So verschuldet sind die USA, China und die EU (Statista + Zusatzinfos: Bonität, Ratings + Kommentar)

Briefing Economy Wirtschaft, USA, China, EU, Schuldenquote, Staatsschulden im Verhältnis zum BIP, Kreditaufnahme, Verschuldung

Der US-Wahlkampf geht in seine Endphase. Im Moment sieht es aus, als ob Donald Trump möglicherweise doch gewinnen könnte. Vor ein paar Wochen schien das kaum noch möglich zu sein. Wir Europäer unterschätzen die Faszination der Amerikaner für Trump, haben wir gerade als Überschrift eines Artikels zum Thema gelesen. Offensichtlich ist das so. Die Mentalitäten weichen doch sehr voneinander ab, denn hierzulande, wenn man Spontanumfragen glauben darf, würde Harris etwa im Verhältnis 5 zu 1 siegen.

Über den Stil des Wahlkampfs äußern wir uns hier nicht, zumal er ganz andere Auswirkungen hat, als das bei uns (hoffentlich) der Fall wäre. Wir beschäftigen uns ein wenig mit Wirtschaftsdaten, denn faktisch sollte ja die Wirtschaftslage im Wahlkampf eine große Rolle spielen, und hinter aller Schaumschlägerei, so heißt es, schauen die Amerikaner vor allem auf dieses Thema, natürlich wiederum mit subjektiven und episodischen Ansätzen. Deswegen bleiben wir bei den Fakten, bewerten sie freilich auch.

Infografik: So verschuldet sind die USA, China und die EU | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten lag schon zu Beginn der Amtszeit von Donald Trump bei über 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie ist sie sogar auf rund 132 Prozent gestiegen – ein Plus von knapp 24 Prozentpunkten gegenüber 2019. Der Schuldenanstieg der Europäischen Union und von China ist in diesem Zeitraum deutlich geringer ausgefallen. Die Schuldenquote ist 2021 und somit im ersten Amtsjahr von US-Präsident Joe Biden allerdings auch wieder relativ stark zurückgegangen (-7,3 Prozent ggü. 2020).

Die Schulden des chinesischen Staates sind hingegen bis zum laufenden Jahr kontinuierlich weiter gestiegen, wie die Statista-Grafik mit Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) weiterhin zeigt. China hat gerade in jüngster Vergangenheit mit massiven, kreditfinanzierten Investitionen das Wachstum befeuert. Diese Wirtschaftspolitik spiegelt sich auch im stetig gestiegen Staatsdefizit Chinas wider.

Die Staatsverschuldung wird in absoluter Höhe der Landeswährung ausgedrückt. Die Schuldenquote/Staatsschuldenquote bezeichnet das Verhältnis der Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Übersteigen die Staatsausgaben die Staatseinnahmen, wird dies als Haushaltsdefizit bezeichnet (Gegenteil: Haushaltsüberschuss).

Der Staat kann die höheren Ausgaben durch Fremdkapital finanzieren. Dieses Fremdkapital versucht sich der Staat über die Ausgabe von Staatsanleihen am Kapitalmarkt zu leihen. Staatsanleihen sind verzinste Wertpapiere. Die Höhe der Verzinsung wird maßgeblich durch die Bonität (Kreditwürdigkeit) des Staates bestimmt. Die Kreditwürdigkeit wird von Ratingagenturen eingeschätzt, die den Staaten Bonitätsnoten verleihen.

Während Corona sind die Staatsschuldenquoten in allen drei gezeigten Wirtschaftsräumen,  zwei Staaten und einer Staatengemeinschaft, gestiegen. Die durchschnittlichen Schulden in der EU liegen auch höher als die deutschen.

Besonders stark hat man in den USA mit Schulden gegen Corona gesteuert. Wir werden bei einer Betrachtung der Wirtschaftsleistung noch sehen, dass diese Politik zumindest auf kurze Sicht erfolgreich war.

Signifikant ist, dass alle drei Blöcke heute höhere Schuldenstände aufweisen als vor der Corona-Zeit. Diese ist also keineswegs bewältigt, wobei die EU im Vergleich am besten dasteht. Leider hat das auch damit zu tun, dass in Ländern wie Deutschland dringendste Investitionen nicht getätigt werden, und das kann mittelfristig nur zu einem Abstieg führen.

Das Gegenbeispiel ist China. Wer den Aufstieg dieses Landes feiert, sollte sich anschauen, womit er erkauft wird. Nirgends steigen die Staatsschulden so stark wie dort, vor allem aber hält, anders als im Westen, diese Steigerung nach Corona unvermindert an. Nur jemand, der glaubt, Schulden spielen überhaupt keine Rolle, man muss ja nur genug Geld drucken, kann darüber nicht besorgt sein. Nach unserer Ansicht ist das chinesische System auch weniger krisenfest als die Wirtschaftsaufstellung im Westen, weil es noch keine Krise erlebt hat und dagegen auch institutionell schlecht gerüstet ist. Die Schieflage am Immobilienmarkt hat schon einige Schleifspuren gezogen, die bisher nur mit simpelsten Mitteln aufgefangen werden konnten, nämlich durch Stützung mit staatlichen Krediten.

Bis China die USA bei der Staatsschuldenquote überholt, wird es noch etwas dauern, außerdem ist immer eine Trendumkehr möglich.

Wenn wir auf die US-Politik blicken, lässt sich sagen, dass sowohl unter Donald Trump als auch unter Joe Biden in Normalzeiten der Schuldenstand in Prozent vom BIP kaum gestiegen ist. Den Unterschied macht das Jahr 2020, als Trump noch Präsident war. Damals hatte man sehr großzügig gegen die Corona-Auswirkungen auf die Ökonomie gearbeitet, das wäre unter einem demokratischen Präsidenten aber nicht wesentlich anders gelaufen. Barack Obama hatte zum Beispiel in der Bankenkrise massiv in die Stützung amerikanischer Unternehmen investieren lassen, der Staat stieg teilweise direkt ein und wieder aus, als die Krise überstanden war. Per Saldo übrigens mit Gewinn. Im neoliberal verkrusteten Deutschland kaum denkbar, so robust zugunsten des Standorts zu intervenieren, da kann der Markt noch so sehr versagen.

Wir haben bereits an anderer Stelle darüber geschrieben, warum die USA sich eine höhere Staatsschuldenquote leisten können als Länder mit insgesamt schwächerer Wirtschaft, unter anderem wegen des den Schulden gegenüberstehenden riesigen Volksvermögens, aber auch, weil der Dollar noch immer die Welt-Leitwährung ist und die USA damit großen Einfluss darauf haben, wie sie ihre Schulden durch Geldpolitik steuern können, falls erforderlich.

Was hat es aber mit den oben genannten Ratings auf sich? Die USA haben keine Bestbewertung mehr. Während der Aufarbeitung der Bankenkrise haben wir uns mit diesen Ratings einmal ausgiebig befasst, sie haben sich seitdem aber teilweise verändert, deswegen hier ein Verweis: Liste der Länder nach Kreditrating – Wikipedia. Deutschland zählt nach wie vor zu den Ländern mit Bestrating, kann sich also relativ günstig verschulden, dafür kann man auf Staatsanleihen auch keine hohen Zinsen erwarten. Je risikoreicher ein Land, desto höher die möglichen Zinsen aus Staatspapieren.

Für die EU lässt sich ein einheitlicher Score nicht ermitteln, denn die Mitgliedsländer werden bezüglich ihrer Bonität von den Agenturen sehr unterschiedlich wahrgenommen, die USA haben bei drei von vier hinter dem obigen Link aufgeführten Agenturen den zweitbesten möglichen Score, Moodys sieht sie immer noch bei den Top-Ländern. China hat bei allen Agenturen einen A+-Score mit stabiler Aussicht, das ist eine Bewertung im oberen Mittelfeld, auf alle Staaten bezogen.

Selbstverständlich haben wir auch nach der Staatsschuldenquote wichtiger anderer Länder geschaut, um sie mit den Werten in der Grafik zu vergleichen. Den Weltrekord hält Japan mit einer abenteuerlichen Staatsschuldenquote von gegenwärtig 261 Prozent. Wie das funktionieren kann, wie da überhaupt noch investiert werden kann, wo eigentlich der gesamte Staatshaushalt für Zinsen und Tilgung draufgehen müsste, ist ein japanisches Geheimnis, das aber auch belegt, dass ein Land damit offenbar gut leben kann. Die japanische Bonität ist auch nicht so niedrig, wie man angesichts dieses Schuldenbergs denken sollte, sondern liegt mit einem glatten A im Mittelfeld. Allerdings um einiges tiefer als andere führende Industrienationen, das ist deutlich sichtbar. Vermutlich läuft der Laden deshalb noch einigermaßen, weil japanische Schulden vor allem im Inland angesiedelt sind, und mit den Kreditgebern im Inland kann man leichter verhandeln, um Zahlungspläne zu strecken und dergleichen. Vermutlich ist die Umschuldung dort längst ein Automatismus.

An zweiter Stelle steht Griechenland, das währen der Euro- und Bankenkrise für erheblichen Verdruss in der EU gesorgt hat und es auch noch schaffte, Deutschland dafür an den Pranger zu stellen, dass es keine ungebremste weitere Verschuldung erlauben wollte. Seltsamerweise sind die Griechen als Privatpersonen nicht so arm, wie ihre Regierung das ganze Land gerne darstellt. Im Moment redet niemand von einem (weiteren) Schuldenschnitt, überhaupt scheint in der EU die Lage insgesamt stabil zu sein.

Nach desolaten Ländern oder Territorien wie Eritrea und Venezuela kommt schon ein weiteres bekanntes Hochschuldenland, Italien. Die Grafik reicht bis 1990 zurück und man sieht, dort ist man schon routiniert im Umgang mit hohen Schuldenständen und man hat nie den Eindruck, das Land könnte einmal wirklich kollabieren. Das ist auch eine Art von Meisterschaft, zumal die Italiener:innen ein deutlich höheres Medianvermögen haben als die Deutschen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen auf Rang 12 der Länder mit den höchsten Staatsschuldenquoten, um die obige Grafik, wo ihre Linie die oberste ist, in den Gesamtkontext einzuordnen.

In Europa fallen im weiteren Verlauf Spanien und Frankreich auf, mit Schuldenquoten von 112 bzw. 111 Prozent. Vergleicht man diese Quoten mit denen von 1990, muss man feststellen, dass diese Länder vermutlich nur noch deshalb wirtschaftlich als stabil angesehen werden, weil eben erheblich an der Schuldenquote gedreht wurde. Dadurch relativiert sich auch der gegenwärtige Vorteil beim Wirtschaftswachstum Frankreichs gegenüber Deutschland. Gleichwohl: Wenn dort mehr in die Zukunft investiert wird, dann wird dieser Vorteil sich irgendwann bemerkbar machen. Vermutlich nicht in der Form, dass diese Länder ihre Schuldenquoten erheblich senken werden, sondern eher, dass Deutschland nachziehen muss, damit hier nicht die Lichter ausgehen.

Seit dem Brexit um 25 Punkte bei den Staatsschulden zugelegt hat Großbritannien.

Deutschland steht in der Liste auf Rang 71, mit vermutlich 66 bis 67 Prozent Staatsschuldenquote im Jahr 2024. Unter den großen Industrieländern ist das die beste Platzierung – mit einer Ausnahme.

Russland hat eine Staatsschuldenquote von nur 20 Prozent, die Prognosen gehen dahin, dass diese auch durch den Ukrainekrieg und die damit verbundenen Rüstungsanstrengungen und Sanktionen nicht wesentlich steigen wird. Ähnlich niedrige Quoten haben vor allem jene etwas größeren Länder, die mit Steuersparmodellen ausländisches Kapital anziehen oder vor allem Rohstoffexporteure sind  – was auf Russland ja auch zutrifft. Das Land kommt auf den Ratinglisten übrigens nur noch als eine Art Ausfallgarant vor, was aber für die dortige Politik nicht so wichtig ist, weil es kaum Schulden hat.

Schulden machen gehört in den USA ohnehin zum Lebensstil, deswegen dürfte das Staatsschuldenproblem im Wahlkampf keine große Rolle spielen. Anders als bei uns, wo die Schuldenbremse ein Fetisch von marktradikalen Ideologen ist und ganz sicher auch 2025 noch einmal aufs Tablett kommen wird, wenn die Bundestagswahl ansteht. Sicher ist Schulden machen nicht die Lösung für alles, außerdem sind die Steuereinnahmen in Deutschland trotz der wenig erfreulichen Wirtschaftslage noch sehr robust. Wie hoch wären sie, wenn bei der Eintreibung und der Ermittlung von Steuerstraftaten konsequent vorgegangen würde? Jedenfalls hoch genug, um trotz Krise eine schwarze Null zaubern zu können. Beinahe jedenfalls.

TH


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