The Rough House (USA 1917) #Filmfest 1230 #Keaton #BusterKeaton

Filmfest 1230 Cinema – Werkschau Buster Keaton (2)

 The Rough House ist eine US-amerikanische Stummfilmkomödie aus dem Jahr 1917, die von Roscoe „Fatty“ Arbuckle und Buster Keaton geschrieben und inszeniert wurde und in den Hauptrollen die Hauptrollen spielen. [2] The Rough House war Keatons erster Film als Regisseur.[1]

Der zweite Film von Buster Keaton nach „The Butcher Boy“ war schon gleich der erste, den er als Regisseur mitverantwortete. Das hatte bei Chaplin ein bisschen länger gedauert, um den alten, immer frischen Vergleich zu bemühen. Aber es gab bei beiden wohlwollende, großzügige Kollegen. Bei Chaplin war es eine Frau, der vielleicht erste weibliche Komödienstar Mabel Normand, bei Keaton der damals äußerst beliebte Roscoe Arbuckle. Dies bedeutet, spätere Größen profitierten von der fairen Behandlung durch Kollegen, die zum Zeitpunkt des Starts der baldigen Ikonen die größeren Nummen waren.

Es gibt aber noch eine Parallele, unabhängig davon, welchen Chaplin-Film man als seine erste Regie-Arbeit ansieht, dazu gibt es unterschiedliche Angaben: Die ersten Inszenierungen oder Co-Inszenierungen dieser Genies waren eben noch keine Genieblitze und blieben teilweise sogar hinter den Arbeiten von erfahreneren Kräften zurück. Wie sieht es bei „Das raue Haus“ gegenüber „Der Metzgergeselle“ diesbezüglich aus? Dies und mehr besprechen wir in der Rezension.

Handlung (1)

Mr. Rough (Arbuckle) schläft beim Rauchen ein und wacht auf, um sein Bett in Flammen vorzufinden. Er geht ruhig aus seinem Schlafzimmer, durch das Esszimmer und in die Küche. Er holt sich eine Tasse Wasser, kehrt ins Schlafzimmer zurück und wirft sie ins Feuer. Er wiederholt dies mehrmals; Währenddessen trinkt er etwas Wasser, flirtet mit dem Dienstmädchen in der Küche und isst im Esszimmer einen Apfel. Mrs. Rough und ihre Mutter entdecken das Feuer und bestehen auf effektivere Methoden, so dass Rough von einem Gärtner (Keaton) einen Gartenschlauch besorgt. Nachdem er zunächst alles außer dem Feuer bespritzt hat, gelingt es Rough schließlich, es zu löschen.

Ein Lieferjunge (auch Keaton) kommt. Er und die Köchin (St. John) geraten in einen Streit um die Zuneigung des Dienstmädchens und jagen sich gegenseitig durch das ganze Haus, bis Rough sie rauswirft. Ein vorbeikommender Polizist nimmt sie fest und bringt sie zur Polizeiwache, wo der zuständige Beamte sie vor die Wahl stellt: sich der Polizei anzuschließen oder ins Gefängnis zu gehen.

Die Roughs erwarten Dinnergäste. Da Rough keinen Koch hat, muss er das Abendessen zubereiten. Einige seiner Techniken sind kreativ (z. B. das Schneiden von Kartoffeln, indem man sie durch einen Ventilator schiebt), aber andere erweisen sich als katastrophal (z. B. das Servieren einer Suppe mit einem Biskuit). Als er feststellt, dass er keinen Rum mehr hat, gießt er stattdessen Benzin auf das Steak. Er bringt es auf den Tisch und zündet es an, was das Abendessen völlig verdirbt und seine Frau und Schwiegermutter in Verlegenheit bringt.

Die beiden Dinnergäste scheinen distinguiert zu sein, aber in Wirklichkeit sind sie verkappte Diebe. In dem Chaos schleichen sie sich davon und stehlen eine von Mrs. Roughs Halsketten. Glücklicherweise sind sie von einem Beamten in Zivil verfolgt. Er telefoniert mit dem Sender; Der ehemalige Lieferjunge und die Köchin antworten. Sie rennen zum Haus, fallen Hänge hinunter und bleiben im Fall des Lieferjungen an einem Zaun hängen. Währenddessen jagen der Zivilpolizist und Rough, beide bewaffnet und wild schießend, die Diebe rund um das Haus. Als die frisch gebackenen Polizisten eintreffen, verhaften sie die Diebe und Mr. Rough bekommt von dem Mann, der schon länger Polizist ist, die Halskette zurück.

Rezension

Wir bauen hier keinen Spannungsbogen auf, sondern reden gleich Klartext: Nicht, dass „The Butcher Boy“ nach unserer Ansicht ein Meisterwerk zum Niederknien darstellt, aber er ist auf jeden Fall besser als der Keaton-Nachfolger. Was aber auch daran liegt, dass Fatty Arbuckle längere Soloszenen hat, in denen er wirklich glänzen kann, vor allem die Dragszenen des zweiten Teils von „The Butcher Boy“, der in einem Mädchenpensionat spielt. Da kein eine raue Bretterbude mit ein paar rauen Charakteren drin nicht mithalten. Dass Arbuckle dieses Gebäude beinahe in Brand steckt, weil er mit einer brennenden Zigarette einschläft, ist ein Klassiker des Kinos über die Gefahren des Rauchens, aber zum Glück fängt das Bett genau in dem Tempo Feuer, wie es gerade dramaturgisch gebraucht wird, und nicht, wie es in einem Realfall dieser Art ablaufen würde. Man merkt, dass nicht chronologisch geschnitten, vermutlich auch nicht „am Stück“ gefilmt wurde, aber es ist ja eine raue Slapstickkomödie, da ist das nicht so schlimm.

Was mich an dem Film wirklich genervt hat, ist das ständige Auskippen von, herumwerfen mit Lebensmitteln und Geschirr und was alles, was zerbrechen kann, ohne dass die Getroffenen daran zerbrechen. Wie üblich werden manchmal angezielte Personen getroffen, manchmal nicht, was den Kreis der Einbezogenen stetig erweitert, bis es zum Dinner-Break kommt. Mit ihm startet der Film beinahe neu, mit dem Cliffhanger, dass Mr. Rough nun selbst kochen muss, da er seinen bisherigen Koch wegen dessen Annäherungsversuchen an das Dienstmädchen gefeuert hat. Den Lieferjungen hat er gleich mit vergrault, obwohl dieser vorher als Nachbar geholfen hat, das Schlafzimmer zu löschen. Die beiden werden Polizisten. Zunächst dachte ich, sie werden zur Armee gepresst, weil 1917 ist und die USA gerade in den Krieg ziehen. Doch Gefängnis oder Polizist werden als Alternative ist die wohl subversivste Idee dieses Films. Ich finde, das sollte man immer so machen, Kitchen oder fortan als Polizist leben müssen, wenn man etwas ausgefressen hat. 

Damit so etwas komisch wirkt, bedurfte es dafür nur der Aktion? Das kann ich mir selbst bei dem damals offenbar an rudimentären Späßen sehr interessierten Publikum nicht ganz vorstellen. Es brauchte auch bestimmte Typen. Fatty Arbuckle mit seiner Größe, seiner Figur und dem Kindergesicht am oberen Ende derselben war für sich genommen bereits komisch und gibt der Materialschlacht genau das, was sie ist: eine kindische oder kindliche Note. Buster Keaton war zu der Zeit noch nicht der Mann, der niemals lacht, das Steingesicht, sondern hat noch eine recht natürliche Mimik, er grinst und grimassiert lediglich weniger als die anderen. Man kann also sagen, sein Spiel war mehr zukunftsweisend im Sinne der allgemeinen Veränderungen im Film. Sein Markenzeichen war also noch nicht stark ausgeprägt, es konnte ihm also auch nicht das besondere Interesse des Publikums sichern. Vielleicht lässt sich über den „dritten Mann“ der Komikertruppe, die sich da ab 1917 versammelt hatte, einiges entschlüsseln, Al St. John. Robust mussten sie alle sein, denn dieses ständige physische Anecken, das beschmissen werden, das Umkippen, die Rollen rückwärts, immer wieder hinfallen, das konnte man zwar mit versteckten Mitteln etwas dämpfen, aber gerade von Buster Keaton ist bekannt, dass er seine Stunts sehr ernst nahm und sie auch noch selbst ausführte, als er schon so berühmt war, dass eine Verletzung ihn viel Geld kosten konnte. Er hatte sich auch mehrmals bei Dreharbeiten verletzt.

Was Keaton in „The Butcher Boy” schon besser drauf hatte als im Nachfolger, war das Timing. Das Ganze war, vor allem in der zweiten Hälfte, etwas rhythmischer gefilmt als „The Rough House“, in dem schlicht Aktion auf Aktion folgt. In „The Butcher Boy“ tritt die Frau mehr in den Vordergrund, um die es (auch) geht und es gibt ein paar geradezu niedliche Momente zwischen ihr und Arbuckle. In „The Rough House“ gibt es kein Techtelmechtel, vielmehr ist Alice Lake, die das umworbene Ladenbesitzerstochter-Idol darstellt, schon Arbuckles Ehefrau, und es geht wenig romantisch und sehr sachlich zu, Tochter und Schwiegermutter übernehmen das Kommando, nachdem der Ehemann beinahe das Haus angezündet hat. Das ist verständlich, aber nicht so komisch wie das mehlwurfreiche Werben dreier liebenswerter oder weniger liebenswerter Spinner im Film zuvor.

Trotzdem ist Arbuckle hier noch die treibende Kraft, die vermutlich auch hinter den besten Gags des Films steckt. Ob dieser Ich-lösch-die-große-Flamme-mit-der-kleinen-Tasse-Gag wirklich so gut ist? Ich mag so etwas komischerweise nicht besonders. Vielleicht wegen des Feuers, aber das ist eine andere Geschichte. Ansonsten beruht der Slapstick ja in weiten Teilen auf kognitiver Dissonanz – aber am besten dann, wenn sie innovativ wirkt. Die Suppe mit einem Schwamm an die Gäste zu verteilen, das ist wirklich innovativ und es funktioniert blendend. Wenn die Suppe nicht mundet, kann man sie mit dem Schwamm so vom Teller wischen, dass er blitzblank aussieht und alles wieder in der Suppenschüssel ist. Das ist in gewisser Weise sehr ökonomisch gedacht und gemacht.

Außerdem ist „The Rough House“ nicht besonders gut geschnitten, die Szenenanschlüsse passen nicht immer.

Wie viele amerikanische Filme dieser Zeit wurde auch The Rough House von den städtischen und staatlichen Filmzensurbehörden gekürzt. Das Chicago Board of Censors schnitt die Szene heraus, die den Diebstahl von Perlen aus dem Film zeigt. [3]

Die Diebstahlszene ist in der von mir gesichteten Internetausstellung des Films enthalten, aber es könnten ja andere Momente fehlen, in denen es doch etwas zu deftig zuging. Jedenfalls fehlten in dieser Datei etwa drei Minuten zum Orginal (19 anstatt 22), etwas Längeres habe ich nicht gefunden. Bei diesen sehr alten Filmen stimmen der Stand der damaligen Technik und das, was man sieht, nicht immer überein, weil hier und da an den Filmen herumgefummelt wurde. Nun ist das bei einer solchen Slapstickiade nicht ganz so dramatisch wie bei einem Kunstfilm, bei dem eine fließende Schnitttechnik zu den Merkmalen eines Meisters zählen könnte, der den Film inszeniert hat. Bei anderen, deren Filme oft vollständig erhalten sind, weiß man, dass sie nicht in erster Linie die Filmtechnik weiterentwickeln wollten, zu ihnen zählt Charles Chaplin Bei Buster Keaton war das schon etwas anders, er war ein sehr filmisch und innovativ denkender Typ, der das Medium zunehmend für individuelle, markante Gags nutzte. Von denen hier aber noch nicht viel zu sehen ist.

Dafür sehen wir etwas anderes, was mich wirklich schockiert hat. Dieses Werfen mit Lebensmitteln mag man ekelig finden, aber hier wurde mir blümerant. Ich weiß seit diesem Film, dass Charles Chaplin nicht der Erfinder des legendären Brötchentanzes ist. Zwei Brötchen, mit je einer Gabel aufgespießt und wie  die Füße einer Tänzerin bewegt.

Chaplin hat diesen Gag viel mehr ausgeführt, weiterentwickelt, aber sein Erfinder könnte acht Jahre vor „Der Goldrausch“ Roscoe „Fatty“ Arbuckle gewesen sein. „Könnte“ deshalb, weil ich nicht weiß, ob er sich diesen wirklich schönen Gag, den man zu einem liebenswerten Sketch ausbauen kann, wie Chaplin bewies, nicht selbst irgendwo abgeschaut hat. Jedenfalls müssen wir die Brötchengag-Erfindung jetzt vom Jahr 1925 auf das Jahr 1917 zurückdatieren und festhalten: Von nichts kommt nichts. Und es kommt nicht immer alles aus dem Kopf eines Genies. Das Genie lebt auch oft von der Kopie, und natürlich davon, eben nicht nur eine Kopie zu erstellen, sondern eine Verbesserung zu inszenieren. Ähnlich, wie die Japaner deutsche Produkte kopiert und dann günstiger anzubieten. Was bei Chaplin sicher nicht der Fall war, als der Multimillionär, der er 1925 längst war und bei den Kosten für „Gold Rush“ gegenüber Two-Reelern der absoluten Klamotte-Ära. Obwohl auch Arbuckle damals als führender Komiker viel Geld verdiente, man  hat auch zu bedenken, dass der Brötchentanz bei Chaplin viel länger dauerte und daher, wenn man es rein zeitlich sieht, viel mehr vom Budget verschlang. Vor allem, wenn der Regisseur Chaplin heißt und die Erstellung eines Films sich ziehen und ziehen konnte,  weil er kreative Pausen brauchte, eine schon 80-mal gedrehte Szene noch nicht perfekt fand, von seinem Liebesleben verfolgt wurde etc.; eine Diva eben. 

Finale

Anstatt „Finale“ könnte man bei diesen Komödien auch den Schlussteil der Rezension so einleiten: Musste ich lachen? Ich habe immer wieder Angst, dass mir in diesem Welt- und Lebensgetriebe die Fähigkeit, über Blödsinn hemmungslos lachen zu können, doch langsam abhandenkommt. Es ist richtig stressig, manchmal. Lache ich nun oder nicht, und liegt es, wenn nicht, am Film oder liegt es an mir, an meiner Entwicklung und möglicherweise sogar an der Tagesform? 

Es gab dieses Mal eine Stelle, an der ich lachen musste, ich habe aber leider schon vergessen, welche es war. Und das, obwohl ich nach längerer Zeit mal wieder eine Rezension direkt nach dem Anschauen schreibe. Vielleicht musste ich mich auch erst einmal ins lachen wollen einfinden, weil mir diese Lebensmittel-Materialschlacht auf die Nerven ging. Ich verstehe erst allmählich, worauf amerikanischer Humor wirklich aufbaut und wie er sich im Film der 1910er zu manifestieren begann. So gesehen, war es ein großes Glück, dass Chaplin Engländer war, wie auch Cary Grant, der für mich zu den größten Komödianten überhaupt zählt und in manchen Filmen sogar zeigte, dass er den Slapstick beherrschte. Und wir wollen Stan Laurel nicht vergessen, den Großmeister des Slow Burn, den kreativen Kopf des Duos Laurel & Hardy, der sich die atemberaubenden Kaskadengags des Duos ausdachte. Sie alle brachten offenbar die Prise britischen Humors ins amerikanische Kino, die es satirisch und wirklich witzig machte. 

Ein Nachtrag  zum Lachen anlässlich der Veröffentlichung der Rezension: Es kam kürzlich wieder zur Sichtung eines Films, der mir dasLachen wiedergab: „The Mask of Zorro“ mit Douglas Fairbanks. Welch ein großer Komödiant dieser Star war, hatte ich bis dahin nicht ganz im Sinn, weil seine berühmtesten Filme Abenteuer- und Kostümproduktionen sind. Aber wenn solche Genres auch komödiantisch angelegt sind, vielleicht sogar mit ein paar physischen Gags, also Slapstick angereichert, stellen sie für mich jede reine Gagparade in den Schatten, gleich ob als Abenteuer-Actionvariante oder als Screwball-Comedy. Und das hat ja auch Chaplin später ausgemacht, dass er über die reine Produktion von Lachnummern hinausgehen konnte.

55/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

[1] Das raue Haus – Wikipedia

Regie:
Drehbuch
  • Roscoe Arbuckle
  • Buster Keaton
  • Joseph Anthony Roach

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