The Squaw Man (USA 1914) #Filmfest 1209

Filmfest 1209 Cinema

The Squaw Man ist ein im Winter 1913/14 produzierter, US-amerikanischer Stummfilm von Cecil B. DeMille und Oscar Apfel mit Dustin Farnum in der Titelrolle. Der Streifen, der als der erste „Großwestern“ der Filmgeschichte gilt, „war überaus erfolgreich und legte den Grundstein einer selbst für Hollywood-Verhältnisse ungewöhnlichen Karriere“.[1]/[1]

Dass der Film im Winter entstand, merkt man deutlich, die Aufnahmen im erkennbar echten Schnee sind beeindruckend und werden auch dramaturgisch konsequent in die Handlung eingebunden. Mit der Karriere ist nicht die von Dustin Farnum gemein oder von Oscar Apfel, sondern natürlich der Werdegang von Cecil B. DeMille, der sich zu einem der wichtigsten Regisseure Hollywoods und vor allem zum Spezialisten für Großprojekte und Epen entwickeln sollte. Bei ihm kann man in manchen Belangen auch heutige Maßstäbe anlegen, was wir bisher im Laufe der „3. US-Filmchronologie, von Beginn an, ein Film pro Jahr“ nicht getan, sondern die Pionierleistungen herausgestellt haben.

Handlung (1)

James Wynnegate und sein hochadeliger Vetter Sir Henry, der Earl of Kerhill, sind englische Aristokraten, die eine großzügige Stiftung für Kriegswaisen auf die Beine gestellt haben. Henry ist glücksspielsüchtig und hat heimlich Geld veruntreut, um seine Pferdewett-Schulden zu begleichen. Als Wynnegate seinen Vetter bei seiner Missetat ertappt, nimmt er die Schuld auf sich, als die Veruntreuung herauskommt. Wynnegate ist in Henrys Frau Diana verliebt. Die Polizei an den Fersen, flieht Wynnegate von England nach New York und anschließend weiter nach Wyoming, wo er eine kleine Ranch kauft und bald mit Cash Hawkins, dem ortsansässigen Raufbold, aneinandergerät. Es kommt zu einer Schießerei, bei der der Schurke Cash Hawkins stirbt. Niemand weiß, wer den entscheidenden Schuss abgefeuert hat. Eine junge Indianerin namens Nat-U-Ritch gesteht Wynnegate, dass sie es war, die Cash Hawkins getötet hat. Er empfiehlt dem Indianermädchen, darüber Stillschweigen zu bewahren.

In der amerikanischen Fremde gerät der Brite von einem Abenteuer ins Nächste. In den Bergen wird Wynnegate schneeblind und stolpert in einige giftige Heißquellen. Und wieder ist es Nat-U-Ritch, die James das Leben rettet. Sie folgt ihm auf Schritt und Tritt und bringt ihn in Sicherheit. Während die Häuptlingstochter ihn wieder gesund pflegt, verlieben sich der Weiße und die Squaw, werden ein Paar, und James avanciert schließlich zum titelgebenden Squaw Man. Als Wynnegate sieht, wie sie winzige Mokassins herstellt, erkennt er, dass seine Indianerin offensichtlich schwanger von ihm geworden ist.[2]

Rezension und Information

Den Namen des Films kannte ich schon, als ich gerade anfing, mit mit dem Medium zu befassen. Jahrzehnte später habe ich ihn nun gesehen und gelernt, dass der amerikanische Film mit ihm nicht begann, aber dass er ein wichtiger Schritt auf dem Weg seiner Formung war. Er war der erste Western in Spielfilmlänge, der in Hollywood gedreht wurde, das gilt auch heute noch als gesichert. Mit ihm wurde auch die Filmfirma Lasky gegründet, woran Cecil B. DeMille beteiligt war und die später Paramount wurde, das zweitgrößte Studio der Traumfabrik nach MGM und das nach Metamorphosen heute noch existiert.

Hätte ich nicht aus dem Jahr zuvor „Traffic in Souls“ ausgesucht, der wiederum Universal nach vorne gebracht hat, könnte ich bedenkenlos schreiben, dass „The Squaw Man“ der bisher spektakulärste Film ist, den ich im Rahmen des dritten US-Kinozeitlaufs rezensiere, aber der außerdem 15 Minuten längere Film aus dem Vorjahr ist ihm mindestens ebenbürtig, wenn auch in einem anderen Genre angesiedelt. Da „The Squaw Man“ der erste echte Western mit „Indianern“, Cowboys, einem Sheriff und all diesen wichtigen Standards ist, ist es natürlich auch der mit dem meisten Unterhaltungswert, und natürlich das Regiedebüt von Cecil B. DeMille.

Er gehört zu jenen Regisseuren, die mich auf eine Spur bringen. Nämlich, warum ich das amerikanische Kino manchmal sehr stringent, sehr logisch, psychologisch herausragend finde – vor allem nämlich, wenn die Filme von Emigranten aus Europa inszeniert wurden. Und mich manchmal frage, wer sich das wohl ausgedacht hat. Das gilt auch für einige wirkliche Größen und ihre Werke. Bei Cecil B. DeMille bin ich bisher zwiegespalten. Es kommt ja nicht nur auf den Regisseur, sondern auch auch darauf an, wer das Drehbuch schreibt. Ich mag Filme von ihm wie „Reap The Wild Wind“, andere hingegen nicht, obwohl sie sehr erfolgreich waren, wie „Die Zehn Gebote“, den ich im Grunde furchtbar finde und dessen Oscars mich wenig von dieser Meinung abbringen können. In jenen Jahren hat sich die Academy of Motion Pictures häufig bei der Oscarvergabe vergriffen.

1914 gab es noch keine Oscars, sie wurden 1928 eingeführt und es dauert bis 1953, bis DeMille endlich einen als Regisseur gewann (für „Die größte Schau der Welt“). De Mille ist eindeutig ein Filmer der zweiten, nicht der ersten Generation, auf seiner Werkliste stehen „nur“ 81 Filme, während die Pioniere oft auf mehrere hundert Streifen kamen, sowohl diejenigen vor wie diejenigen hinter der Kamera. DeMille machte von Beginn an Langspielfilme, das ist der Hauptunterschied, während zuvor meist schnelle, kurze Produktionen gedreht wurde. Und DeMilles Langspielfilme sind bekannt als besonders lang und aufwendig, mehr als zwei oder drei Arbeiten pro Jahr waren in diesem Format nicht zu realisieren.

DeMille verstand es instinktiv, die Wünsche des Publikums zu wecken und auch zu befriedigen. Seine Filme waren meist Extravaganzen, die den Begriff des „Popcorn-Kinos“ vorwegnahmen. Die Kritiker bemängelten regelmäßig die teilweise absurde Interpretation der Geschichte in seinen Epen, doch gleichzeitig zollten sie Respekt für die technisch innovativen Entwicklungen und tricktechnischen Erfindungen. Robert S. Sennett bemerkt zudem, dass DeMille einer der ersten Regisseure gewesen sei, „der entdeckte, wie wichtig es ist, sich ein Image zu schaffen. Es gelang ihm, seinen Namen und sein bestimmendes Wesen zum Markenzeichen zu stilisieren.“[1]/[3]

Ich habe die obige Anmerkung vorangestellt, weil ich mich über das Ende der Handlung von „The Squaw Man“ geärgert habe. Es ist ziemlich abrupt, dieses aus der Handlung sehr abrupt aussteigen kenne ich mittlerweile von den Kurzfilmen, die ich bisher im Rahmen der 3. Chronologie beschrieben habe und auch von Chaplins frühen Werken, die schon in der direkt nachfolgenden Rezension als Werkschau starten werden, weil Chaplin 1914 mit dem Filmen begann.

Aber nicht das ziemlich knappe und plötzliche Ende fand ich nicht besonders angenehm oder schick gemacht, auch weil es in Relation zu der ansonsten gut ausgeformten Handlung unterentwickelt ist, vor allem aber die inhaltliche Wendung. Damit der „Squaw Man“ mit seiner eigentlichen Liebe, wie es in dem Teil der Handlungsbeschreibung heißt, den wir in eine Fußnote gepackt haben, wieder anbandeln kann, muss das arme Indianermädchen sterben, das ihn so aufopferungsvoll geliebt hat und mit der er einen kleinen „Halbindianer“ gezeugt hat. Nach Hollywood-Maßstäben der allerersten Zeit vielleicht sogar ein Happy-End. Jedenfalls muss DeMille, wenn er so ein Publikumsversteher war, der Ansicht gewesen sein, das mag angehen, war ja nur eine Squaw, kein weißes Mädchen, das hier ausgelöscht werden muss, um dem eigentlichen natürlichen Lauf der Dinge seinen Weg zu ebnen. Natürlich stirbt vorher auch der Ehemann von Diana, sonst wären ja nicht beide frei.

Bei frühen Filmen wirkt dieses Spekulative besonders drastisch, weil sie noch nicht diesen Zuckerguss späterer Hollywoodstreifen haben, bei denen man genau hinschauen muss, um zu bemerken, wie der Zuschauer in eine sehr konservative Richtung manipuliert wird. Dabei ist die Story an sich das Gegenteil, und da kommt eine Eigenschaft von DeMille zum Tragen, die heißt, es darf auch spekulativ sein. Wo mich die KI allerdings auf Nachfrage in die Irre geführt hatte: Es war sehr wohl erlaubt, dass Native Americans und Weiße einander ehelichten, anders als bei Afroamerikanern und Weißen. Trotzdem hier der betreffende Absatz. Manches muss man eben doch mehrfach checken, auch wenn speziell diese KI dafür bekannt ist, Quellen nicht nur auszuwerten, sondern regelrecht auszubeuten, sich also einen breitgefächerten Zutritt zu Informationen  zu verschaffen. Wegen des Dokumentarischen in Anführungszeichen, außerdem ist das Thema auf jeden Fall wichtig, gleich, was bei einer solchen Recherche herauskommt:

Lange Zeit durften in den USA keine „Mischehen“ geschlossen werden. Ist daher die Darstellung in „The Squaw Man“, der sogar im Titel trägt, dass ein Weißer eine Indianerin geheiratet hat, für die Verhältnisse der Zeit (der Film entstand 1914) realistisch?

 Die Darstellung einer Ehe zwischen einem weißen Mann und einer indigenen Frau in „The Squaw Man“ von 1914 ist für die damalige Zeit nicht realistisch, da solche Verbindungen in vielen US-Bundesstaaten illegal waren.

Mischehenverbote existierten in den USA seit dem 17. Jahrhundert. Maryland führte 1664 als erste amerikanische Kolonie ein solches Verbot ein[1]. Diese Gesetze wurden im Laufe der Zeit in vielen Bundesstaaten auf verschiedene ethnische Gruppen ausgeweitet. In Kalifornien beispielsweise wurde das Mischehenverbot 1880 auf Ostasiaten und 1909 auf Japaner ausgedehnt[1].

Erst 1948 hob der California Supreme Court als erstes amerikanisches Gericht ein Mischehenverbot auf[1]. Auf Bundesebene wurden Mischehenverbote erst 1967 durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Fall „Loving v. Virginia“ für verfassungswidrig erklärt[4][7].

Die Darstellung in „The Squaw Man“ von 1914 war daher eher eine fiktionale Erzählung als eine realistische Abbildung der damaligen rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Film spiegelt möglicherweise eher romantisierte Vorstellungen über den „Wilden Westen“ wider, als die tatsächliche rechtliche Situation zu dieser Zeit./[4]

Rezension Teil 2

Selbstverständlich ist dies ein fiktionaler Film und Idealisierungen im Sinne des späteren Westernmythos zeigt „The Squaw Man“ eher nicht, vor allem keine charakterlichen Überhöhungen, wie auch DeMille sie in späteren Werken verwenden wird.

Außerdem gab es noch keine zentralisierte Zensur mit starken Einschränkungen dessen, was zu zeigen ist. Es war aber wohl eher dem Zeitgeist als einem dezidierten Verbot geschildert, dass Verbindungen zwischen Natives und Weißen nach 1934, als der Hays Code in Kraft trat, nicht mehr auf der Leinwand zu sehen waren. Denn schon, als er noch galt, in den 1950ern, haben Filmemacher und Stars wieder an diesem Thema progressiv und auch symbolisch gearbeitet, wie etwa Burt Lancaster und Kirk Douglas. Dazwischen war das aber zumindest für Hauptakteure eines Films nicht möglich und das Thema „Schwarz und Weiß“ wurde mit noch spitzeren Fingern angefasst. [5]

Trotzdem lässt sich ein Umgang mit den Native Americans herausschälen, der über die Entstehungszeit des Films hinausweist und der damals gar nicht untypisch war: Sie werden differenziert, mit eigenen Persönlichkeiten, eher positiv dargestellt, das gilt hier nicht nur für Natu-U-Ritch. Gewalt geht in diesem Film deutlich von den ungehobelten Weißen aus, und vor allem ist da eine soziale Note drin: Nat-U-Ritch muss fliehen, obwohl wie mit ihrer Tötungshandlung den ungeschützten späteren „Squaw Man“ vor dem Tod gerettet hat, als dieser sich mit dem rüden Macker des Orts anlegte oder jener sich mit ihm. Sie hat also Nothilfe für einen in diesem Moment nicht zur eigenen Verteidigung fähigen Menschen geleistet. Es wirkt, als ob man sich lieber zusammen in die Einöde begibt, als den Autoritäten vor Ort zu vertrauen.

Auch später wirkt der Sheriff nicht gerade empathisch, als er die beiden auf ihrer Farm aufspürt. Wieso das jahrelang dauert, obwohl man nicht sagen kann, die beiden verstecken sich, sie beschäftigen ja Arbeiter und nehmen sicher in geschäftlicher Form am Leben in der Umgebung teil, ist vielleicht schon ein frühes DeMille-Logikproblem, auch sonst wirkt manches etwas an den Haaren herbeigezogen, wie das erste Auftauchen der Europäer vor Ort, die nach dem abgängigen Mann suchen, der die Schuld einer Veruntreuung für einen anderen auf sich genommen hat, dabei ging es um einen Fonds für Kriegerwitwen; daraus Geld zu stehlen, ist natürlich besonders verwerflich.

Auf moviessilently.com heißt es: „Die Schauspielerei ist ziemlich typisch für das Jahr 1914, immer noch sehr theaterhaft und voll großer Gesten. Farnum besitzt eine sympathische, maskuline Präsenz auf der Leinwand, und Red Wing [Pseudonym von Nat-u-Ritch] eine entwaffnende Aufrichtigkeit, aber Winifred Kingston ist einfach furchtbar und ihr überdimensionaler Haarbogen ist lächerlich. Der Rest der Besetzung rangiert zwischen anstößig (Joseph Singleton als betrunkener Vater von Red Wing) und Schmierenschauspielerei.“[3]

Hans J. Wollstein schreibt bei AllMovie: “Das vollständige 6-Akte-Melodram ist der erste abendfüllende Western, der komplett in Hollywood abgedreht wurde. Das Ergebnis ist schrecklich blöd aber eine typisch viktorianische Romanze eines englischen Adeligen (Dustin Farnum), der fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt wurde, das von seinem Bruder begangen wurde.”[4]

„Farnum überzeugte als männlicher, muskulöser Held in diesem Film wie in den nachfolgenden.“ – Kay WenigerDas große Personenlexikon des Films[2]

Ich habe diese beiden Kritiken erst an der Stelle gelesen, an der sie nun in unserer Rezension erscheinen. Ich kann verstehen, dass jemand den Film, vor allem vom Ende her gesehen, blöd findet. Auch die IMDb-Nutzer:innen sind nur mäßig begeistert (5,7/10). Überhaupt fällt auf, dass von Cecil B. DeMilles Filmen heutzutage kaum noch einer 7/10 erreicht; ausgerechnet der von mir nicht sehr geschätzte „Die Zehn Gebote“ (die 1956er Version) steht aber ganz vorne im DeMille-Spektrum, gemäß Bewertung der Nutzer:innen der größten Filmdatenbank der Welt, mit 7,9/10. Der Native American, der immer zur Stelle ist, um Nat-U-Rich und ihren Mann zu warnen, ist also der Vater des Mädchens, schau an. Das war mir nach der Sichtung nicht klar. Anfangs ist er wirklich einmal betrunken, das ist ein Klischee, aber im Verlauf auf seine etwas seltsame Art auch hilfreich und listig.

Die Beschreibung der Schauspielkunst in der ersten Kritik stützt sich auch auf die Optik. Das war mir nicht so wichtig, weil ich schon alle möglichen seltsamen Kleidungs- und Frisurenbegebenheiten im Rahmen des Wandelns durch die filmische Frühzeit gesehen habe, obwohl sie für die damalige Zeit vielleicht sogar gängig waren. Ich meine trotzdem, man erlaubt sich da im Film auch ein paar Abweichungen und Extravaganzen. Mir fiel also nichts besonders Schlimmes auf, auch, weil ich mich  mittlerweile an den gestenreichen Stil den frühen Stummfilmen gewöhnt habe. Oder besser: Ich war schon durch die Sichtung der frühen Chaplin-Filme darauf vorbereitet, als wir mit der dritten US-Chronologie („von Beginn an, ein Jahr, ein Film“) starteten. Weiter oben hatte ich ursprünglich geschrieben, dass Nat-U-Ritch, wie damals üblich, von einer Weißen gespielt wurde, aber das stimmt nicht, der Name „Lilian St. Cyr“ wirkt nur so:

Der nicht-indianische Schauspieler Joseph Singleton spielte die Rolle von Tabywana, dem Vater von Nat-U-Ritch. Lillian St. Cyr vom Winnebago-Stamm in Nebraska wurde für die Rolle von Nat-U-Ritch, einem Mitglied des Ute-Stammes, gecastet. Sie ist auch als „Prinzessin Redwing“ bekannt. St. Cyr und ihr Ehemann James Young Deer (von den Nanticoke in Delaware)[7] gelten als eines der ersten „indianischen Power-Paare“ in Hollywood, zusammen mit Mona Darkfeather und ihrem Ehemann, dem Regisseur Frank E. Montgomery[8] DeMille hatte sich für Lillian St. Cyr entschieden, aber seine erste Wahl war Darkfeather gewesen, die nicht zur Verfügung stand. [5]

In der frühen Stummfilmära waren Filme, die auf amerikanischen Ureinwohnern basieren, beliebt. Das zentrale Thema dieses Films war die Rassenmischung. Im Bundesstaat Kalifornien gab es bis 1948 Gesetze gegen Rassenmischung; Während Afroamerikaner in Kalifornien während der Dreharbeiten keine Weißen heiraten durften, waren Ehen zwischen amerikanischen Ureinwohnern und Weißen erlaubt. Obwohl es indianische Schauspieler gab, wurden die meisten Weißen als indianische Charaktere besetzt. [9]/[6]

Wir bleiben also insofern im Rennen, als wir schon darauf hingewiesen haben, dass „indianische“ Themen vor der Mythologisierung des Western als einem weißen Narrativ für alle Stärken der USA sehr „in“ waren und dass indiansiche Charaktere jahrzehntelang von Weißen gespielt wurden, aber bezüglich der Rassentrennung hat uns die KI schlicht in die Irre geführt. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier eine „Mischehe“ gezeigt wird, hätte mich eigentlich darauf hinweisen müssen, dass nicht dieselbe Handhabe wie zwischen Weißen und Afroamerikanern gegolten haben dürfte.

In den frühen 1910er Jahren trugen Young Deer und Lillian St. Cyr dazu bei, die Art und Weise, wie die Charaktere der amerikanischen Ureinwohner dargestellt wurden, zu verändern. Die Charaktere, die sie erschufen, waren auf komplexe Weise sympathisch, obwohl auch andere Studios wie die Kalem Company versuchten, die Ureinwohner im Film genau darzustellen. [9] Andere Wissenschaftler argumentieren jedoch, dass Stummfilme, die sich mit den amerikanischen Ureinwohnern beschäftigen, die vorherrschende Wahrnehmung der Ureinwohner selbst in keiner Weise verändert haben. Viele Filme zeigten die Erfahrungen der amerikanischen Ureinwohner aus vielen verschiedenen Perspektiven und betrafen in dieser Zeit indianische Autoren, Filmemacher und Schauspieler.

Ob sich das verfestigen wird, weiß ich nicht, aber mein Eindruck ist, dass die Darstellung von Native Americans oder Angehörigen der First Nation im ganz frühen Kino möglicherweise viel präziser und auch positiver war als später im Tonfilm, als Serials sehr einfache Muster ans Publikum vermittelten und dann auch noch die zunehmende Rechtstendenz in den 1940ern und 1950ern hinzukam, die schlicht überging, dass die Weißen die Landnehmer waren, wenn die „Indianer“ vor allem als grausame Organisatoren von Treck-Überfällen entmenschlicht wurden, die friedliche Siedler niedermetzeln wollten. Falls uns dabei ein ähnlicher Vorgang aus heutigen Tagen in den Sinn kommt, wo eine materiell überlegene Klasse von Siedlern die Eingeborenen verdrängt, dann ist das kein Zufall, sondern liegt im menschlichen Wesen und seiner Ungerechtigkeit begründet, aber natürlich gehen wir an dieser Stelle nicht näher drauf ein, wie Hollywoods Filme einen nie endenden Rassismus in verschiedenen Zeiten mal mehr, mal weniger spiegelten. Beim einzigen Film von D. W. Griffith, über den wir bisher geschrieben haben (es war, wie  hier bei DeMille, dessen Regiedebüt aus dem Jahr 1908, „Die Abenteuer von Dottie“, mussten wir uns leider diesem Thema auch widmen.

Finale

Diesen Film mussten wir als Beispiel für das Schaffen der US-Filmindustrie im Jahr 1914 als ersten besprechen, denn der Drehort und die Beteiligten waren wichtig für die Gründung der Hollywood-Industrie, und natürlich ist er als erster Hollywood-Langwestern und vielleicht einer der ersten Langspielfilme überhaupt, die in Hollywood (nicht an der Ostküste, wo die junge Filmindustrie zuvor angesiedelt war) gedreht wurden, wieder ein „first“, und darauf legen wir ja, wenn es um die Pionierjahre geht, einigen Wert. Der Film selbst hingegen war im Jahr 1914 schon 25 Jahre alt, das Kino nach heutigen Maßstäben mit einem Alter von mindestens 18 Jahren volljährig. Was, wie im richtigen Leben, nicht unbedingt heißt, dass es schon erwachsen war.

Der Film zeigt Klischees, eine veraltete Herleitung der eigentlichen Handlung, ein wenig überzeugendes Ende, Schauspielleistungen im Stil der Zeit – aber er ist neben den „Firsts“ auch wichtig, weil er zeigt, dass es nicht nur die Klischees gab, sondern auch Menschen, die versuchten, ihnen in Filmen wie diesem entgegenzuwirken und den marginalisierten Angehörigen der First Nation ein Gesicht und eine Persönlichkeit zu geben. Deswegen gehen wir trotz aller Schwächen des Werks etwas höher als die IMDb-Nutzer:

63/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie
Drehbuch Beulah Marie Dix
Produktion Jesse L. Lasky
Musik H. Scott Salinas
Kamera Alfred Gandolfi
Schnitt Mamie Wagner
Besetzung

[1] The Squaw Man (1914) – Wikipedia

[2] The Squaw Man (1914) – Wikipedia, weitere Handlung: Einige Jahre ziehen ins Land. Henry ist in der Zwischenzeit bei einer Wanderung durch die Alpen in die Tiefe gestürzt und gesteht, im Sterben liegend, seine einstige Missetat, die James damals auf sich genommen und zur anschließenden Flucht veranlasst hatte. Nun gibt es für James keinen Grund mehr, bei den „Barbaren“ auf der anderen Seite des Atlantiks zu versauern, findet die vornehme Witwe, Lady Diana. Sie macht sich auf nach Amerika und sucht und findet Captain James Wynnegate. Sie und ihre mitgereisten Freunde überzeugen ihn, seinen Sohn mit nach England nehmen zu lassen, um ihm dort eine „zivilisierte“ Erziehung zukommen zu lassen. In der Zwischenzeit hat der Sheriff des Ortes in Nat-U-Ritchs und James’ Heim diejenige Waffe gefunden, mit der Cash einst erschossen wurde. Nat-U-Ritch fürchtet, ihr Kind zu verlieren und zugleich für den gewaltsamen Tod Cash Hawkins verantwortlich gemacht zu werden. Daraufhin bringt sie sich um. Nun ist James, der mit dem Häuptling um die tote Squaw trauert, frei für seine eigentlich große Liebe Diana.

[3] Cecil B. DeMille – Wikipedia

[4] Referenzen zur Recherche „Mischehe“:

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Chronologie_der_Rassengesetze_der_Vereinigten_Staaten

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/The_Squaw_Man_(1914_film)

[3] https://dokumen.pub/der-pakt-hollywoods-geschfte-mit-hitler-3806233713-9783806233711.html

[4] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/266269/zur-geschichte-von-black-america/

[5] https://www.imdb.com/title/tt0004635/

[6] https://services.phaidra.univie.ac.at/api/object/o:1250655/get

[7] https://www.derstandard.at/story/3328067/symbolfigur-des-kampfes-gegen-rassentrennung-gestorben

[8] https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7f/The_Squaw_Man_adv.jpg?sa=X&ved=2ahUKEwjS3OadkL-KAxXtEmIAHe6yCL0Q_B16BAgDEAI

[9] https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/5353/file/LoewDirk.pdf

[5] Dazu im weiteren Verlauf eine korrigierende Anmerkung.

[6] Der Squaw-Mann (Film aus dem Jahr 1914) – Wikipedia


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