Klima-Abgabe für Milliardäre? (Umfrage + Kommentar: kleine Lösung ohne Zweckbindung)

Briefing Economy Wirtschaft, Klimageld, Klimagerechtigkeit, Vermögensteuer,  Superreiche, Milliardäre

Heute gibt es eine Umfrage fürs Herz und den Verstand gleichermaßen, die wir empfehlen:

Civey-Umfrage: Sollten Milliardäre Ihrer Meinung nach jährlich zwei Prozent ihres Vermögens in Form einer Steuer für Klimaschutzprojekte an den Staat abtreten müssen?

Begleittext von Civey

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) spricht sich für eine weltweite Steuer für sehr reiche Personen aus, die für den Klimaschutz genutzt werden soll. In der ARD-Sendung „Mitreden! Deutschland diskutiert“ verwies sie dabei auf eine Idee der brasilianischen Regierung, die eine Pflichtabgabe von zwei Prozent auf das Vermögen der rund 3.000 Milliardäre vorgeschlagen hatte. Insgesamt könnten so jährlich 250 Milliarden Euro zustande kommen. Diese Idee würde auch in Frankreich, Spanien und Südafrika unterstützt. 

Im Oktober forderten 22 Sozial- und Umweltverbände eine höhere Besteuerung von Milliardären in einem offenen Brief. Das Bündnis erklärt in einem offenen Brief mit dem Titel „Die Zeit ist reif: Superreiche gerecht besteuern“, dass damit der Klimawandel und die Armut bekämpft werden könnten. Die Verbände kritisieren, dass die Armut in Deutschland „auf einem inakzeptabel hohen Niveau“ verbleibe und die öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge zunehmend verfalle. Laut Manager Magazin gebe es aktuell 249 Milliardäre in Deutschland, die über ein Vermögen von 1,1 Billionen Euro verfügen. Weil Superreiche durch ihr Verhalten „extrem viele Treibhausgase verursachen, stehen sie besonders in der Verantwortung, zur Bewältigung der Klimakrise finanziell stärker beizutragen“, heißt es weiter in dem Appell. 

Die FDP lehnt Steuererhöhungen ab. FDP-Chef Christian Lindner warnte bei Table.Briefings vor wirtschaftlichen Kollateralschäden wie Kapitalflucht. Für den FDP-Fraktionsvize Johannes Vogel ist die Ausweitung des EU-Emissionshandels auf alle Sektoren das effektivste Mittel, um die Klimaziele zu erreichen, schrieb er in einem Beitrag auf der FDP-Partei-Webseite. Zentrale Elemente wären eine klare Obergrenze der maximal erlaubten Emissionen und ein CO₂-Preis, der sich am Markt bilde, ergänzt FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. Die Einnahmen sollten dann gleichmäßig an die Bevölkerung zurückgezahlt werden. So gelänge laut Köhler ein kostengünstiger und sozialverträglicher Klimaschutz.

Kommentar

Na, wie haben Sie abgestimmt? Dann haben Sie ja gesehen, wie die Mehrheit denkt. Sie hat endlich den Klassenkampf verstanden. Schön wär’s.

Es klingt so logisch, aber der Grund für diese Art von Steuer ist austauschbar. Heute ist es das Klima, morgen das Militär, übermorgen die Infrastruktur. Man sollte eine Vermögensteuer einführen, ohne sie zu begründen, sondern einfach deshalb, weil die gigantische Ungleichheit immer noch weiter anwächst, weil sie die Demokratie gefährdet, weil das ungerecht ist. Das sind auch Begründungen, selbstverständlich, aber auf einer anderen Ebene. Wer zum Beispiel mit dem Klimaschutz nicht viel am Hut hat, der wird die oben gegebene Begründung ablehnen, obwohl sie sachlich so richtig ist wie jede andere. Die Infrastruktur kommt allen zugute, die Verteidigung verteidigt alle, auch die Reichen. Gerade diese, sie profitieren außerdem von den Ausgaben dafür.

Wenn es nach uns ginge, dürften Vermögen wie die von Elon Musk, mit denen man sich in die Politik einkaufen und noch mehr Unheil anrichten kann als bisher, gar nicht erst entstehen. Wenn sie auf Gebieten entstehen, die mit der Daseinsvorsorge vieler Menschen zu tun haben, etwas im Immobilienbereich, müsste rigoros enteignet werden. In einem bestimmten Umfang haben sich dafür auch die Berliner:innen mehrheitlich ausgesprochen, in einem Volksentscheid des Jahres 2021.

Trotzdem ist eine Vermögensteuer per se keine schlechte Idee, es ist auch nicht neu, dass wir diese Ansicht vertreten. Mehr wird wohl ohnehin nicht drin sein, in einer Welt, in der die Kapitalinteressen die Politik dominieren. Bei den Angaben zu den Unterstützerländern sind unsere Augenbrauen ein Stück aufwärts gerückt. Frankreich? Wo ein gewisser Emmanuel Macron erst mit seiner äußerst reichenfreundlichen Steuerpolitik dafür gesorgt hat, dass der Franzose Bernard Arnault zu den Reichsten der Welt aufrücken konnte, zeitweise sogar die Nummer eins war? Aber klar, wenn man eigene Steuervermeidungsterritorien betreibt, muss man sich über die von der FDP angesprochene Kapitalflucht keine Sorgen machen.

Und damit mal wieder zur FDP. Glauben Sie diesen Leuten bitte nichts, wenn es um Gerechtigkeit geht. Die Ampel hat es versaubeutelt, das Klimageld, das als Rückgabe der CO2-Bepreisungseinnahmen gedacht war, auf den Weg zu bringen. Und raten Sie mal, wer daran schuld ist. Die FDP, die glatt behauptet hat, das wäre zu bürokratisch. Jetzt ist die Ampel, in der wenigstens zwei Parteien grundsätzlich zu dieser Form von Gerechtigkeit bereit waren, futsch. Wir können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass Friedrich Merz die Bürger:innen auf diese gerechte Weise entlasten wird, die wenig CO₂ verbrauchen. Dass die Grünen und die SPD sich mal wieder von der FDP haben vorführen lassen, hat eine andere Form von Gerechtigkeit geschaffen: Das gerechte Aus einer Ampel, die eine Fehlkonstruktion war, weil diese rigide Kapitalistenschleuder FDP dabei mittun durfte.

Nachdem man frühere Chancen für Mitte-Links-Regierungen liegen gelassen hat, ist Gerechtigkeit sowieso ganz hinten auf der Agenda gelandet. 2021 war es nur durch die Ampelkonstellation möglich, ohne die Union eine Regierungsmehrheit zustande zu bringen, und mit der CDU/CSU hätte es das Klimageld nicht einmal in einen Koalitionsvertrag geschafft. Das Ergebnis ist trotzdem: Fauler Zauber, die Argumente der FDP, selbst dann, wenn man den angeblich marktwirtschaftlichen Ansatz lieber nicht näher betrachtet, nicht in die Argumentation einsteigt, warum dieser Ansatz gar nicht marktwirtschaftlich ist, und vieles, was die FDP vertritt, bloß eine Verzerrung der Märkte prämiert.

Wir erinnern gerne wieder daran, dass in besseren Zeiten die CDU/FDP-Regierung noch eine Vermögensteuer hat erheben lassen. Nur war 1995 das BVerfG der Ansicht, dass Immobilien mit ihren Einheitswerten nicht gerecht besteuert werden und hat die Regierung dazu gezwungen, die Vermögensteuer auszusetzen. Die Idee dahinter war aber nicht, dass es gar keine mehr geben sollte, sondern, im Gegenteil, dass bestimmte Anlageklassen nicht hoch genug besteuert werden und dafür neue, sachgerechte Bewertungsgrundsätze erarbeitet werden müssen. So kann man in neoliberalen Zeiten die Rechtsprechung korrumpieren, indem man sie nutzt, um ihren Zweck ins Gegenteil zu verkehren. Mittlerweile ist das BVerfG selbst so neoliberal geworden, dass man es als Waffe gegen soziale Gerechtigkeit verwenden kann, ohne dass man gute Absichten in schlechte verkehrt, weil die schlechten bereits in der Rechtsprechungstendenz enthalten sind, z. B. in Sachen Mieter:innenschutz, siehe Mietendeckel Berlin.

Das Kapitalfluchtthema ist immer schon angeführt worden, hat aber, als Deutschland noch lukrativ und nicht durch neoliberale Politik so herunter geritten war, nicht wirklich gegriffen. Auch ohne Vemrögensteuer fliehen die Abzocker bekanntlich in die Schweiz, nach Monaco, verbuddeln ihr Geld in Luxemburg, Liechtenstein, auf den britischen Cayman-Inseln und wo sonst noch. Unternehmen, die auch so drauf sind, gehen nach Irland, in die Niederlande usw., die sich alle auf Kosten der anderen mästen, indem sie mit niedrigsten Steuersätzen locken. Alles nicht neu, alles darauf angelegt, die Handlungsfähigkeit von Staaten zu zerstören. Alles, obwohl es in Deutschland keine Vermögensteuer mehr gibt, also kein Grund, sie nicht wieder einzuführen.  Das Immobilienkapital, das sich hier dank der Niedrigzinspolitik der letzten Jahre vervielfacht hat, kann übrigens nicht fliehen, denn es ist immobil.

Wenn sich alle wichtigen Länder darauf einigen könnten, wäre es auch nicht so leicht, zu fliehen. Aber die Dinge werden auch immer so schön simplifiziert: Was ist zum Beispiel mit Ländern wie Großbritannien, die serienweise Steueroasen betreiben? Wie will man diese auf friedlichem Weg von ihrem Geschäftsmodell abbringen? Möglich wäre das durch Sanktionen, die tatsächlich wirksam sind, aber dann müsste man erst einmal etwas die Theorie der Sanktionen als Instrument der Geo- und Wirtschaftspolitik lernen und dann schauen, dass es auch in der Praxis funktioniert. Wie es nicht geht, weil man auf mehreren Ebenen gravierende Fehler gemacht hat, sieht man an den Russland-Sanktionen. Bei Trial-and-Error kommt tatsächlich meistens Error heraus, bei derlei komplexen Zusammenhängen.

Wir haben natürlich mit der Mehrheit von gegenwärtig 56 Prozent gestimmt. Die Vermögensteuer nach dem vorgeschlagenen Modell ist keine neue Idee. Früher war es in Deutschland selbstverständlich, dass die Reichen mal etwas von ihren Übergewinnen abgeben müssen. Interessanterweise hat das Land damals viel besser dagestanden als jetzt. Das gilt übrigens auch für die USA: Richtig Power ohne Schulden hatte das Land, als die Reichen auch noch ein wenig an Gemeinschaftsaufgaben beteiligt wurden. Das ist viele Jahrzehnte her.

TH

 

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