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Die Europäer sind relativ genügsam geworden, wenn man von einigen Ländern absieht, die sich als Steuerdumper und dergleichen einen schlanken Fuß und ein fettes BIP machen, und, das hätte man früher nicht für möglich gehalten, am allergenügsamsten sind die Deutschen. Obwohl die Bevölkerung wächst, wächst die Wirtschaft nicht, was bedeutet, dass das BIP pro Kopf zurückgeht.
Alle anderen großen europäischen Volkswirtschaften wachsen zumindest moderat. Den Spaniern, die wütend sind und mit Matsch auf ihren König und ihren Regierungschef schmeißen, legen wie die folgende Grafik besonders an die Herzen, denn diese sollten sich angesichts der erfolgreichen spanischen Wirtschaft, deren Teil sie ja sind, ein wenig wärmen. In Deutschland wären früher angesichts solcher Daten, wie wir sie aktuell haben, auch Steine geflogen, aber siehe oben, Genügsamkeit ist die richtige Einstellung in den Zeiten des Niederganges, denn dadurch bleibt es weiterhin friedlich. Und das ist ja viel wichtiger, als endlich wieder Politik zu machen, die man sogar spüren könnte.
Infografik: Europas Wirtschaft auf moderatem Erholungskurs | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Europas Wirtschaft ist nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) auf einem moderaten Erholungskurs. Aus dem Kreis der führenden Industrienationen wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Spaniens der IWF-Prognose zufolge 2024 und 2025 am stärksten wachsen. Deutschland bleibt in diesem Ländervergleich Schlusslicht, darf laut IWF aber immerhin mit 0,8 Prozent Wachstum im kommenden Jahr rechnen.
Insgesamt bleibt die wirtschaftliche Erholung Europas nach Einschätzung der IWF- Experten hinter ihrem vollen Potenzial zurück. Die Unsicherheit über die anhaltende Kerninflation, die politische Ausrichtung und geopolitische Konflikte würden die kurzfristigen Aussichten trüben. Längerfristig bremse das anhaltend schwache Produktivitätswachstum angesichts neuer Gegenwinde durch Fragmentierung und Klimawandel das Wachstumspotenzial.
Um sich in einem unsicheren Umfeld zurechtzufinden, seien laut IWF stabile makroökonomische Maßnahmen erforderlich. Dies erfordert den Übergang zu einem neutralen geldpolitischen Kurs und den Abbau von Haushaltsdefiziten, ohne die Erholung zu gefährden. Die politischen Entscheidungsträger müssen auch Hindernisse für ein höheres Potenzialwachstum beseitigen. Ein größerer und stärker integrierter Binnenmarkt für Waren, Dienstleistungen und Kapital wird Anreize für Investitionen und Innovationen schaffen und Größenvorteile schaffen.
Der IWF erwartet, dass der Ukrainekrieg bis ins Jahr 2025 andauern und die wirtschaftlichen Aussichten des Landes auch weiterhin entscheidend prägen wird. Dies würde unter anderem Risiken für die Logistik- und Energieinfrastruktur sowie Belastungen auf dem Arbeitsmarkt nach sich ziehen. Trotzdem rechnet der IWF mit einem moderaten Wachstum von 2,5 Prozent im kommenden Jahr. Zum Vorkriegsniveau des Jahres 2021 mit einem BIP von insgesamt 200 Milliarden US-Dollar wird die Ukraine laut IWF allerdings frühestens im Jahr 2026 aufschließen können. Die Prognose ist jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet. Für Russland geht der IWF von einer deutlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums im kommenden Jahr aus. Grund seien ein Rückgang des privaten Konsums und der Investitionen im öffentlichen und privaten Sektor.
Der IWF ist nicht die einzige Institution, die Wirtschaftsprognosen abgibt, in Deutschland tun dies zusätzlich mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute und die Bundesregierung. Aber die Einschätzungen werden immer mal wieder (auch aneinander) angepasst, sodass insgesamt ein halbwegs zuverlässiges Bild entsteht.
In Deutschland sehen wir 2024 schon das zweite Jahr ohne Wachstum, das ist außergewöhnlich und sehr gefährlich. Vor allem, weil diese Schwäche nicht auf einer Finanzkrise oder Pandemieverwaltung fußt, die alle Länder mehr oder weniger betrifft, sondern spezifisch deutsche Probleme aufzeigt. Dass die anderen in Europa so schwach wachsen, hat auch mit der deutschen Wirtschaft zu tun, die eng mit der Wirtschaft dieser Länder verzahnt ist. Wenn man den Kreis der wenigen Länder, die auf der Grafik abgebildet sind, erweitert, sieht es nicht besser aus. Die kleineren Länder wachsen eher schneller als die großen Volkswirtschaften der EU und die Ex-EU-Volkswirtschaft Großbritanniens, die den Eindruck erweckt, als wäre der Brexit weder mit großen Vorteilen, noch mit großen Nachteilen verbunden. Allerdings ist eine Momentaufnahme bzw. ein so kurzer Zeitraum, wie diese Grafik ihn umfasst, nur bedingt aussagekräftig. Zum Beispiel sieht man nicht, dass Deutschland schon 2023 besonders schlecht abgeschnitten hat. In der Originaltabelle sehen Sie aber diese dramatisch schlechten -0,3 Prozent. Regionaler Wirtschaftsausblick für Europa: Erholung bleibt hinter dem vollen Potenzial Europas zurück. Wie erwähnt, die BIP-pro-Kopf-Leistung sank noch mehr, vermutlich um ca. 1,5 Prozent in den kumulierten Jahren 2022 und 2023, da durch Geflüchtete die Bevölkerung gleichzeitig stark anwuchs.
Russland und der Ukraine scheint der Krieg, den sie gegeneinander führen, hingegen gut zu bekommen, rein wirtschaftlich betrachtet, aber auch bei ihnen muss man unbedingt einen Blick weiter zurück werfen, und was auch die IWF-Tabelle nicht zeigt, ist, dass die ukrainische Wirtschaft 2022 massiv eingebrochen war (wobei wir nicht wissen, wie aktuell die Wirtschaft der von Russland besetzten Regionen a.) gemessen werden will und b.) zugerechnet wird. Was Russland betrifft, weisen wir immer wieder darauf hin, dass die Zahlen einen großen Haken aufweisen, mindestens diesen: Die Umstellung auf Kriegswirtschaft mit ihrer hochgradig wertschöpfenden Produktion stellt meist einen Schub für das BIP dar. Nirgends kann man das besser studieren als an Zahlen zum Ersten und zum Zweiten Weltkrieg, als zunächst die deutschen und dann die Zahlen der anderen kriegführenden Nationen geradezu explodierten. Die Deutschlands zuerst, weil bereits vor dem Krieg eine erhebliche Hochrüstung stattfand, hier vor allem ab 1935. Dadurch sah es auch so aus, als ob die Nazis eine gute Wirtschaftspolitik machen würden. In Wahrheit verschuldeten sie das Land bis über beide Ohren, was am Ende mehr oderweniger egal war, weil das Dritte Reich unterging und die BRD angesichts der Ergebnisse des vorherigen Krieges von vielen Ländern von ihren Schulden oder von jedweden Reparationen freigestellt wurde (1953).
Darauf darf man bei Russland nicht spekulieren. Erstens wird es nicht so fallieren, dass man ihm vorschreiben kann, was zu tun ist, zweitens ist das Land zumindest offiziell noch gut aufgestellt, weil es in den Jahren vor dem Krieg zum Beispiel große Devisenreserven gebildet hat. Wie lange die bei diesem Verschleiß, der aktuell zu sehen ist, ausreichen werden, ist zwar eine andere Frage, aber solange weitere Länder ein Interesse daran haben, Russland zu stützen, kann nicht so viel passieren, wie einige hierzulande es erhoffen mögen.
Wie eine permanente Krisenrhetorik und Wärhungsschwierigkeiten und Inflation ein Land nicht am kontinuierlichen Wachstum hindern, sieht man an der Türkei. Wer wissen möchte, warum Erdogan neben seiner eigenen Form des Islamismus so beliebt ist, der möge auf die IWF-Daten schauen. Erinnert ein wenig an Italien in seinen besten Zeiten. Es wurde immer, besonders von der ausländischen Presse, der kurz bevorstehende Untergang herbeigeredet, wärenddessen sammelten die Menschen im Land Wohlstand und haben heute ein viel höheres Medianvermögen als die gestrippten Deutschen, die nicht erst so zurückfallen, seit auch das BIP sich im Rückwärtsgang befindet. Was darauf hinweist, dass das BIP-Wachstum nur eine Seite des Wirtschaftswürfels ist, eine weitere ist, wem das Wachstum zugutekommt. Deswegen schauen wir auch immer mit Skepsis darauf, wenn arme Länder, aufgepumpt zum Beispiel durch chinesische Investitionen und Kredite, beim Wachstum anfangen abzuheben. Die Zahl derer in diesen Ländern, deren Volkswirtschaften immer noch klein sind und durch die Neuschaffung weniger Wirtschaftseinheiten schon einen erheblichen Schub erfahren, ist überschaubar. Es wird durch solche Investitionen eher an der Ungleichheitsverstärkung gearbeitet als daran, dass alle etwas davon haben. Wäre das anders, wäre der Hunger auch längst besiegt, denn die Möglichkeiten dazu bestehen grundsätzlich, man muss es aber auch wollen.
Das ändert nichts daran, dass Deutschland nicht nur gefühlt ein Jammertal ist. Schauen wir uns zum Vergleich noch die Volkswirtschaft an, an der wir uns ja auch politisch ausrichten und wo es derzeit so hoch her geht. Politisch, wohlgemerkt, denn wirtschaftlich sieht es grundsätzlich solide aus.
Das US-BIP wuchs 2022 mit 2,5 und 2023 mit 2,9 Prozent, für 2024 werden 2,8 und für 2025 dann 2,2 Prozent vorhergesagt. Offenbar geht man schon davon aus, dass Donald Trump die Wahlen gewinnt und die Wirtschaft sich daraufhin abschwächen wird. Beides ist aber nicht sicher, auch die Kombination von beidem ist nicht mithilfe einer Milchglaskugel sichtbar zu machen.
In China, der weltweiten Nummer zwei, lag das Wachstum im Jahr 2023 bei 5,2 Prozent, für das Jahr 2024 werden 4,8 Prozent und für 2025 dann 4,5 Prozent vorhergesagt. Reicht doch, sollte man denken. Das wird die chinesische Führung anders sehen. Noch vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die chinesische Wirtschaft mit 7 Prozent jährlich wachsen muss, um die Aufsstiegs-Story aufrechterhalten zu können. Schließlich liegt man beim Pro-Kopf-BIP immer noch weit hinter westlichen Ländern zurück. Vor allem aber geht es darum, eine Abwärtsspirale zu verhindern, nämlich, dass die Schwäche auf bestimmten Sektoren wie der Immobilienwirtschaft sich immer mehr ins Ganze hineinfrisst. Deshalb pumpt die chinesische Regierung derzeit Unsummen in die Wirtschaft und die Staatsschulden wachsen so schnell wie in keiner anderen relevanten Volkswirtschaft. Sie haben sogar die chronisch hohe durchschnittliche Staatsverschuldung der EU überholt und nährt sich allmählich amerikanischen Verhältnissen an. Wenn dabei trotzdem kein höheres Wirtschaftswachstum herauskommt, ist das für eine so auf Expansion angelegte Ökonomie und eine Führung, die damit die Menschen bei Stimmung halten will, ein Problem. China wird nie wieder zweistellige jährliche Wachstumsraten erzielen, dafür ist diese Volkswirtschaft nun doch schon zu weit vorgerückt und man sollt endlich den Entwicklungsländerstatus begraben, den China in Deutschland immer noch aufweist und damit auch begünstigt wird.
Die Rolle der am stärksten wachsenden großen Ökonomie hat mittlerweile Indien eingenommen, 2023 waren es 7 Prozent, für 2024 werden 6,5 Prozent erwartet. Das sind nicht die Zahlen, die China einmal hatte, aber dafür kann sie noch über Jahrzehnte hinweg aufrechterhalten, wenn es einigermaßen gut läuft.
In Deutschland geht man dem umgekehrten Weg: Je schlechter die Wirtschaft läuft, desto mehr wird gespart. Das wird nicht funktionieren, die marode Infrastruktur muss dringend einem Wiederaufbau unterzogen werden, damit langfristig wieder Wachstum und Innovation Raum greifen. Pflichtgemäß weisen wir auch heute wieder auf das Fehlen einer strategischen Wirtschaftspolitik in Deutschland hin. Während der Merkel-Regierungszeit wäre es so einfach gewesen, eine solche in aller Ruhe auf den Weg zu bringen. Jetzt sind die Zwänge und Herausforderungen groß und der Vorrat an Ideen, Willenskraft aufgebraucht. Mit etwas Glück wird die deutsche Wirtschaft gemäß IWF so um 2026 herum wieder auf das allgemeine EU-Wachstumsniveau kommen. Vom Aufholen des seit Corona angesammelten Rückstands kann allerdings keine Rede sein. Das sollten sich auch diejenigen merken, die an Friedrich Merz glauben. Dass dieser Kanzler wird, hat der IWF in seiner ganz frischen Prognose gewiss schon berücksichtigt, und es hat nicht dazu geführt, dass man dem Land ein neues „Wirtschaftswunder“ zutraut. Wegen 1,4 Prozent im Jahr 2026 brauchen Sie nicht die immer mehr rechtspopulistische Union zu wählen.
TH
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