Koalition aus Union und FDP im Bund? (Umfrage + Kommentar) #FDP #CDU #CSU #btw25

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Die Politik ist ein Kindergarten. Das Leben geht weiter. Und mit der Politik werden wir leben müssen. Tun wir ja schon lange. Auch mit schwarz-gelben Koalitionen. Das zweite Kabinett Merkel, 2009-2013. Ältere werden sich noch an die lange CDU-FDP-Regierungszeit unter Helmut Kohl erinnern.

Damals kam es nicht so schlimm, wie die Liberalen es gerne gewollt hätten für die Menschen, aber wir sind ja still und heimlich weitergegangen auf dem Weg ins neoliberale Chaos. Die FDP ist in die Ampel eingetreten, um nach vielen besseren Optionen, die aber nach dem Wahlergebnis 2021 nicht mehr möglich waren, die letzte Chance auf eine einigermaßen mittige Politik zu zerstören. Und jetzt soll es mit der CDU weitergehen. Stimmen Sie mit ab?

Koalition aus Union und FDP im Bund?

Civey-Begleittext

Mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen mehren sich die Debatten um mögliche Koalitionen. FDP-Chef Christian Lindner hat bereits kurz nach dem Ampelbruch in der ARD verlauten lassen, dass er davon ausgeht, dass die Union die Wahlen gewinnt und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz der nächste Bundeskanzler werden wird. Dabei warb Lindner für seine Partei als Koalitionspartner einer möglichen CDU-geführten Bundesregierung. Auch in einem solchen Bündnis strebe er wieder das Amt des Bundesfinanzministers an. Derzeit würde es die FDP nicht über die 5-Prozent-Hürde schaffen. Lindner geht aber optimistisch davon aus, zweistellige Ergebnisse bei den Wahlen zu erzielen. 

Letzte Woche bekräftigte Lindner, der sich als FDP-Spitzenkandidat bewerben möchte, seinen Wunsch nach einem Bündnis mit der CDU erneut. Nur eine Mehrheit ohne linke Parteien könne eine wirkliche Richtungsentscheidung vollziehen, argumentierte er bei RTL. Zudem betonte er die „sehr guten Erfahrungen”, die er mit Merz gemacht habe. Dabei verwies er auf das erfolgreiche schwarz-gelbe Regierungsbündnis in ihrer gemeinsamen Heimat Nordrhein-Westfalen. Deutschland brauche einen Neuanfang und das könnte am ehesten durch eine schwarz-gelbe Kooperation gelingen, so Lindner. Eine Schwarz-Rote oder Schwarz-Grüne Koalition wäre nur eine „Ampel-Light”. 

Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU äußerten sich eher skeptisch bezüglich einer Zusammenarbeit mit der FDP. Für CSU-Chef Markus Söder wäre ein CDU-geführtes Bündnis mit der SPD die derzeit einzige Option. Obwohl er Lindner schätze, legte er ihm laut ARD eine Pause nahe, da auch er in der Ampel viele Fehler gemacht habe. Linder regte jüngst bei „Caren Miosga” an, dass Deutschland „mehr Milei oder Musk wagen” sollte. Merz zeigte sich „völlig entsetzt” über diese Aussage, da der argentinische Präsident Javier Milei sein Volk ruiniere und mit Füßen trete. Bereits im November lehnte Merz es ab, der FDP im anstehenden Bundestagswahlkampf Zweitstimmen-Hilfe zu leisten. Bei dem neuen Wahlrecht habe man nichts zu verschenken, sagte er im Stern. Sollte die FDP jedoch sechs oder sieben Prozent erreichen, wäre eine stabile Mehrheit für schwarz-gelb in Reichweite.

Kommentar

Nicht weniger als 129 Artikel des Wahlberliners tragen die FDP in der Überschrift oder als Hashtag hinter der Überschrift, das dürfte ein Rekordwert sein. Bei der Inhaltssuche, die nicht den gesamten Text eines Beitrags, sondern nur die Titelzeile und die Schlagwörter berücksichtigt, kommen wir auf 706 Einträge. Bei den Titeln lässt die Dichte jetzt nach, weil wir zugunsten der besseren Lesbarkeit darauf verzichten, die #-Begriffe direkt in den Titel zu setzen, wir ergänzen sie bei den Postings in den sozialen Netzwerken.

Was wir damit sagen wollen: Wir befassen uns mit der FDP, weil sie unser klassischer politischer Gegner ist, ohne Wenn und Aber. Weil man anhand der FDP so schön erklären kann, warum der immer weitere neoliberale Durchgriff schädlich ist und warum es im weiteren Verlauf einer FDP-Regierungstätigkeit dazu kommen würde, dass das Grundgesetz nur noch eine leere Hülle wäre.

Bezüglich des Lindner-Zitats zu Musk und Milei haben wir uns hier geäußert: „Gas und Öl statt Klimaschutz: Wer Trumps Pläne nach Deutschland bringt“. Weitere jüngere Artikel zur FDP:

FDP wieder in der Bundesregierung? (Umfrage + Kommentar). Damals stand noch nicht fest, dass die Ampel platzen wird und die Bundestagswahl vorzeitig statfinden wird. Union: Wer wäre der beste Koalitionspartner? (Umfrage + Kommentar). Zu FDP-Chef Lindner: Christian Lindner (FDP) als Finanzminister: Gute Entscheidungen? (Umfrage + Kommentar).

Wir halten es durchaus für möglich, dass die FDP es trotz schlechter aktueller Umfragewerte wieder in den nächsten Bundestag schaffen wird. Dass Lindner die Zweistelligkeit anpeilt, ist auch nicht unlogisch, denn er hat sie für die FDP zweimal hintereinander erreicht (2017 und 2021), und es ist schlecht, in eine Wahl mit der Ansage zu gehen, dass es eh nicht lohnt, die Partei zu wählen, für die man kämpft, weil sie keine Ziele mehr hat, mit denen sie Politik gestalten kann. Insofern alles nachvollziehbar. Überrascht hat uns die Einlassung von Friedrich Merz zum argentinischen Präsidenten, wir dachten, die beiden seien doch wesensverwandt bzw. kommen ideologisch aus derselben Ecke. Vielleicht geht es tatsächlich darum, der FDP keine Stimmen zu schenken. Was nach der Wahl passieren wird, ist immer eine andere Sache. Musk hingegen erlaubt sich zu allem eine politische Meinung oder verbreitet entsprechende Nachrichten. Ein Zufallsfund von heute morgen: Elon Musk auf X: „https://t.co/SzmrFjL3cZ“ / X.

Selbst wenn es faktisch stimmt, was dort über die EU ausgesagt wird, Musk ist nicht für das Volk und die Demokratie, sondern für die Herrschaft der Geldaristokratie, deswegen ist die Schürung von Unzufriedenheit und Zwietracht in Europa mit solchen Posts so durchsichtig. Und genau das, was der FDP auch vorschwebt: handlungsunfähige, finanziell ausgeblutete Institutionen, die dem Kapital noch weniger gewachsen sind als bisher, egal ob demokratisch gewählt oder nicht. Die FDP ist, wie wir wissen, auch anfällig für die Zusammenarbeit mit der AfD.

Das intensive Werben der FDP um die Union lässt tatsächlich den Rückschluss zu, dass sie von Beginn an in der Ampel eine vernünftige Politik sabotieren wollte, denn im Grunde kann man nur entweder oder. Entweder mit der Union oder mit der SPD und den Grünen. Andererseits war die Situation nach der Wahl 2021 so, dass als weitere Möglichkeiten nur Jamaika oder eine weitere GroKo unter umgekehrten Vorzeichen möglich gewesen wären. Das eine wollte Kanzler Scholz nicht und auch die Basis der Union wäre davon sicher nicht begeistert gewesen, das andere wollte er verhindern.

Für ältere Menschen hat es noch so einen Klang von Normalität, dass die Union und die FDP zusammen das Land regieren. Sie sind damit teilweise sozialisiert worden, eine ganze Generation wuchs mit Helmut Kohl als Kanzler und Hans-Dietrich Genscher und dann seinen FDP-Nachfolgern als Außenminister auf, zuvor war 13 Jahre lang eine sozialliberale Koalition tätig. Die Ära Merkel hat aber auch gezeigt, dass man die FDP weder braucht, noch dass sie von der Bildfläche verschwindet, wenn sie nicht regiert, sondern dass ihr menschenfeindliches Weltbild immer mit am Tisch sitzt, wenn in Deutschland Politik gemacht wird.

Gleichwohl ist nicht die CDU/CSU, sondern die FDP die am längsten tätige Regierungspartei in Deutschland, dank ihrer Wechselfähigkeit. Ihr Einfluss war nicht immer gleich groß, hat aber ausgereicht, um das Land von einem Beinahe-Vorzeigestaat zu einem in jeder Hinsicht mittelmäßigen und sanierungsbedürftigen Klotz mitten in Europa zu machen, der kaum noch bewegungsfähig ist. Immer das Gegenteil zu behaupten und sich als Partei des Antreibens und des Wandels darzustellen, ist ein Trick, der tatsächlich funktioniert, wenn man sieht, dass vor allem unerfahrene junge Menschen immer wieder darauf hereinfallen, wenn die FDP „Freiheit“ ruft, damit aber nicht die Freiheit der Mehrzahl dieser jungen Menschen, sondern die ungehinderte Macht des Kapitals meint.

Das Ampel-Aus steht für all das sinnbildlich, ebenso wie das vorherige Wirken der FDP in der Ampel. Dass die GroKo-Jahre nicht besser waren, besagt wenig, denn die Positionen der FDP waren ja nicht aus der Welt. Ausgerechnet in einer Zeit, in der sie nicht in der Bundesregierung war, ab 2002 unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder, wurden sie so konsequent umgesetzt wie nie zuvor. Prinzipiell war Schröder ein FDP-Mann, der seiner eigenen Partei eine schwere Zukunftshypothek auferlegt hat, nebenbei wurden auch die Grünen auf gleich mehreren Ebenen entzaubert und haben danach lange gebraucht, um zweistellige Ergebnisse bei Bundestagswahlen zu erzielen, obwohl die Themen der Zeit ihnen schon seit vielen Jahren in die Hände spielen. Oder spielten, bis die Akutkrisen kamen.

Wir können nur mit dem „arbeiten“, was angeboten wird, und es versteht sich von selbst, dass wir nach allen bisherigen Erfahrungen so wählen werden, dass die FDP möglichst nicht wieder mit am Regierungstisch sitzen wird. Wie CDU-Chef Merz (es liest sich so, im letzten Absatz, als ob es zum Merz-Zitat gehört) darauf kommt, es könne eine schwarz-gelbe Koalition, gemeint ist, ohne dritten Partner geben, ist uns nicht klar. Dazu müsste die Union auf über 40 Prozent kommen, denn höher als 6 bis 7 Prozent wird die FDP sicher nicht steigen, in den 80 Tagen bis zur Wahl. Versuchen kann man es ja mal, aber wir gehen von einer neuen GroKo aus, mit einer SPD, die dann hoffentlich in diesem Bündnis so stark wie möglich sein wird. Das noch Schlimmere verhindern, ist dabei die Devise.

Die FDP ist, wenn tatsächlich nur Menschen sie wählen, denen sie konkret nützlich ist, eine Fünf-Prozent-Partei, höhere Ergebnisse sind auf gutes Marketing zurückzuführen,  und das kann Lindner nach wie vor und deswegen darf er auch weitermachen, trotz allem, was gegenwärtig in dieser Partei Unmut hervorruft. Man kann auch sagen, sie haben keinen anderen. Schon Hans-Dietrich Genscher hatte das Potenzial Lindners gesehen. Aber es ist auch wieder typisch für FDP-Politiker, dass er sagte, es sei falsch gewesen, die FDP zu einer Einthemen-Partei zu machen, wie Lindner sie seit seinem Amtsantritt als Vorsitzender repräsentiert. Freilich ist der Begriff „Steuersenkungspartei“  verengt und außerdem falsch, wenn es um die Mehrheit der Steuerzahler:innen geht, wie man gerade sieht. Aber Kapitalistenvertretung trifft es gut, und es ist gar nicht monothematisch, sondern wirkt sich als Ideologie auf alle Sachgebiete aus.

Wir sehen das, was kommt, heute mit einer gewissen Ruhe, man kann fast sagen, Abgeklärtheit. Wir wissen, dass wir aus dieser Mühle nicht ohne Weiteres herauskommen werden. Die FDP ist immer mit dabei, wenn es darum geht, wo man Menschen für vorgebliche Freiheitsrechte ihre tatsächlichen Sozialrechte nehmen kann. Auch, wenn es zur GroKo kommen sollte. So weit von Milei und Musk, wie CDU-Chef Merz vorgibt, wird auch die nächste Regierung nicht entfernt sein, egal, ob mit oder ohne FDP.  Die Versuchung ist zu groß, das Rad der Geschichte ein Stück weiter zurückzudrehen, und der Einfluss derer, die das wollen, ist zu groß, als dass Parteien wie die SPD oder die CDU/CSU sich dem entgegenstellen könnten (SPD) oder wollten (Union). Die FDP gewinnt  in diesen Zeiten immer. Das wäre selbst dann so, wenn sie mal für ein paar Jahre keine Abgeordneten gut dotiert in den Bundestag schicken könnte.

TH


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