A Fool and His Money (USA 1912) #Filmfest 1207

Filmfest 1207 Cinema

 A Fool and His Money ist eine US-amerikanische Stummfilmkomödie aus dem Jahr 1912. Es ist entweder der erste Film[1] oder einer der frühesten Filme[2][3] mit einer afroamerikanischen Besetzung. Regie führte Alice Guy-Blaché, die weithin als die erste weibliche Regisseurin gilt. [1][2][3] In der Handlung geht es darum, dass Menschen wohlhabend werden und einen aristokratischen Lebensstil führen.[1]

Der Film ist ein Sonderfall insofern, als wir ihn nicht eigens für die „3. US-Chronologie, von Beginn an, ein Jahr, ein Film“ rezensiert haben, sondern schon etwas früher, im Rahmen der „Female Comedies“, denen sich Arte gewidmet hat, beginnend mit Alice Guy im Jahr 1906 und bis in die 1920er Jahre hinein. Der erste Film mit afroamerikanischer Besetzung ist dies nicht, auch wenn man sich darüber streiten kann, ob es sich bei „A Negro Kiss“ (1898) schon um eine Besetzung handelt – die beiden Darsteller jedenfalls waren bekannte Vaudeville-Stars. Allerdings wird unten weiter präzisiert, dass „A Fool and His Money“ ein narrativer Film ist, das kann man von der kurzen Szene aus dem Jahr 1898 nicht sagen.

Arte hat den Film, der in der Reihe „Female Comedies“ zum Jahreswechsel 2023/2024 gezeigt wurde, natürlich als ersten Film mit einem „All-Black-Cast“ bezeichnet, aber wir weisen bei solchen Zuschreibungen regelmäßig auf den Hang zu Superlativen hin, die man mit Vorsicht genießen muss. Es ist erstaunlich, aber auch im frühen Kino gab es das Meiste schon früher, als allgemein behauptet wird und irgendwann wird wieder irgendein Filmschnipsel gefunden, der eine neue Geschichte erzählt. Ist der Film auf jeden Fall eine „Female Comedy“? Wir klären dies und mehr in der Rezension

Handlung[2]

Ein zufälliger Geldfund macht den mittellosen Sam zu einer guten Partie für die neureiche Lindy. Doch Sam verliert bald das Geld beim Kartenspiel – und damit auch die Gunst der untreuen Lindy.

Handlung[3]

Sam Jones, ein junger schwarzer Arbeiter, wird von Lindy, der Frau, die er liebt, wegen seiner Armut zurückgewiesen. Nachdem er eine große Summe Geld auf dem Bürgersteig gefunden hat, erwirbt er ein paar schöne Kleider, ein Auto und Schmuck und macht sich auf den Weg, um es zurückzugewinnen. Lindy nimmt Sams Heiratsantrag an. Sam schmeißt einen Empfang, bei dem er seine Verlobung bekannt geben will. Doch während des Empfangs wird er bei einem manipulierten Pokerspiel, das von einem Rivalen organisiert wird, betrogen. Als Lindy erfährt, dass Sam betrogen wurde, überträgt sie ihre Zuneigung auf den Mann, der nun Sams Geld besitzt3.

Information (1)

Der Film wurde von dem kalifornischen Ingenieur David Navone wiederentdeckt, der vier Rollen mit Filmen aus den frühen 1910er Jahren in einem Koffer fand, den er bei einem Nachlassverkauf gekauft hatte. [4] Er übergab sie dem American Film Institute (AFI). [1] Es wurde vom National Center for Film and Video Preservation der AFI im Library of Congress Motion Picture Conservation Center aufbewahrt. [1] Es wurde am 29. Juli 2018 im Grauman’s Egyptian Theatre in Los Angeles öffentlich gezeigt. [2]

Information (2)

Alice Guy-Blaché erweist sich hier als versierte Comedy-Regisseurin, die sehr pointiert die Geschichte des armen Sam erzählt, der nicht kapiert, dass seine Angebetete, Lindy, sich nur für wohlhabende Männer interessiert. Eines Tages findet er Geld und kann eine große Party geben, schlagartig steigt er in Lindys Gunst. Doch kurz darauf verliert er beim Kartenspiel das unverhofft gewonnene Vermögen …
„A Fool and His Money“ gilt als erster Spielfilm mit einer ausschließlich afroamerikanischen Besetzung.

Rezension

Unzweifelhaft ist der Film insofern eine Female Comedy, als er von Alice Guy, der ersten Filmregisseurin der Welt, gedreht wurde, von der gleich mehrere der Werke stammen, die in der erwähnten Arte-Reihe zu sehen sind. Gezeigt wird aber in erster Linie das Verhalten von Männern. Wie es zu dem afroamerkanischen Cast kam, liest sich so:

Als ihre weißen Schauspieler sich weigerten, mit schwarzen Schauspielern auf der Leinwand aufzutreten, drehte die französische Regisseurin Alice Guy (eine Filmpionierin, die zu dieser Zeit in den Vereinigten Staaten arbeitete) 1912 A Fool and His Money, der als erster narrativer Film mit einer rein afroamerikanischen Besetzung gilt. Die Handlung konzentriert sich auf den Wunsch, reich zu werden und einen luxuriösen Lebensstil anzunehmen1,2, aber die rassistischen Stereotypen der damaligen amerikanischen Kultur3. Der Film wurde anhand von Filmrollen, die auf einem Flohmarkt gefunden wurden, wiederentdeckt und Bild für Bild restauriert. (3)

Nun ja, der Blick von Alice Guy ist ironisch, keine Frage, aber auch auf Frauen, nämlich, dass sie nur hinter dem Geld von Männern her sind, nicht etwa aus Liebe heiraten.

Als einer der frühesten Rassenfilme Amerikas stellt A Fool and His Money auch eine historische Aufzeichnung der Einstellung der Weißen gegenüber Afroamerikanern an der Wende zum 20. Jahrhundert dar. Sie stellte den Schwarzen als verantwortungslos dar, der sein wenig Geld verspielte – Geld, das er nicht durch Arbeit oder harte Arbeit, sondern illegal verdient hatte. Wir sehen auch, dass Lindys bürgerliche Familie nur deshalb die Privilegien des Reichtums genießt, weil ihr Vater, der als pensionierter Pullman-Portier beschrieben wird, viele Jahre lang lange und hart gearbeitet hat. Der Kontrast deutet darauf hin, dass ein afroamerikanischer Mann mit plötzlichem Wohlstand nicht umgehen kann.[4]

Natürlich ist Sam ein Bruder Leichtfuß, der ganze Film ist sehr simpel gestrickt, die Charaktere betreffend, das kann bei einem 10-Minuten-Film, der vor allem handlungsorientiert ist, nicht anders sein. Dass Lindys Vater ein braver Portier war, sieht man im Film nicht, insofern kann man nicht einschätzen, wie er zu seinem relativen Wohlstand und dem typischen Vorstadt-Haus gekommen ist, in dem er mit seiner Tochter lebt. Man hat ihn aber nicht im Verdacht, sich seinen Wohlstand ergaunert zu haben. Hingegen werden Afroamerikaner nicht nur als Dummköpfe gezeichnet, die Geld finden und alsbald wieder verjuxt haben, sondern auch als gerissene Pokerspieler, als materialistische Frauen, und eben als brave Männer, die sich etwas ersparen konnten. Mithin sehen wir vor allem Stereotypen der Jagd nach dem amerikanischen Traum. Das Hohelied der erarbeiteten bürgerlchen Existenz, das schnelle Geld durch Betrug, die Tatsache, dass Geld überhaupt eine beherrschende Rolle spielt, was ich in den Filmen von Alice Guy, die noch in Frankreich entstanden, nicht gesehen habe. Also hat sie sich zuerst einmal mit dem amerikanischen Fetisch Geld auseinandergesetzt.

Die afroamerikanische Besetzung hingegen war gar nicht geplant, sondern kaum durch rassistisches Verhalten der weißen Filmschauspieler zustande. Mithin gibt es eindeutig Rassismus auf der nichtfiktionalen Ebene.

Die Frage ist jetzt, ob es damals nicht „weiße“ Filme mit ähnlichen Handlungen gab, in denen ein Dummkopf um leicht verdientes oder zufällig gefundenes Geld kommt und sein Mädchen ihm die kalte Schulter zeigt, vor der Erlangung des Geldes und nach dem Verlust. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das damals nicht häufig in ähnlicher Weise „weiß“ gefilmt wurde. Ein amerikanischer Film, in dem es nicht auch um Geld geht, wie es gewonnen wird und manchmal auch zerrinnt, ist im Grunde kein amerikanischer Film. Ich finde ihn auch gar nicht so rasend komödiantisch, setze aber die Einschränkung hinzu, dass das, auf mich persönlich bezogen, für fast alle bisher gesehenen Film der Reihe gilt.

Ich höre hier auf und sage nur, dass dies in Bezug auf das „Spieß umgedreht“-Szenario ziemlich lustig war und trotz der Zusammensetzung der Besetzung gibt es nichts wirklich Rassistisches in Bezug auf Story und Charakterisierung (obwohl es möglich ist, dass einige in Bezug auf ein späteres Kartenspiel etwas anderes behaupten könnten).[5] 

Da die einzige „professionelle“  in der IMDb verlinkte Rezension tot ist bezüglich des Links sammeln wir Stimmen der Benutzer, davon gibt es drei.

Was „A Fool and His Money“ betrifft, so ist es lobenswert, dass die Rasse im Film keine Rolle spielt und nicht auf beleidigende Stereotypen reduziert wird. Glücklicherweise bekommen wir keinen der üblichen weißen Autoren zu sehen, die in den Zwischentiteln so tun, als würden sie angeblich schwarz sprechen, außer vielleicht ein bisschen Analphabeten. Mit anderen Worten, das gleiche Szenario hätte genauso gut funktioniert, wenn es weiße oder Schauspieler einer anderen ethnischen Zugehörigkeit gezeigt hätte. Wie McMahans Recherchen zeigen, kann das Gleiche nicht über die Publicity des Films gesagt werden, einschließlich einer Werbung von The Moving Picture World, die behauptet, es sei „eine satirische Komödie“ mit „prätentiösen“ Charakteren, die „ihre weißen Brüder nachäffen und imitieren“. Dies deutet jedoch darauf hin, dass „A Fool and His Money“ auch einem weißen Publikum gezeigt wurde, und McMahan schlägt vor, dass seine Komödie über soziale Mobilität auch besonders gut für die Einwandererklassen funktioniert haben könnte, die angeblich einen großen Teil des Nickelodeon-Publikums ausmachten, wobei eine Solax-Produktion wie „Making an American Citizen“ (1912) speziell Einwanderer repräsentierte.

Diese Nutzerrezension ist länger als viele professionelle Kritiken zu Filmen dieser Art und der Rezensent scheint sich sehr gut mit Alice Guys Werk bzw. dem erhaltenen Teil auszukennen, er weist auch bezüglich Guys späterer Filme auf Rassismus hin. Beide Rezensenten haben das gesehen, was ich auch im Wesentlichen wahrgenommen habe: Dass die Handlung und die Charaktere nicht primär rassistisch wirken, wenn man nicht „biased“ ist und sagt, wie kann eine weiße Regisseurin in jener Zeit afroamerikanische Schauspieler inszenieren? Das wäre aber wieder eine weit übertriebene Version von Cancel Culture, im Grunde sie dann als Einwanderin auch keine geborenen Amerikaner in ihren Filmen spielen lassen.

Beide zitierten Rezensenten geben dem Film sehr gute Noten (7/10 und 8/10), an einer Stelle wird der Film auch für besser erklärt als die Keystone-Comedies der Zeit, die wir gerade anhand von Charles Chaplins, mithin auch Ford Sterlings und Mabel Normands Filmen besprechen. Ein Normand-Chaplin-Film und einer nur mit Normand sind auch in der Arte-Sammlung von 14 Kurzkomödien der 1900er bis 1920er Jahre enthalten.

Ganz so enthusiastisch wird unsere Bewertung nicht ausfallen, sondern eher auf die Durchschnittsbewertung der IMDb-Nutzer:innen hinauslaufen, derzeit 6,3/10.

Finale

Es ließ sich nicht vermeiden, dass in dieser Betrachtung das Thema Rassismus eine Rolle spielt und man könnte noch genauer hinschauen und diesen Aspekt vertiefen, Einiges, was dazu geschrieben wurde und in der Wikipedia zitiert wird, halte ich für nicht ganz stichhaltig: Gerade die als Beleg für rassistische Stereotypen herangezogene Falschspielerszene ist ein typisches Handlungselement  aus weißen Western, in denen gerissene Typen zugange sind, während das Stereotyp, das Hollywood für Afroamerikaner bis in die 1950er pflegte, eher das des etwas beschränkten und, wenn es um die Südstaaten ging, vordergründig positiven, in Wirklichkeit aber treudoof-untertänigen Sklaven- oder Postsklaven-Typus war, in ganz bösen Fällen auch die des animalischen Vergewaltigers weißer Frauen, wie in D. W. Griffiths mittlerweile eher als berüchtigt denn berühmt angesehenen „Birth of a Nation“ und etwas mehr verdeckt in „Vom Winde verweht“.

Eine weitere Quelle von Rassismus könnte darin liegen, dass nicht die Handlung, sondern das Verhalten der Menschen in diese Richtung weist. Es ist schon richtig, dass der Hauptdarsteller den Glückspilz-Pechvogel so spielt, dass er dabei etwas dumm wirkt. Wenn Menschen mit dunkler Hautfarbe die Augen rollen oder das Gesicht verziehen, wirkt das grundsätzlich etwas expressiver, aber die übrigen Figuren chargieren sicher nicht mehr als damals in weißen Filmen jener Jahre und der Tollpatsch mit der extremen Mimik war damals auch ein Standard. Dass die heutige Idee, Weiße mehr Quatsch machen zu lassen als Afroamerkaner und andere Minderheiten, weil sich das bei ihnen nicht mit einer Diskriminierung aus rassistischen Gründen verbindet, war damals selbstverständlich noch nicht geboren, deshalb ist eine Art Gleichbehandlung, wie ich sie hier wahrnehme, das Maximum des seinerzeit Möglichen, um Rassismus gerade nicht zu zeigen. Außerdem ist es durchaus ein Spiegel der amerikanischen Gesellschaft, dass sie unabhängig von der Rasse durchtrieben, geldgeil und wenig empathisch dargestellt wird. Letzteres beobachte ich gerade auch bei den Keystone-Komödien mit Charles Chaplin. Ihm ist es aber zu verdanken, dass die US-Komödie schon wenig später auch romantische Züge tragen durfte – und da trennen sich auch die Wege, denn es war den Afroamerkanern im weißen Studiosystem damals in der Regel verwehrt, eigene Wege zu gehen und Figuren mit mehr Tiefe und Facettenreichtum zu entwickeln.

Aber was ist mit dem Film als Film? Die Handlung ist grundsätzlich sehr banal, ein Lehrstück über Materialismus und wie Beziehungen durch Geld und Status bestimmt werden. Nicht, dass das in Europa anders wäre, aber in den USA sprang es wohl auch Alice Guy so ins Auge, dass sie daraus einen Stoff kreierte, der schon wegen seiner Schlichtheit so hintergründig ist. Ich habe schon erwähnt, dass das Thema auch das amerikanische Kino bestimmt und mit der Zeit immer kunstvoller eingekleidet wurde, manchmal sogar verbrämt und sehr oft mit einem Narrativ versehen, das Alice Guy hier schon kontert: Ob man auf einer Ölquelle sitzt, rein zufällig, ob man Gold findet oder eine Geldbörse, ob man etwas daraus macht oder nicht, das hängt zumindest nicht davon ab, ob man sich ehrlich abrackert, um irgendwie am amerikanischen Traum teilzunehmen. Es brodelt auch deshalb in den USA, weil immer mehr Menschen den Eindruck haben, sie sind nicht sehr stark an diesem unermesslichen Reichtum beteiligt, der schon am Beginn des 20. Jahrhunderts den aller anderen Volkswirtschaften übertraf.

Auf jeden Fall ist der Film wegen seiner Sonderstellung als einer der ersten mit rein afroamerikanischer Besetzung. Sehr genau wird stellenweise vermerkt, dass die Frauen etwas hellhäutiger sind, in einem Fall fast weiß. Ob das ein ganz besonderes Statement zugunsten der damals verbotenen Mischbeziehung oder zumindest Mischehe war, könnte man nur nachvollziehen, wenn Alice Guy selbst sich in diesem Sinne geäußert hätte, in den Film hineininterpretieren sollte man es vorsichtshalber nicht, denn dieses positive Ansinnen stünde ohne Beleg auf noch wackligeren Füßen wie die negative Zuschreibung von Rassismus gegen Afroamerikaner.

62/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Alice Guy-Blaché
Drehbuch Alice Guy-Blaché
Produktion Solax Film Company, 2 eleven music film
Musik Hisato Tsuji
Mit James Russell (Sam), N.N. (Lindy)
Land USA 
Jahr  1912
Herkunft ZDF

[1] Ein Narr und sein Geld (Film von 1912) – Wikipedia

[2] Female Comedies – Freche Mädchen, komische Frauen – Der Dummkopf und das Geld (A Fool and His Money) – Film in voller Länge | ARTE

[3]

[4] Ein Narr und sein Geld – Raft Magazine

[5] Ein Dummkopf und sein Geld (1912) – Ein Dummkopf und sein Geld (1912) – User Reviews – IMDb


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