Briefing Geopolitics, BRICS, Brasilien, Russland, China, Indien, Südafrika, BRICS Plus, Deutschland, USA, Iran, Israel, EU, Nato, Uno, guter oder schlechter Einfluss, Wirtschaftsmodelle
Die BRICS-Staaten, die im Folgenden angesprochen werden, das sind Brasilien, Indien, Russland, China und Südafrika. Eigentlich heißen sie jetzt „BRICS Plus“ und umfassen mittlerweile Saudi-Arabien, Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien, wobei Argentinien schon wieder Abstand von einer Mitgliedschaft im Club genommen hat.
Die Staatschefs dieser Länder treffen sich nun, unbeeindruckt von der Verfemung Russlands durch den Westen im russischen Seebad Kasan. Dies ist Regierungshandeln. Aber wie denken die Menschen in den Ländern über verschiedene Staaten? Wir steigen ein mit einer Statista-Grafik, haben aber auch unter Verwendung der Originalquelle weiterrecherchiert.
Infografik: Wie sieht die Welt die BRICS-Staaten? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Russlands Präsident Putin empfängt heute die Vertreter:innen der sogenannten BRICS-Staaten in Kasan. Grund genug, einen Blick darauf zu werfen, wie die Weltgemeinschaft die Mitglieder dieser Staatengruppe sieht. Das Bild das sich dabei abzeichnet ist laut Ipsos Global Leadership Survey 2024 ein gemischtes. 48 Prozent der in 31 Ländern befragten 23.800 Erwachsenen sind der Meinung, dass Russland seinen Einfluss überwiegend für Schlechtes nutzt. Damit hat Putins Reich unter allen abgefragten Nationen den mit Abstand schlechtesten Ruf. Dabei galt das Land nicht immer als Schurkenstaat. Vor gerade einmal fünf Jahren hatten nur 26 Prozent der damals Befragten ein negatives Russland-Bild. Ebenfalls ein überwiegend schlechtes Images haben der Iran und China, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. vergleichsweise gut schneiden dagegen die BRICS-Mitglieder Saudi-Arabien und China ab. Und wie sieht es mit Deutschland aus? Zwar denken zehn Prozent, dass die Bundesrepublik ihren Einfluss überwiegend für Schlechtes nutzt, aber 28 Prozent sind gegenteiliger Meinung.
Wir fangen dieses Mal bei den guten Dingen an. Die Bundesrepublik hat weltweit immer noch ein gutes Image, es ist sogar weitaus besser, als es uns populistische Politiker und die Presse weismachen wollen. Das stimmt auch mit einem anderen Ranking überein, das ich noch im Kopf habe, es ist allerdings schon einige Jahre alt, damals ging es nur um die EU-Staaten, selbst unter ihnen schnitt Deutschland sehr gut ab. Vieles hat sich seitdem verändert. Deutschland hat sich in zwei Kriegen klar positioniert, die weltweit hohe Wellen schlagen, dennoch sind die Ansichten über das Land recht stabil, trotz eines in der Grafik nicht ausgewiesenen Minus von 6 Punkten auf der Seite „mostly good“, wenn man so will, ist die Verschiebung insgesamt also größer als nur drei Punkte, wenn der Verlust im „gut“ drei und der Gewinn im „schlecht“ sechs Punkte beträgt.
Mit einem Abwärtstrend, der generell eintritt, wenn Vorgänge polarisieren und sich ein Land nicht neutral verhält oder aktiv beschwichtigend auf die Lage einwirkt, war zu rechnen. Wir glauben aber auch, dass Deutschland mehr Einfluss zugebilligt wird, als es tatsächlich hat.
Die Originalquelle weist nicht weniger als 31 betrachtete Länder aus. Das beste von allen, Kanda, ist nicht auf der Grafik, es liegt noch einmal leicht besser als Deutschland, ebenso wie die UNO und „das eigene Land“, also, was die Befragten dem jeweils eigenen Land an Einfluss zurechnen. Dass es da zu Wahrnehmungsverschiebungen kommt, hängt auch damit zusammen, dass die Medienlandschaft nicht immer höchsten Standards entspricht und natürlich generell mit Subjektivität, so muss man die Umfrage auch verstehen, anders kann sich ein Image auch nicht aufbauen, als durch Meinungen. Alle Fakten zusammenzutragen, um ein objektives Bild zu erreichen, wäre nicht möglich und auch das, was man an Material hat, müsste wieder gewichtet werden, während bei der hiesigen Auswertung die Methodik natürlich eine wichtige Rolle spielt.[1]
Ein komplettes “Weltbild” kann sich bei der Befragung natürlich nicht ergeben, und wie so oft ist Afrika weitgehend ein großer blinder Fleck. Wenn es stimmt, was hiesige Medien schreiben, werden Russland und China dort weitaus positiver wahrgenommen als in vielen der Länder, in denen die Befragungen durchgeführt wurden und die überwiegend dem westlichen Nationenkreis zuzuordnen sind.
Nicht alle der 31 Länder sind auch bezüglich ihres Einflusses gelistet, sondern nur diejenigen, die man wohl für besonders einflussreich hält, darunter eben auch Deutschland. Am schlechtesten kommt der Iran weg, zumindest die „goods“ betreffen, nach denen die Grafik sortiert ist, dann Russland, und dann ein Land, das man wohl aus Gründen der Staatsräson lieber nicht in die Grafik aufgenommen hat: Israel. Ein Verhältnis von 12/32 „good“ / „bad“ ist überragend negativ. Und es ist klar, je enger sich Deutschland an alles bindet und alles gutheißt, was dort an Politik gemacht wird, desto mehr Einfluss hat das auf die Bewertung Deutschlands. Insofern kann man froh sein, dass die Bewertung nicht mehr ins Negative gegangen ist, natürlich spielt bei dem Ergebnis auch der Ukrainekrieg eine
Selbst die USA kommen bereits auf ein leicht positives Verhältnis, Großbritannien und Frankreich liegen im Ergebnis knapp hinter Deutschland, dazwischen noch die Nato und die EU.
Die sehr negative Bewertung Russlands bei den befragten Menschen in den teilnehmenden Ländern ist nicht weltrepräsentativ, weil eben viele Länder fehlen, während selbst im Westen die Rolle Israels mit Werten ausgedrückt wird, die wir hier lieber nicht im Einzelnen referieren, jedenfalls wäre es kein guter Ansatz im Sinne der Ethik und der Meinungsfreiheit, alle, die dessen Rolle aktuell negativ sehen, als Antisemiten zu markieren.
Deutschland hat auch einiges zu verlieren, wenn es nicht irgendwann eine Grenze setzt, denn ein Exportland ist darauf angewiesen, dass die Waren, die dort hergestellt werden, nicht als in einem Staat entstanden gelten, der Unrecht gegenüber Unterdrückten aktiv propagiert und ausübt, indem er dem Unrecht materiell hilft.
Selbst in sehr deutschlandkritischen Staaten wie Polen wird der Einfluss Deutschlands noch als knapp überwiegend positiv angesehen, das gilt auch für die Türkei. Von niemandem übertreffen in der positiven Bewertung von Deutschlands Einfluss lassen sich die Niederländer, was man gar nicht denken sollte, wenn man den Clash auf Fußball-Ebene als Maßstab der gegenseitigen Zu- oder Abneigung heranzieht. Sie sorgen sogar dafür, dass Deutschland außer der Nato (ebenfalls 44 Prozent Zustimmung bei den Niederländern) und Saudi-Arabien (Zustimmung aus Indonesien: 45 Prozent) weltweit an der Spitze der Länder mit den höchsten „good“ Werten steht.
bei den meisten gelisteten EU-Staaten ist das „gut“/“schlecht“-Verhältnis besser als 3:1. Auffallend unter den EU-Staaten ist hingegen das Verhältnis von 23/15 in Italien, das eigentlich als deutschlandfreundlich gilt. Da dürften migrations- und wirtschaftspolitische Aspekte eine große Rolle spielen, wo man nicht selten über Kreuz liegt.
Immerhin bewirkt die deutsche Staatsräson, dass das Wirken des Landes im Verhältnis 4/1 von dessen Einwohner:innen als positiv wahrgenommen wird, diejenigen, die das anders sehen, sind möglicherweise auch gegenüber der Kriegspolitik kritisch eingestellt – oder die Unterstützung geht ihnen nicht weit genug, beides ist möglich. Im Hinblick auf Letzteres ist es erstaunlich, dass die USA von Israel aus nur im Verhältnis 2/1 positiv bewertet werden. Vielleicht wird aber gerade von diesem Land auch noch mehr erwartet und nicht einmal verbale Grenzziehungen seitens einer US-Politik, die angesichts des aktuellen Wahlkampfs in einem Dilemma steckt, werden akzeptiert.
Als nach dem Einfluss des eigenen Landes gefragt wird, haben wir Deutschland nicht gesehen, in dieser Balkengrafik sind nur 24 von 31 Ländern enthalten. Man wird aber fündig bei der Frage nach dem deutschen Einfluss. Die Deutschen selbst sind wohl mit die Kritischsten, was den Einfluss des eigenen Landes angeht und sehen in viel negativer als Menschen anderswo. Das erklärt auch manche Linien in der Presse und natürlich, dass Populisten mit dem Bashing der Bundesregierung so erfolgreich sind. Ja, wir sind auch keine Fans der aktuellen Außenministerin und ihres überheblichen Stils, aber die Rahmenbedingungen haben sich bei näherem Hinsehen und jenseits aller modischen Labels zumindest bei der Bevölkerung anderer Länder nicht verändert. Trotzdem: Die Außenpolitik hat Verbindungen zu Regierungen und verhandelt mit Regierungen, nicht mit der Bevölkerung, deswegen muss sie wirklich mehr auf Augenhöhe kommunizieren. Es schadet auch Menschen, die Deutschland als positiven Faktor der Weltpolitik ansehen, wenn deren Regierungen sich ständig von einer Ministerin auf den Schlips getreten fühlen, um es schlicht auszudrücken. Es soll sich angeblich zuletzt einiges verbessert haben, konkrete Fälle sind uns nicht bekannt, die durch die Medien gegangen wären. Die Abwesenheit von Lärm ist aber, diplomatisch gesehen, ein gutes Zeichen.
Die Umfrage beinhaltet ein weiteres Panel, nämlich das der Attraktivität der Wirtschaftsmodelle. Da kommt die EU erstaunlicherweise sehr gut weg, besser als alle anderen, die offenbar exemplarisch für ein besonders stark ausgeprägtes Wirtschaftsmodell stehen: USA, Großbritannien, China.
Wir müssen immer im Auge behalten, dass die Umfrage alles in allem westzentriert ist, denn es ist schon bemerkenswert, dass trotz des offensichtlich oder augenscheinlich großen Erfolgs der chinesischen Wirtschaftsmethode nur 37 Prozent dieses Modell gut finden. In den Ländern, in denen gefragt wurde, sind eben viele freiheitliche Gesellschaften erhalten, denen die Art, wie dort Politik gemacht wird, viel zu rücksichtslos auch der eigenen Bevölkerung gegenüber ist. Nicht umsonst steht China bei den Arbeitnehmerrechten genau dort, wo es auch bezüglich der Freiheitsrechte steht, nämlich ganz hinten. Auffällig und auch logisch ist, dass Chinas Modell vor allem im Westen überwiegend oder sehr stark abgelehnt wird, in Indien und Indonesien, beides Länder mit dem Willen zur Wirtschaftsmacht, hingegen nicht. Dort schaut man mit einiger Sympathie auf das, was China schon geschafft hat, um welchen Preis auch immer. In Deutschland sehen immerhin 22 Prozent der Menschen das chinesische Modell positiv. Wen diese Menschen wählen? AfD, BSW und leider auch einigen in der Linken dürfte es egal sein, wie der Erfolg generiert wird, und darüber werden wir sicher bei passender Gelegenheit eine gesonderte Betrachtung schreiben. Witzig ist, dass auch 20 Prozent der Amerikaner in diese Richtung tendieren.
Der Clou aber ist, dass in Deutschland nur 28 Prozent das US-Modell als vorbildlich ansehen. Das sind kaum mehr als beim chinesischen Modell. Wer das sein könnte? FDP-Wähler:innen, CDU ohne C, AfD-Anhänger:innen, die keine Russland-und-China-Freund:innen sind. Alle übrigen, die glauben, sie seien gute Demokraten im Sinne der deutschen Verfassung, sollten sich schämen, weil sie nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Dort ist das Sozialstaatsprinzip verankert, das in den USA nicht in grundgesetzkonformer Weise existiert.
Die EU hingegen wird ausgerechnet aus ihr selbst heraus am negativsten bewertet (Ausnahme: Israel mit nur 39 Prozent Zustimmung). Vor allem das schwedische Votum von 41/59 fanden wir ernüchternd, denn Schweden hat Sonderregelungen, die es vor negativen Auswirkungen der EU-Politik weitgehend schützt, es kann zum Beispiel seine eigene Währungspolitik machen und ist damit in den letzten Jahren auch gut gefahren. Richtig gefährlich ist es aber, dass in Frankreich nur 41 Prozent, in Deutschland und den Niederlanden nur 49 Prozent das EU-Wirtschaftsmodell als positiv bewerten. Das sind wichtige Länder, ohne die in der EU nichts geht, und wenn deren Bevölkerung nicht hinter dem Projekt steht, wird es eng für ein weiteres Zusammenwachsen des Kontinents. Das Wirtschaftsmodell ist nicht alles, aber daran messen viele Menschen die Qualität eines Systems: Sie müssen glauben, dass es ihnen guttut. Wirtschaftsmodelle sind eng verknüpft mit Gesellschaftsmodellen.
Die höchsten Zustimmungswerte kommen bezeichnenderweise aus außereuropäischen Ländern, deren Bevölkerung das Klein-Klein des täglichen EU-Betriebs nicht so mitbekommt. Was aber eigentlich bekannt sein müsste: Dass die Wirtschaft einiger EU-Kernstaaten ziemliche Schwierigkeiten mit der Wettbewerbsfähigkeit hat, man sieht es an den Wachstumsraten.
Allerdings sollte man auch hier etwas genauer hinschauen: Die Bevölkerung in manchen Ländern, die noch nicht so „satt“ sind, bewertet generell die führenden Wirtschaftsmodelle sehr gut, auch so unterschiedliche wie das europäische und das amerikanische einerseits und das chinesische andererseits.
Durch unsere Ausertung der Originalquelle sind wir über die eigentliche Betrachtung hinausgegangen, aber wir finden es eben auch spannend, wie in der Welt über andere und sich selbst gedacht wird. Politisch gesehen, gibt es Schurkenstaaten, die zumindest noch in der Grafik, nicht mehr im Titel des Begleittextes von Statista, als solche bezeichnet werden, und andere, die dort gar nicht auftauchen, weil sie sonst in den Geruch kämen, an diesen Bewertungen orientiert selbstverständlich, ebensolche zu sein.
TH
[1] These are the results of a 31-country survey conducted by Ipsos on its Global Advisor online platform and, in India, on its IndiaBus platform, between Friday, March 22, 2024 and Friday, April 5, 2024. For this survey, Ipsos interviewed a total of 23,800 adults aged 18 years and older in India, 18-74 in Canada, Republic of Ireland, Malaysia, New Zealand, South Africa, Turkey, and the United States, 20-74 in Thailand, 21-74 in Indonesia and Singapore, and 16-74 in all other countries.
The sample consists of approximately 2,000 individuals in Japan, 1,000 individuals each in Australia, Brazil, Canada, France, Germany, Great Britain, Italy, New Zealand, Spain, and the U.S., and 500 individuals each in Argentina, Belgium, Chile, Colombia, Hungary, Indonesia, Ireland, Malaysia, Mexico, the Netherlands, Peru, Poland, Singapore, South Africa, South Korea, Sweden, Thailand, and Turkey. The sample in India consists of approximately 2,200 individuals, of whom approximately 1,800 were interviewed face-to-face and 400 were interviewed online. Samples in Argentina, Australia, Belgium, Canada, France, Germany, Great Britain, Hungary, Italy, Japan, the Netherlands, New Zealand, Poland, South Korea, Spain, Sweden, and the U.S. can be considered representative of their general adult populations under the age of 75. Samples in Brazil, Chile, Colombia, Indonesia, Ireland, Malaysia, Mexico, Peru, Singapore, South Africa, Thailand, and Turkey are more urban, more educated, and/or more affluent than the general population.
The survey results for these countries should be viewed as reflecting the views of the more “connected” segment of their population. India’s sample represents a large subset of its urban population —social economic classes A, B and C in metros and tier 1-3 town classes across all four zones. The data is weighted so that the composition of each country’s sample best reflects the demographic profile of the adult population according to the most recent census data. “The Global Country Average” reflects the average result for all the countries and markets in which the survey was conducted. It has not been adjusted to the population size of each country or market and is not intended to suggest a total result. When percentages do not sum up to 100 or the ‘difference’ appears to be +/-1 percentage point more/less than the actual result, this may be due to rounding, multiple responses, or the exclusion of “don’t know” or not stated responses. The precision of Ipsos online polls is calculated using a credibility interval with a poll where N=1,000 being accurate to +/- 3.5 percentage points and of where N=500 being accurate to +/- 5.0 percentage points.
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