Filmfest 1190 Cinema
Damals, in Hódmezövásárhelykutasipuszta
Einen solchen ungarischen Ortsnamen kann keine deutsche Zunge vernünftig aussprechen, aber das Ende das Namens ist – Puszta. Und damit ist alles zum Setting von „Ich denke oft an Piroschka“ gesagt. Aber nicht zur wohl schönsten Zelluloid-Romanze im Deutschland der 50er Jahre. Der Film steht in seinem Genre als Einzeldenkmal in der qualitativ kargen Kinolandschaft der Zeit.
Wir müssen anlässlich der Veröffentlichung des Textes eine teilweise neue Einleitung schreiben, denn auf dem Filmfest des neuen Wahlberliners werden nun nicht, wie 2013, als die Rezension ursprünglich verfasst wurde, umgehend Kritiken zu „Heute heiratet mein Mann“ aus dem Jahr 1956 und „Das Wirtshaus im Spessart“ (1957) folgen, ebenfalls von Kurt Hoffmann, ebenfalls mit Liselotte Pulver in der weiblichen Hauptrolle. Dafür haben wir kürzlich „Das fliegende Klassenzimmer“ vorgestellt, das Kästner-Jugendbuch, das Hoffman im Jahr zuvor verfilmt hatte. Die Rezension zu „Ich denke oft an Piroschka“ war für damalige Verhältnisse, als wir noch nicht teilweise auf Fremdtext zurückgegriffen hatten, recht lang, erreichte beinahe den Umfang, der ihr heute den Status als „Die große Rezension“ sichern würde – und das hat seinen Grund, denn wir hatten dem Film eine für einen deutschen Nachkriegsfilm sehr hohe Bewertung gegeben. Die Verhältnisse haben sich durch die Sichtung vieler weiterer Filme aus der Zeit, auch der „Trümmerfilme“, die direkt nach dem Krieg entstanden, etwas verschoben, gerade dadurch hebt sich eine der schönsten Filmromanzen, die in Deutschland je gedreht wurden, von anderen Filmen mehr ab, ohne dass dies eine Bewertung sein soll. Zu Bewertung: Die Original-Punktzahl haben wir beibehalten. Auch die folgende ursprüngliche Einleitung, gekürzt um Hinweise auf Rezensionen zu späteren Hoffmann-Filmen, ist relativ umfangreich.
Regisseur Kurt Hoffmann hat neben einer erstaunlich frisch gebliebenen Inszenierung die einzige Schauspielerin deutscher Zunge für die Rolle der Piroschka genommen, die das 17jährige Mädchen damals spielen konnte: Die jenseits der Schweiz noch recht unbekannte Liselotte Pulver. Wir schreiben ungern diesen Klischeebegriff von „An die Wand spielen“, zumal, wenn ein Film mit so zartem Pinselstrich gemalt wurde wie dieser. Aber Liselotte Pulver tut genau das, sie dominiert den Film von dem Moment an, in dem ihre großen, braunen Augen hinter einem Vorhang neugierig Ausschau nach dem eintreffenden deutschen Studenten Andreas halten. Dies alles steigert sich von Szene zu Szene und am Ende kann man nicht anders, als dem Charme dieser Filmfigur zu erliegen.
Hoffmann hat aber noch auf andere Weise in die Kiste der großen Emotionen gegriffen. Unterstützt durch die Buchvorlage, hat er eine ungeheuer wehmütige Stimmung am Ende erzeugt, indem er die Haupthandlung in eine Retrospektive aus der damaligen Jetztzeit bettet und auf diese Weise gleichzeitig den männlichen Protagonisten Andreas (Gunnar Möller) auch Narrator spielen lässt. Ein Kunstgriff, der sofort ein Gefühl für einen langen Zeitraum schafft – doch das ist nur ein Nebeneffekt. Hauptsächlich ist „Piroschka“ deshalbso eine formidable Romanze geworden, weil sie die Hauptanforderung aller großen Romanzen erfüllt: Sie bleibt unerfüllt und mündet nicht in den Ehealltag. Sie steht damit in einer Reihe mit Werken wie „GWTW“ und „Casablanca“, die ansonsten zwar ganz andere Filme sind, aber genau dieses Hauptmerkmal ebenfalls tragen, das gewiss nicht in geringem Maß zu ihrer Unsterblichkeit beigetragen hat.
Viel einfacher gestrickt als bei den eben erwähnten Filmen ist die Handlung von „Piroschka“. Es geht um nichts anderes als dieses sich von Szene zu Szene Näherkommen zweier junger, unerfahrener Menschen in farbschöner ländlicher Idylle. Es gibt natürlich, der Plot ist ganz klassisch aufgebaut, eine Gefahr für dieses Glück in Form der jungen Deutschen Greta (Wera Frydtberg), die Andreas schon auf der Reise nach Ungarn kennen gelernt hat und die ihn per Postkarte zum Balaton (Plattensee) einlädt. Schließlich siegt bei Andreas die Liebe zu Piroschka. Ganz am Ende allerdings steht nur die Erinnerung an kurze sechs Wochen im Sommer des Jahres 1925. Wir hatten das Buch auch einmal aus den elterlichen Beständen gempost und gelesen, es gibt darin auch eine Erklärung, warum Andreas seine Piroschka nicht mehr wiedergesehen hat – der Film enthält uns diese aus wohlkalkulierten Motiven vor.
Handlung (1)
Andreas, ein in die Jahre gekommener Schriftsteller, erinnert sich bei einer Zugfahrt an seine Jugendliebe in Ungarn:
Als junger Mann fährt er 1923 als Austauschstudent mit Kommilitonen („Ich hasste dieses gespreizte Wort“) auf der Donau nach Budapest. Er verliebt sich auf dem Schiff in eine hübsche deutsche Frau namens Greta, das „Rosinenmädchen“ (so der Titel des Kapitels). Mit ihr und einem geigenden Zigeuner, der dem Paar unentwegt fiedelnd folgt, verbringt er die Nacht in Budapest. Doch er muss am nächsten Tag zu seiner „Ferienfamilie“ in einen entlegenen Ort in der Puszta namens „Hódmezővásárhelykutasipuszta“ („Biberfeldmarktplatzbrunnenheide“) weiterfahren (sein Sitznachbar im Zug dorthin bezeichnet schon Hódmezővásárhely als „hundsmiserables Saudorf“), und Greta muss an den Plattensee, wo sie ihr griechischer Verlobter („Er hat einen Rosinengroßhandel in Athen“ und ist Geschäftsfreund ihres Vaters) erwartet.
Andreas lernt in der Puszta Piroschka, die 17-jährige Tochter des Stationsvorstehers István Rácz, kennen. Sie verbringen romantische Tage („Kérem, Andi! Mach Signal!“), bis eine Karte von Greta eintrifft. Daraufhin beschließt er, zu Greta an den Plattensee zu fahren. Piroschka, die vom Inhalt der Karte durch ihre Mutter Bescheid weiß, beschließt, Andreas zu folgen, und bringt ihn in Siófok in eine prekäre Lage, als sie mit Greta und ihm zusammentrifft. Als Andreas endlich begreift, für wen sein Herz tatsächlich schlägt, ist es beinahe zu spät. („Aber ich nahm ihre Hand, behielt sie lange in der meinen und schaute ihr in die Augen.“) Doch ein Happy End, wie sonst in Komödien üblich, gibt es für die beiden nicht, obwohl sie einander nachts am Bahndamm zärtlich begegnen, nachdem Piroschka den Zug, in dem Andreas abreist, fahrplanwidrig aufgehalten hat. Andreas muss trotzdem heimfahren.
„Ich hatte ein Wiedersehen versprochen“, erinnert sich Andreas dreißig Jahre später. Aber als er Piroschka zwei Jahre nach ihrem Zusammentreffen auf der Rückfahrt von einem Sommeraufenthalt in Siebenbürgen besuchen will, wird er in Kronstadt krank: „Scharlach, und mein Vater holte mich danach ab. Wir fuhren eine andere Strecke …“ So bleibt Piroschka für ihn „immer jung und süß, siebzehn Jahre, mit der kecken Sechserlocke auf der Stirn.“ Was hat er damals erlebt? „Manchmal meine ich, es war gar nichts – das mit Piroschka. Aber es ist wohl alles gewesen. Alles.“
Rezension
„Es gab 999 Wege, es falsch zu machen – Hoffmann hat den einzig richtigen Weg genommen“, um diesen Stoff umzusetzen.“ So etwa beschreibt es eine Nutzerrezension in der englischsprachigen IMDb (1).
Der Film, sein Land, seine Zeit und ein Blick ins Heute
Erstaunlich, wie schnell der Stoff verfilmt wurde, das Buch erschien erst 1954, denn in Deutschland dauert es, anders als in den USA, oft etliche Jahre, bis ein Buch verfilmt wird. Aber Kurt Hoffmann hatte mit seinem Gespür für geeignete Stoffe wohl sofort erkannt, was alles an hervorragend in Bildsprache umsetzbaren Momenten in diesem Roman steckt, der sofort nach seinem Erscheinen zum Erfolg wurde.
Er passte aber auch so gut in die Zeit. Komik ja, sogar eine ganz reizende und erfrischende, die im Film eine besondere Note durch die Darstellerin Liselotte Pulver bekommt. Das ging an, auch wenn’s selten war. Ungarn, ja, eigentlich hätte der Stoff einem österreichischen Autor einfallen müssen, denn das Ungarland war ja so ein integraler Bestandteil der K. u. K.-Monarchie und ihres besonderen Charmes.
Zudem Wehmut und Sehnsucht. Auch die Deutschen konnten nach dem Zweiten Weltkrieg viel mit dem Stoff damit anfangen, denn er bediente vortrefflich dieses Mitte der 50er noch sehr präsente Gefühl, so viel verloren zu haben. Dieses Ungarn steht für eine einstige Idylle, lag zur Zeit, als das Buch und der Film erschienen hinter dem Eisernen Vorhang, eignete sich gut als Vehikel für die unerfüllbaren Sehnsüchte der Ostvertriebenen und überhaupt für den Geist der Zeit, der das Vergangene lieber romantisch verklärte als pointiert analysierte und Lehren daraus zog.
Insofern ist der Student Andreas, der nicht zupackt, sondern seine Liebe schon irgendwie sausen oder die Dinge sich selbst bzw. der Entscheidung der Frauen überlässt, eine hervorragende Identifikationsfigur für die damaligen Filmzuschauer gewesen. Da macht es nichts, dass er so gar nichts Stürmendes hat, sondern eher scheu und zurückhaltend wirkt. Viele Frauen lieben das, wie man daran sieht, dass er zwei hübsche Exemplare innerhalb weniger Tage angelt, ohne sich dafür ernsthaft ins Zeug zu werfen. Er würde gerne, lässt sich aber von einfachen Hindernissen abbringen, die Situation wird immer wieder offen -die Frauen sind es, welche die Dinge steuern. Liebe ist halt, sie fragt nicht. Der Mann muss also nur noch entscheiden zwischen Glück und noch mehr Glück. Er tut Letzteres, hält es aber nicht fest. Da steckt viel drin, was nicht nur die Nachkriegsdeutschen, sondern auch uns und alle Menschen bewegt – die große Chance, die man vielleicht nicht ergriffen hat, das „was wäre gewesen, wenn“.
Allerdings auch eine Bescheidung, die für heutige Verhältnisse antiquiert wirkt. Es gibt kaum noch Filme, die sich ein solches Ende trauen, weil die Filmemacher den Zuschauern nicht mehr zutrauen, dass sie aus der kurzfristigen, jederzeit verfügbaren Bedürfnisbefriedigung heraustreten und sich an einen schönen Moment ihres Lebens erinnern, daraus Gewinn ziehen und auf etwas im Jetzt verzichten können. Kein Wunder, dass die großen Filmromanzen meist in der ersten Hälfte der Kinogeschichte entstanden sind, als Konsumverzicht im Materiellen wie im Emotionellen und Sexuellen – nicht immer freiwillig – an der Tagesordnung waren und jemand, der Verzicht übt, nicht zwangsläufig wie ein Trottel wirkte. Es fällt uns heute in der Tat schwer, Andreas‘ Verhalten adäquat zu finden: sein Wiedersehensversprechen gegenüber Piroschka nicht einzulösen.
Technisches, Filmisches
Bei „Ich denke oft an Piroschka“ wirken viele Komponenten zusammen, damit der Film so großartig funktioniert. Neben dem Setting, den wundervollen Figuren, der beschriebenen Anlage als rückwirkend betrachteter, unerfüllter Romanze, gibt es eine Menge Details, die so stimmig sind, wie man sie im ersten Nachkriegsjahrzehnt in Deutschland selten sah.
Zum Beispiel die Farbgebung des Films. Kein damals immer noch häufig zu dünnes und rot-grün-lastiges Agfacolor, natürlich auch kein knalliges Technicolor, sondern das Eastman-Verfahren, das sich nicht nur beim Kleinbilfilm immer mehr durchzusetzen begann, mit seinen kräftigen, aber natürlichen und differenzierten Farben. Sie machen aus der flachen Puszta mit ihren quiekenden Schweinen, stehenden Pferden und gänsebewehrten Furten kein Disneyland, aber sie bringen ein idyllisches, farbenfrohes Ambiente zustande. Was diese Technik wert ist, erkannt man aber noch besser an den Kostümen und Gesichtern. Die Kleider für Piroschka und ihre Konkurrentin Greta (einmal tauschen sie sogar, sodass wir beide Damen im selben geblümten Sommerkleid bewundern und vergleichen dürfen – sehr guter Trick!) und viele kleine Details in der Ausstattung, der Haartracht etc. von Piroschka wirken frisch und mit Liebe gestaltet – und doch zeitgebunden. Eine Sechserlocke trägt Piroschka im Film nicht, das war in der Tat ein etwas dubioses Haartrachtmerkmal der Zwanziger, auf das man glücklicherweise verzichtet hat, wie überhaupt die Aufmachung der Charaktere so gewählt wurde, dass man die Zwanziger nicht ganz hat fallen lassen, aber die Ästhetik der Fünfziger wurde sehr geschickt eingearbeitet – diebezüglich hat man eine Synthese geschaffen.
Gemächlich ist zumeist die Inszenierung, das passt zur Idylle. Wir waren anfangs gespannt, wie aus diesen vergleichsweise wenigen Handlungselementen der Geschichte ein Film gemacht wurde, der über 95 Minuten trägt. Natürlich: Lilo Pulver. Aber auch die Szenen selbst, die so schön ausgespielt sind, ohne Hast und sehr sicher ihrer sanften, aber wirkungsvollen Dramaturgie. In der ersten Festszene (der Hochzeit) dann ein Höhepunkt, es wird schnell getanzt und stellenweise sogar schnell geschnitten. Das wirkt aber nicht gekünstelt, es passt ja zu den Bewegungen, wirkt modern und war auch damals schon nicht neu. In der zweiten Tanzszene am Balaton dann ein veritabler Topshot auf die wirbelnde Piroschka und ihren „Stúdent“, sie in diesem hübschen, von Greta geborgten Kleid, mit dem schimmernden Haarband und dem ausgelassenen Lachen; die Bewegungen wirken von oben temperamentvoll und auch gut choreografiert.
Eine kleine Länge gibt es im Film während der Maisrebelszene – natürlich, das retardierende Momentum, aber trotzdem auch ein Moment, in dem der Film auf der Stelle tritt. Angesichts der stimmigen Gesamtdramaturgie ist das allerdings eine vernachlässigbare Schwäche.
Weichenstellungen fürs Leben
Mancher ergreift die große Chance zum Glück und sein Zug des Lebens hält genau da, wo diese Chance wartet. Zumindest ist er bis zum Lebensende überzeugt davon, dass es genauso war. Die meisten werden sich wohl eher mit Fragen an sich selbst auseinanderzusetzen haben, wenn sie älter sind. War alles richtig, die persönlichen, die beruflichen Weichenstellungen? Gab es besondere Augenblicke und Gelegenheiten, da hätte man beherzter handeln und anders entscheiden sollen? Wohl dem, der keinerlei Zweifel hat. Aber auch wohl dem, dessen Zweifel nicht verfliegen und der differenziert über sein Leben denkt, der aber ein Hódmezövásárhelykutasipuszta im Herzen trägt. Es kann auch mehrere solcher Plätze goldener Erinnerung geben, wichtig ist die Existenz der Orte, der Stationen im Leben, deren Namen bereits sehr nach Umweg klingen und welche die Eigenschaft haben, mit der Zeit immer strahlender und bunter zu werden, anstatt dass die Erinnerung daran verblasst.
Eine reizende Idee des Buchautors Hugo Hartung, das Geschehen in „Ich denke oft an Pirochka“ in einer Bahnstation anzusiedeln, Symbol fürs Reisen, fürs Ankommen und Abschied nehmen, mithin für das Leben selbst. Dass Piroschka eine Weichensteller-Azubi ist und dass der „Stúdent“ zunächst sehr unbeholfen zu Werke geht, als er sie ihn mal ranlässt, dass sie es ist, die sogar einen Schnellzug anhält, der normalerweise durch das kleine Dorf durchbraust, nur, um diesem jungen Mann noch einmal die Gelegenheit zu geben, die Weichen seines Lebens auf Ankommen zu stellen, das ist so schön eingewoben, wirkt kaum konstruiert. Vieles dreht sich um Züge, die man erreichen muss, die man nicht verpassen darf und jedes Mal, so lernen wir, ohne dass es pathetisch oder aufgesetzt wirkt, geht es darum, ob wir das Richtige zu richtigen Zeitpunkt tun. Es gibt nichts, was keine Bedeutung hat – aber: Beinahe nichts ist unwiderruflich, auch diese Aussage ist Teil der Botschaft.
Eine Bahn fährt in zwei Richtungen und man kann, jedenfalls innerhalb eines angemessenen Zeitraums, Fehler korrigieren, wenn man nicht in den richtigen Zug eingestiegen oder am Ziel vorbeigefahren ist. Andreas lässt diese Zeit, nehmen wir an, zwei Jahre, verstreichen und hat anstatt einer Realität, die den romantischen Traum dieses verträumten Menschen zerstören konnte, genau diesen Traum im Gedächtnis – an einen Ort mit einem langen Namen und an ein süßes, siebzehnjähriges Mädchen, das ihm, so dürfen wir getrost annehmen, kurz vor Ende des Films die gemeinsame erste Liebesnacht geschenkt hat. Dem romantischen Prinzip entspricht es dann wohl auch, dass es nie mehr schöner werden kann. Das hat vielleicht dafür gesorgt, dass Andreas auf seiner Reise zwei Jahre später erkrankte. Vielleicht hat er diesen misslichen Umstand als Zeichen dafür angesehen, dass es genau so sein sollte, wie es war und ist.
Finale
Entsagung eignete uns über einen langen Zeitraum hinweg sehr gut. Verzicht und Konzentration aufs Wesentliche ist heute wieder ein Thema. Dabei geht es aber nicht um den emotionalen Verzicht, den der Stúdent Andreas übt, sondern um das Gegenteil. Emotionale Gewinne durch materielles Maß halten. Waren die reizendenLeute von Hódmezövásárhelykutasipuszta reich? War Piroschka hinter dem Aufstieg her oder der großen Welt? Hat es Andreas etwas genützt, dass er doch vergleichsweise polyglott daherkam, trotz seiner im Zeitkontext durchaus glaubhaften studentischen Unerfahrenheit?
„Piroschka“ ist beinahe zeitlos, obwohl die Zwischenkriegsepoche, in welcher der Film spielt, klar erkennbar ist und auch die Figuren nicht unbedingt heutigen jungen Leuten in Deutschland oder Ungarn ähnlich sind. Die Zeitlosigkeit liegt in den einfachen Gefühlen, die beinahe kitschfrei und äußerst charmant an den Zuschauer vermittelt werden. Dass der Film nicht die Schärfe oder den zumindest satirischen Unterton hat wie andere Kurt Hoffmann-Filme, kommt ihm eher zugute, denn der Stoff eignet sich nicht für Anspielungen aller Art – ausgenommen natürlich die Symbole des Lebens, die wir erwähnt haben. Sehr schön waren überdies die technischen Features in der von uns gesehenen Version des Films in Schuss. Farben und Bildqualität, die restauriert wirkten, erhöhten den Genuss – der Ton ist naturgemäß ohne sachfremde Neusynchronisation nicht auf heutigem Stand. So beherzt, wie „Ich denke oft an Piroschka“ mit unseren Gefühlen und unseren schönen Erinnerungen an die Jugend zu Werke geht, greifen wir in die Punktekiste und geben 8,3/10.
83/100
(1) International Movie Database: Rezension vom 9. August 2009.
(2), tabellarisch: Wikipedia
| Regie | Kurt Hoffmann |
|---|---|
| Drehbuch | Hugo Hartung, Per Schwenzen, Joachim Wedekind |
| Produktion | Georg Witt |
| Musik | Franz Grothe |
| Kamera | Richard Angst |
| Schnitt | Claus von Boro |
| Besetzung | |
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