Filmfest 1197 Cinema
Ober, zahlen! ist ein österreichischer Spielfilm von E. W. Emo aus dem Jahr 1957. Er entstand nach einer Filmnovelle von Jutta Bornemann, wurde im Atelier Sievering der Wien-Film gedreht und erlebte am 27. Juni 1957 im Stuttgarter Universum seine Premiere.
Auch wenn der Film in Stuttgart offenbar Weltpremiere hatte, handelt es sich nicht um eine der vielen deutsch-österreichischen Koproduktionen jener Jahre, die mit beiderseits der Grenze beliebten Darstellern gedreht wurden und natürlich den größeren deutschen Markt im Blick hatten. Mehr zu diesem Versuch, die deutschsprachige Welt zu erobern, steht in der Rezension.
Handlung (1)
Die beiden Oberkellner Gustav und Franz sind beste Freunde und gemeinsam in einem Wiener Kaffeehaus angestellt. Die Geschäfte laufen schlecht, da die modernen Espressos den alteingesessenen Kaffeehäusern die Gäste nehmen. Nur wenige Stammgäste halten dem Haus die Treue und nicht alle können ihren Kaffee prompt bezahlen. Der neue Piccolo Fritz, Neffe der reichen Berlinerin Frieda, ist zudem ungeschickt und schnodderig, bleibt jedoch, da Gustav in Frieda verliebt ist. Beide Oberkellner träumen von einem eigenen kleinen Kaffeehaus.
Für Franz könnte der Traum wahr werden, da sein verhasster Bruder, dem er einst Geld geliehen hat, dieses nun zurückzahlt. Franz’ Frau hält überrascht den Scheck über 20.000 Dollar in der Hand. Weil sie weiß, dass Franz von seinem Bruder kein Geld annehmen würde, verheimlicht sie ihm den Geldsegen und weiht stattdessen Gustav ein, der Franz eigentlich von dem Geld erzählen soll. Als Gustav jedoch erkennt, dass Franz die Nachricht auch aus seinem Mund nicht gnädig aufnehmen würde, legt er das Geld zusammen mit Franz’ Frau an: Er kauft für Franz einen Teil des schlechtgehenden Kaffeehauses und macht daraus ein Espresso. Franz wiederum tut sich mit Frieda zusammen, die von Gustav nur nicht geheiratet wird, weil sie zu viel Geld besitzt. Frieda kauft das Kaffeehaus. Kurz nach Vertragsabschluss erfahren Frieda und Franz, dass Gustav der Leiter des Espressos ist. Weil Gustav eigentlich das Kaffeehaus übernehmen soll, wollen beide das Espresso in den Ruin treiben. Gleiches hat Gustav mit dem Kaffeehaus vor, da Franz ja eigentlich Inhaber des Espressos werden soll. (…)
Filmgespräch von Anni und Tom
Tom: „Mein Naserl ist so rot, weil ich so blau bin. Und wenn ich auch vielleicht schon etwas grau bin, der Wein, der lässt mich jung und fröhlich sein. Und nimmt an meinem Naserl jemand Anstoß, dann lad ich ihn gleich auf ein Flascherl ein.“ Hab ich das Lied richtig zitiert?
Anni: Fantastisches Gedächnis. Und man könnte meinen, die hätten dich beschrieben.
Tom: Haha. Wir haben aber noch einen Biowein drüben, der liegt da schon seit Jahr und Tag, den könnten wir nachher aufmachen.
Anni: Filme mit Hans Moser sind einfach inspirierend. Aber er ist langsamer geworden, und die Stimme schnarrt nicht mehr ganz so wie in den Vorkriegsfilmen, oder?
Tom: Der Ton ist jetzt etwas besser und lässt mehr Nuancen zu. Nein, du hast Recht, er wirkt beinahe ein wenig müde, der große Volksschauspieler. Man hat den Eindruck, der Arzt hat ihm gesagt, wenn er sich weiter so extrem aufregt wie früher, kippt er mal beim Drehen um. Aber der Regisseur ist immer noch E. W. Emo, mit dem er schon in den 1930ern viel zusammengearbeitet hat. Man kennt sich und ist aufeinander eingespielt, das merkt man schon.
Anni: Aber vor dem Krieg gab es keine Berliner bei der Wien-Film, oder? Wie den Kellnerjungen Fritz und seine Tante.
Tom: Das ist schon sehr interessant. Damals haben die Alliierten gerade Wien verlassen (1955) und schon fingen die Ösis an, Berliner als Kontrastprogramm für ihren Schmäh zu verwenden. In „Ober, zahlen!“, ist das schon sehr auffällig und zieht sich bis in heutige Filme durch.
Anni: Die sind halt politisch nicht so korrekt wie wir.
Tom: Des is a kloanes Land, wos wuist?
Anni: Du kannst österreichischen Dialekt?
Tom: Ich verrat dir aber nicht, woher. Die Schauspielerin, die die Berliner Tante gespielt hat, Mady Rahl, ist tatsächlich in Neukölln geboren, wie du.
Anni: Quatsch!
Tom: Und zu dem Typ, der den Fritz gespielt hat, sagt die Wikipedia unter anderem, ich zitiere: In dem Schmugglerfilm Sündige Grenze erhielt er (Wolfgang Jansen) 1951 seine erste Filmrolle. Von da ab war er auf die Rolle des rotzfrechen Bengels festgelegt, er spielte in zahlreichen Filmen der fünfziger Jahre neugierige, vorwitzige Schüler und Lehrlinge. Vor allem in österreichischen Produktionen, wo er mit seinem berlinernden Mundwerk als Kontrastfigur besonders zur Geltung kam, wurde er gern eingesetzt.
Anni: Ach, daher hast du das – alles abgelesen.
Tom: Die Idee mit dem Kontrast musste ich nicht ablesen, die bemerkt wohl jeder. Es war eben alles anders als vor dem Krieg und währenddessen – natürlich musste alle österreichischen Filme auch in Deutschland Erfolg haben, sonst wären sie nicht rentabel gewesen.
Anni: Wie die Sissi-Filme.
Tom: Mei, des woa a Schmarrn! Aber „Ober, zahlen!“ wirkt schon ziemlich bemüht, auch wegen dieser herausgeschnitzten Kontraste. Der andere ist: „Espresso“ gegen „Wiener Kaffeehaus“. Die Leute hatten damals wohl echt Angst, die Kaffeehaustradition fällt moderner aufgemachten Kaffee-Ideen zum Opfer. Meine Espressomaschine gibt übrigens keine Zischlaute ab, da ist man schon etwas weiter. Die großen Maschinen machen das immer noch, schon klar. Erinnert mich außerdem an die Taxler-Geschichte mit dem Fiaker.
Anni: Und schau mal, wo das heute mit dieser Vorgestrigkeit hingeführt hat. Da kann man ja von Glück sagen, dass es damals noch keinen Latte Macchiato gab, kein Starbucks und keinen Coffee to go in diesen irre heißen und immer zu vollen Pappbechern. Die Österreicher wären durchgedreht und Hans Moser als Ober im Sinn der Kaffeehaustradition hätte wirklich einen Schlag bekommen und nie wieder einen Film machen können.
Tom: Keinen anständigen Job überhaupt mehr, sondern hätte als Zeitarbeiter zum Mindestlohn in einer Coffee-to-Go-Kette hinterm Tresen stehen müssen, ohne echten Service anbieten zu können. Aber die Wiener Kaffeehäuser, zumindest die bekannteren, haben überlebt, und die hochnäsigen Wiener Kellner mit ihnen. Und unser Lieblingscafé hier an der nächsten Ecke auch. Das Lesen von Zeitungen im Café, das man hier sieht, das sogenannte Zeitungs- und Literaturcafé, ist sogar schwer im Kommen, weil kaum noch jemand ein Papier-Abo für zu Hause hat.“
Anni: Aber ich habe noch nie in einem Berliner Café zwei Leute Schach spielen sehen. Der Paul Hörbiger, der mit dem Moser hier gespielt und gesungen hat, hat auch in „Der dritte Mann“ mitgemacht. Sehr spannender Film.
Tom: Paul Hörbiger war eine Institution. Der hat in über 250 Filmen mitgespielt, noch mehr, als der Moser gemacht hat. Ich glaube, es gibt kaum einen österreichischen Film aus den 1930ern bis 1960ern, in dem er nicht drin war.
Anni: Wie findest du die Handlung mit diesem Überkreuz-Verkauf des Cafés in zwei Teilen? Wenn wir hier bei der TatortAnthologie säßen, würden wir sagen: Ziemlich konstruiert und – siehe oben – krampfig. Ebenso wie die Einarbeitung des Rock’n Roll.
Tom: Das Hin und Her mit dem Geld ist nervig, keine Frage. Vielleicht empfinden wir das auch so, weil wir in letzter Zeit ständig Filme gucken, in denen es ums Geld geht.
Anni: Bei mir hat das damit nichts zu tun.
Tom: Und dieser dritte Kontrast, den zwischen Berliner Liedercafé und Musikbox und Tanzstunde mit Rock-n-Roll-Kurs, ein Dreieckskontrast, wenn man so will, den gibt es auch in vielen deutschen Filmen der Zeit. Und die Haltung ist wohl klar. Wenn zwei so alte Herren den Mittelpunkt des Films darstellen wie Moser und Hörbiger, dann ist da immer ein süffisant-negativer Touch drin, alles Moderne betreffend. Der Rock ’n’ Roll soll da wohl absichtlich etwas lächerlich aussehen. Aber das war auch eine Riesen-Umstellung im Musikstil, die damals nur ganz junge Leute cool fanden.
Anni: Ich hab die beiden älteren Herren trotzdem gemocht. Und die Chemie stimmt halt bei denen, das ist deutlich zu sehen. Ich meine, wo gibt es einen deutschen Film, in dem zwei solche Männer um die 70 sich so zanken, vertragen, miteinander singen und einander heimlich was Gutes tun wollen, was all diese Verwicklungen auslöst – und so lebendig miteinander schauspielern?
Tom: Obwohl die heutigen älteren Menschen viel jünger wirken als die vor fünfzig Jahren, gibt es kaum solche vitalen Rollen für sie. Kein Kinoproduzent würde sich trauen, zwei solche Typen wie den Moser und den Hörbiger in den Mittelpunkt eines Films zu stellen.
Anni: Es muss sie ja auch geben. Fällt dir jemand ein? Machst du uns jetzt den Biowein auf? Ich hab richtig Durst gekriegt, bei dem Film, trotz des Wassers, das sie da richtigerweise zum Kaffee servieren. Ober, zwei Schwarze!
Tom: Oba sicher, gnä‘ Frau, und küss die Hand!
Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2024: Da hing er hin und vergaß, seine Bewertung abzugeben und hat auch seine Partnerin nicht gefragt. Da es bei uns aber keine Spielfilme ohne Noten gibt, also ohne Zensuren, müssen wir retrospektiv arbeiten, und da ist es misslich, wenn das Gedächtnis nicht mehr das Beste ist. Aber ein paar Szenen erinnere ich wieder, nach dem Lesen der Rezension, außerdem enthält sie selbst Hinweise darauf, dass es sich bei dem Film, auch innerhalb des Moser-Hörbiger-Kanons, nicht um eine Spitzenkomödie handelt.
60/100
© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
| Regie | E. W. Emo |
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| Drehbuch | August Rieger Hugo Wiener Karl Farkas |
| Produktion | ÖFA Schönbrunn-Film |
| Musik | Hans Lang |
| Kamera | Sepp Riff |
| Schnitt | Leopoldine Pokorny |
| Besetzung | |
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