auch Kritiker dieser Forderungen.
## Stimmen für eine Ausweitung der Befugnisse
Die Chefs der deutschen Geheimdienste haben sich deutlich für erweiterte Kompetenzen ausgesprochen:
– Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), fordert „deutlich mehr operative Beinfreiheit“ für die Dienste[3].
– Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), hofft auf eine „Realitätsanpassung der Gesetzeslage“[3].
– Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), warnt vor einem „aggressiven Agieren der russischen Nachrichtendienste“ und zunehmender Spionage und Sabotage[2].
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit verstärkter Abwehrmaßnahmen und mehr Befugnisse zur Abwehr von Cyber-Angriffen aus Russland[2].
## Argumente für eine Ausweitung
Die Befürworter argumentieren hauptsächlich mit der gestiegenen Bedrohungslage:
– Russland wird als zunehmende Gefahr wahrgenommen, mit vermehrten Spionage- und Sabotageaktivitäten in Deutschland[2].
– Es gibt Warnungen vor möglichen Angriffen auf kritische Infrastruktur und vor Destabilisierungsversuchen[2].
– Die technologische Entwicklung, insbesondere die Verschlüsselung von Kommunikation, erschwert die Arbeit der Geheimdienste[1].
## Kritische Stimmen und Gegenargumente
Trotz der Forderungen gibt es auch kritische Perspektiven:
– Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit klare Grenzen für geheimdienstliche Befugnisse gezogen und betont die Notwendigkeit genauer gesetzlicher Regelungen und richterlicher Kontrolle[3].
– Kritiker argumentieren, dass es oft nicht an Informationen mangelt, sondern an effektiver Koordinierung zwischen den Behörden[1].
– Es bestehen Bedenken hinsichtlich des verfassungsrechtlich verankerten Trennungsprinzips zwischen Polizei und Nachrichtendiensten[1].
## Analyse
Die Debatte um erweiterte Befugnisse für Geheimdienste spiegelt den Konflikt zwischen Sicherheitsbedürfnissen und dem Schutz der Bürgerrechte wider.
**Pro Ausweitung:**
– Anpassung an neue technologische Realitäten
– Bessere Abwehrmöglichkeiten gegen ausländische Bedrohungen
– Potentiell effektivere Prävention von Terroranschlägen und Sabotageakten
**Contra Ausweitung:**
– Gefahr der Überüberwachung und Einschränkung bürgerlicher Freiheiten
– Möglicher Vertrauensverlust in der Bevölkerung
– Risiko des Missbrauchs erweiterter Befugnisse
Eine ausgewogene Lösung könnte in der Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse liegen, ohne dabei grundlegende Bürgerrechte zu gefährden. Gleichzeitig sollte der rechtliche Rahmen an neue technologische Entwicklungen angepasst werden, um den Geheimdiensten effektives Arbeiten zu ermöglichen, ohne dabei die notwendige Kontrolle zu vernachlässigen.[1]
Welche Argumente werden von Kritikern gegen die geplanten Überwachungsbefugnisse vorgebracht?
Die Kritiker bringen mehrere gewichtige Argumente gegen die geplanten Ausweitung der Überwachungsbefugnisse vor:
## Verfassungsrechtliche Bedenken
– Die Pläne werden als verfassungsrechtlich höchst bedenklich eingestuft und könnten gegen das Grundgesetz sowie EU-Recht verstoßen[3].
– Experten warnen, dass Teile des Gesetzes sehr wahrscheinlich vom Bundesverfassungsgericht kassiert würden[3].
## Gefahr der Massenüberwachung
– Kritiker sehen die Gefahr einer anlasslosen Massenüberwachung und biometrischen Überwachung der Bevölkerung[1][2].
– Es wird vor einer „polizeilichen Superdatenbank“ und einer neuen Form der Vorratsdatenspeicherung gewarnt[1][2].
## Unverhältnismäßigkeit
– Die geplanten Maßnahmen werden als unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte gesehen, der in keinem angemessenen Verhältnis zum versprochenen Sicherheitsgewinn steht[3].
– Es bestehen Zweifel, ob die Maßnahmen tatsächlich zur Verhinderung von Terroranschlägen beitragen würden[2].
## Mangelnde Evidenz und Prüfung
– Kritiker bemängeln, dass die Pläne nicht auf einer evidenzbasierten Sicherheitspolitik beruhen[2].
– Die Ergebnisse der geplanten Überwachungsgesamtrechnung wurden nicht abgewartet[1].
## Technische Bedenken
– Es gibt Warnungen vor fehlerhaften und diskriminierenden KI-Systemen zur Gesichtserkennung[2].
– Teile der Pläne könnten gegen die neue EU-KI-Verordnung verstoßen[1][2].
## Übereiltes Vorgehen
– Das hohe Tempo des Gesetzgebungsverfahrens wird angesichts der Tragweite der Vorschläge kritisiert[2].
– Es wird ein „künstlich aufgebauter Zeitdruck“ beklagt, um Überwachungstools im Schnellverfahren einzuführen[2].
Die Kritiker fordern daher eine sorgfältige Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der geplanten Maßnahmen, anstatt diese übereilt zu beschließen.[2]
Das Sicherheitspaket besteht nicht nur in der Erweiterung geheimdienstlicher Befugnisse, sondern auch aus Verschärfungen im Asyl- und Waffenrecht. Wir hatten so etwas im Kopf wie dass es im Bundestag keine Mehrheit für das Sicherheitspaket gab. Das stimmt aber nicht, erst im Bundesrat wurde ein Teil davon gekippt:
Wurde das Sicherheitspaket nicht im Parlament vorerst gestoppt?
Nein, das Sicherheitspaket wurde nicht im Parlament (Bundestag) gestoppt, sondern teilweise im Bundesrat. Hier sind die wichtigsten Punkte zum Ablauf:
- Der Bundestag hat das gesamte Sicherheitspaket zunächst verabschiedet. 361 Abgeordnete stimmten dafür, 290 dagegen, bei 9 Enthaltungen[2].
- Das Paket bestand aus zwei Teilen:
– Verschärfungen im Asyl- und Waffenrecht
– Neue Befugnisse für Sicherheitsbehörden (z.B. biometrischer Datenabgleich)
- Der Bundesrat (Länderkammer) hat anschließend nur einen Teil des Pakets passieren lassen:
– Die Änderungen im Asyl-, Aufenthalts- und Waffenrecht wurden zugelassen[2].
– Der Teil mit erweiterten Befugnissen für Sicherheitsbehörden wurde abgelehnt[1][3].
- Die Ablehnung im Bundesrat kam überraschend, besonders für die SPD-geführten Länder. Es wird vermutet, dass die Union (CDU/CSU) ihre Zustimmung verweigerte[1].
- Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte die teilweise Ablehnung als „völlig unverständlich und verantwortungslos“[3].
Zusammengefasst wurde das Sicherheitspaket also im Bundestag angenommen, scheiterte dann aber teilweise im Bundesrat. Der Bundestag oder die Bundesregierung können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um eine Lösung zu finden[2]./[3]
Kommentar
Vermutlich haben wir einen Stopp im Bundestag deshalb angenommen, weil wir etwas von CDU-Ablehnung und der Verunglimpfung durch die rechte Presse als „Sicherheitspaketchen“ mitbekommen haben. Wie auch immer, wir werden uns heute nicht mit dem Teil befassen, der den Bundesrat ebenfalls passiert hat, also dem Aufenthalts- und Waffenrecht, sondern nur mit dem geheimdienstlichen Teil, der vielen Parlamentariern offenbar zu weit ging. Oder nicht weit genug, das wäre ebenfalls möglich, vor allem wenn rechte Parteien dafür gesorgt haben, dass die Mehrheit im Bundesrat nicht zustande kam.
Offenbar hat man den Willen der Bevölkerung wieder einmal missachtet, denn nicht weniger als 60 Prozent der Abstimmenden haben sich klar für eine Erweiterung der Geheimdienstbefugnisse ausgesprochen. Das hat uns nicht nur verblüfft, sondern auch entsetzt. Bevor wir unseren Klick bei „klar gegen die Ausweitung“ gemacht hatten, glaubten wir, wir seien am Ende vielleicht nicht bei der Mehrheit, aber wir hätten nicht gedacht, dass wir bei einer kleinen Minderheit von nur 12 Prozent landen würden. Da liegt die populärsprachlich verfasste Frage: Geht’s noch, Deutschland?, sehr nah.
Die Menschen werden es nicht lernen, und das ist äußerst bedenklich und belegt wieder einmal, dass man die Demokratie nicht ohne Weiteres in die Hände der Mehrheit legen kann, sonst schafft diese Mehrheit die Demokratie ab. Leider bestätigt sich in jüngerer Zeit immer mehr die Skepsis, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes gegenüber der Demokratiefähigkeit der Deutschen hatten, weshalb wie viele Schranken ins GG einbauten und es zumindest potenziell mit einem Abwehrschirm gegenüber seiner eigenen Zerstörung ausstatteten, „wehrhafte Demokratie“ genannt.
Aber jedes Mal, wenn irgendeine Unsicherheit in diesem Land auftaucht, rennen die Leute in Scharen den Rufern nach mehr Kompetenzen für staatliche Durchgriffe hinterher. Wir sind schon für einen starken Staat, aber gerade, wo wir dafür sind, gibt er immer mehr nach, zum Beispiel im sozialen Bereich, bei vielen Formen der institutionellen Sicherung grundlegender Gerechtigkeitsaspekte in der Gesellschaft. Da tut sich nichts zum Guten, im Gegenteil.
Aber wenn irgendwo ein Terrorist tätig wird, irgendetwas von Aufdeckung, Vereitelung gemunkelt wird, dann ist der Staat natürlich gefragt. Nur mal so gefragt: Haben Sie ernsthaft den Eindruck, dass die Sicherheit der deutschen Infrastruktur durch russische Aktivitäten in Gefahr ist? Gab es auch nur irgendeinen größeren Anschlag in dieser Richtung? Das muss man klar verneinen, es sei denn, man glaubt, die Russen hätten ihre eigene Pipeline Nordstream 2 gesprengt, was heute vernünftigerweise kaum noch jemand tut. Die akute Bedrohung war während der Hochphase islamistischer Anschläge in Europa wesentlich größer als derzeit, trotzdem hat man sich am Riemen gerissen und nicht umgehend den Polizeistaat ausgebaut. Richtigerweise.
Zumal die Massenüberwachung gegenüber echter, kleinteiliger Abwehrarbeit viel weniger effizient ist, sofern Letztere gut koordiniert wird. Auf den ersten Blick sind wir sogar mit der FDP in einem Boot, diese Frage betreffend. Wir rudern aber doch nicht in die gleiche Richtung. Die FDP sabotiert alles, was den Staat stärken oder seine Schwächung aufhalten könnte, wir differenzieren dort, wo es tatsächlich um die Abwägung Bügerrechte gegen Sicherheit geht. Und da sehen wir nicht, dass die schon x-mal versuchte Einrichtung der Vorratsdatenspeicherung einen echten Vorteil schaffen könnte. Der Mühe, wirkliche Gefährder und Gefahren ausfindig zu machen, müssen sich Geheimdienste schon weiterhin unterziehen, zumal wir nicht glauben, dass die Datenmassen, die bei der VDS entstehen würden, tatsächlich sinnvoll ausgewertet werden könnten.
Und warum sollten ausländische Dienst nicht helfen, in deren Heimatländern sie weiterreichende Befugnisse haben? Sie dürften diese Befugnisse aber nicht bei uns anwenden, deswegen liegt in dem Argument des sächsischen Innenministers ein ziemlicher Hund begraben. Wenn ausländische Dienste in Deutschland besser Informationen sammeln können als die hiesigen, dann überschreiten sie möglicherweise ihre Befugnisse deutlich. Sind sie an deutsches Recht gebunden oder nicht? Leider ist es damit nicht so einfach, auch wenn es logisch und rechtsstaatlich korrekt wäre:
Sind Nachrichtendienste von Verbündeten bei ihrer Tätigkeit in Deutschland an deutsches Recht gebunden?
Basierend auf den verfügbaren Informationen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich zu dieser Frage Folgendes sagen:
- Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die deutsche Staatsgewalt umfassend an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist, auch wenn sie im Ausland tätig wird[1]. Dies gilt insbesondere für den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit.
- Daraus lässt sich ableiten, dass ausländische Nachrichtendienste bei Aktivitäten auf deutschem Boden ebenfalls an deutsches Recht und die Grundrechte gebunden sein müssen. Eine Freistellung von der Grundrechtsbindung wegen des „politischen Charakters“ oder der „Auslandsgerichtetheit“ der Tätigkeit kennt das Grundgesetz nicht[1].
- Das Gericht betont die Notwendigkeit, auch Grundrechtsgefährdungen durch neue technische Entwicklungen Rechnung zu tragen[1]. Dies spricht dafür, dass auch ausländische Dienste bei Überwachungsmaßnahmen in Deutschland an deutsche Rechtsstandards gebunden sein müssen.
- Für die Kooperation des BND mit ausländischen Nachrichtendiensten hat das Gericht strenge Voraussetzungen formuliert. So dürfen Daten nur geteilt werden, wenn der ausländische Dienst ein mit dem Grundgesetz vergleichbares Schutzniveau hat[2]. Dies legt nahe, dass auch verbündete Dienste bei Aktivitäten in Deutschland ähnlich hohe Standards einhalten müssen.
- Das Gericht betont die umfassende Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG als Voraussetzung dafür, Grundrechtsgefährdungen durch neue technische Entwicklungen begegnen zu können[1]. Dies spricht für eine Bindung auch ausländischer Dienste an deutsches Recht bei Tätigkeiten in Deutschland.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach der Logik des Bundesverfassungsgerichts auch Nachrichtendienste von Verbündeten bei ihrer Tätigkeit in Deutschland sehr wahrscheinlich an deutsches Recht und die Grundrechte gebunden sind. Eine explizite Aussage dazu findet sich in den vorliegenden Quellen jedoch nicht.[4]
Kommentar Teil 2
Geheimdiensttätigkeit und Legalität passen nach unserer Ansicht grundsätzlich nicht besonders gut zusammen, und vermutlich pfeifen die Auslandsgeheimdienste in der Realität auf die Erfordernisse des deutschen Rechtsstaates. Was deutsche Dienste denn im Ausland tun, darf sich nach unserer Ansicht gerne an dem orientieren, wie andere bei uns vorgehen, auch wenn es in deren Heimatländern wiederum nicht rechtens wäre, so vorzugehen. Aber für deutsche Dienste in Deutschland muss gelten, dass sie sich an die Regeln zu halten haben. Und diese Regeln immer mehr aufzuweichen, steht nicht für den Gewinn daraus.
Wir haben leider zu oft erlebt, wie einseitig der Staat von seinen bestehenden Rechten Gebrauch macht und dabei die Grenzen testet und auch überschreitet. Wer einmal mitbekommen hat, wie rigide mit sozialen Protesten in Relation zu rechten Aufmärschen umgegangen wird, der weiß, was wir meinen. Der Staat versucht außerdem immer, seine Macht zu erweitern, so ordnen wir auch die Reaktionen der Geheimdienstchef:innen ein. Er erweitert insbesondere in Zeiten gerne seine Macht, in welcher er den Menschen immer weniger Schutz im Sinne von Gerechtigkeit zuteilwerden lässt. Die Gesellschaft wird zunehmend mehr Repressionen ausgesetzt, und um das tun zu können, eignen sich russische Geheimdiensttätigkeiten prima als Dosenöffner. Man versucht es immer wieder, egal, welche Form von angeblich atemberaubender Bedrohung es gerade gibt.
Deswegen ist das, was jetzt gefordert wird, für uns auch nicht neu, wohingegen die Skepsis gegenüber dem deutschen Staat auch nicht neu ist, aber immer mehr anwächst. Das hat die Politik sich selbst zuzuschreiben, weil sie nicht mehr vertrauenswürdig ist. Bei uns führt dieser Mangel an Vertrauen nicht dazu, dass wir die Demokratie ablehnen, im Gegenteil. Wir sind vielmehr der Ansicht, mit der Demokratie wird von der deutschen Politik immer fahrlässiger, in Teilen sogar absichtlich zersetzend umgegangen. Und genau deswegen stellen wir uns eindeutig auf die Seite derer, die den großen Datendurchgriff ablehnen. Wir sind uns beinahe sicher, dass die Daten, falls überhaupt sinnvoll, nicht vorrangig für die genannten Zwecke, sondern zur Ausspähung friedlicher Bürger:innen verwendet werden. Das ist ja auch viel einfacher, als versierte Terroristen, welcher Herkunft und Ideologie angehörig auch immer, ernsthaft Paroli zu bieten, und zwar, ohne gleich die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen.
Selbstverständlich haben wir nichts dagegen, dass die Gesetzeslage den heutigen technischen Möglichkeiten angepasst wird, sofern sie die Durchführung von Abwehr betreffen, aber nur, soweit damit kein weiterer Durchgriff gegenüber der Allgemeinheit verbunden ist. Sicher ist das ein komplexes und schwieriges Thema, das wir hier nicht bis in die Tiefe bearbeiten können, aber grundsätzlich sind wir dagegen, dass Bürgerrechte immer weiter eingeschränkt werden, weil mal wieder gerade jemand versucht, in Deutschland sein Unwesen zu treiben. Ob dieses Treiben zum Erfolg führen wird, hängt letztlich von uns und der hiesigen Politik ab, und an uns soll es nicht liegen: Sollten wir wegen eines russischen Anschlags aufs Netz plötzlich für einen Tag ohne Strom dasitzen, werden wir noch fester zur Demokratie stehen und dann, wenn der Saft wieder da ist, einen saftigen Anti-Putin-Artikel schreiben. Vermutlich finden wegen dieses Effekts auch so wenige tatsächliche Anschläge statt, wir haben bisher auch nicht vernommen, dass die Wirtschaft erheblich durch Sabotage geschädigt wurde. Da richtet die Ukrainepolitik und richten andere politische Vorgaben über Jahrzehnte hinweg jetzt weitaus höhere Schäden an, als jemals durch russische Aktivitäten möglich wären. Hat übrigens mal jemand Angela Merkel und ihren Wirtschaftsminister wegen Sabotage an der wirtschaftlichen Zukunft des Landes angeklagt? Davon haben wir ebenfalls nichts gehört, also bitte etwas ruhiger mit den bösen Russen als Popanz und Vehikel für mehr Repression.
TH
[1] [1] https://netzpolitik.org/2020/neue-ueberwachungsbefugnisse-fuer-geheimdienste/
[2] https://www.tagesschau.de/inland/geheimdienste-russische-sabotage-deutschland-100.html
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/geheimdienste-spionage-buerokratie-rechtlicher-rahmen-100.html
[4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/aussenpolitik/id_100509580/russland-ruestet-massiv-auf-deutsche-geheimdienste-fordern-mehr-befugnisse.html
[5] https://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/_/geheimdienste-warnen-vor-russischer-spionage-und-sabotage.html
[6] https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-spionage-bnd-mad-haldenwang-kreml-ukraine-nato-lux.EatUgunZMYMh2KQExVEe14
[7] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/nachrichtendienste-russland-gefahr-spionage-100.html
[8] https://www.welt.de/investigativ/article253994632/Russische-Sabotage-Der-Kreml-sieht-den-Westen-und-damit-auch-Deutschland-als-Gegner.html
[2] [1] https://netzpolitik.org/2024/biometrische-ueberwachung-sicherheitspaket-als-buechse-der-pandora/
[2] https://netzpolitik.org/2024/grundrechte-abbau-massive-kritik-am-sicherheitspaket-der-ampel/
[3] https://taz.de/Kritik-am-Sicherheitspaket/!6038337/
[4] https://www.heise.de/news/CCC-denkt-Anleitung-zu-Sabotage-von-Ueberwachung-an-9865448.html
[5] https://d-64.org/kritik-zivilgesellschaft/
[3] [1] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sicherheitspaket-abstimmung-bundestag-bundesrat-100.html
[2] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/bundestag-stimmt-sicherheitspaket-zu-bundesrat-stoppt-gesetz-100.html
[3] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sicherheitspaket-im-bundesrat-gestoppt-100.html
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/sicherheitspaket-abstimmung-bundestag-100.html
[5] https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-sicherheitspaket-migration-waffen-asylbewerber-polizei-bundesrat-lux.8oboYcwEGWatAWsaLdcQoA
[4] [1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-037.html
[2] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/internetfreiheit/kritik-am-bnd-gesetz
[3] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/EN/2020/bvg20-037.html
[4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/EN/2020/05/rs20200519_1bvr283517en.html
[5] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/geheimdienste-spionage-buerokratie-rechtlicher-rahmen-100.html
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